TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/12 W228 2146875-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.06.2018
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Entscheidungsdatum

12.06.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §10
VOG §3
VOG §5

Spruch

W228 2146875-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Reinhard SEITZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerhard SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX 1965, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservices, Landesstelle Wien, vom 27.12.2016, GZ: XXXX , betreffend Abweisung der Anträge vom 08.07.2014 auf Ersatz des Verdienstentganges sowie vom 25.02.2015 auf orthopädische Versorgung und Gewährung von Selbstbehalten für Rehabilitation gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 3, § 3 , § 5 Abs. 1, § 5a sowie § 10 Abs. 1 VOG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Am 08.07.2014 brachte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem österreichischen Verbrechensopfergesetz ein. Sie gab an, zwischen 1967 - 1983 in diversen Kinderheimen untergebracht gewesen zu sein. Dort sei sie Opfer schwerer körperlicher Gewalt sowie sexuellen Missbrauchs und Gefangenschaft geworden. Außerdem habe sie an Schlafentzug durch das ständige Aufwecken der Erzieherinnen gelitten, sodass sie epileptische Anfälle gehabt habe; das Sprunggelenk sei ihr durch Tritte zerschmettert worden; sie habe ohne Lohn arbeiten müssen, keine Ausbildung erhalten und keine Lehre abschließen können. Weiters führte sie an, dass sie als "behindert" geführt worden sei. Nach der Heimentlassung sei sie von 1983 - 1990 obdachlos gewesen. Den Hauptschulabschluss habe sie sodann beim AMS nachgeholt und eine Ausbildung als Heimhilfe absolviert. Aufgrund dessen leide sie heute an Panikattacken, Angst in geschlossenen Räumen, Angst vor vielen Menschen sowie an Konzentrationsproblemen und habe sie von den physischen Misshandlungen Narben davon getragen. Zudem habe sie Sprachstörungen und Flashbacks, leide an körperlichen Beeinträchtigungen und habe aufgrund der schweren körperlichen Arbeit und Misshandlungen Schlafstörungen. Zuletzt führte sie noch an, dass sie auch Probleme mit den Bandscheiben habe und unter Asthma leide.

Dem Antrag legte die Beschwerdeführerin eine Einverständniserklärung, Kopien ihres Jugendamtsaktes sowie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen sowie Kopien von Scheidungsvergleichen vor und gab an, dass sie eine Entschädigungsleistung vom Weissen Ring in Höhe von € 25.000,-

bekommen habe, wobei sie das entsprechende Entschädigungsschreiben beilegte. Von der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich habe sie ebenfalls finanzielle Hilfe in Höhe von € 25.000 sowie Therapie im Ausmaß von 20 Stunden zugesprochen bekommen. Weiters legte die Beschwerdeführerin Clearingberichte des Weissen Rings vom 09.12.2010, 19.01.2011 und 20.12.2012 bei. Des Weiteren fügte sie ihrem Antrag ein Interview vom 17.02.2012, durchgeführt von einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, betreffend ihre Zeit im Kinderheim Schloss Wilhelminenberg hinzu.

Am 21.10.2014 langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme der Psychotherapeutin der Beschwerdeführerin in Bezug auf den Grund ihrer Therapie, der Art ihrer psychischen Probleme sowie deren Ursache(n), Auswirkungen und Diagnose ein. Als Diagnose führte die Psychotherapeutin ICD 10 F 41.2 und F43.1 an.

Laut Bescheid der PVA vom 07.01.2015 liegt bei der Beschwerdeführerin keine dauerhafte Invalidität vor. Jedoch wurde ihr medizinische Rehabilitation zur Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit aufgrund ihrer vorübergehenden Invalidität ab 01.09.2014 gewährt. Dieser Bescheid beruht auf dem ärztlichen Gutachten vom 26.11.2014, wonach eine komplexe Traumafolgestörung mit wahnhafter Störung, ICD-10: F 22.0, bei der Beschwerdeführerin diagnostiziert worden sei.

Am 25.02.2015 brachte die Beschwerdeführerin einen weiterführenden Antrag auf Heilfürsorge in Form von Selbstbehalt der Rezeptgebühr und Reha-Aufenthalte als auch auf eine Brille im Rahmen der orthopädischen Versorgung ein.

Am 17.03.2015 kam die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde vorbei und fügte ihrem Akt Unterlagen zum Rehabilitationsgeld, eine Brillenrechnung, eine Rezeptrechnung sowie eine Rechnung über einen Kuraufenthalt bei. In Hinblick auf den Kausalzusammenhang der Kosten für die benötigte Brille und den Geschehnissen im Heim gab sie an, dass dies schwer beweisbar sei. Sie führte dahingehend aber aus, dass ihre orthopädischen Probleme auf die schwere Arbeit, welche sie während ihrer Heimaufenthalte verrichten habe müssen, zurückzuführen sei. So sei sie beispielsweise auch auf ihr Kreuz geschlagen worden. Von ihrem Selbstmordversuch mittels Fenstersprung aus dem 2. Stock habe sie ebenso Verletzungen davongetragen. Weiters teilte sie mit, dass sie als Kind nie beim Augenarzt gewesen sei.

Am 24.03.2015 teilte die Beschwerdeführerin der belangten Behörde telefonisch mit, dass sie ihren Antrag auf Übernahme der Selbstbehalte in Bezug auf die Rezeptgebühr zurückziehe, da sie nun rezeptgebührenbefreit sei.

Am 08.05.2015 sowie am 20.08.2015 legte die Beschwerdeführerin weitere Befunde vor.

