TE Lvwg Erkenntnis 2017/11/9 VGW-141/081/9372/2017, VGW-141/081/9462/2017

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Veröffentlicht am 09.11.2017
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Entscheidungsdatum

09.11.2017

Index

L92009 Sozialhilfe Grundsicherung Mindestsicherung Wien

Norm

WMG §4 Abs1
WMG §7 Abs1
WMG §7 Abs2
WMG §21 Abs1
WMG §21 Abs2
WMG §21 Abs3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Szep über die Beschwerde des Herrn S. G., Wien, M.-straße,

1) gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40-Sozialzentrum für den ... Bezirk, vom 30.05.2017, Zahl MA 40 - Sozialzentrum für den ... Bezirk - SH/2017/1659476-001, mit welchem gemäß § 21 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) in der geltenden Fassung die für den Zeitraum von 18.01.2017 bis 31.05.2017 zu Unrecht empfangenen Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 3.634,80 rückgefordert wurden,

2) gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40-Sozialzentrum für den ... Bezirk, vom 30.05.2017, Zahl MA 40 - Sozialzentrum für den ... Bezirk - SH/2017/1659438-001, mit welchem der Antrag vom 06.04.2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs (Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs und Mietbeihilfe) gemäß §§ 4 und 7 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG) idgF abgewiesen wurde,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und werden die angefochtenen Bescheide behoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid vom 30. Mai 2017 wurde der nunmehrige Beschwerdeführer zur Zahl MA 40 – Sozialzentrum für den ... Bezirk - SH/2017/01659476-001 verpflichtet, die für den Zeitraum vom 18. Jänner 2017 bis 31. Mai 2017 zu Unrecht empfangenen Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 3.634,80 zurückzuzahlen. Begründend führte die Behörde zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer würde sich seit 18. Jänner 2017 in St. bei seiner Ehegattin aufhalten und laute seine Krankenstandsadresse St., M.-weg. Auf Grund der so geänderten Verhältnisse würden sich die zu Unrecht empfangenen Leistungen ergeben. Das Verschulden des nunmehrigen Beschwerdeführers sei weder geringfügig noch werde durch die Rückforderung eine Notlage herbeigeführt.

Mit Bescheid vom 30. Mai 2017 wurde der Antrag des Rechtsmittelwerbers vom 6. April 2017 auf Zuerkennung einer Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und den Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs abgewiesen. Begründend wurde dabei ausgeführt, dass seine Krankenstandsadresse St., M.-weg, laute. Sein Lebensmittelpunkt wäre daher in Wien nicht gegeben und damit die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 4 Wiener Mindestsicherungsgesetz nicht erfüllt.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Rechtsmittelwerber im Wesentlichen Nachstehendes aus:

„Hiermit erhebe ich gegen die Bescheide der MA 40 vom 30.5.2017, zugestellt am 7.6.2017, mit den Zahlen SH/2017/01659476 - 001 und SH/01659438- 001, mit denen der Betrag von € 3634,80 an Leistungen aus der Mindestsicherung zurückgefordert werden und mein Antrag vom 6.4.2017, auf bedarfsorientierte Mindestsicherung abgewiesen wurde, innerhalb offener Frist Beschwerde.

Ich ersuche um Entscheidung im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung.

Begründung

Die angefochtenen Bescheide sind inhaltlich rechtswidrig und rechtswidrig in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die Behörde argumentiert in beiden Bescheiden damit, ich sei seit 18.1.2017 in St. an der Adresse meiner Frau wohnhaft.

Dies ist falsch.

Ich lebe seit 3 Jahren getrennt von meiner Frau in Wien und suche über das AMS Wien Arbeit. Ich habe überhaupt keinen Kontakt zu meiner Frau, die Scheidung ist geplant.

Aufgrund eines Knie- und Wirbelsäulenleidens musste ich in Krankenstand gehen und mich orthopädisch behandeln lassen. Da ich bereits früher bei meiner Orthopädin in St. in Behandlung war, suchte ich sie auch jetzt wieder auf. In Folge fuhr ich 1 x pro Woche nach St. zur Therapie. Warum als Krankenstandsadresse die Adresse meiner Frau angegeben wurde ist mir nicht klar. Ich habe diese Adresse jedenfalls nicht angegeben. Möglicherweise ist sie auf der e-card gespeichert, da ich automatisch mit meiner Ehefrau mitversichert wurde.

