TE Vwgh Erkenntnis 2018/6/6 Ra 2018/03/0041

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Veröffentlicht am 06.06.2018
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

GmbHG §16a;
GmbHG §17 Abs3;
VStG §9;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2018/02/0129 E 20. Juni 2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des M P in W, vertreten durch Dr. Georg Kahlig und Mag. Gerhard Stauder, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Siebensterngasse 42/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 19. Februar 2018, Zl. LVwG- 2016/21/1449-7, betreffend Übertretung des Tiroler Landespolizeigesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Imst), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, aufgrund einer Beschwerde des Revisionswerbers gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst ergangenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber unter anderem einer Verletzung des § 19 Abs. 1 Tiroler Landes-Polizeigesetz (im Folgenden: Tir. LPG) schuldig erkannt (soweit im angefochtenen Erkenntnis auch über Übertretungen des Tir. Veranstaltungsgesetzes entschieden wurde, wird über die Revision der nach der Geschäftsverteilung zuständige Senat des Verwaltungsgerichtshofes entscheiden). Der Revisionswerber habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der S. GmbH und somit als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher zu verantworten, dass im Zeitraum vom 12. März 2016, 23.20 Uhr bis zum 13. März 2016, 00.45 Uhr in einem näher bestimmten Lokal in S ein Raum (in näher umschriebener Weise) zur Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution überlassen wurde, obwohl dies gemäß § 14 lit. c Tir. LPG außerhalb der behördlich bewilligten Bordelle verboten sei. Für diese Übertretung wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt.

Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die ordentliche Revision "nicht unzulässig" sei; ausweislich der unter der Zwischenüberschrift "Unzulässigkeit der ordentlichen Revision" vorgenommenen Begründung dieses Spruchpunkts, in der - wenn auch lediglich allgemein und damit nicht gesetzmäßig ausgeführt - dargelegt wird, aus welchen Gründen die ordentliche Revision unzulässig sei, ergibt sich, dass es sich bei der Formulierung des Zulässigkeitsausspruches um eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG handelt und die Revision nicht als zulässig erklärt wurde.

In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses gibt das Verwaltungsgericht zunächst die gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst erhobene Beschwerde sowie einen weiteren Schriftsatz des Revisionswerbers wörtlich wieder. Unter der Zwischenüberschrift "Sachverhaltsfeststellung" gibt das Verwaltungsgericht sodann vor der Polizeiinspektion S getätigte Aussagen zweier Tänzerinnen, einen Bericht dieser Polizeiinspektion über einen Ortsaugenschein und einen veranstaltungsrechtlichen Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S jeweils im Wortlaut wieder. Daran anschließend stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Imst vorgeworfenen Handlungen "tatsächlich so stattgefunden haben, wie eben in diesem Erkenntnis beschrieben". Schließlich stellt das Verwaltungsgericht fest, dass die S. GmbH zum Tatzeitpunkt das Lokal betrieben habe. Geschäftsführer der S. GmbH sei "laut Auszug aus dem Unternehmensregister" der Revisionswerber gewesen. Selbst nach eigenen Angaben habe dieser "seine Geschäftsführertätigkeit gegenüber dem Firmenbuch" erst mit Schreiben vom 17. April 2016 zurückgelegt. Festzustellen sei daher, dass der Revisionswerber vom 29. September 2015 bis zumindest 17. April 2016 Geschäftsführer der S. GmbH gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht, soweit hier maßgeblich, aus, dass der Revisionswerber als im Firmenbuch gemeldeter Geschäftsführer der S. GmbH zum Tatzeitpunkt auf jeden Fall verantwortlich gewesen sei. Solange er im Firmenbuch aufrecht als Geschäftsführer gemeldet sei, treffe ihn die Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 1 VStG für die von ihm vertretene juristische Person.