Zur Abklärung der Fragen, welche psychischen Gesundheitsschädigungen verbrechenskausal sind, wurde seitens des Sozialministeriumservice ein nervenfachärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX eingeholt. Nach diesem Gutachten vom 21.12.2015 liege bei der Beschwerdeführerin eine rezidivierende depressive Störung mit Panikattacken, gegenwärtig remittiert, vor. Außerdem sei eine mediumistische Psychose mit vorwiegend akustischen Halluzinationen erkennbar. Die Gesundheitsschädigungen seien jedoch als akausal zu bewerten. Es sei aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht unmöglich, die einzelnen Belastungen abzuwägen und zu gewichten, zumal ein Teil der Ereignisse weit zurückliege. Infolgedessen sei daher anzunehmen, dass sich eine psychische Erkrankung, in gegebenen Fall eine rezidivierende depressive Störung, auch ohne den Einfluss des Verbrechens entwickelt hätte. Die gegenwärtige Arbeitsunfähigkeit bestehe aufgrund einer komplexen Traumafolgestörung mit wahnhafter Störung, welche jedoch in kausalem Zusammenhang mit der desaströsen familiären Situation und der Heimaufnahme an sich anzusehen sei. Hinweise, wonach die Beschwerdeführerin in ihrem Berufsverlauf bzw. einer besseren Ausbildung gehindert worden sei, würden sich keine ergeben.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde der Akt der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Ausstellung eines Behindertenpasses angefordert. Laut Bescheid vom 21.07.2015 sei bei ihr ein Grad der Behinderung von 30 % festgestellt worden, weshalb ihr Antrag abzuweisen gewesen sei. Dieser Bescheid wurde jedoch mit Beschluss des BVwG vom 28.08.2015 behoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen. Laut nervenfachärztlichem Sachverständigengutachten vom 15.02.2016 leide die Beschwerdeführerin an paranoider Schizophrenie Residualzustand mit fehlender sozialer Integration. Dies würde einen Grad der Behinderung von 50 % darstellen. Zusätzlich sei bei ihr, laut den Unterlagen in Ihrem Behindertenpassakt, Asthma bronchiale bei overlap chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, eine degenerative Veränderung der Wirbelsäule, ein Zustand nach knöcherner Sprunggelenksverletzung links sowie eine Funktionseinschränkung beider Schultergelenke erkennbar. Demzufolge liege ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 % bei ihr vor.

Mit Parteiengehör vom 14.04.2016 wurde der Beschwerdeführerin das Gutachten des Dr. XXXX vom 21.12.2015 übermittelt, wobei sie drüber in Kenntnis gesetzt wurde, dass ihr Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 3 VOG nicht bewilligt werden wird.

In ihrer Stellungnahme vom 26.04.2016 zum Parteiengehör gab die Beschwerdeführerin an, dass sie mit Herrn Dr. XXXX telefoniert habe, wobei dieser ihr mitgeteilt habe, dass ihm ein Irrtum unterlaufen sei. So sei nicht die Beschwerdeführerin, sondern ihre Mutter, laut Bericht und Unterlagen in ihrem Jugendamtsakt, "am Strich" gegangen. Zudem führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihr Stiefvater sie vergewaltigt habe und sie dies ihrer Mutter erzählt habe, woraufhin es zu einer körperlichen Auseinandersetzung mit ihrer Mutter gekommen sei. Aufgrund dessen sei sie dann zu ihrer Großmutter geflüchtet. Der Lebensgefährte ihrer Mutter hätte diese Vergewaltigung an seinem Sterbebett auch zugegeben. Dies würden auch ihre Schwester, XXXX , sowie deren Lebensgefährte bezeugen können. Außerdem übergab die Beschwerdeführerin dem Sozialministeriumservice eine Kopie eines Bescheids der Pensionsversicherungsanstalt vom 20.04.2016, woraus hervorgeht, dass der Anspruch der Beschwerdeführerin auf Rehabilitationsgeld aus der Krankenversicherung mit 31.05.2016 ende und vorübergehende Invalidität nicht mehr vorliege. Vielmehr bestehe ab 01.06.2016 Anspruch auf Invaliditätspension.

Am 27.04.2016 bestätigte die Schwester der Beschwerdeführerin, dass die Beschwerdeführerin von ihrem Stiefvater vergewaltigt worden sei.

Am 27.06.2016 legte die Beschwerdeführerin einen Bescheid der PVA vom 16.06.2016 vor, mit welchem ihr ab 01.05.2016 Pflegegeld in der Höhe der Stufe 1 zuerkannt wurde.

Mit Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2016 teilte Dr. XXXX , mit, dass die vorgebrachten Einwendungen der Beschwerdeführerin eingesehen, geprüft und gewertet worden seien, jedoch zu keiner Neubewertung oder Überarbeitung des Gutachtens vom 21.12.2015 führen würden.

Am 27.12.2016 erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, mit welchem die Anträge der Beschwerdeführerin vom 08.07.2014 auf Ersatz des Verdienstentganges und vom 25.02.2015 auf orthopädische Versorgung und Gewährung von Selbstbehalten für Rehabilitation gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 3, § 3, § 5 Abs. 1, § 5a sowie § 10 Abs. 1 VOG abgewiesen wurden. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass nicht in Zweifel gezogen werde, dass die Beschwerdeführerin während ihrer Kindheit und Jugend Opfer von Misshandlungen und sexuellem Missbrauch geworden sei. Das Vorliegen von rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlungen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG könne mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, dass die Gesundheitsschädigungen mit der nach dem VOG maßgeblichen Wahrscheinlichkeit auf die festgestellten Verbrechen zurückzuführen wären. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Verdienstentganges sowie für die Übernahme der Kosten einer Rehabilitation seien daher nicht erfüllt. Das Ansuchen um Verdienstentgang könne nicht bewilligt werden, da das Vorliegen eins verbrechenskausalen Verdienstentganges zum Zeitpunkt der Antragstellung (bzw. Antragsfolgemonat August 2014) im fiktiven schadenfreien Verlauf nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Bezüglich der beantragten orthopädischen Versorgung in Form der Kostenübernahme für eine Brille sei anzumerken, dass die Beschwerdeführerin keinerlei Angaben machen bzw. Unterlagen vorlegen habe können, aus denen hervorgehe, dass sie aufgrund bestimmter Misshandlung nun einer Brille bedürfe. Sie habe lediglich angegeben, dass sie als Kind nie beim Augenarzt gewesen sei. Aufgrund dessen könne aber auf kein rechtswidriges und vorsätzliches Delikt im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG geschlossen werden und könne daher die Kostenübernahme für eine Brille im Wege der orthopädischen Versorgung nicht bewilligt werden.