Ich war jedoch die ganze Zeit über in Wien wohnhaft. In Wien habe ich keine eigene Wohnung, schlafe aber abwechselnd bei meinem Cousin I. E. an meiner Postadresse Wien, E.-gasse bzw. bei meinem Freund A. P. an der Adresse Wien, P.-gasse.

Mittlerweile ist mein Krankenstand beendet und ich habe wieder Termine beim AMS Wien

Ich stelle daher den Antrag.

die angefochtenen Bescheide zu beheben und mir die beantragte Mindestsicherung zuzuerkennen.“

Auf Grund dieses Vorbringens und zur Abklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes wurde am 19. Oktober 2017 vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher der Beschwerdeführer und ein informierter Vertreter des Magistrates der Stadt Wien sowie Frau B. Es., Herr A. P. und Herr I. E. als Zeugen geladen waren. Der Magistrat der Stadt Wien verzichtete mit Eingabe vom 6. Oktober 2017 auf die Teilnahme an dieser Verhandlung.

In seiner Einlassung zur Sache führte der Beschwerdeführer Nachstehendes aus:

„Ich war im Zeitraum ab 18.01.2017 immer in Wien aufhältig aber nicht immer an derselben Adresse. Ich war obdachlos gemeldet in Wien, seit gestern hab ich meinen Hauptwohnsitz. Von meiner Ehefrau lebe ich getrennt seit 2015. Nun mehr lebt sie im ... Bezirk in Wien. Ich habe mich seit 18.01.2017 in der P.-gasse und auch bei meinem Neffen in der E.-gasse aufgehalten. Mein Neffe heißt I. E.. Mein Neffe wohnt in einem Zimmer in dieser Wohnung, im anderen Zimmer wohnt eine andere Familie. Ich weiß nicht, wie viele Kinder die andere Familie hat, ich kenne sie nicht, ich schlief dort 1-2 Mal in der Woche. Ich hab im Zimmer meines Neffen geschlafen, ich habe dort auf einer Matratze geschlafen, das war, wenn man in die Wohnung geht gerade aus, rechts, im großen Zimmer hat die Familie geschlafen. Ich kam immer spät am Abend und hatte mit der Familie keinen Kontakt. Ich hab in der Wohnung nicht gegessen und nicht geschlafen. Unter Tags war ich bei einem anderen Verwandten, und zwar bei dem Bruder von meinem Neffen, Z. E.. Das ist in F., die genaue Adresse weiß ich nicht, nur wie ich dorthin komme. Ich war auch bei einem weiteren Cousin in R. zu Besuch. Dort habe ich mich auch aufgehalten, aber dort war ich nur zu Besuch. Dort war ich einmal die Woche oder alle zwei Wochen. In St. habe ich lediglich den Arzt besucht, den ich kenne. Auch wohnt meine Tochter in St.. Bei der Tochter hab ich nie geschlafen. In der P.-gasse habe ich 3-4 Mal in der Woche geschlafen. In dieser Wohnung wohnen Herr P. und seine Kinder. Das sind seine Ehefrau und seine fünf Kinder, seit einem Monat hat er ein 6. Kind. Die Wohnung besteht aus 3 Zimmern. Ich habe im Wohnzimmer auf der Couch geschlafen. Bezahlt hab ich nirgends für die Unterkunft. In der P.-gasse habe ich gegessen und mich gewaschen. Die Wohnung bestand aus Wohnzimmer, Kinderzimmer und einem kleinen Schlafzimmer. Ich hatte kein Einkommen bis 18.09.2017. Ich habe bis Mai 2017 monatlich 837,76 € Mindestsicherung erhalten.“

Frau B. Es. legte im Rahmen ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme Folgendes dar:

