TE Vwgh Erkenntnis 2018/5/23 Ra 2017/05/0010

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Veröffentlicht am 23.05.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §19
VStG §22
VStG §22 Abs2
VwGG §47 Abs3

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2017/05/0011 E 26.06.2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Leoben gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 6. Dezember 2016, Zl. LVwG 30.24-2017/2016-9, betreffend Bestrafung nach dem AWG 2002 (mitbeteiligte Parteien: 1. DI R S und 2. L GmbH, beide in L, beide vertreten durch die Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Parkstraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses wird hinsichtlich der zweiten und der dritten Übertretung insgesamt, hinsichtlich der ersten Übertretung in Bezug auf den Strafausspruch sowie hinsichtlich des Kostenbeitrages für das Verwaltungsstrafverfahren wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Ein Aufwandersatz findet nicht statt.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 18. April 2015 wurden dem Erstmitbeteiligten insgesamt 27 Verwaltungsübertretungen folgendermaßen zur Last gelegt:

Ort:

Firma L GmbH, O...

Ihre Funktion:

Handelsrechtlicher Geschäftsführer und daher als gem. § 9 Abs 1 VStG Verantwortlicher

Die Firma ‚L GmbH‘, O..., Firmenbuchnummer: FN: ..., betreibt am Standort L auf dem Gelände der Verbandskläranlage L, auf Grundstück Nr. 214, KG M..., gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft eine Behandlungsanlage zur Verwertung von biogenen Abfällen. Diese wurde mit Bescheiden des Amtes der Stmk. Landesregierung, Fachabteilung 13A, vom 22.11.2007, GZ: ..., vom 08.08.2008, GZ: FA ..., sowie vom 12.01.2012, GZ: ..., gemäß § 37 AWG 2002 abfallrechtlich genehmigt.

Als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) zur Vertretung nach außen Berufener der ‚L GmbH‘ tragen Sie in diesem Zusammenhang die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für die nachstehend aufgezählten Verwaltungsübertretungen:

1. bis 15. Übertretung

Tatzeitpunkt:

Tatort:

01.07.2014

02.07.2014

03.07.2014

04.07.2014

09.07.2014

10.07.2014

01.09.2014

02.09.2014

04.09.2014

05.09.2014

18.09.2014

22.09.2014

24.09.2014

25.09.2014

26.09.2014

... L..., O... 1

Die Beschreibung der Anlage bzw. des Betriebes auf Seite 61 und 62 des Bescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, GZ: ..., lautet folgendermaßen:

‚Notausschleusung von nur mechanisch entwässertem Klärschlamm: Zur Hintanhaltung der Geruchsemission werden Container verwendet, die mit einer dichten Plane, die abgerollt werden kann, abgedeckt werden. Auf dieser Plane ist in der Mitte des Containers eine Muffe integriert, in welche das verlängerte Abwurfrohr des rein mechanisch entwässerten Klärschlammes gesteckt wird. Mit einer Überwurfmuffe wird dies gesichert. Das verlängerte Abwurfsrohr von rein mechanisch entwässertem Klärschlamm wird an die Abluftleitung angeschlossen und mit einer geringfügigen Luftabsaugmenge (25-30 m3/h) beaufschlagt, sodass ein leichter Unterdruck im Container herrscht.‘

Entgegen dieser Beschreibung erfolgte am 01.07.2014, am 02.07.2014, am 03.07.2014, am 04.07.2014, am 09.07.2014, am 10.07.2014, am 01.09.2014, am 02.09.2014, am 04.09.2014, am 05.09.2014, am 18.09.2014, am 22.09.2014, am 24.09.2014, am 25.09.2014 sowie am 26.09.2014 in der verfahrensgegenständlichen Abfallbehandlungsanlage der Abwurf von nur mechnisch entwässertem Klärschlamm in nicht abgedeckte und nicht abgesaugte Container. Die verfahrensgegenständliche Abfallbehandlungsanlage wurde somit von der ‚L GmbH‘ an den oben genannten 15 Tagen nicht in einer dem Genehmigungsbescheid des Amts der Steiermärkischen Landesregierung am 12.01.2012, GZ: ..., entsprechenden Form betrieben, ohne dass für diese Abweichung eine Genehmigung gemäß § 37 AWG 2002 erteilt worden war.

Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 79 Abs. 1 Ziffer 9 AWG 2002 in Verbindung mit dem Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, GZ: ...

