TE Vwgh Erkenntnis 2000/2/24 96/15/0149

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Veröffentlicht am 24.02.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §177;
BAO §303 Abs1 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok, Dr. Fuchs und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des EH in L, vertreten durch Hofbauer, Krömer & Nusterer, Rechtsanwälte-Partnerschaft in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom 23. Mai 1996, Zl. GA 17-95/4191/06, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme hinsichtlich Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer sowie Abgabe von alkoholischen Getränken für die Jahre 1979 bis 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausschließlich die Rechtsfrage strittig, ob der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme der genannten Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO im Verwaltungsverfahren zu Recht abgewiesen wurde. Im Zusammenhang mit dem zur hg. Zl. 92/15/0190 protokollierten, den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschwerdeführer betrieb im Streitzeitraum den Handel mit und die Erzeugung von Wein. Weiters bewirtschaftete er Weingärten im Ausmaß von rund 15 ha, wobei der Weinbau in den Handels- und Erzeugungsbetrieb integriert war.

Mit Urteil des (damals) Kreisgerichtes Krems vom 20. März 1986 wurde der Beschwerdeführer wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges und des Vergehens nach dem Weingesetz - nach Verwerfen einer Nichtigkeitsbeschwerde durch den Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 27. August 1987 - letztlich zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Das Strafgericht hat - soweit für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof von Bedeutung - als erwiesen angenommen, der Beschwerdeführer habe in den Streitjahren bereits gepresste Trauben (Trester) mit Wasser versetzt und dieses Gemisch acht Stunden ziehen lassen. Dabei seien dem Trester verschiedene Mineralstoffe entzogen worden, die für die Erzeugung von Wein notwendig seien. Dieses Gemisch sei neuerlich gepresst und sodann eine Zuckermenge von 15 kg je Hektoliter zugesetzt worden. Aus dem so gewonnenen Most entstehe durch Vergärung ein (so genannter) Tresterwein, der einen Alkoholgehalt von rund 9 % aufweise. Der Beschwerdeführer habe jedoch nicht bloßen Tresterwein erzeugt, sondern den Trestermost mit Traubenmost im Verhältnis 1:9 gemischt. Das so hergestellte Produkt habe er nach dessen Vergärung als Wein um S 23,-- bis S 30 ,-- an Endverbraucher und um S 13,-- bis S 16,-- an Gastwirte je Liter verkauft, wobei 70 % der Umsätze auf Endverbraucher, der Rest auf Gastwirte entfallen sei. Der Beschwerdeführer habe in den Jahren 1979 bis 1985 mindestens 30.000 kg Zucker, die in seinen Büchern nicht aufschienen, bezogen. Dieser Zucker sei zur Herstellung von rund 200.000 Liter Trestermost verwendet worden. Die so erzeugte Menge an Trestermost entspreche rund 10 % der vom Beschwerdeführer in dem eben genannten Zeitraum erklärten Umsätze. Der Beschwerdeführer habe zugegeben, etwa 10 % des von ihm erzeugten Weines "schwarz" verkauft zu haben.

Im Zuge einer die Streitjahre umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung ging der Prüfer unter Berücksichtigung von im gerichtlichen Untersuchungsverfahren gemachten Aussagen davon aus, der Beschwerdeführer habe rund 90.000 kg Zucker "schwarz" gekauft und so rund 452.000 Liter Trestermost erzeugt. Diesen habe er sodann mit der erklärten Menge Traubenmost gemischt und das so hergestellte Produkt nach dessen Vergärung als Wein verkauft. Hiebei seien die Umsätze der Menge des Trestermostes entsprechend verkürzt worden.

Das Finanzamt schloss sich den Ausführungen des Prüfers an und erließ im wiederaufgenommenen Verfahren die dementsprechenden Bescheide für die Streitjahre.