„Ich lebe seit 3 Jahren getrennt von dem Beschwerdeführer. Ich habe 7 Jahre in St. gelebt und lebe seit 4 Monaten in Wien. Ich habe gehört, dass er in St. bei seinem Sohn auf Besuch war. Ich weiß nicht, wo er seit Jänner 2017 gewohnt hat. Ich habe von meinem Sohn gehört, dass er sich in Wien bei seinem Neffen oder bei seinem Cousin in R. aufhält. Er war in St. beim Arzt, weil er ihn kennt.“

Herr I. E. legte im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme Nachstehendes dar:

„Der Beschwerdeführer ist mein Onkel. Mein Onkel hat seit Jänner 2017 1-2 Mal in der Woche bei mir übernachtet. Meine Wohnung hat 55 m² und ich wohne dort mit meiner Familie. Das sind meine Gattin und meine 3 Kinder. Er hat auch bei mir gegessen und gebadet. Er hat nicht so viel Kontakt mit meinen Kindern und meiner Gattin, aber natürlich kennt er sie. Die Wohnung besteht aus 2 Zimmern mit WC, Küche und Badezimmer. Wir schlafen in einem Zimmer, das andere ist das Wohnzimmer, er hat immer im Wohnzimmer geschlafen. Er hat auf der Couch geschlafen. Es gibt auch eine Matratze im Wohnzimmer, für die Kinder zum Spielen. Ich weiß nicht wo er sonst geschlafen hat, ich glaube bei einem Freund. Zu meinem Bruder Z. habe ich wenig Kontakt, ich glaube er hatte in diesem Zeitraum selbst keine Wohnung. Der Beschwerdeführer hat mir nie erzählt wo er sich sonst aufhält. Ich weiß nicht, ob mein Bruder jetzt eine Wohnung hat. Wir haben gestritten.“

Der Beschwerdeführer brachte über Befragung vor, dass seine Mentalität nicht erlaube mit fremden Frauen zu sprechen und, dass er keinen Kontakt mit der Familie seines Neffen habe.

Herr A. P. legte im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme Folgendes dar:

„Ich wohne in der P.-gasse. Er hat jede Woche ab Jänner 2017 2-4 Mal bei mir in der Wohnung übernachtet. Er hat auch bei mir gegessen und teilweise sich gewaschen. Er hat auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen. Meine Wohnung hat 3 Zimmer. Wir haben ein Wohnzimmer, Schlafzimmer und Kinderzimmer. Ich habe 6 Kinder. Ich weiß, dass er sich sonst noch bei seinem Neffen aufgehalten hat, sonst kann ich nichts dazu sagen. Ob er auch bei einem Verwandten in R. war, das weiß ich nicht. Er war seit Jänner 2017 regelmäßig jede Woche bei mir. Auch gestern hat er bei mir geschlafen. Ich weiß nicht, ob er in St. übernachtet hat. Geld hab ich nicht von ihm genommen. Meine Frau hat es nicht gestört, dass er da ist.“

Es ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Dem Beschwerdeführer, einem russischen Staatsangehörigen, wurde mit Bescheid vom 21. Juli 2016 zur Zahl MA 40 – Sozialzentrum für den ... Bezirk – SH/2016/... auf Grund seines Antrags vom 3. Juni 2016 eine Leistung zur Deckung des Lebensunterhalts und der Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs für den Zeitraum von 3. Juni 2016 bis 31. Mai 2017 zuerkannt, wobei der Berechnung dieser Leistungen der Umstand zu Grunde gelegt wurde, dass der Rechtsmittelwerber kein Einkommen lukriert. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft und wurden dem Rechtsmittelwerber die so zuerkannten Leistungen bis Mai 2017 ausbezahlt.

Dem Beschwerdeführer wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz gültig bis 28. Mai 2018 erteilt.

Der Rechtsmittelwerber war von 30. Mai 2016 bis 18. Oktober 2017 an der Anschrift Wien, E.-gasse, als obdachlos gemeldet. In der Wohnung an dieser Anschrift lebt sein Neffe, Herr I. E., mit seiner Familie. Insgesamt waren an dieser Anschrift neben dem Beschwerdeführer weitere elf Personen, darunter neun Erwachsene, behördlich gemeldet. Der Rechtsmittelwerber übernachtete im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab 18. Jänner 2017 ein- bis zweimal pro Woche in der Wohnung an dieser Anschrift. Des Weiteren hielt er sich im Zeitraum ab 18. Jänner 2017 zwei- bis viermal pro Woche in der Wohnung des Herrn A. P. in Wien, P.-gasse, auf.