Geldstrafe:

jeweils EUR 4.400,00 (im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)

ergibt einen Gesamtbetrag von € 66.000,00 (Gesamtersatzarrest 75 Tage)

Gemäß:

§ 79 Abs 1 Ziffer 9 AWG 2002

16. Übertretung

Tatzeit:

02.07.2014 von 17:43 bis 03.07.2014 - 7:59

Tatort:

... L..., O... 1

Die Beschreibung der Anlage bzw. des Betriebes auf Seite 233 und 234 des Bescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, ..., lautet folgendermaßen:

‚NOT-Austrag Trocknungsanlage und Notausschleusung von nur mechanisch entwässertem Klärschlamm/Gärrest:

Betreffend möglicher Geruchsemissionen ist festzuhalten, dass eine geschlossene Schnecke zum Einsatz gelangt und in Silos oder geschlossene Container ausgebracht werden soll und die Container eine Absaugung mit Abluftführung über den Biofilter erhalten. Container werden nicht im Freien gelagert, wenn eine Zwischenlagerung notwendig ist, erfolgt diese in der Annahmehalle. Mögliche Geruchsemissionen werden so entsprechend dem Stand der Technik möglichst hintangehalten.‘

Abweichend von der oben wiedergegebenen Beschreibung erfolgte in der verfahrensgegenständlichen Abfallbehandlungsanlage die Lagerung von Substraten im obgenannten Zeitraum in einem offenen bzw. nicht abgedeckten Container im Freien.

Die verfahrensgegenständliche Abfallbehandlungsanlage wurde somit von der ‚L GmbH‘ in diesem Zeitraum nicht in einer dem Genehmigungsbescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, GZ: ..., entsprechenden Form betrieben, ohne dass für diese Abweichung eine Genehmigung gemäß § 37 AWG 2002 erteilt worden war.

Dadurch wurden jeweils folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 79 Abs 1 Ziffer 9 AWG 2002 in Verbindung mit dem Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, GZ: ...

Geldstrafe:

jeweils EUR 4.400,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit jeweils 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)

Gemäß:

§ 79 Abs 1 Ziffer 9 AWG 2002

17. bis 22. Übertretung

Tatzeit:

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23.07.2014 (von 07:20:52 Uhr bis 07:23:53 Uhr),

15.10.2014 (von 17:12:59 Uhr bis 17:14:11 Uhr),

13.02.2015 (von 07:27:37 Uhr bis 07:30:31 Uhr),

18.02.2015 (von 07:28:08 Uhr bis 07:31:26 Uhr),

25.02.2015 (von 07:33 Uhr bis 07:39 Uhr)

26.02.2015 (von 07:41 Uhr bis 08.04 Uhr)

Tatort:

... L..., O...1

Auflagenpunkt Nr. 25 auf Seite 11 des Bescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, GZ: FA13A-38.10-75/2009-410, Fachbereich Emissions- und Maschinentechnik, lautet folgendermaßen:

Tankdeckel und äquivalente Verschlüsse der Silobehälter der anliefernden Tankwägen sowie Container zur Anlieferung potentiell geruchsintensiver Substrate sind außerhalb der Anlieferungshalle stets geschlossen zu halten. Der Nachweis der diesbezüglichen Unterweisung der anliefernden LKW-Fahrer ist in der Betriebsanlage aufzubewahren. Das Reinigen von Silotanks am Anlagengelände ist nicht zulässig.

Entgegen diesem Auflagenpunkt waren

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am 23.07.2014 (von 07:20:52 Uhr bis 07:23:53 Uhr),

am 15.10.2014 (von 17:12:59 Uhr bis 17:14:11 Uhr),

am 13.02.2015 (von 07:27:37 Uhr bis 07:30:31 Uhr),

am 18.02.2015 (von 07:28:08 Uhr bis 07:31:26 Uhr),

am 25.02.2015 (von 07:33 bis 07:39 Uhr) sowie

am 26.02.2015 (von 07:41 Uhr bis 08:04 Uhr)

außerhalb der Anlieferungshalle im Bereich der Entladestelle für flüssige Abfälle der verfahrensgegenständlichen Abfallbehandlungsanlage Tankdeckel eines anliefernden Tankwagens geöffnet.

Der gegenständliche Auflagenpunkt wurde jedenfalls an den oben genannten Tagen nicht erfüllt.

Dadurch wurden jeweils folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 79 Abs 2 Ziffer 11 AWG 2002 in Verbindung mit Auflagenpunkt Nr. 25 auf Seite 11 des Bescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, GZ: ...

