TE Lvwg Erkenntnis 2018/4/9 LVwG-S-732/001-2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.04.2018
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Entscheidungsdatum

09.04.2018

Norm

VStG 1991 §53 Abs1
VStG 1991 §53d Abs1
VStG 1991 §54b Abs2
StVG §3
StVG §3a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag. Wimmer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, ***, ***, vertreten durch Rechtsanwalt C, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 14.02.2018, Zl. ***, mit welchem ein beantragter Straf- bzw. Haftaufschub zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistung, in eventu zum Zweck des Vollzuges der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes, abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 50 und 52 Abs. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG

§ 54b Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 14.02.2018 wurde ein Antrag von Herrn A auf Straf- bzw. Haftaufschub zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistung, in eventu zum Zweck des Vollzuges der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrestes gemäß § 54b VStG abgewiesen.

Dagegen wurde von Herrn A, vertreten durch Rechtsanwalt B, (in der Folge „Beschwerdeführer“) fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wird insbesondere Nachstehendes vorgebracht:

„[…]

1. Rechtliche Beurteilung;

Das VStG sieht vor, dass im Verwaltungsstrafverfahren die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes (StVG) über den Vollzug von Freiheitsstrafen sinngemäß anzuwenden sind. Folglich dieser Verweisungsnorm ist im Verwaltungsstrafverfahren auch die Erbringung von gemeinnütziger Leistung statt Haft oder aber auch der elektronisch überwachte Hausarrest zulässig. Dies ist zwar nicht explizit im VStG geregelt, ergibt sich jedoch bei korrekter Interpretation und auch aus dem Willen des Gesetzgebers.

Die Verweisungsnorm des § 53d VStG umfasst auch den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen (vgl. Kronister in Raschauer/(Wessely, VStG § 53d RZ1).

Sollte das LVwG auf dem Standpunkt verweilen, dass es im hier anzuwendenden VStG keine Regelungen zur gemeinnützigen Leistung bzw. zum elektronisch überwachten Hausarrest gibt, so ist dem zu entgegnen, das die Verweigerung der Möglichkeit im Verwaltungsstrafverfahren statt der Ersatzfreiheitsstrafe gemeinnützige Leistungen zu erbringen und/oder statt der Ersatzfreiheitsstrafe den elektronisch überwachten Hausarrest zu wählen einen Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz darstellen würde.

Unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten ist davon auszugehen, dass § 53d VStG nur insoweit besondere Bestimmungen zu §§ 3 und 3a StVG enthält, als hier unter anderem auch aber nicht nur bzw. ausschließlich, der Vollzug in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzuganstalten geregelt ist.

Die Annahme einer gänzlichen Verdrängung der §§ 3 und 3a StVG einschließlich 26 der hier maßgelblichen Regelungen über die Möglichkeit der Abwendung der Strafverbüßung durch § 53d VStG rein aufgrund der Frage, ob nun die Ersatzfreiheitsstrafe in einem gerichtlichen Gefangenenhaus / Strafvollzugsanstalt oder im Haftraum der Behörde vollzogen wird, würde nämlich zu einem nicht hinnehmbaren Wertungswiderspruch zwischen Vollzug und Freiheitsstrafen im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren einerseits und im gerichtlichen andererseits führen.

Die antragstellende Partei verkennt nicht, dass zwischen gerichtlichem und verwaltungsbehördlichem Strafverfahren wesentliche Unterschiede bestehen, die – etwa aus Gründen der Verwaltungsökonomie – grundsätzlich verschiedenartige Regelungen einer Frage (auch auf dem Gebiet des Strafvollzuges) sachlich zu rechtfertigen vermögen (vgl. VfSIg. 8017/1977, 9956/1984). Es ist jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, das VStG insbesondere § 53d so zu verstehen, dass diejenigen, deren Strafe zufälligerweise in einem Gefangenenhaus vollzogen wird (Anm: viele Behörden in Österreich besitzen keinen eigenen Haftraum), in den Genuss der Möglichkeit der Einbringung von zB gemeinnütziger Leistung kommen können und andere, deren Strafe wieder zufallsabhängig im Haftraum vollzogen wird, dieses Privileg nicht genießen können. Eine solche Auslegung würde eine dem Gesetzgeber nicht zusinnbare unsachliche Schlechterstellung eines im verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens Bestraften gegenüber einem in gerichtlichen Strafverfahren Verurteilten bedeuten. Ja mehr noch käme es rein aufgrund der örtlichen Situation (Gefangenenhaus oder Haftraum) innerhalb des VStG zu einer unzumutbaren Ungleichbehandlung. Denn der Gesetzgeber stuft in die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde fallende Vergehen von vorhinein – schon wegen der vergleichsweise geringeren Höhe des Strafbetrages – als weniger schwerwiegend als gerichtliche Delikte und sieht für erstere deshalb eine geringe Strafandrohung vor (vgl. VfSIg. 8017/1977, 14.973/1997, 15.772/2000. 16184/2001). Schließlich spricht die Bedachtnahme auf die Intention des Gesetzgebers, mit der Schaffung des § 3a StVG der Sozialschädlichkeit von kurzen Freiheitsstrafen begegnen zu können (RV 302 BlgNR 23.GP, 4), ebenfalls für die dargelegte – gleichheitskonforme – Auslegung.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die antragstellende Partei ein Recht darauf hat, die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe durch gemeinnützige Leistung zu tilgen. Gleiches gilt sinngemäß für den Hausarrest (elektronisch überwacht). Dies ergibt sich aus dem §§ 55a und 53d VStG unter analoger Anwendung der §§ 3a und 156b StVG.