In der dagegen erhobenen Berufung bestritt der Beschwerdeführer die Feststellungen des Strafgerichtes und legte umfangreiche Berechnungen dar, wonach er keine Umsätze verkürzt habe. In seiner Stellungnahme zum Vorhalt, mit dem sein Vorbringen und seine Berechnungen widerlegt wurden, hielt der Beschwerdeführer an seinen Ausführungen fest. Er ergänzte, unter "Schwarzverkäufen" werde im Weinhandel der namentlich nicht verzeichnete Verkauf an Gastwirte verstanden. Diese "Schwarzverkäufe" seien unter "Privatverkäufe" und "Werbung" in den erklärten Umsätzen enthalten. Die Vermutung der Abgabenbehörde, der außerordentlich hohe von ihm erklärte Ausbeutesatz von Wein aus Trauben sei auf die Erzeugung von Trestermost zurückzuführen, sei in keiner Weise erwiesen. Es widerspreche auch jeglicher wirtschaftlichen Logik, den Mosteinsatz mittels eines unrichtigen Ausbeutesatzes zu erhöhen, weil dies zu einer Verringerung des Wareneinsatzes und damit zu einem höheren Rohgewinn führen würde. Der von ihm erklärte Ausbeutesatz von Wein aus Trauben könne daher nicht den Tatsachen entsprechen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung räumte der Beschwerdeführer die Schätzungsbefugnis der Behörde für die Streitjahre ein und bestätigte die Richtigkeit der Feststellungen im Strafurteil. Die aus dem Trestermost erzielten Umsätze seien jedoch teilweise in den bereits erklärten Umsätzen enthalten.

Die belangte Behörde nahm in ihrer Berufungsentscheidung vom 16. September 1992, die Gegenstand des erwähnten hg. Verfahrens 92/15/0190 war, als erwiesen an, der Beschwerdeführer habe - wie im Strafurteil festgehalten - aus 30.000 kg Zucker Trestermost hergestellt, diesen mit Traubenmost im Verhältnis 1:9 gemischt und das so hergestellte Produkt nach dessen Vergärung als von ihm erzeugten Wein verkauft. Hiebei habe er die Umsätze der Menge des Trestermostes entsprechend verkürzt. Die belangte Behörde erhöhte die ermittelten Umsätze aus dem Verkauf des vom Beschwerdeführer erzeugten Weines um 10 % für jedes Streitjahr, wobei sie als weiteren Wareneinsatz den Wert des Zuckers sowie sonstige Betriebs- und Vertriebskosten von S 2,-- je Liter Trestermost berücksichtigte sowie die dementsprechenden Rückstellungen bildete. Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, aus dem im Strafurteil erwähnten Gründen wären die erklärten Umsätze aus dem Weinverkauf nicht um 10 %, sondern um 11,1 % zu erhöhen, weil das Verhältnis Trestermost zu Traubenmost nicht 1:10, sondern 1:9 betragen habe. Um jedoch dem einer Schätzung systemimmanenten Unsicherheitsfaktor Rechnung zu tragen, würden die erklärten Umsätze aus dem vom Beschwerdeführer erzeugten Wein nur um 10 % erhöht. Dem Begehren des Beschwerdeführers, die erklärten Umsätze aus dem Verkauf des von ihm erzeugten Weines nur um 5 % zu erhöhen, weil in den erklärten Umsätzen ein Teil der aus dem Trestermost erzielten Umsätze enthalten sei, könne nicht entsprochen werden. Der vom Beschwerdeführer erklärte hohe Ausbeutesatz von Wein aus Trauben liege zwar an der Obergrenze möglicher Ausbeutesätze von Vergleichsbetrieben. Dies führe aber noch nicht zu dem Schluss, in den erklärten Umsätzen sei bereits ein Teil der aus dem Trestermost erzielten Umsätze enthalten. Unbestritten sei, dass der Beschwerdeführer Trestermost mit Traubenmost im Verhältnis 1:9 gemischt hat. Es würde nun - den Ausführungen des Beschwerdeführers folgend - jeglicher wirtschaftlichen Logik widersprechen, Zuckerkäufe als Wareneinsatz nicht als Betriebsausgaben geltend zu machen, weil dies zu einem höheren Rohgewinn führen würde. Die "schwarzen" Zuckerkäufe seien nur dann sinnvoll, um weitere außerbücherliche Aktivitäten zu verschleiern. Der Beschwerdeführer habe im Strafverfahren zugegeben, etwa 10 % des von ihm erzeugten Weines "schwarz" verkauft zu haben. Die Behauptung des Beschwerdeführers, in den von ihm erklärten Umsätzen sei bereits ein Teil der aus dem Trestermost erzielten Umsätze enthalten, sei daher als bloße Zweckbehauptung anzusehen. Es spreche auch nichts dafür, Umsätze aus "Schwarzlieferungen" seien in den bereits erklärten Umsätzen enthalten. Unter "Schwarzlieferungen" werde nämlich das Nichterfassen von Umsätzen in der Buchhaltung verstanden. Unter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer aufgezeichneten Weinbewegungen in den einzelnen Jahren ging die belangte Behörde schließlich davon aus, der vom Beschwerdeführer erzeugte, nicht erklärte Wein sei im aufgezeichneten Verhältnis an Gastwirte und Endverbraucher geliefert worden.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde in dem wiederholt genannten Verfahren mit Erkenntnis vom 12. September 1996, Zl. 92/15/0190, als unbegründet abgewiesen.

Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, der Beschwerdeführer habe im Berufungsverfahren behauptet, die aus dem Trestermost erzielten Umsätze seien teilweise in den bereits erklärten Umsätzen enthalten, weswegen eine Schätzung von 5 % zu den erklärten Umsätzen realistisch erscheine. Der Beschwerdeführer habe damit seine Berufung insofern eingeschränkt, als er sich mit einer bestimmten Schätzung einverstanden erklärte. Durch diese Einschränkung habe der Beschwerdeführer seinen Anspruch auf Entscheidung im Einschränkungsausmaß verloren. Strittig sei daher lediglich die Höhe der Schätzung, nicht jedoch, ob ein Schätzungsgrund überhaupt vorliege und auch nicht die Ausgangsbasis für die Schätzung. Der Verwaltungsgerichtshof könne im Rahmen der ihm zustehenden Schlüssigkeitsprüfung nicht finden, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde in Ansehung der Schätzung unschlüssig wäre.

In der Folge wurde gegen den Beschwerdeführer beim (damals) Kreisgericht Krems/Donau ein Strafverfahren wegen Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und 2 lit. a Finanzstrafgesetz abgeführt. Mit Urteil vom 23. März 1995 des genannten Gerichtes wurde der Beschwerdeführer von der wider ihn erhobenen Anklage, er hätte in der Zeit von 1979 bis 1975 durch Abgabe unrichtiger Umsatz-, Einkommens- und Gewerbesteuer- sowie Alkoholabgabeerklärungen, sohin unter Verletzung der Wahrheits- und Offenlegungspflicht gemäß § 119 BAO vorsätzlich bewirkt, dass Umsatzsteuer in der Höhe von S 710.655,--, Alkoholsteuer in der Höhe von S 160.162,--, Einkommensteuer in der Höhe von S 1,466.044,-- und Gewerbesteuer in der Höhe von S 446.104,-- verkürzt wurde und unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem in § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1972 entsprechenden Voranmeldungen, im Jahre 1985 eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer in der Höhe von S 93.058,-- bewirkt und dies nicht nur für möglich sondern für gewiss gehalten, gemäß § 214 Finanzstrafgesetz freigesprochen.