Geldstrafe:

jeweils EUR 2.300,00 (im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)

ergibt einen Gesamtbetrag von € 13.800,00 (Gesamtersatzarrest 18 Tage)

Gemäß:

§ 79 Abs 2 Ziffer 11 AWG 2002

23. bis 27. Übertretung

Tatzeit:

07.02.2014 (von 14:37:47 Uhr bis 15:03:22 Uhr)

25.04.2014 (von 07:11:13 Uhr bis 07:12:23 Uhr)

07.07.2014 (von 07:35:45 Uhr bis 07:45:28 Uhr)

18.12.2014 (von 17:31:01 Uhr bis 17:31:17 Uhr)

13.03.2015 (von 12:40 Uhr bis 13:25 Uhr)

Tatort:

... L..., O... 1

Auflagenpunkt Nr. 4 auf Seite 4 des Bescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, GZ: ..., Fachbereich Abfalltechnik, lautet folgendermaßen:

‚Sämtliche Sektionaltore und Türen der Anlieferungshalle müssen bei der Manipulation (einschließlich der Entladung) von Abfällen und während der Dauer der Reinigung der Fahrzeuge geschlossen gehalten werden.‘

Gegen diesen Auflagenpunkt wurde folgendermaßen verstoßen:

?    Am 07.02.2014 (von 14:37:47 Uhr bis 15:03:22 Uhr) wurden in der Anlieferungshalle Manipulationen vorgenommen, während das Hallentor der Anlieferungshalle durchgehend offen war.

?    Am 25.04.2014 (von 07:11:13 Uhr bis 07:12:23 Uhr) wurde in der Anlieferungshalle ein Radlader mit Dampfstrahler gesäubert, während das Hallentor der Anlieferungshalle offen war.

?    Am 07.07.2014 (von 07:35:45 Uhr bis 07:45:28 Uhr) wurden in der Anlieferungshalle mit einem Radlader Manipulationen vorgenommen, während das Hallentor der Anlieferungshalle offen war.

?    Am 18.12.2014 (von 17:31:01 Uhr bis 17:31:17 Uhr) wurden in der Anlieferungshalle ebenfalls mit einem Radlader Manipulationen vorgenommen, während das Hallentor der Anlieferungshalle offen war.

?    Am 13.03.2015 (von 12:40 Uhr bis 13:25 Uhr) war das Tor im Bereich der Anlieferungshalle offen, während in der Anlieferungshalle Manipulationen sowie Reinigungsarbeiten an Fahrzeugen vorgenommen wurden.

Dadurch wurde(n) folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

§ 79 Abs 2 Ziffer 9 AWG 2002 in Verbindung mit Auflagenpunkt Nr. 25 auf Seite 11 des Bescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.01.2012, GZ: ...

Geldstrafe:

jeweils EUR 2.300,00 (im Fall der Uneinbringlichkeit jeweils 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe)

ergibt einen Gesamtbetrag von € 11.500,00 (Gesamtersatzarrest 15 Tage)

Gemäß:

§ 79 Abs 2 Ziffer 11 AWG 2002

Verfahrenskosten:

Ferner haben Sie als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 Prozent der verhängten Strafe, zu bezahlen.

Verfahrenskosten:

EUR 9.570,00

Gemäß:

§ 64 Abs 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG)

Der zu zahlende Geldbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) beträgt

daher: EUR 105.270,00

Die Firma L GmbH, O..., ... L..., haftet für diese über Herrn DI R S verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten im angeführten Ausmaß zur ungeteilten Hand.

Gemäß: § 9 Abs 7 VStG“

2        Begründend wurde, soweit hier noch wesentlich, ausgeführt, abgesehen von der Übertretung 16 seien in dem im Spruch genannten Zeitraum immer wieder neue Tathandlungen gesetzt worden, die der Erstmitbeteiligte als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten habe. Für einen einheitlichen Willensentschluss zur Begehung und Aufrechterhaltung des konsenslosen Zustandes über den gesamten Zeitraum fänden sich keinerlei Hinweise, womit ein fortgesetztes Delikt auszuschließen sei. Der Erstmitbeteiligte sei daher für jede Tat gesondert zu bestrafen. Im Übrigen habe der Vertreter des Erstmitbeteiligten der Ansicht der Behörde mit seiner Eingabe vom 22. März 2013 unter Bezugnahme auf die Spruchpraxis des Landesverwaltungsgerichtes zugestimmt, dass von einem fortgesetzten Delikt nicht ausgegangen werden könne.

3        Nach unbelegten Angaben des Vertreters des Erstmitbeteiligten beziehe dieser ein durchschnittliches jährliches Nettoeinkommen von € 60.000,--. Er habe Sorgepflichten für zwei minderjährige Kinder im Alter von 11 und 13 Jahren, sei Miteigentümer eines Einfamilienhauses und habe Schulden in unbekannter Höhe. Hinsichtlich der Strafbemessung seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Erstmitbeteiligten insofern berücksichtigt worden, als die Strafbemessung im unteren Bereich erfolgt sei. Als strafmildernd sei nichts berücksichtigt worden, als strafmildernd (gemeint offenbar: straferhöhend) die einschlägigen Verwaltungsvormerkungen im Zusammenhang mit dem Betrieb der gegenständlichen Anlage. Die Zweitmitbeteiligte sei gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig. Auf Grund der einschlägigen Vormerkungen des Erstmitbeteiligten habe aus spezialpräventiven Gründen mit der Verhängung der Mindeststrafe nicht das Auslangen gefunden werden können.