V. Beschwerdeanträge

Es wird daher beantragt, der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dem Antrag des Beschwerdeführers auf Aufschub des Strafvollzugs stattzugeben“

Die Bezirkshauptmannschaft Gmünd legte mit Schreiben vom 22.03.2018 die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsstrafakt mit dem Ersuchen um Entscheidung dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vor. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde ausdrücklich verzichtet.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat hierzu wie folgt erwogen:

Gemäß § 53 Abs 1 VStG ist die Freiheitsstrafe im Haftraum der Behörde zu vollziehen, die in erster Instanz entschieden hat oder der der Strafvollzug gemäß
§ 29a übertragen worden ist. Können diese Behörden die Strafe nicht vollziehen oder verlangt es der Bestrafte, so ist die dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegene Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion um den Strafvollzug zu ersuchen, wenn sie über einen Haftraum verfügt. Kann auch diese Behörde die Strafe nicht vollziehen, so ist der Leiter des gerichtlichen Gefangenenhauses, in dessen Sprengel der Bestrafte seinen ständigen Aufenthalt hat, um den Strafvollzug zu ersuchen. Dieser hat dem Ersuchen zu entsprechen, soweit dies ohne Beeinträchtigung anderer gesetzlicher Aufgaben möglich ist.

Gemäß § 53d Abs 1 VStG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf den Vollzug von Freiheitsstrafen in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder Strafvollzugsanstalten die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit achtzehn Monate nicht übersteigt, mit Ausnahme der §§ 31 Abs 2, 32, 45 Abs 1, 54 Abs 3, 115, 127, 128, 132 Abs 4 und 149 Abs 1 und 4 sinngemäß anzuwenden, soweit dies nicht zu Anlass und Dauer der von der Verwaltungsbehörde verhängten Freiheitsstrafe außer Verhältnis steht.

Gemäß § 54b Abs 2 VStG ist, soweit eine Geldstrafe uneinbringlich ist oder dies mit Grund anzunehmen ist, die dem ausstehenden Betrag entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe zu vollziehen. Der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe hat zu unterbleiben, soweit die ausstehende Geldstrafe erlegt wird. Darauf ist in der Aufforderung zum Strafantritt hinzuweisen.

Der VfGH hatte in seinem Erkenntnis vom 12. Dezember 2013, B 628/2013, VfSlg. 19831/2013, keine Bedenken gegen die den Vollzug einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe regelnden Bestimmungen des VStG. Der VfGH hielt fest, dass es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum liegt, die im StVG eingeräumte Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe auch im VStG vorzusehen oder in diesem Bereich nicht zu gewährleisten. Von diesem Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber dahingehend Gebrauch gemacht, dass er die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht für anwendbar erklärt hat. Auch der VwGH sieht sich mangels Vorliegens einer echten (planwidrigen) Gesetzeslücke nicht veranlasst, die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG durch eine analoge Anwendung im Verwaltungsstrafrecht zur Geltung zu bringen (vgl. VwGH vom 19. März 2014, Ro 2014/09/0009; VwGH vom 24. April 2014, Ro 2014/02/0022).

Diese Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist zudem auch auf die Bestimmungen des § 156 b bis d StVG (Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest) übertragbar. (VwGH vom 12.9.2017, Ra 2016/02/0232)

Die Beschwerde erweist sich somit auf Grund der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur als unbegründet.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Schlagworte

Gewerberecht; Verfahrensrecht; Ersatzfreiheitsstrafe; gemeinnützige Leistungen;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.S.732.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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