Der Beschwerdeführer lebt von seiner Ehegattin, Frau B. Es., seit dem Jahr 2015 getrennt. Frau B. Es. war bis 3. Juli 2017 in St., M.-weg, behördlich gemeldet. Der Rechtsmittelwerber hielt sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht in der Wohnung seiner Ehegattin in St. auf.

Seit 18. Oktober 2017 ist der Rechtsmittelwerber in Wien, M.-straße, hauptgemeldet.

Der Beschwerdeführer war beim Arbeitsmarktservice Wien von 11. Jänner 2017 bis 22. Februar 2017 als arbeitslos gemeldet. Anschließend war er ab 18. Jänner 2017 arbeitsunfähig. Nunmehr ist er seit 18. September 2017 bei Herrn Is. H. in Wien erwerbstätig.

Mit Eingabe vom 6. April 2017 übermittelte der Beschwerdeführer im Zuge einer neuerlichen Antragstellung eine Bestätigung seiner Arbeitsunfähigkeit ab 18. Jänner 2017, wobei seine behandelnde Ärztin, Frau Dr. Ha., als Krankenstandsadresse St., M.-weg, anführte. In weiterer Folge ergingen die nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheide.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die Feststellung, dass der Rechtsmittelwerber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab 18. Jänner 2017 ein- bis zweimal pro Woche in der Wohnung an der Anschrift Wien, E.-gasse, übernachtete, gründet sich auf die diesbezüglich übereinstimmenden Angaben des Rechtsmittelwerbers und des Zeugen E.. So legten beide dar, dass der Beschwerdeführer ein- bis zweimal pro Woche bei Herrn E. übernachtet habe, wobei er im Wohnzimmer geschlafen habe. Zwar divergierten die Angaben des Beschwerdeführers und des Zeugen E. teilweise, etwa gab der Rechtsmittelwerber an, auf der Matratze geschlafen zu haben und führte der Zeuge E. aus, dass der Beschwerdeführer auf der Couch genächtigt habe, sich jedoch auch eine Matratze zum Spielen für die Kinder im Wohnzimmer befinde, diese Widersprüchlichkeiten sind jedoch insofern erklärlich, als es sich bei der 55 m² großen Wohnung an der Anschrift Wien, E.-gasse, offensichtlich um ein sogenanntes „Massenquartier“ handelt, zumal dort mit dem Einschreiter insgesamt zwölf Personen gemeldet waren. Schließlich war der Beschwerdeführer an der Anschrift Wien, E.-gasse, von 30. Mai 2016 bis 18. Oktober 2017 als obdachlos gemeldet, was ein weiteres Indiz für seinen regelmäßigen Aufenthalt in dieser Wohnung darstellt. Die Angabe des Beschwerdeführers und des Zeugen E., dass der Rechtsmittelwerber in der Wohnung an der Anschrift Wien, E.-gasse, ein- bis zweimal pro Woche genächtigt hat, erweist sich somit als nicht widerlegbar.

Die Feststellung, dass der Rechtsmittelwerber sich des Weiteren im Zeitraum ab 18. Jänner 2017 zwei- bis viermal pro Woche in der Wohnung des Herrn A. P. in Wien, P.-gasse, aufhielt, basiert auf den übereinstimmenden Angaben des Rechtsmittelwerbers und des Zeugen P. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien. So legten beide dar, dass der Beschwerdeführer bis zu viermal die Woche in der Wohnung des Herrn P. übernachtet, sich dort gewaschen und gegessen habe. Auch gaben sowohl der Rechtsmittelwerber als auch der Zeuge P. an, dass der Rechtsmittelwerber auf der Couch im Wohnzimmer geschlafen habe und konnte der Beschwerdeführer die Wohnsituation und die Aufteilung der Wohnung übereinstimmend mit dem Zeugen P. wiedergeben. Letztlich machte der Zeuge P. bei seiner Vernehmung einen durchaus glaubwürdigen Eindruck. Es steht daher fest, dass sich der Einschreiter im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zwei- bis viermal pro Woche in der Wohnung an der Anschrift in Wien, P.-gasse, aufhielt.