4        Mit Erkenntnis vom 22. Oktober 2015 habe das Landesverwaltungsgericht Steiermark über ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben entschieden, mit welchem dem Erstmitbeteiligten ebenfalls die Nichteinhaltung von Bescheidauflagen im Zusammenhang mit dem Betrieb der gegenständlichen Abfallbehandlungsanlage zur Last gelegt worden sei. Dabei sei ein Großteil der Verwaltungsübertretungen wegen mangelnder Strafwürdigkeit „behoben“ und das Straferkenntnis in nur vier Fällen bestätigt worden.

5        Hinsichtlich der Übertretungen 18 bis 23 habe der Erstmitbeteiligte zwar unterfertigte Betriebsanweisungen an die Entsorgungsunternehmen vorgelegt und erklärt, laufend deren Einhaltung zu kontrollieren, über die bloße Behauptung hinaus aber nicht dargelegt, wie sein Kontrollsystem funktioniere, um als tauglich qualifiziert zu werden. Hinsichtlich der restlichen Übertretungen sei ein Kontrollsystem nicht einmal behauptet worden.

6        Bei Außerachtlassung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 22. Oktober 2015 sei die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes (hier: Nachbarn der Betriebsanlage sollten durch Geruchsemissionen nicht beeinträchtigt werden) jedenfalls nicht gering. Wenngleich die Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes infolge der einzelnen relativ kurzen Tathandlungen als gering zu werten sei, sei dennoch festzuhalten, dass durch die mehrfache Wiederholung gleichartiger Übertretungen das Verschulden des Erstmitbeteiligten nicht als gering beurteilt werden könne. Es habe ihm zweifellos bewusst sein müssen, dass er gegen rechtskräftige behördliche Auflagen verstoße.

7        Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Erstmitbeteiligte Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark.

8        Mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Erkenntnisses wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 18. April 2015 hinsichtlich der 16. Übertretung behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

9        Mit Spruchpunkt II.1. wurde das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 18. April 2015 dahingehend geändert, dass die 1. bis 15. Übertretungen zur 1. Übertretung, die 17. bis 22. Übertretungen zur 2. Übertretung und die 23. bis 27. Übertretungen zur 3. Übertretung zusammengefasst wurden.

10       Für die 1. Übertretung wurde die verletzte Rechtsvorschrift durch die Zitierung des § 79 Abs. 1 Z 11 AWG 2002 (in Verbindung mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 12. Jänner 2012) richtiggestellt.

11       Unter Spruchpunkt II.2. wurde die Geldstrafe für die 1. Übertretung mit € 2.100,--, im Uneinbringlichkeitsfall drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe, für die 2. Übertretung mit € 2.100,--, im Uneinbringlichkeitsfall drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und für die 3. Übertretung mit € 2.100,--, im Uneinbringlichkeitsfall drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe, neu festgesetzt.

12       Dadurch vermindere sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren auf € 630,--. Dieser Kostenbeitrag sowie die neu festgesetzten Geldstrafen seien binnen zwei Wochen ab Zustellung bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

13       Der Haftungsausspruch gemäß § 9 Abs. 7 VStG betreffend die L GmbH bleibe aufrecht.

14       Unter Spruchpunkt III. wurde eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

15       Begründend wurde nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, es gebe schriftliche Betriebsanweisungen an die Mitarbeiter und es fänden regelmäßige Besprechungen statt (sogenannte „Mittwoch-Meetings“), in welchen auch auf die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung der Rechtsvorschriften hingewiesen werde. Der Erstmitbeteiligte bzw. der zweite Geschäftsführer und auch Ing. W kontrollierten abwechselnd vor Ort die Arbeitsvorgänge (in der Regel zweimal täglich, dies zwei- bis dreimal die Woche). Da das Betriebsgelände sehr weitläufig sei, sei es nicht möglich, das Geschehen ständig unter Beobachtung zu halten. Obwohl die Mitarbeiter geschult seien und generell auch die Anweisungen befolgten, könne es schon vorkommen, dass bei Manipulationsarbeiten oder ähnlichen Vorgängen beispielsweise die Tore offen seien. Es werde dann umgehend auf das Erfordernis des Geschlossenhaltens der Tore hingewiesen. Die Betriebsanlage werde im Dreischichtbetrieb gefahren, sodass es auch im Lichte der Weitläufigkeit nicht gelinge, jederzeit und aktuell die Einhaltung der Auflagen zu kontrollieren.