Gegen diesen Bescheid vom 27.12.2016 erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 31.01.2017 fristgerecht Beschwerde. Begründend wurde ausgeführt, dass sie von November 1967 bis Dezember 1983 in diversen Kinderheimen untergebracht gewesen sei und dort Gewalt sowie Missbrauch erlebt habe. Sie habe keine Chance auf eine normale Schulbildung gehabt. Am 04.12.1983 sei sie aus dem Heim entlassen worden und sei auf der Straße gestanden. Sie sei dann fünfmal verheiratet gewesen, von einem Mann zum anderen gezogen, damit sie ein Dach über dem Kopf hatte, sie habe aber auch viel Gewalt erlebt. Im Jahr 1990 habe sie dann einen Kurs gemacht und sei Heimhilfe geworden; sie habe jedoch immer Krankenschwester werden wollen. Sie habe unter Paniktattacken und Depressionen gelitten, sodass sie ihrer Arbeit als Heimhilfe nicht mehr nachgehen habe können. Heute bekomme sie Invaliditätspension, habe Angstzustände und Flashbacks. Sie habe einen Behindertenausweis von 50% und Pflegestufe 1.

Die Beschwerde wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 07.02.2017 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Am 23.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung mit folgendem Inhalt statt: (BF: XXXX ; R:

Mag. Harald Wögerbauer)

[...]

R: Das SMS hat Ihren Anspruch auf Verdienstentgang abgelehnt. Ich habe nun vor, anhand Ihrer Beschwerde einige Punkte zuerst abzuklären und zum Schluss noch die Vorgänge in den Heimen genauer abzufragen. Wenn Sie eine Pause brauchen, weil die Fragen zu aufwühlend sind, sagen Sie bitte Bescheid.

In der Beschwerde wehren Sie sich gegen den ablehnenden Bescheid. Sie führen aus, dass sie zwischen "November 1967 und Dezember 1983 in diversen Kinderheimen untergebracht waren". In wie vielen Kinderheimen waren sie in diesem Zeitraum untergebracht?

BF: Ich war 18 Monate las ich ins Heim gekommen bin. Ich war verwahrlost, laut Heimakt und mit Exkrementen verschmiert. Zuerst in die Küst, Liebhartstal, dann Wilhelminenberg. Dann bin ich von Wilhelminenberg nach Stiefern am Kamp. Die wollten uns nicht und ich kam wieder nach Küst. Danach war ich in Klosterneuburg, dann in Brunn am Gebirge, dann im Schwestern von guten Hirten in Salzburg, da bin ich davon gelaufen. Von dort aus bin ich wieder nach Brunn am Gebirge gekommen und dann wurde ich auf die Straße gesetzt und war Obdachlos. Ich hatte kein Gewand am Laib. Ich musste daher dann in die Küst fahren, damit ich dann ein Gewand bekomme. Ich glaube, ich habe damals einen Mantel und einen Rock bekommen, das ist sicher.

R: Wieso waren Sie in so vielen Heimen untergebracht, wie kam es dazu?

BF: Ich bin 18 Monaten ins Heim gekommen. Ich habe keine Ahnung. Eine Erzieherin in Klosterneuburg hat gesagt, dass ich unschuldig bin. Für mich war das nicht nachvollziehbar, warum ich im Heim bin. Ich wurde anscheinend in einem Studienversuch nuklear-medizinisch behandelt. Damals habe ich die Akten ausheben lassen und meiner Therapeutin der Frau Löw gegeben.

R: Im Bescheid der Behörde ist von einer Abneigung Ihrer Mutter Ihnen gegenüber die Rede. Wie äußerte sich diese?

BF: Ich hatte kein Verhältnis zu meiner Mutter. Ich habe, als sie verstorben ist, nicht einmal geweint. Ich habe natürlich das Begräbnis organisiert und auch bezahlt. Ich wurde auch von meinem Stiefvater sexuell missbraucht. Meine Mutter hat aber gesagt, dass sie da keine Anzeige macht. Meine Mutter war viel in Gasthäusern und mit Männern unterwegs. Sie wissen, was ich meine.

R: Ja, Prostituierte.

R: Können Sie sich erklären, wie es zu dieser Abneigung kam?

BF: Die Abneigung kam eben durch die Vergewaltigung. Wir haben uns alle getroffen, als wir erwachsen waren, meine Schwester, meine Mutter, mein Stiefvater und ich, mein Schwager war auch noch dabei. Ich habe ihn angeschrien und gesagt, dass er endlich die Wahrheit sagen soll. Er hat dann die Vergewaltigung zugegeben. Meine Schwester hat beim Bundessozialamt der Frau XXXX zugegeben, dass ich missbraucht wurde.

R: Hat Ihre Mutter ein Kind verloren?

BF: Nein. Laut Heimakt hat sie nur mit der Polizei telefoniert. Ich war mit meiner Oma bei der Polizei. Sie hat mir eine Bierflasche auf den Schädel gehauen. Daraufhin habe ich mich gewehrt und gestoßen und bin zu meiner Großmutter geflüchtet.

R: Ist sie bei dem Stoß gestürzt?

BF: Ich glaube ja.

R: Wie alt waren sie da?

BF: 12 oder 13 Jahre.

R: In der Beschwerde geben Sie an, dass Sie keine Chance auf eine normale Schulausbildung hatten. Welche Schulausbildung haben Sie?

BF: Das ist eine Schande. Ich habe eine Sonderschule besucht und dann habe ich den Hauptschulabschluss nachgemacht und für die Heimhilfe den Kurs gemacht. Damit ich eine Chance habe, habe ich leider lügen müssen. Daher habe ich, damit ich eine Arbeit bekomme nichts über die Heimataufenthalte erzählt. Ich habe im 18. Bezirk in der Vinzenzgasse in einem Heim für Schwerstbehinderte gearbeitet. Ich habe dort Nachtdienste gehabt und habe dort alle alleine betreut. Ich habe viel und schwer gearbeitet, aber alles mit einer Maske, damit ich mein Kind nicht ins Heim geben muss.

R: Haben Sie ein Kind oder mehrere?

BF: Eines. Meine Tochter hat die 5-Jährige Matura, sie kann sogar Fremdsprachen. Jetzt ist sie 25 und wird 26.

R: Wieso wurde Ihnen eine bessere Schulausbildung Ihrer Meinung nach verwehrt?

BF: Ich habe nie eine Chance bekommen. Ich wurde im Gehirn vermessen und sie haben mich als "Trottel" hingestellt. Ich war als Kind aufmüpfig, weil ich war eingesperrt. Ich hatte keine Spielsachen. In Wilhelminenberg gab es Wasserkuren. Ich musste das Erbrochene essen.