Die Feststellung, dass sich der Rechtsmittelwerber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht in der Wohnung seiner Ehegattin in St. aufhielt, gründet sich insbesondere auf die Darlegungen der Zeugin Es., welche einen sehr glaubwürdigen Eindruck machte. Diese legte dar, seit drei Jahren getrennt vom Beschwerdeführer zu leben und nicht zu wissen, wo sich der Rechtsmittelwerber seit Jänner 2017 aufgehalten habe. Des Weiteren gab sie an, dass der Rechtsmittelwerber in St. beim Arzt gewesen wäre, weil er diesen kenne. Auch der Beschwerdeführer legte dar, dass er seit dem Jahr 2015 von seiner Ehegattin getrennt lebe und in St. lediglich den Arzt besucht habe, den er kenne. Weiters erweist es sich als nachvollziehbar, dass auf der Krankenstandsbestätigung vom 18. Jänner 2017 lediglich deshalb die Anschrift der Frau B. Es. in St. angegeben wurde, weil der Rechtsmittelwerber bei seiner Ehegattin mitversichert war und seine Ärztin, welche er schon früher konsultierte, diese Anschrift noch auf ihrer Patientendatei angeführt hatte. Auf Grund der glaubwürdigen Aussage der Zeugin Es. und der damit übereinstimmenden Darlegungen des Rechtsmittelwerbers ist somit erwiesen, dass sich dieser im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht in der Wohnung seiner Ehegattin in St. aufhielt.

Die übrigen getätigten Feststellungen ergeben sich aus dem insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt sowie insbesondere aus den Ausführungen des Beschwerdeführers im Zuge seiner Einvernahme sowie aus der zeugenschaftlichen Einvernahme der Frau B. Es., des Herrn A. P. und des Herrn I. E. im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien hat die Bedarfsorientierte Mindestsicherung zum Ziel, Armut und soziale Ausschließung verstärkt zu bekämpfen und zu vermeiden sowie die dauerhafte Eingliederung oder Wiedereingliederung in das Erwerbsleben weitest möglich zu fördern.

Gemäß § 1 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes erfolgt die Bedarfsorientierte Mindestsicherung durch Zuerkennung von pauschalierten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs sowie von den bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung erforderlichen Leistungen. Auf diese Leistungen besteht ein Rechtsanspruch.

Gemäß § 1 Abs. 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist die Zuerkennung von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung subsidiär. Sie erfolgt nur, wenn der Mindestbedarf nicht durch Einsatz eigener Arbeitskraft, eigener Mittel oder Leistungen Dritter gedeckt werden kann.

Gemäß § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien (Wiener Mindestsicherungsgesetz) hat Anspruch auf Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung, wer

1. zum anspruchsberechtigten Personenkreis (§ 5 Abs. 1 und 2) gehört,

2. seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss,

3. die in § 3 definierten Bedarfe nicht durch den Einsatz seiner Arbeitskraft, mit eigenen Mitteln oder durch Leistungen Dritter abdecken kann,

4. einen Antrag stellt und am Verfahren und während des Bezuges von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung entsprechend mitwirkt.

Gemäß § 7 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes haben volljährige Personen Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 4 Absatz 1 und 2. Der Anspruch auf Mindestsicherung des Lebensunterhalts und Wohnbedarfs kann nur gemeinsam geltend gemacht werden und steht volljährigen Personen der Bedarfsgemeinschaft solidarisch zu. Die Abdeckung des Bedarfs von zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden minderjährigen Personen erfolgt durch Zuerkennung des maßgeblichen Mindeststandards an die anspruchberechtigten Personen der Bedarfsgemeinschaft, der sie angehören.

Gemäß § 7 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes erfolgt die Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft nach folgenden Kriterien:

1. Volljährige alleinstehende Personen und volljährige Personen, die mit anderen volljährigen Personen in Wohngemeinschaft leben, bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft.