16       Dem Erstmitbeteiligten sei es durchaus bewusst, dass nicht ständig und aktuell die Einhaltung der Auflagen kontrolliert werden könne. Es sei in Kauf genommen worden, dass es bei den Arbeitsvorgängen auch wiederkehrend zur Verletzung von Auflagen kommen könne. Aus diesem Grund sei auch ein Verfahren zur Änderung der Anlage anhängig.

17       Weiters führte das Verwaltungsgericht aus, das vorhandene interne Kontrollsystem werde den Anforderungen nicht vollständig gerecht. Zwar existierten Instruktionen und würden auch Schulungen abgehalten, ausreichend wirksame Kontrollen könnten aber nicht durchgeführt werden. Das Kontrollsystem sei daher nicht so beschaffen, dass es die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund auch dann erwarten lasse, wenn die Verstöße ohne Wissen und Willen des verantwortlichen Organs begangen würden.

18       Schutzzweck der verletzten Auflagen sei, dass Geruchsemissionen möglichst nicht entstünden. Dies treffe auch für die gegenständlichen Abweichungen vom Genehmigungskonsens zu. Der Schutzzweck sei nicht erst verletzt, wenn die Nachbarn durch Gerüche tatsächlich belastet würden, sondern bereits dann, wenn am Ort des Entstehens der Gerüche diese nicht möglichst hintangehalten würden. Es liege allerdings keine grobe Schutzzweckverletzung vor, wenn eine Geruchsbelastung außerhalb der Anlage in der Umgebung (in der Nachbarschaft) nicht stattfinde.

19       Vor dem Hintergrund der hg. Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt ließen sich die unter 1. bis 15. vorgeworfenen Übertretungen, weiters die unter 17. bis 22. vorgeworfenen Übertretungen und letztlich die unter 23. bis 27. vorgeworfenen Übertretungen infolge der Gleichartigkeit der Begehungsform jeweils zu einer einheitlichen Tat zusammenfassen. Insoweit seien nur drei Verwaltungsübertretungen zu ahnden. Zwar habe die Bezirkshauptmannschaft Leoben das Vorliegen eines Gesamtvorsatzes verneint, sie habe jedoch in den Ausführungen zur Strafbemessung gleichzeitig zu erkennen gegeben, dass es dem Erstmitbeteiligten zweifellos bewusst gewesen sein müsse, dass er gegen rechtskräftige behördliche Auflagen verstoße. Das Ermittlungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht habe dazu aber zweifelsfrei ergeben, dass es dem Erstmitbeteiligten im Lichte des nicht vollständig wirksamen Kontrollsystems durchaus bewusst gewesen sei, dass nicht sämtliche Vorschreibungen der Genehmigungsbescheide jederzeit und aktuell eingehalten würden. Er habe es auch durchaus in Kauf genommen, dass es des öfteren zu Verletzungen von Auflagen des Genehmigungsbescheides bzw. zum Abweichen vom genehmigten Konsens kommen werde. Damit sei für die zusammengefassten drei Verwaltungsübertretungen auch das Vorliegen des Gesamtvorsatzes erweislich.

20       Zur Strafbemessung sei zusätzlich zu den grundsätzlich nicht zu beanstandenden Ausführungen der Bezirkshauptmannschaft Leoben noch darauf Bedacht zu nehmen, dass als strafmildernd das Tatsachengeständnis des Erstmitbeteiligten zu werten sei sowie der Umstand, dass die Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes (die Schutzzweckverletzung) gering sei.

21       In Anbetracht sämtlicher objektiver und subjektiver Strafbemessungsgründe sei auch unter Berücksichtigung des gesetzlichen Strafrahmens die verhängte Geldstrafe im Mindestausmaß - trotz einschlägiger Verwaltungsvormerkungen - schuld- und tatangemessen. Ein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe könne nicht festgestellt werden, sodass eine außerordentliche Milderung der Strafe gemäß § 20 VStG nicht in Betracht zu ziehen sei. Auch lägen keine Umstände vor, die eine Ermahnung gemäß § 45 VStG rechtfertigen könnten.

22       Der Verfahrenskostenbeitrag sei entsprechend zu reduzieren gewesen.

23       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, es in seinen Spruchpunkten II.1. und II.2. und III. aufzuheben.

24       Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.

25       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

26       Die Revision ist in Anbetracht der Fragen, ob fortgesetzte Delikte vorliegen und ob die Strafbemessung rechtens erfolgt ist, zulässig.