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision mit dem Antrag, es wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde hat eine als Revisionsbeantwortung bezeichnete Äußerung erstattet, in der sie auf das angefochtene Erkenntnis verweist und beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision - soweit sich diese auf die Übertretung des Tir. LPG bezieht - erwogen:

3 Die Revision bringt zur Begründung der Zulässigkeit vor, dass die rechtliche Beurteilung, wonach den Revisionswerber die Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 1 VStG für die von ihm vertretene juristische Person solange treffe, als er im Firmenbuch aufrecht als Geschäftsführer gemeldet sei, der ständigen Rechtsprechung widerspreche.

4 Die Revision ist aus dem damit aufgezeigten Grund zulässig; sie ist auch berechtigt:

5 Der Revisionswerber hat zwar noch in seiner Beschwerde vorgebracht, er habe am 4. März 2016 für 18. März 2016 - also nach dem Tatzeitpunkt - eine außerordentliche Generalversammlung der S. GmbH einberufen, für die unter anderem die Zurücklegung seiner Geschäftsführertätigkeit als Tagesordnungspunkt vorgesehen gewesen sei. In einem weiteren, noch vor der mündlichen Verhandlung eingebrachten Schriftsatz an das Verwaltungsgericht hat er jedoch - mit seinem früheren Vorbringen in Widerspruch stehend - vorgebracht, er habe am 12. November 2015 - somit vor dem Tatzeitpunkt - in einem persönlichen Gespräch gegenüber dem Alleingesellschafter der S. GmbH seinen Rücktritt als Geschäftsführer der S. GmbH erklärt und dieser habe den Rücktritt angenommen. Zum Beweis dieses Vorbringens gab der Revisionswerber auch die Namen und (teilweise) die Adressen von vier Personen an, die nach seinem Vorbringen bei diesem Gespräch anwesend gewesen seien, und er ersuchte, diese Personen als Zeugen einzuvernehmen.

6 Gemäß § 16a GmbHG können Geschäftsführer unbeschadet der Entschädigungsansprüche der Gesellschaft ihnen gegenüber aus bestehenden Verträgen ihren Rücktritt erklären; liegt ein wichtiger Grund hiefür vor, kann der Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt werden, sonst wird der Rücktritt erst nach Ablauf von 14 Tagen wirksam. Der Rücktritt ist gegenüber der Generalversammlung, wenn dies in der Tagesordnung angekündigt wurde, oder gegenüber allen Gesellschaftern zu erklären. Der Rücktritt kann auch mündlich erklärt werden (vgl. OGH 17.07.1997, 6 Ob 2371/96m). Die verwaltungsrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 VStG besteht für die Dauer der Organfunktion, also ab dem Zeitpunkt der (wirksamen) Bestellung bis zu deren (wirksamer) Beendigung (Abberufung). Auf eine allfällige Firmenbucheintragung kommt es - infolge deren bloß deklarativer Wirkung - nicht an (VwGH 25.8.2017, Ra 2017/17/0202; vgl auch OGH 6.3.2015, 12 Os 156/13b, wonach die Eintragung im Firmenbuch zum Schutz des guten Glaubens Dritter im geschäftlichen Verkehr bestimmt ist und es für die Frage allfälliger strafrechtlicher Haftung als Geschäftsführer auf den Stand des Firmenbuchs nicht ankommt; § 17 Abs. 3 GmbHG greift im öffentlichen Recht nicht).

7 Das Verwaltungsgericht hat aufgrund seiner unzutreffenden Rechtsansicht keine Feststellungen dazu getroffen, ob der behauptete Rücktritt des Revisionswerbers als Geschäftsführer am 12. November 2015 tatsächlich stattgefunden hat. Damit kann aber auch nicht abschließend beurteilt werden, ob der Revisionswerber zum Tatzeitpunkt als zur Vertretung der S. GmbH nach außen berufenen handelsrechtlicher Geschäftsführer verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich war.

8 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzugeben.

9 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

10 Die Entscheidung über die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis, soweit sich dieses nicht auf die Übertretung des Tir. LPG bezieht, bleibt einer gesonderten Beschlussfassung des dafür nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senates des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten.

Wien, am 6. Juni 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018030041.L00

Im RIS seit

26.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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