2. Volljährige Personen im gemeinsamen Haushalt, zwischen denen eine unterhaltsrechtliche Beziehung oder eine Lebensgemeinschaft besteht, bilden eine Bedarfsgemeinschaft.

3. Minderjährige Personen im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Elternteil oder mit einer zur Obsorge berechtigten Person bilden mit diesem oder dieser eine Bedarfsgemeinschaft.

4. Volljährige Personen mit Anspruch auf Familienbeihilfe und volljährige Personen bis zum vollendeten 21. Lebensjahr ohne Einkommen oder mit einem Einkommen bis zu einer Geringfügigkeitsgrenze im gemeinsamen Haushalt mit zumindest einem Eltern- oder Großelternteil bilden mit diesem eine Bedarfsgemeinschaft.

5. Volljährige Personen ab dem vollendeten 21. Lebensjahr und volljährige auf die Dauer von mindestens einem Jahr arbeitsunfähige Personen bilden eine eigene Bedarfsgemeinschaft, auch wenn sie im gemeinsamen Haushalt mit einem Eltern- oder Großelternteil leben.

Gemäß § 21 Abs. 1 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes haben Hilfe empfangende Personen haben jede Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände, insbesondere der Vermögens-, Einkommens-, Familien- oder Wohnverhältnisse sowie Aufenthalte in Kranken- oder Kuranstalten oder sonstige, voraussichtlich länger als zwei Wochen dauernde Abwesenheiten vom Wohnort unverzüglich dem Magistrat der Stadt Wien anzuzeigen.

Gemäß § 21 Abs. 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes sind Leistungen, die auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht gemäß Abs. 1 zu Unrecht empfangen wurden, mit Bescheid zurückzufordern. Die Behörde ist berechtigt, die Aufrechnung gegen Ansprüche auf Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung zu verfügen.

Gemäß § 21 Abs. 3 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes kann die Rückforderung in Teilbeträgen erfolgen oder unterbleiben, wenn die anzeigepflichtige Person glaubhaft macht, dass die Verletzung der Anzeigepflicht auf einem geringfügigen Verschulden beruht, die Rückforderung eine Notlage herbeiführen würde, der Anspruch voraussichtlich uneinbringlich wäre oder der Betrag unbedeutend ist.

Somit hat Anspruch auf Leistungen aus der bedarfsorientierten Mindestsicherung nur jener Hilfesuchende, der seinen Lebensmittelpunkt in Wien hat, sich tatsächlich in Wien aufhält und seinen Lebensunterhalt in Wien bestreiten muss (vgl. § 4 Abs. 1 Z. 2 Wiener Mindestsicherungsgesetz). Des Weiteren sind durch die Behörde Leistungen, welche auf Grund einer Verletzung der Anzeigepflicht durch die Hilfe empfangende Person zu Unrecht empfangen wurden, zurückzufordern. Der so normierten Anzeigepflicht wird dann entsprochen, wenn die Hilfe empfangende Person jede Änderung der für die Bemessung der Leistung maßgeblichen Umstände unverzüglich dem Magistrat der Stadt Wien anzeigt. Insbesondere umfasst diese Meldepflicht auch Änderungen der Wohnverhältnisse (vgl. § 21 Abs. 1 Wiener Mindestsicherungsgesetz). Leistungen aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind somit dann zurückzufordern, wenn diese auf Grund der Verletzung der durch § 21 Abs. 1 normierten Anzeigepflicht zu Unrecht empfangen wurden.