27       In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht irre in der Annahme einer zeitlichen Kontinuität bei den neu zusammengefassten Übertretungen. Es sei von Delikt zu Delikt verschieden, wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein dürfe, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können. In besonderem Maße hänge es von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend sei, dass die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss getragen würden. Die Einzelfallbetrachtung spreche im vorliegenden Fall gegen die Annahme von fortgesetzten Begehungsdelikten. Selbst jene Delikte, die am jeweils folgenden Tag begangen worden seien, stellten isoliert betrachtet Einzeldelikte dar, die dem Kumulationsprinzip entsprechend einzeln zu ahnden seien.

28       Im Falle des Nachweises, dass zwischen den einzelnen Tathandlungen Maßnahmen zur Vermeidung der Übertretung gesetzt worden seien, stehe dies der Annahme einer zeitlichen Kontinuität entgegen. Das Verwaltungsgericht habe richtig festgestellt, dass es schriftliche Betriebsanweisungen an die Mitarbeiter gegeben habe und regelmäßig Besprechungen stattgefunden hätten, in denen auch auf die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung der Rechtsvorschriften hingewiesen worden sei. Der Erstmitbeteiligte sowie der zweite Geschäftsführer und auch Ing. W hätten abwechselnd vor Ort die Arbeitsvorgänge (zwei- bis dreimal pro Woche) kontrolliert. Die Mitarbeiter seien geschult und befolgten generell die Anweisungen. Allerdings sei ausdrücklich festgestellt worden, dass es auf Grund des Dreischichtbetriebes und der Weitläufigkeit der Betriebsanlage dem Beschuldigten nicht gelinge, jederzeit und aktuell die Auflageneinhaltung zu kontrollieren. Durch diese zutreffenden Feststellungen sei klar, dass Maßnahmen zur Vermeidung der Übertretungen gesetzt worden seien. Auch wenn die zeitlichen Intervalle zwischen den Tatbegehungen zum Teil nur einen Tag betragen hätten, spreche das Etablieren der engmaschigen Kontrollmaßnahmen, die jeden Tag und somit auch zwischen den einzelnen Tatbegehungen eingerichtet worden seien, im Sinne der Einzelfallbetrachtung gegen das Vorliegen einer zeitlichen Kontinuität. Sämtliche Delikte seien daher unabhängig voneinander zu bestrafen. Abgesehen davon lägen die Tatzeiten einiger zusammengefasster Delikte so weit auseinander, dass eine Zusammenfassung zu einem Delikt generell rechtswidrig sei.

29       Ein einheitlicher Willensentschluss fehle in den gegenständlichen Fällen. Der allgemeine Entschluss, eine Reihe gleichartiger strafbarer Handlungen bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu begehen, reiche nicht aus, um subjektiv einen Fortsetzungszusammenhang zu begründen. Es lasse sich kein vom Vorsatz des Erstmitbeteiligten umfasstes Gesamtziel erkennen, das durch die Teilakte hätte erreicht werden sollen. Vielmehr habe der bedingte Vorsatz des Erstmitbeteiligten darin bestanden, bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die Vorschriften des Genehmigungsbescheides zu verstoßen. Ein Fortsetzungszusammenhang fehle völlig.

30       Das Verwaltungsgericht habe es unterlassen, den Umstand einer Fortsetzung der strafbaren Handlungen durch längere Zeit als Erschwerungsgrund entsprechend zu würdigen. Für alle drei zusammengefassten Delikte sei die Mindeststrafe ausgesprochen worden. Dies konterkariere das System der Strafbemessung und der Kumulation und würde im Ergebnis dazu führen, dass Täter, die Delikte über lange Zeiträume begingen, gegenüber anderen wesentlich bevorzugt wären. Im Sinne eines generalpräventiven Ansatzes wären Täter motiviert, fortgesetzte Delikte zu begehen. Es sei somit jeweils eine höhere Strafe als die Mindeststrafe zu verhängen.

31       Weiters negiere das Verwaltungsgericht die zahlreichen einschlägigen, auf derselben schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen des Erstmitbeteiligten. Auch wenn es auf die Vorstrafen verweise, sehe es dennoch die Verhängung von Geldstrafen im Mindestmaß unzutreffenderweise als angemessen an. Der Erstmitbeteiligte sei nach dem im Akt liegenden Verwaltungsvorstrafenauszug mittlerweile als mehrfach vorbestraft auf Grund verschiedener Übertretungen nach dem AWG 2002 anzusehen, die allesamt auf derselben schädlichen Neigung beruhten. Die Verhängung der Mindeststrafe sei auch insoweit nicht nachvollziehbar, als bei vergangener wiederholter Tatbegehung bereits die Mindeststrafe im Sinne dieses Erschwerungsgrundes nicht mehr ausgesprochen worden sei. Eine Rückkehr zur Mindeststrafe würde daher sämtlichen Grundsätzen der Strafbemessung widersprechen.

