TE Vwgh Beschluss 2018/5/29 Ra 2017/15/0023

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Veröffentlicht am 29.05.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
UStG 1994 §2 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision der Pfarrpfründe St. X in L, vertreten durch die K&E Wirtschaftreuhand GmbH in 8010 Graz, Hofgasse 3, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 20. Jänner 2017, Zl. RV/2100540/2016, betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2009, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, die Pfarrpfründe X, hat nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts ab 2004 umfangreiche Umbau- und Sanierungsarbeiten an den in ihrem Alleineigentum stehenden Kanzlei-, Seminar-, Besprechungs-, Pastoral- und Nebenräumen durchgeführt. Die Umbaukosten beliefen sich auf insgesamt 1.051.341,18 EUR + USt. Der Gebäudekomplex besteht aus dem rund 555 m2 großen Pfarrheim sowie weiteren vermieteten Wohnungen (Ausmaß 29% der Gesamtfläche, die laut Betriebskostenaufstellung an zwei Praktikanten, einen Mesner und die Kirchenbeitragsstelle vermietet werden). Laut verbindlichem Mietangebot wurde ab Juli 2005 das Pfarrheim (Größe rund 609 m2) an die Stadtpfarrkirche X um 645 EUR/Monat (inklusive Betriebskosten von 619,05 EUR) vermietet.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht - im fortgesetzten Verfahren nach dem Erkenntnis des VwGH vom 10. März 2016, 2013/15/0222 - die (nunmehrige) Beschwerde der Revisionswerberin betreffend Nichtanerkennung der Nutzungsüberlassung der Räumlichkeiten an die Pfarrkirche X als unternehmerische Tätigkeit abgewiesen. Begründend führte es aus, der VwGH habe im Revisionsfall zu Recht erkannt, dass für die Vermietungstätigkeit einer Körperschaft öffentlichen Rechts eine Untergrenze für Mietentgelte im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 bestehe, deren Erreichen das Bundesfinanzgericht im fortgesetzten Verfahren zu prüfen habe. Dabei habe der VwGH unter Verweis auf seine Erkenntnisse vom 11. Dezember 1996, 94/13/0025, und vom 3. September 2008, 2003/13/0086, festgehalten, dass eine Überlassung gegen einen bloßen "Anerkennungszinssatz" oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht ausreiche, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen. Die näher angeführte Rechtsprechung zum Zivilrecht gehe davon aus, dass die Verpflichtung zur Zahlung eines Entgelts der Annahme eines Leihvertrages (Bittleihe) dann nicht entgegenstehe, wenn das geleistete Entgelt so niedrig gehalten sei, dass es gegenüber dem Wert der Benützung praktisch nicht mehr ins Gewicht falle. Der Charakter einer Bittleihe werde nach ständiger Rechtsprechung nämlich dadurch nicht geändert, dass für die überlassene Sache ein "Anerkennungszins" geleistet werde. Dabei werde im Sinn der zivilrechtlichen Rechtsprechung der Entgeltcharakter etwa ab einem Verhältnis 1:10 zu verneinen sein.

3 Im Revisionsfall sei für 609 m2 ein Mietentgelt von 645 EUR/Monat (inklusive Betriebskosten von 619,05 EUR) vereinbart worden. Das ergebe eine Nettomiete exklusive Betriebskosten von 25,95 EUR. Dieses Mietentgelt sei schon nach dem allgemeinen Verständnis als "Anerkennungszins" zu verstehen. Auch vom VwGH sei eine entgeltliche Vermietung für den Fall verneint worden, in dem geringfügige Mehreinnahmen über den Betriebskosten erzielt worden seien (Hinweis auf VwGH 11.12.1996, 94/13/0025).

4 Auch erreiche das Mietentgelt der Höhe nach bei Weitem nicht die 10% des angemessenen Mietzinses, die der OGH für die Annahme eines Mietverhältnisses fordere. Da eine genaue Vergleichsmiete naturgemäß nicht einfach zu ermitteln sei, könne näherungsweise der Mietpreisspiegel des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder der WKÖ herangezogen werden. Für das Jahr 2007 liege dabei die Büroraummiete im betreffenden Bezirk mit einem einfachen Nutzwert bei 4 EUR pro m2. Tatsächlich handle es sich bei den vermieteten Räumlichkeiten um neu renovierte Gebäude, die wahrscheinlich einen guten (5,9 EUR) bzw. sehr guten (6,3 EUR) Nutzwert hätten. Die Räumlichkeiten würden allerdings für pastorale Zwecke genutzt, was wiederum einen Abschlag rechtfertige. Aus diesem Grund könne für die hier angestrebten Vergleichswerte der einfache Nutzwert herangezogen werden. Für 609 m2 pastorale Räume wären damit laut Mietpreisspiegel bei einfachem Nutzwert mindestens 2.436 EUR zu zahlen. Die 29,95 EUR, die tatsächlich vereinbart worden seien, machten rechnerisch 1,23 % der "angemessenen Miete" aus und seien damit so weit von den vom OGH geforderten 10% entfernt, dass sich weitere Überlegungen über die angemessene ortsübliche Miete erübrigten.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des VwGH ab, weil das Entgelt des Mietvertrages mit der Stadtpfarre X kein "Anerkennungszins" sei, sondern die höchstgerichtlich definierte Untergrenze für eine Anerkennung als umsatzsteuerliche Vermietung iSd § 2 Abs. 3 UStG 1994 sehr wohl überschreite.

6 Die Revision erweist sich als unzulässig.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. März 2016, 2013/15/0222, - unter Verweis auf frühere Rechtsprechung - ausgesprochen hat, reicht eine Überlassung gegen einen bloßen Anerkennungszins oder gegen Ersatz der Betriebskosten nicht aus, um einen zivilrechtlichen Bestandvertrag und damit eine umsatzsteuerliche Vermietung im Sinne des § 2 Abs. 3 UStG 1994 zu begründen. Wird eine für die Anerkennung eines Mietvertrages zivilrechtlich erforderliche Mindestmiete nicht erreicht, kann nicht von einem entgeltlichen Mietverhältnis ausgegangen werden und ist die Gebrauchsüberlassung dem Hoheitsbereich der Körperschaft öffentlichen Rechts zuzuordnen.

11 Mit dem vorliegenden Erkenntnis hat das Bundesfinanzgericht die im ersten Rechtsgang teilweise fehlenden Feststellungen zu den revisionsgegenständlichen Überlassungen für die Streitjahre getroffen und sich im Lichte der obigen Rechtsprechung mit dem Vorliegen eines entgeltlichen Mietverhältnisses näher auseinandergesetzt.

12 Dabei hat das Bundesfinanzgericht bei der streitgegenständlichen Überlassung von insgesamt 609 m2 Nutzfläche einen monatlichen Bruttozins von 645 EUR (inklusive Betriebskosten von 619,05 EUR) festgestellt, was einen monatlichen Nettozins exklusive Betriebskosten von 25,95 EUR ergebe. Soweit das Bundesfinanzgericht darin einen bloßen Anerkennungszins erblickt hat, ist es nicht von der Rechtsprechung des VwGH abgewichen (vgl. VwGH vom 10.3.2016, 2013/15/0222, sowie 3.9.2008, 2003/13/0086).

13 Soweit die Revision ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung zu einem unzulässigen Austausch von Wiederaufnahmegründen geltend macht, ist sie lediglich darauf zu verweisen, dass mit dem angefochtenen Erkenntnis nicht über die Wiederaufnahme der Verfahren abgesprochen wurde.

14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 29. Mai 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150023.L00

Im RIS seit

27.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.08.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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