R: Im Bescheid wird von der Wiederholung der 1. Klasse Volksschule gesprochen. Ist das richtig?

BF: Ich weiß es nicht. Die Frau Dr. XXXX hat ein Gutachten geschrieben, das ist im Akt. Ich kann mich nicht mehr erinnern. Ich hatte auch epileptische Anfälle.

R: Wissen Sie wann die epileptischen Anfälle begonnen haben?

BF: Nein.

R: In der Beschwerde geben Sie an, dass Sie nach den Heimaufenthalten obdachlos waren. Wie kam es dazu?

BF: Ich bin aus dem Heim gekommen, weil sie mich rausgehaut haben. Ich war 17. Vielleicht war das die Volljährigkeit, ich kann es aber nicht sagen. Ich habe ein vinkuliert Sparbuch bekommen. Ich kannte aber das Losungswort nicht. Das wurde meiner Mutter mitgeteilt. Ich habe nicht gewusst wo ich Hilfe suchen soll. Ich kannte kein Sozialamt. Ich habe betteln müssen, dass ich mir ein Semmerl kaufen konnte.

R: Warum sind Sie nicht zu Ihrer Mutter gegangen?

BF: Ich habe nichts verstanden und ich habe mich auch nicht getraut jemanden zu widersprechen. Ich hatte auch Angst zu meiner Mutter zurück zu gehen. Sie hätte mich auch nicht genommen. Ich war einfach nicht so selbstständig wie heute.

R: In der Beschwerde geben Sie an, dass Sie 5 Mal verheiratet waren. Wieso waren Sie so oft verheiratet?

BF: Ja, das ist richtig. Ich war Obdachlos und habe einen Mann kennengelernt. Er hat mir ein warmes zuhause und Essen versprochen. Dann habe ich halt natürlich ja gesagt. Ich wurde da natürlich auch irgendwie sexuell ausgebeutet und körperlich. Ich wurde auch geschlagen und gewürgt.

R: Im Bescheid wird von Gewalt in Beziehungen gesprochen, können Sie dazu etwas erzählen?

BF: Der letzte Mann, hat mich nicht gehaut, aber er hat gesagt, dass ich sein Kind von einer anderen Frau großziehen soll. Das habe ich natürlich nicht gemacht. Ich habe mein Konto überzogen und bin arbeiten gegangen und bin mit meiner Tochter in weggegangen in einen anderen Bezirk.

R: Mit welchem Mann haben Sie Ihre Tochter bekommen?

BF: Das war der 2. Mann.

R: Was hat der gemacht?

BF: Das war der, der mich gewürgt und abgewatschent hat. Er war sehr eifersüchtig, deshalb habe ich öfters Schläge bekommen. Der XXXX war der 3. und der hat mich auch ständig abgewatscht.

R: Haben Sie heute noch solche Anfälle oder nehmen Sie noch Medikamente dagegen?

BF: Nach dem Heimaufenthalt hatte ich keine Anfälle mehr. Ich glaube, dass das nur durch die Folterung passiert ist. Ich hatte auch keine Untersuchungen mehr dazu. Ich habe aber weiterhin Aussetzer.

R: Wie äußerten sich die Anfälle?

BF: Ich bin umgefallen und wurde bewusstlos. Wie lange das dauerte kann ich nicht sagen.

R: Kam es bei Ihnen in Ihrem Lebensverlauf zu Medikamentenmissbrauch?

BF: Ja, im Heim. Ich habe Ihnen das Gutachten vorgelegt. Sie haben mich zum Orthopäden geschickt und dieser hat gesagt, dass alles in Ordnung ist, daher kann ich mir nicht erklären wieso ich Medikamente nehmen musste.

R: Die Medikamente haben Sie dann selber eingenommen?

BF: Im Heim habe ich keine Medikamente genommen. Ich war beim Herrn Dr. SPIEL.

BF gibt darüber hinaus an: Ich hätte mir gewünscht, dass ich einen Partner finde, der mich liebt. Das war jedoch nicht der Fall. Es wollte mich keiner. Wer will einen, der nichts kann, nichts besitzt und nichts hat.

R: Haben Sie das Kind alleine erzogen oder hatten Sie Unterstützung?

BF: Ja, ich habe es alleine erzogen. Die Männer haben sich nicht um die Erziehung gekümmert, das hätte ich auch nicht zugelassen.

R: Nun zu den Heimaufenthalten: im Bescheid wurden Teile Ihrer Erzählung betreffend St. Benedikt, St. Josef und Wilhelminenberg seitens der Behörde nicht festgestellt. Bitte erzählen Sie zuerst über die Vorfälle im Heim St. Benedikt. War das Liebhartstal?

BF: Ja, das war Liebhartstal. Das kann ich schon beweisen, weil ich ja damals ja vor Ort war. Ich war ein Kleinkind und im Kellerverließ eingesperrt.

R: Was haben Sie dort erlebt?

BF: Ich habe die Wasserkuren gehabt. Mit Behinderten ist man ja damals nicht zimperlich umgegangen. Sie nehmen die Haare am Hinterkopf und drücken den Kopf ins Waschbecken bis man Wasser schluckt und erbricht und dann hat man natürlich auch das Wasser und das Erbrochene geschluckt. Dann wurde ich in Verließ eingesperrt und ich habe geglaubt, dass ich einen Engel sehe.

R: Wie lange waren Sie da eingesperrt?

BF: Ich war da erst 2 oder 3 Jahre alt. Ich kann mich nur erinnern, dass ich einen weißen Nachttopf gehabt habe, da habe ich dann hineingebrochen und dann wurde ich als Strafe ins Verließ gesperrt. Wir wurden außerdem geschlagen und ich konnte mich nicht artikulieren. In dieser Zeit wurde man in allen Heimen geschlagen einfach weil man behindert war. Da gab es keine Pluspunkte.

R: Gab es sonst noch etwas?

BF: In Liebhartstal nein.

R: Und nun schildern Sie bitte die Vorfälle im Heim St. Josef?

BF: Das ist das in Salzburg. Da waren Gitter vor den Stäben. Sie haben versucht mich in einer Hauswirtschaftsschule unterzubringen, ich habe das aber nicht verstanden. Ich bin dann in die Schneiderei. Dort konnte ich arbeiten. Die Schwester XXXX hat mir das Sprunggelenk gebrochen.