32       § 79 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002, BGBl. I Nr. 102, in der Fassung BGBl. I Nr. 103/2013 sowie BGBl. I Nr. 193/2013 lautet auszuweise:

Strafhöhe

§ 79. (1)

...

(2) Wer

...

9.   Aufträge oder Anordnungen gemäß § 31 Abs. 2 Z 2, § 51 Abs. 1 oder 2 oder § 53 Abs. 2 nicht befolgt,

...

11.  die gemäß § 43 Abs. 4, § 44, § 54 Abs. 2 oder § 58 Abs. 2 vorgeschriebenen Auflagen, Bedingungen oder Befristungen oder die Auflagen, Bedingungen oder Befristungen der gemäß § 77 übergeleiteten Bescheide oder die gemäß § 48 Abs. 1 vorgeschriebenen Befristungen nicht einhält,

...

begeht, - sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist - eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 450 € bis 8 400 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 2 100 € bedroht.

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33       § 19 VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

Strafbemessung

§ 19. (1) Grundlage für die Bemessung der Strafe sind die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.“

34       § 22 VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013 lautet:

Zusammentreffen von strafbaren Handlungen

§ 22. (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.

(2) Hat jemand durch mehrere selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen.“

35       Vorweg ist festzuhalten, dass Beschreibungen in den Projektsunterlagen, die in den Bewilligungsbescheid aufgenommen wurden, soweit sie Verpflichtungen des Anlagenbetreibers umschreiben, Bedingungen im Sinn des § 79 Abs. 2 Z 11 AWG 2002 gleichzuhalten sind (vgl. VwGH 26.9.2013, 2013/07/0047, mwN).

36       Beim Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsübertretungen gilt nach § 22 Abs. 2 erster Satz VStG das Kumulationsprinzip. Danach ist grundsätzlich jede gesetzwidrige Einzelhandlung, durch die der Tatbestand verwirklicht wird, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht, abgesehen vom Dauerdelikt, beim fortgesetzten Delikt. Ein solches liegt vor, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen auf Grund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters zu einer Einheit zusammentreten. Als objektive Voraussetzung für ein fortgesetztes Delikt müssen sowohl gleichartige Einzelhandlungen als auch ein Angriff auf dasselbe Rechtsgut gegeben sein, und die einzelnen Handlungen dürfen nicht durch einen zu großen Zeitraum unterbrochen werden. Darüber hinaus müssen die Einzelakte im Sinne der subjektiven Komponente von einem einheitlichen Willensentschluss getragen sein (vgl. VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108, mwN).

37       Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einem fortgesetzten Delikt sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und hängt im besonderen Maß von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass die einzelnen Tathandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss getragen werden. Der einheitliche Willensentschluss bzw. das Gesamtkonzept des Täters ist der Entschluss, sich fortgesetzt in bestimmter Weise rechtswidrig zu verhalten, und muss alle vom Täter gesetzten Einzelhandlungen umfassen (vgl. wiederum VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108, mwN).

38       In der Regel kommt das fortgesetzte Delikt nur im Bereich der Vorsatzdelinquenz in Betracht. Allerdings kann auch im Bereich der Fahrlässigkeitsdelinquenz die wiederholte Verwirklichung des gleichen Tatbestands im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges als tatbestandliche Handlungseinheit beurteilt werden (vgl. auch dazu VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108).

39       Die Nichteinhaltung von bescheidmäßigen Vorschriften kann ein fortgesetztes Delikt darstellen, wenn die dafür maßgeblichen Kriterien erfüllt sind (vgl. VwGH 14.11.1989, 88/04/0243 u.a.; 10.9.1991, 88/04/0311).

40       Wie bereits ausgeführt, kommt es wesentlich auf das Gesamtkonzept des Täters an. Von Bedeutung ist es daher, ob der Täter durch ein nach außen hin in Erscheinung tretendes Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass er das der Tat zu Grunde liegende Gesamtkonzept seines Verhaltens geändert hat. Auch eine längere Unterbrechung ist für sich allein noch nicht geeignet, eine Änderung des Gesamtkonzeptes des Täters zu indizieren (vgl. VwGH 23.5.1995, 95/04/0022). Eine Fortsetzung scheidet aus, wenn erkennbar ist, dass der Täter zwischen den einzelnen Tathandlungen Maßnahmen zur Vermeidung der Übertretungen gesetzt hat (vgl. VwGH 9.8.2006, 2003/10/0053).