Am 2. Juni 1995 stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der belangten Behörde vom 16. September 1992 abgeschlossenen Verfahrens. Anlässlich des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens seien neue Beweismittel hervorgekommen, die ohne Verschulden des Steuerpflichtigen bisher nicht geltend gemacht werden konnten und deren Kenntnis zu einer anders lautenden Entscheidung geführt hätte. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO zu erfolgen habe, weil in Sachen Vorfragen durch das aktuelle Gerichtsurteil vom 23. März 1995 eine wesentliche Änderung eingetreten sei und die Würdigung dieser Vorfragenentscheidung durch die Finanzbehörde zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hätte. Entscheidungsgrundlage für den Freispruch im gerichtlichen Finanzstrafverfahren sei ein Sachverständigengutachten gewesen. Das Gutachten habe die Verantwortung des Beschwerdeführers bestätigt, dass die rund 200.000 Liter Tresterwein bereits in den Bilanzen enthalten gewesen seien. Das Gutachten widerspreche daher der Beweiswürdigung der belangten Behörde in der Berufungsentscheidung vom 16. September 1992. Die belangte Behörde habe zwar eingeräumt, dass die Ausbeutesätze an der Obergrenze des Möglichen lägen, dies sei aber nicht als Beweis dafür anerkannt worden, dass die Erlöse aus dem produzierten Tresterwein in den Büchern enthalten seien. Der Sachverständige habe im gerichtlichen Finanzstrafverfahren festgestellt, dass eine Tresterweinerzeugung aus nachweislich stark ausgepresstem Trester kaum möglich sei, vor allem aber sei sie nicht mehr wirtschaftlich. Außerdem könne auf Grund der verarbeiteten Traubenmenge sowie der daraus gewonnen Mostmenge nachgewiesen werden, dass die festgestellte Tresterweinerzeugung sowie die Erlöse daraus bereits in den Büchern enthalten gewesen seien. Berechne man die mögliche Tresterweinerzeugung laut diesem Gutachten, wonach aus 100 kg durchschnittlich ausgepressten Trestern 25 Liter Tresterwein erzeugt werden könne, ergebe sich für die Streitjahre eine mögliche Weinmenge inklusive der Tresterweinerzeugung von 2,211.954 Liter. Laut Buchhaltung des Beschwerdeführers seien in diesen Jahren aus der gleichen Traubenmenge allerdings 2,383.627 Liter Wein erzeugt worden. Es ergebe sich aus dem Gutachten sogar eine "Mehrmenge" von

171.673 Liter. Berechne man die Mostausbeute und die mögliche Tresterweinerzeugung auf Grund der durchschnittlichen Einpressverluste der vom Sachverständigen überprüften Jahre, ergebe sich eine gesamte Mostmenge von 2,377.942 Liter, was in etwa der tatsächlich in den Büchern enthaltenen Mostmenge entspreche. Damit sei der Nachweis erbracht, dass die festgestellte Tresterweinerzeugung von rund 200.000 Liter bereits in den Büchern enthalten gewesen sei und somit kein Platz für eine Erlöshinzurechnung gegeben gewesen sei. Die Berücksichtigung der Feststellungen und des Urteiles im gerichtlichen Finanzstrafverfahren würden einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeiführen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag als unbegründet abgewiesen.

Die belangte Behörde führte in der Begründung aus, ein neues Beweismittel sei im Gegensatz zu den Ausführungen des Beschwerdeführers nicht hervorgekommen. Dies würde nämlich bedeuten, dass spätestens im Zeitpunkt der Senatsentscheidung das vom Beschwerdeführer zitierte Sachverständigengutachten vorhanden gewesen wäre. Tatsächlich sei dieses aber erst im Zuge des gerichtlichen Finanzstrafverfahrens, das dem rechtskräftigen Bescheid nachfolgte, erstellt worden.