Wie bereits festgestellt, hielt sich der Rechtsmittelwerber – entgegen der Annahme der belangten Behörde – im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ab 18. Jänner 2017 nicht in der Wohnung seiner Ehegattin in St. auf. Vielmehr hielt er sich ein- bis zweimal pro Woche in der Wohnung seines Neffen in Wien, E.-gasse, sowie zwei- bis viermal pro Woche in der Wohnung des Herrn A. P. in Wien, P.-gasse, auf. Des Weiteren war er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum in Wien als obdachlos gemeldet, weist nunmehr seit 18. Oktober 2017 wiederum einen Hauptwohnsitz in Wien auf und ist seit 18. September 2017 in Wien erwerbstätig. Auch bestehen keine sonstigen Anhaltspunkte dahingehend, dass der Rechtsmittelwerber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum überwiegend außerhalb von Wien aufhältig war. So legte er selbst dar, dass seine Tochter zwar auch in St. wohne, er jedoch nie bei ihr übernachtet habe. Weiters gab er glaubwürdig an, dass er seinen Cousin in R. lediglich einmal pro Woche bzw. alle zwei Wochen besucht habe. Dafür habe er sich teilweise auch bei seinem Neffen Z. E. in F. aufgehalten. Es konnte somit auf Grund der vorliegenden Beweisergebnisse nicht mit der für das Gerichtsverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Rechtsmittelwerber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum seinen Lebensmittelpunkt nicht in Wien hatte.

Somit stellt sich die Abweisung seines Ansuchens vom 6. April 2017 auf Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung als unrechtmäßig dar. Da der Beschwerdeführer somit die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung von Leistungen der Mindestsicherung erfüllt, war der angefochtene Bescheid zu beheben.

Eine Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht erschien deshalb als nicht möglich, da Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens der angefochtene Bescheid ist und sich dieser ausschließlich auf den Umstand stützte, dass die Anspruchsvoraussetzung des Lebensmittelpunktes in Wien gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 WMG nicht erfüllt wäre. Da im fortgesetzten Verfahren nunmehr der Anspruch unter tatsächlicher Heranziehung der §§ 4 ff. des Wiener Mindestsicherungsgesetzes zu bemessen sein wird und somit in tatsächlicher Hinsicht andere Sachverhaltsfragen und Normen zum Tragen kommen würden, würde das Verwaltungsgericht im Falle einer Entscheidung über die sonstigen Voraussetzungen des Bestandes und der Höhe des Anspruches nicht mehr in derselben Sache entscheiden wie die Verwaltungsbehörde im angefochtenen Bescheid und somit über einen anderen Prozessgegenstand. Einer weitergehenden Beurteilung der Sache stünden somit zuständigkeitsrechtliche Bedenken entgegen, da Sache des Beschwerdeverfahrens der verwaltungsbehördliche Bescheid darstellt, welcher jedoch lediglich im dargestellten Umfang erging.

Bezüglich des angefochtenen Bescheides vom 30. Mai 2017, Zahl MA 40 - Sozialzentrum für den ... Bezirk - SH/2017/1659476-001, mit welchem die für den Zeitraum von 18. Jänner 2017 bis 31. Mai 2017 zu Unrecht empfangenen Leistungen der Mindestsicherung in der Höhe von EUR 3.634,80 rückgefordert wurden, ist nochmals festzuhalten, dass sich dieser Bescheid auf den Umstand stützt, dass sich der Rechtsmittelwerber in diesem Zeitraum außerhalb von Wien aufgehalten habe. Wie das Ermittlungsverfahren ergeben hat, konnte jedoch nicht mit der für das Gerichtsverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der überwiegende Aufenthalt des Beschwerdeführers im verfahrensgegenständlichen Zeitraum tatsächlich außerhalb von Wien lag. Da eine Rückforderung der im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zuerkannten Leistungen der Mindestsicherung aus den Rücksichten des § 21 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur dann möglich ist, wenn der Beschwerdeführer seine ihm obliegende Anzeigepflicht, etwa eine Änderung seines Aufenthaltsortes oder seiner Wohnverhältnisse, verletzt hätte, eine solche Verletzung der Anzeigepflicht jedoch nicht festgestellt werden konnte, erfolgte die gegenständliche Rückforderung zu Unrecht. Der angefochtene Bescheid vom 30. Mai 2017, mit welchem der Rechtsmittelwerber verpflichtet wurde, einen Betrag von EUR 3.634,80 zurückzuzahlen, war daher ersatzlos zu beheben.

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Mindestsicherung; Rückersatz; Bedarfsgemeinschaft; Anzeigepflicht; Meldung; Wohnverhältnis; Einkommen; Rückforderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.141.081.9372.2017

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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