41       Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Gesagten, dass hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht zusammengefasst bestraften Deliktes 1 der zeitliche Zusammenhang der einzelnen Tathandlungen im Sinne eines fortgesetzten Deliktes jedenfalls gegeben ist (vgl. auch den VwGH 23.5.1995, 95/04/0022, zugrundeliegenden Fall). Entgegen der Auffassung der Revision kann diesbezüglich auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Erstmitbeteiligte nach außen hin zu erkennen gegeben hat, sein Gesamtkonzept geändert zu haben; dies insbesondere deshalb, weil das von der Revision ins Treffen geführte Kontrollsystem offenkundig mangelhaft war, sodass sich daraus, ähnlich wie beim Fehlen eines Kontrollsystems überhaupt, kein Rückschluss darauf ziehen lässt, dass der Erstmitbeteiligte erkennbar das der Tat zu Grunde liegende Gesamtkonzept nicht mehr verfolgt hätte. Hinsichtlich des Deliktes 1 kann dem Verwaltungsgericht somit nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn es ein fortgesetztes Delikt angenommen hat.

42       In Bezug auf die Delikte 2 und 3 kann Gleichartiges im Hinblick auf die größeren Zeitabstände der angelasteten Tatbegehungen nicht ohne weiteres angenommen werden. Diesbezüglich hätte es jedenfalls einer näheren Begründung bedurft, weshalb ein Fortsetzungszusammenhang gegeben sein soll, der sämtliche angelasteten Einzelhandlungen umfasst (vgl. VwGH 25.1.1993, 91/10/0063).

43       Zur Strafbemessung ist der Revision Recht zu geben, dass hinsichtlich der „einschlägigen Verwaltungsvormerkungen“ ein Begründungsmangel vorliegt, und zwar schon deswegen, weil das Verwaltungsgericht nicht konkret anführt, von welchen einschlägigen Verwaltungsvormerkungen es ausgegangen ist und weshalb dennoch die Verhängung der Mindeststrafe angemessen sein sollte.

44       Bei einem fortgesetzten Delikt kommt für die Strafbemessung im Übrigen auch dem Umstand Bedeutung zu, wie oft und in welchem zeitlichen Ausmaß und unter welchen Verhältnissen die Übertretung erfolgt ist (VwGH 13.10.1981, 3349/80, VwSlg. 10558 A; 4.11.1983, 83/04/0165). Zwar kann bei einem fortgesetzten Delikt der Erschwerungsgrund der Wiederholung nicht vorliegen (vgl. 10558A; 8.8.1996, 96/10/0069), sehr wohl aber der Erschwerungsgrund der Fortsetzung der strafbaren Handlung durch längere Zeit (VwGH 12.5.1980, 1204/79), wobei diesbezüglich als Untergrenze ein Vierteljahr angesehen werden kann (vgl. VwGH 8.8.1996, 96/10/0069). Das Verwaltungsgericht hat es verabsäumt, bei der Strafbemessung auf diese Aspekte einzugehen.

45       Wenn schließlich in der Revisionsbeantwortung dargelegt wird, dass bei wiederholten Tatbestandsverwirklichungen das Fehlen eines Kontrollsystems für den Beschuldigten von Vorteil wäre, weil damit mangels erkennbarer Aufgabe des Gesamtvorsatzes grundsätzlich von einem einheitlichen Delikt (fortgesetzten Delikt) auszugehen wäre, ist darauf hinzuweisen, dass das Fehlen eines Kontrollsystems jedenfalls auf die Schuld des Verpflichteten und damit auch auf die Strafbemessung Auswirkungen hat (vgl. nochmals VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108). Gleiches wird zu gelten haben, wenn ein Kontrollsystem eingerichtet wurde, von dem der Täter wusste oder wissen musste, dass es unzulänglich ist.

46       Das angefochtene Erkenntnis war daher hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht angelasteten Deliktes 1 in Bezug auf den Strafausspruch, hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht angelasteten Delikte 2 und 3 insgesamt sowie hinsichtlich des Kostenbeitrages für das Verwaltungsstrafverfahren wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Im Übrigen (hinsichtlich des Schuldspruches zu Delikt 1) war die Revision gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

47       Ein Kostenersatz findet nicht statt, weil Mitbeteiligte nach § 47 Abs. 3 VwGG Anspruch auf Aufwandersatz nur im Fall der Abweisung der Revision insgesamt haben (vgl. VwGH 3.5.2017, Ra 2016/03/0108).

Wien, am 23. Mai 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017050010.L00

Im RIS seit

06.08.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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