Weiters führte die belangte Behörde aus, dass ein Wiederaufnahmsgrund gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO ebenfalls nicht vorliege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlichen Recht auf Wiederaufnahme des durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 lit. b und c BAO verletzt. Das Vorbringen in der Beschwerde enthält jedoch nur Ausführungen hinsichtlich der neu hervorgekommenen Tatsachen und der neu hervorgekommenen Beweismittel. Der Beschwerdeführer bestreitet - zusammengefasst - die Auffassung der belangten Behörde, das erwähnte Sachverständigengutachten sei nicht neu hervorgekommen und macht insbesonders geltend, dieses Gutachten habe Tatsachen hervorgebracht, die im Rahmen des Schätzungsverfahrens beachtlich seien und von ihm nicht früher hätten geltend gemacht werden können. Der Beschwerdeführer meint, die durch das Gutachten im gerichtlichen Finanzstrafverfahren bzw. durch das Finanzstrafverfahren an sich neu hervorgekommenen Tatsachen seien geeignet, einen anders lautenden Bescheid als die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 16. September 1992 herbeizuführen.

Entscheidungen von Gerichten (oder Verwaltungsbehörden), die nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren ergehen, stellen als solche keine Wiederaufnahmsgründe im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO für das abgeschlossene Verfahren dar, und zwar weder hinsichtlich der darin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen noch hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung. Sowohl eine Sachverhaltsfeststellung als auch deren rechtliche Beurteilung beruht nämlich auf einer behördlichen Willensbildung, deren Ergebnis rechtlich erst mit Erlassung der betreffenden Entscheidung entsteht. Selbst wenn daher in einer späteren Entscheidung auf Grund des dort ermittelten Verfahrens eine Tatsache als erwiesen angenommen wird, handelt es sich dabei nicht um eine solche, die bereits im abgeschlossenen Verfahren bestanden hat oder bloß später hervorgekommen ist, sondern um das Ergebnis eines späteren Rechtsfindungsaktes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. April 1995, 92/13/0076).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Auffassung der belangten Behörde, dass ein nach Rechtskraft des abgeschlossenen Verfahrens erstelltes Sachverständigengutachten kein "neu hervorgekommenes" Beweismittel ist (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung, zweite Auflage, § 303 Rz 11).

Dem Beschwerdeführer kann nicht darin gefolgt werden, dass sich dieses mehrfach erwähnte Sachverständigengutachten auf Tatsachen, die "neu hervorgekommen" sind, stützt und daher diese als Wiederaufnahmsgrund anzusehen seien. Bereits im abgeschlossenen Abgabenverfahren war strittig, ob der vom Beschwerdeführer unstrittig hergestellte Trestermost von 200.000 Liter in den in den Bilanzen erklärten Umsätzen zur Gänze oder zumindest teilweise enthalten war. Diese Frage wurde in einem umfassenden Beweisverfahren im Wege der Beweiswürdigung von der Behörde verneint.

In dem nachfolgenden gerichtlichen Finanzstrafverfahren war ebenfalls diese Frage von Bedeutung und wurde dazu das mehrfach erwähnte Sachverständigengutachten eingeholt. Auf Grund dieses Gutachtens kam das Gericht zum Schluss, dass mit der für das Strafverfahren notwendigen Sicherheit nicht festgestellt werden kann, dass auch der Verkauf dieser Übermenge (gemeint Tresterwein) von 10 % des Jahresumsatzes in den Büchern des Beschwerdeführers nicht aufscheint. Das in diesem Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten zeigt ausgehend von verschiedenen Berechnungsmethoden, dass die genannte Frage je nach dem in diesem Gutachten herangezogenen Methodenansatz bejaht oder verneint werden kann. Damit zeigt sich aber ganz deutlich, dass der Freispruch im Finanzstrafverfahren nicht auf Tatsachen oder Beweismitteln, die aus der Sicht des Abgabenverfahrens neu hervorgekommen wären, beruht, sondern auf einer zu einem anderen Ergebnis gelangenden Beweiswürdigung. Das Gutachten zeigt nämlich nichts anderes als neue bzw. andere Erkenntnisse in Bezug auf die Beurteilung von Tatsachen, nämlich der Erzeugung von Tresterwein aus bereits gepressten Trauben. Solcherart liegen aber keine "Tatsachen" im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. November 1997, Zl. 96/15/0221).

Die Beschwerde erweist sich sohin zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. Februar 2000

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996150149.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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