BF zeigt ihre Narben, die sie von den Heimaufenthalten für ihr ganzes Leben tragen wird.

R: Ich kann mir noch nichts vorstellen. Bitte schildern Sie das genauer.

BF: Die Nonnen waren brutal. Es war wie ein Gefängnis. Ich bin nicht aus dem Heim gekommen. Ich habe auch im Heim gearbeitet. Die Gitterstäbe waren im Heim drinnen, also bei allen Fenstern im Stockwerk gab es nur Gitterstäbe. Das war dort, wo wir geschlafen haben und unsere Wohngruppe hatten. Ich habe unter anderem auch die Schuhe der Nonnen putzen müssen.

R: Wo war die Schneiderei?

BF: In dem Stall waren auch die Arbeitsgeräte und dort musste ich auch die Schuhe putzen, die Gummistiefel.

BF fertigt einen Plan an.

BF: Als ich einmal Besuch bekommen habe, damals hatte ich einen Freund. Da hat dann die Schwester (Nonne) uns zugehört, was wir gesprochen haben. Privatsphäre gab es also keine. Da war ich 15 oder

16. Sie haben mir auch den Fuß gebrochen. Die Nonne hatte angegeben, dass das beim Fußball spielen passiert sein soll. Das ist aber nicht die Wahrheit. Sie hat mich damals getreten. Fußball wäre auch für mich damals nicht in Frage gekommen, da das ein Sport für Buben ist. Ob die Nonnen damals Fußball gespielt haben, weiß ich nicht. Auf der Wiese wurde schon immer wieder Fußball gespielt, aber ich habe nie gespielt. Ich habe einen Gips bekommen und im Spital wurde ich behandelt. Außerdem hat mir die Nonne ein blaues Auge gehaut, nachdem ich den Gips schon hatte. Das war Folter dort. Es waren Misshandlungen und Schläge, Hunger. Das Hungern war vor allem im Heim Klosterneuburg.

R: Kommen wir abschließend zu Wilhelminenberg, welche Vorfälle gab es dort?

BF: Da müssen sie den Befund lesen von Dr. XXXX . Da war ich die meiste Zeit sediert. Da versagt meine Erinnerung. Da weiß ich nur Bruchteile.

R: Erinnern Sie sich noch an etwas?

BF: Wie ich mich unter dem Bett versteckt habe und dass Stiegen hinunter gehen kann ich mich erinnern. Da war ich ungefähr 6 Jahre. Es war für mich ein Schock als es ins Fernsehen kam. Die Heimkollegen sind mir dann irgendwie bekannt vorgekommen. Die XXXX hat uns Filme gezeigt. Das waren Gaskammern. Sie haben gesagt, dass wir dort auch hinkommen als Kinder. Das habe ich auch in einer kontradiktorischen Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft bzw. beim Gericht ausgesagt. Die Paula, eine Heimkollegin, ist neben mir gesessen und die war Zigeunerin. Die war anders aufgrund der Herkunft.

R: Sonst fallt Ihnen nichts mehr dazu ein?

BF: Nein. Unterm Bett habe ich Männer gesehen. An einen Missbrauch kann ich mich nicht erinnern. Die Schwester hat die Männer auch gesehen. Bei ihr sollen welche im Bett gewesen sein, hat sie mir früher einmal gesagt. Das habe ich selber aber nicht gesehen. Sie ist ja 1 1/2 Jahre älter als ich. Sie hat mir das voriges Jahr erzählt.

R: Wie geht Ihre Schwester damit um?

BF: Wir beten jeden Tag den Rosenkranz und reden darüber. Im Endeffekt kann man das nicht wieder gut machen. Man muss damit umgehen. Ich spende armen Menschen. Ich wollte eine diplomierte Krankenschwester werden. Der Operationssaal hat mich schon immer fasziniert. Tote habe ich schon genug in meinem Leben gesehen.

R: Wer ist gestorben?

BF: Patienten im Rahmen der Heimhilfe.

BF: Ich habe eine Wohngruppe geleitet für ältere Leute und habe dort auch alles organisiert. Ich habe mit Sachwaltern zusammengearbeitet und auch die Wirtschaftsbücher geführt.

R: Die Behörde hat im Bescheid gesagt, dass Sie in Ihrem weiteren Leben keine Krankenstände wegen psychischen Störungen gehabt hätten.

BF: Ich habe genug Krankenstände gehabt während der Zeit als Heimhilfe. Dazu gehörten auch psychische Krankenstände. Ich bin in Invaliditätspension und habe die Pflegestufe 1. Wie in der Beschwerde angegeben. Außerdem habe ich eine 50%ige Behinderung.

R geht die Meldungen der Wiener Gebietskrankenkasse durch bezüglich der Krankenstände. Bei der Meldung 07.04.2012 bis 22.04.2012 "Brustschmerzen" handelte es sich um Panikattacken.

R: Wissen Sie warum die damals gekommen sind?

BF: Ich weiß nicht. Begonnen hat das Ganze in der Nacht. Ich habe geglaubt es sei einer Herzattacke. Ich habe dir Rettung gerufen und sie haben mir gesagt, dass ich eine schwere Panikattacke habe. Sie haben mich zuerst bezüglich des Herzes untersucht und dann auf die Psychiatrie hinüber, nachdem sie nichts am Herzen gefunden haben.

BF: Ich habe versucht immer zu funktionieren damit ich mein Kind großziehen kann und auch meine Arbeit machen kann. Ich habe Abend und Nachtdienste gemacht und 14 Tage durchgearbeitet. Dann hat es mich umgehauen.

R: Wie kommt es dazu, dass Sie 14 Tage durcharbeiten?

BF: Das ist normal so. Man hat von 07:00 Uhr bis 13:00 Uhr und dann von 14:00 Uhr bis 18, 19 oder 20:00 Uhr. Die Nachtdienste hat es bei mir im Hilfswerk nicht gegeben. Heim bin ich aber dann schon gekommen.

LR: Sie haben gesagt, dass Ihr erster Mann Sie sexuell ausgebeutet haben?

BF: Wenn er in der Partnerschaft Sex haben wollte, dann musste ich gefügig sein. Da durfte ich keine Widerworte machen.

LR: Wer zahlt die Therapien?

BF: Der weiße Ring. Ich habe da unbegrenzte Therapieeinheiten. Die nehme ich auch regelmäßig wahr. Auch meine Medikamente nehme ich regelmäßig ein. Bezüglich der Medikamente verweise ich auf den vorgelegten Befund Bericht vom 17.04.2018. Ich gebe noch an, dass ich Temesta täglich nehme, obwohl dort nur "bei Bedarf" steht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Die Beschwerdeführerin wurde am 07.12.1965 in Wien geboren und lebte dort zunächst gemeinsam mit ihrer Schwester bei ihren Eltern. Ihre Mutter arbeitete meist als Bardame bzw. Prostituierte und ihr Vater ging aufgrund seiner schweren Epilepsieerkrankung nur selten einer geregelten Arbeit als Stahlbaumonteur nach. Die Beschwerdeführerin erfuhr im Elternhaus eine lieblose Behandlung. Ihre Eltern zeigten kein Interesse an ihr und sie erhielt keinerlei Förderung. Im Jahr 1969 ließen sich ihre Eltern scheiden. Meist befand sich ihre Mutter in einer schwierigen finanziellen Situation, bezog Notstandshilfe sowie Aushilfe vom Sozialreferat. Die Wohnung war verwahrlost. Ihre Mutter war mit der Erziehung der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester auch psychisch überfordert und drängte auf die Überstellung der Beschwerdeführerin in ein Kinderheim. Laut Jugendamtsakt konnte man bei ihrer Mutter auch nachweislich eine vorhandene Abneigung ihren beiden Kindern gegenüber erkennen.

Am 23.11.1967 wurde die Beschwerdeführerin gemeinsam mit ihrer Schwester aufgrund von gröblicher Vernachlässigung in das Julius-Tandler Heim überstellt.

Von 1967 bis 1971 war die Beschwerdeführerin im Kinderheim St. Benedikt im Liebhartstal untergebracht. Dort wurde sie geschlagen, an den Haaren gezerrt und eingesperrt. Außerdem wurden "Wasserkuren" als Disziplinierungsmethode eingesetzt. Ein sexueller Missbrauch fand in diesem Heim nicht statt.

Am 07.08.1972 wurde die Beschwerdeführerin in das Kinderheim Schloss Wilhelminenberg überstellt, wo sie den Schikanen der Erzieherinnen ausgesetzt war und sie an Schlafentzug litt, indem die Erzieherinnen in der Nacht das Licht anmachten und sie aufstehen musste. Zudem musste sie auf Holzscheiten knien, Erbrochenes essen und wurde unter anderem mit einem Schlüsselbund oder einem Schlapfen von einer Erzieherin auf den Kopf und den Körper geschlagen. Auch "Wasserkuren" fanden statt. Ein sexueller Missbrauch fand auch in diesem Heim nicht statt.

Von 31.08.1973 bis 01.08.1974 war die Beschwerdeführerin im Kinderheim Stiefern am Kamp untergebracht.

Von 13.11.1973 bis 01.08.1974 war die Beschwerdeführerin im Kinderheim Klosterneuburg aufhältig. Sie war wiederum Schlägen von den Erziehern ausgesetzt, wurde an den Haaren gerissen und an den Ohren gezogen, bekam Toilettenverbot und musste auf Holzscheiten knien.

Nach kurzer Zeit der Entlassung zu ihrer Mutter nachhause wurde die Beschwerdeführerin am 21.07.1975 wiederum in das Julius-Tandler Heim überstellt, da ihre Mutter wegen einer Eileiterschwangerschaft in Spitalspflege übernommen wurde. Am 18.09.1975 wurde sie wieder in die Obhut ihrer Mutter entlassen, wobei es zu einem weiteren Aufenthalt vom 06.04.1976 bis 02.09.1976 im Julius-Tandler Heim und in der Folge bis 27.07.1979 im Kinderheim in Klosterneuburg kam.

Während eines Aufenthalts bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater wurde die Beschwerdeführerin von jenem vergewaltigt. Als sie dies ihrer Mutter berichtete kam es zu einer Auseinandersetzung mit ihr, woraufhin die Beschwerdeführerin die Flucht zu ihrer Großmutter ergriff und keinerlei Kontakt mit ihrer Mutter mehr wünschte. Da sich die Großmutter allerdings nicht um sie kümmern konnte, wurde sie wieder in Gemeindepflege übergeben und es kam zu einem weiteren Aufenthalt im Kinderheim in Klosterneuburg von 12.09.1980 bis 02.07.1981.

Von 02.07.1981 bis 29.09.1981 befand sich die Beschwerdeführerin im Kinderheim in Brunn am Gebirge.

Am 29.09.1981 wurde die Beschwerdeführerin in das Kinderheim St. Josef der Schwestern zum guten Hirten in die Hauswirtschaftsschule überstellt. Am 04.02.1982 begann sie eine Lehre als Weißnäherin. In diesem Heim wurde ihr von einer Schwester ein blaues Auge geschlagen. Weiters erlitt sie in diesem Heim einen Bruch des Sprunggelenks, welcher jedoch nicht von einer Misshandlung herrührte, sondern beim Fußballspielen passierte.

Von 22.08.1983 bis 01.09.1983 war die Beschwerdeführerin im Kinderheim in Nußdorf untergebracht und ab 01.09.1983 wiederum im Kinderheim in Brunn am Gebirge. Von letztgenanntem Heim entwich sie mehrmals für mehrere Tage zu ihrem Freund, weshalb sie in weiterer Folge im Dezember 1983, wegen dreimonatiger Abgängigkeit, außer Stand genommen wurde.

Die Beschwerdeführerin musste im Schuljahr 1973/74 die 1. Klasse Volkschule repetieren. Aufgrund von Überforderung erfolgte schließlich eine Umschulung in die Allgemeine Sonderschule. Anschließend begann sie eine Friseurlehre, welche jedoch gekündigt wurde, arbeitete für einen Monat als Abwäscherin in einer Konditorei und begann sodann eine Lehre als Weißnäherin im Heim. Einen Lehrabschluss erzielte sie nicht.

Nach der Heimentlassung war die Beschwerdeführerin von 1983-1990 obdachlos. Später holte sie den Hauptschulabschluss beim AMS nach und absolvierte 1991 einen Ausbildungskurs als Heimhilfe. Von 1982 bis 2005 übte sie zahlreiche verschiedene Arbeitsverhältnisse bei unterschiedlichen Arbeitgebern aus, wobei das längste davon für eine Dauer von 10 Monaten bestand. Von 2005 bis 2014 war sie beim Wiener Hilfswerk als Heimhelferin angestellt. Von 01.09.2014 bis 31.05.2016 bezog sie Rehabilitationsgeld. Seit 01.06.2016 befindet sie sich in Invaliditätspension.

Die Beschwerdeführerin hat eine 25-jährige Tochter und ist fünfmal geschieden.

Aufgrund der der Beschwerdeführerin während der Heimaufenthalte widerfahrenen Misshandlungen wurde ihr von der Stiftung Opferschutz der katholischen Kirche eine Entschädigungsleistung in der Höhe von € 25.000,- sowie die Kostenübernahme für 20 Therapiestunden zuerkannt. Von der Opferschutzeinrichtung Weisser Ring erhielt sie als Entschädigung einen Betrag von € 25.000,--.

Die Beschwerdeführerin leidet an Asthma bronchiale bei overlap chronisch obstruktiver Lungenerkrankung, einer degenerativen Veränderung der Wirbelsäule, einem Zustand nach knöcherner Sprunggelenksverletzung links sowie an einer Funktionseinschränkung beider Schultergelenke.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung mit Panikattacken, welche zum Untersuchungszeitpunkt remittiert, sowie einer mediumistischen Psychose mit vorwiegend akustischen Halluzinationen. Ein Kausalzusammenhang der festgestellten Misshandlungen zu diesen Gesundheitsschädigungen kann jedoch nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Es haben sich keine Hinweise dafür ergeben, dass die Beschwerdeführerin aufgrund der Misshandlungen in den Heimen in ihrem Berufsverlauf bzw. an einer besseren Ausbildung gehindert gewesen wäre.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der Beschwerdeführerin während ihrer Kindheit, zu ihrem Überstellungsgrund sowie zum Beginn und Ende ihrer Heimzeiten ergeben sich aus den Kopien ihres Pflegschaftsaktes, welche auch im Wesentlichen im Einklang mit den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin in den Clearinggesprächen des Weissen Rings und dem Clearingbericht der Opferschutzanwaltschaft stehen.

Die Feststellungen betreffend ihr Erwerbsleben beruhen auf einem Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung und ihren eigenen diesbezüglichen Angaben.

Die Feststellungen in Bezug auf die körperlichen Gesundheitsschädigungen beruhen auf den vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Die Feststellung betreffend die Wiederholung der 1. Klasse Volksschule sowie die Umschulung in die Sonderschule beruht auf dem im Pflegschaftsakt befindlichen Befund und Gutachten des psychologischen Diensts der Stadt Wien vom 24.10.1973.

Die Feststellungen zu den in den Heimen erlittenen Misshandlungen gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Ausführungen der Beschwerdeführerin.

Betreffend die von ihr vorgebrachte Vergewaltigung durch ihren Stiefvater gab die Schwester der Beschwerdeführerin gegenüber dem Sozialministeriumservice eine glaubwürdige Stellungnahme dazu ab, mit welcher sie bestätigte, dass der Stiefvater der Beschwerdeführerin diese Vergewaltigung zu einem späteren Zeitpunkt der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester gegenüber eingestand. Zudem stimmen auch die Angaben der Beschwerdeführerin zu den Geschehnissen nach der Vergewaltigung, dass sie dies ihrer Mutter mitgeteilt habe, daraufhin ein Streit ausgebrochen sei und sie zu ihrer Großmutter geflüchtet sei, mit den Unterlagen in ihrem Jugendamtsakt, insbesondere dem Überstellungsbericht vom 12.09.1980, überein.

Die Feststellung, wonach ein sexueller Missbrauch im Heim St. Benedikt im Liebhartstal nicht stattgefunden hat, ergibt sich aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo die Beschwerdeführerin keinen sexuellen Missbrauch in diesem Heim vorbrachte.

Die Feststellung, wonach ein sexueller Missbrauch im Heim Wilhelminenberg nicht stattgefunden hat, ergibt sich ebenfalls aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, wo sie diesbezüglich angab: "An einen Missbrauch kann ich mich nicht erinnern."

Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach sie im Heim St. Josef von einer Schwester so stark getreten wurde, dass dabei das Sprunggelenk zerschmettert wurde, kann nicht gefolgt werden, zumal sich hierzu unstimmige Angaben finden. Beim Weißen Ring gab die Beschwerdeführerin noch an, dass "jemand" sie von hinten getreten habe, während sie erst in der Ergänzung zum Clearingbericht ausführte, dass sie von "Schwester XXXX " ins Bein getreten worden sei. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Verletzung beim Fußball spielen passiert ist, zumal es nicht nachvollziehbar erscheint, dass - wie von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung angeführt - alle Kinder auf der Wiese gespielt hätten, nur sie selbst nicht.

Die Feststellung zu den psychischen Gesundheitsschädigungen beruhen auf dem nervenfachärztlichen Gutachten von Dr. XXXX vom 21.12.2015. Ein Kausalzusammenhang mit den Misshandlungen in den Heimen konnte jedoch nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. In dem Gutachten wurde ausgeführt, dass allgemein bekannt sei, dass sich eine Persönlichkeit (Charakter) in den ersten Lebensjahren formt, wobei das Verhältnis von anlage- bzw. umweltbedingten Faktoren individuell schwankt. Bei der Beschwerdeführerin sei einerseits eine (angeborene) Minderbegabung bekannt, andererseits habe sie nahezu ihre gesamte Kindheit und Jugend in diversen Heimen verbracht. Es sei daher mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sich beide Umstände in ihrem negativen Einfluss auf die Lebensgestaltung gegenseitig verstärkt haben. Laut Gutachten finden sich keine Hinweise, die es zulassen, mit Wahrscheinlichkeit von einem wesentlichen Einfluss des Verbrachens auf das gegenwärtige psychiatrische Zustandsbild zu schließen. Gegen einen wesentlichen Einfluss des Verbrechens auf den gegenwärtigen psychiatrischen Leidenszustand spreche eine Vielzahl von länger (rund 40 Jahre) und kürzer zurückliegenden belastenden Ereignissen, unter anderem frühkindliche Verwahrlosung, Heimaufnahme im 2. Lebensjahr an sich, die damit verbundene Trennung von der Mutter, Minderbegabung mit Sonderschulniveau, Anfallsleiden, wiederholter Wechsel des Heimplatzes bis zum 16. Lebensjahr, anschließend mehrjährige Obdachlosigkeit, mehrfache gescheiterte Familiengründungen, Gewalterfahrungen in den Beziehungen, Alleinerzieherin, zudem erst späte Berufsausbildung mit geregeltem Einkommen. Es sei anzunehmen, dass sich eine psychische Erkrankung, im gegebenen Fall eine rezidivierende depressive Störung, auch ohne den Einfluss des Verbrechens entwickelt hätte. Auch konnte der Sachverständige eine frühere Auslösung oder eine Verschlimmerung der Gesundheitsschädigung durch die kausalen Einflüsse nicht objektivieren.

Das Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin war kein Anhaltspunkt zu entnehmen, der geeignet war, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen beziehungsweise dessen Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Die Beschwerdeführerin ist dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach sich die psychische Erkrankung auch ohne den Einfluss des Verbrechens entwickelt hätte, zu entkräften.

Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Mangels Vorliegens einer kausalen psychischen Gesundheitsschädigung liegt aufgrund dessen auch keine Hinderung eines kontinuierlichen Berufsverlaufes oder einer anderen - besseren - Ausbildung vor. Im Gutachten von Dr. XXXX wird ausgeführt, dass es keine Hinweise dafür gibt, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Berufsverlauf bzw. an einer besseren Ausbildung gehindert gewesen wäre. In der Anamnese werde zudem keine grundsätzliche Berufsunzufriedenheit angegeben, Im Hinblick auf die intellektuelle Minderbegabung und einfache Persönlichkeitsstruktur seien Berufe mit größeren Verantwortungsbereichen nicht möglich.

Eine andere Ausbildung kann schon deshalb nicht angenommen werden, da die Beschwerdeführerin bereits die 1. Klasse Volksschule wiederholen musste und danach in die Allgemeine Sonderschule umgeschult wurde.

In Bezug auf die sonstigen körperlichen Gesundheitsschädigungen, wie die Funktionseinschränkung beider Schultergelenke und der degenerativen Veränderung der Wirbelsäule ist anzumerken, dass es hierzu keinerlei objektivierbare Unterlagen gibt, welche einen Zusammenhang mit den festgestellten Verbrechen vermuten lassen würden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat - vorliegend das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien.

Gemäß § 9d Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG) entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Gemäß § 1 Abs. 1 VOG haben österreichische Staatsbürger Anspruch auf Hilfe, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind.

1 Abs. 3 VOG hat folgenden Wortlaut: Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn 1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder 2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung bewirkt wird.

Leistungen nach § 3 VOG sind in Höhe jenes Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung als Verdienst entgangen ist oder künftig entgeht. Für die Beurteilung des Schadens gelten sowohl hinsichtlich des Grundes als auch hinsichtlich der Höhe die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (§ 1293 ff ABGB).

Gemäß § 5 Abs. 1 VOG ist orthopädische Versorgung für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG zu leisten.

§ 5a lautet: Hilfe nach § 2 Z 4 bis 6 ist, wenn hiefür nicht durch den zuständigen Träger der Sozialversicherung gesetzliche Vorsorge getroffen wurde, für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 oder dann zu leisten, wenn das Opfer infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 eine zumutbare Beschäftigung, die den krankenversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet, nicht mehr ausüben kann. Die Hilfe nach § 2 Z 4 bis 6 gebührt unter den Voraussetzungen und in dem Umfang, in dem sie einem Versicherten oder Bezieher einer Pension aus einem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit im Sinne des § 300 des ASVG gegenüber dem Pensionsversicherungsträger zusteht. § 4 Abs. 2 letzter Satz ist sinngemäß auch dann anzuwenden, wenn die Hilfe vom Träger der Sozialversicherung zu erbringen ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 VOG dürfen Leistungen nach § 2 Z 1, Z 7 und Z 9 VOG nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern das Ansuchen binnen 6 Monaten (betrifft Schädigungen vor dem 1.04.2013) nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung bzw. nach dem Tod des Opfers gestellt wird. Für die Leistungen nach § 2 Z 2 bis 6 und Z 8 VOG beträgt diese Frist zwei Jahre. Wird ein Ansuchen erst nach Ablauf der jeweiligen Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1 bis Z 7 und Z 9 VOG mit Beginn des auf das Ansuchen folgenden Monates zu erbringen.

Da somit der Antrag erst nach Ablauf der vorgesehenen Frist am 8. Juli 2014 gestellt wurde, ist der Anspruch auf Ersatz des Verdienstentganges mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu prüfen, das ist mit 01.08.2014.

Da einige der festgestellten Tathandlungen jedenfalls den Tatbestand des § 92 Abs 1 StGB erfüllen, kann das Vorliegen von rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlungen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Im gegenständlichen Fall kann nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG davon ausgegangen werden, dass die physischen bzw. psychischen Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin auf die festgestellten Verbrechen zurückzuführen sind. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Ersatzes des Verdienstentganges sowie die Übernahme der Kosten einer Rehabilitation nach § 1 Abs. 1 Z 1 iVm § 3 leg.cit. und § 5a VOG sind daher nicht erfüllt, weshalb ihr Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges und Gewährung von Rehabilitation bereits aus diesem Grund abzuweisen ist.

Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist nach der höchstgerichtlichen Judikatur der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Für die Begründung eines Anspruches auf Leistungen nach dem VOG ist die Wahrscheinlichkeit, dagegen nicht die bloße Möglichkeit einer Verursachung der Gewissheit gleichgestellt. Die Wahrscheinlichkeit ist nur dann gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang bzw. das Vorliegen der Voraussetzung des § 1 Abs. 1 VOG spricht (VwGH 26.4.2013, 2012/11/0001).

Das Ansuchen der Beschwerdeführerin auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 3 VOG kann nicht bewilligt werden, da das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges zum Zeitpunkt der Antragstellung (bzw. Antragsfolgemonat August 2014) im fiktiven schadensfreien Verlauf nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.

Die Entscheidung der belangten Behörde über die orthopädischen Versorgung wurde nicht bekämpft, daher erübrigen sich Ausführungen dazu.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Gesundheitsschädigung, Kausalität, Sachverständigengutachten,
Verdienstentgang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W228.2146875.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.06.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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