TE Lvwg Erkenntnis 2018/5/3 LVwG-2018/45/0226-1

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Veröffentlicht am 03.05.2018
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Entscheidungsdatum

03.05.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren; 40/01 Verwaltungsverfahren
L92107 Behindertenhilfe Rehabilitation Tirol

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Stemmer über die Beschwerde des Herrn AA, geboren am xx.xx.xxxx, vertreten durch seinen Sachwalter Rechtsanwalt BB, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 15.12.2017, Zahl *****, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Der nunmehr angefochtene Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 15.12.2017, Zahl *****, lautet spruchgemäß wie folgt:

„Der Bescheid vom 14.06.2017, GZ. *****, wird aufgrund des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts vom 30.10.2017, GZ. LVwG-2017/45/1789-8 wie folgt abgeändert:

Die Bezirksverwaltungsbehörde Z Stadt verpflichtet gemäß § 20 As 1 lit a des Tiroler Rehabilitationsgesetzes LGBl 58/1983 idgF Herrn AA, wohnhaft in Adresse 2, Z, vertreten durch seinen Sachwalter Herrn BB, zur Leistung eines Kostenbeitrages zu den anfallenden Kosten seines Aufenthaltes im Wohnhaus Z der slw Soziale Dienste GmbH für den Zeitraum vom 01.02.2017 bis 31.01.2019 in Höhe von einmalig € 60.235,07.

Der Kostenbeitrag aus Vermögen ist mittels beiliegendem Zahlschein bis spätestens 31.01.2019 an das Amt der Tiroler Landesregierung, Abteilung Soziales, auf das Konto AT54 5700 0002 0000 1795, BIC HYPTAT22XXX einzuzahlen.“

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 30.10.2017, LVwG-2017/45/1789-8, in dieser Sache bereits eine Entscheidung erlassen habe und die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid neuerlich eine Sachentscheidung erlasse. Durch die Sachentscheidung des Landesverwaltungsgerichtes habe die belangte Behörde keine Berechtigung zur Erlassung eines Ersatzbescheides; vielmehr liege entschiedene Sache vor. Insbesonders sei es höchstbedenklich, dass wenn der Beschwerdeführer mit seiner gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes eingebrachten Beschwerde nach Art 144 B-VG bzw gegebenenfalls in weiterer Folge mit der außerordentlichen Revision durchdringe, der nun angefochtene Bescheid, der denselben Inhalt wie das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes habe, in Rechtskraft erwachse, zumal er nicht Gegenstand der Beschwerde nach Art 144 B-VG sei. Der angefochtene Bescheid sei daher von der belangten Behörde zu Unrecht erlassen worden.

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlungen konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden.

II.      Sachverhalt:

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Z vom 14.06.2017, Zahl *****, wurde dem Beschwerdeführer die Leistung eines Kostenbeitrages zu den anfallenden Kosten seines Aufenthaltes im Wohnhaus Z der slw Soziale Dienste GmbH für den Zeitraum vom 01.02.2017 bis 31.01.2019 in Höhe von einmalig Euro 35.137,77 vorgeschrieben. Dieser Kostenbeitrag aus Vermögen ist bis spätestens 31.01.2019 einzuzahlen.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 30.10.2017, LVwG-2017/45/1789-8, wurde gemäß § 28 VwGVG die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides in der Hinsicht abgeändert, als dass die Höhe des Kostenbeitrages anstelle von „€ 35.137,77“ „Euro 60.235,07“ zu lauten hat. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt. Dieses Erkenntnis wurde der belangten Behörde am 03.11.2017 und dem Beschwerdeführer am 07.11.2017 zugestellt.

Gegen dieses Erkenntnis hat der Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof mit dem Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof für den Fall der Abweisung oder Ablehnung eingebracht. Dieses Verfahren behängt aktuell beim Verfassungsgerichthof.

In der Folge erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen einleitend angeführten Bescheid vom 15.12.2017, Zahl *****.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich in unzweifelhafter Weise aus der dem Landesverwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage und ist im Übrigen nicht strittig.

IV.      Rechtslage:

Die entscheidungsrelevanten Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten wie folgt:

Beschwerdevorentscheidung

§ 14.

(1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

(3) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Erkenntnisse

§ 28.

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(4) Hat die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben, hat das Verwaltungsgericht, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

[…]

V.       Erwägungen:

Gemäß § 14 Abs 1 erster Satz VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie nach § 14 Abs 2 VwGVG dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen. Der ungenützte Ablauf der Frist für eine Beschwerdevorentscheidung bewirkt - ebenso wie die Vorlage der Bescheidbeschwerde vor Ablauf der Frist für eine Beschwerdevorentscheidung -, dass der Behörde die Zuständigkeit zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung verlustig geht und die Zuständigkeit, über die Beschwerde zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht übergeht (vgl VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421 ua).

Mit Schreiben vom 25.07.2017, eingelangt beim Landesverwaltungsgericht Tirol am 01.08.2017, legte die belangte Behörde die fristgerecht eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 14.06.2017, Zahl *****, dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung wurde kein Gebrauch gemacht. Im Sinne der vorherigen Ausführungen ist damit mit der Vorlage der Bescheidbeschwerde die Zuständigkeit, über die eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, von der belangten Behörde auf das Landesverwaltungsgericht übergegangen.

In der Folge hat das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Erkenntnis vom 30.10.2017, LVwG-2017/45//1789-8, gemäß § 28 VwGVG seine Zuständigkeit in der Sache selbst zu entscheiden, in Anspruch genommen: Die Beschwerde wurde als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides in der Hinsicht abgeändert, als dass die Höhe des Kostenbeitrages anstelle von „€ 35.137,77“ „Euro 60.235,07“ zu lauten hat.

Jede Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, welche – allenfalls unter Rückgriff auf den Inhalt bzw Abspruch eines (in Beschwerde gezogenen) verwaltungsbehördlichen Bescheides – die Angelegenheit erledigt, die zunächst von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, tritt an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides. Dies ist bei der Gestaltung sowohl des Spruches als auch der Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu berücksichtigen (Hinweis E vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032, mwN). Somit ist die durch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 30.10.2017 abgeänderte Sachentscheidung an die Stelle des beim Landesverwaltungsgerichtes bekämpften Bescheides der belangten Behörde getreten.

Die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes (bzw des Verfassungsgerichtshofes) ändert daran nichts (vgl ua VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0018 mwN). Im gegenständlichen Fall wurde das Erkenntnis durch Zustellung erlassen und ist damit rechtskräftig.

Alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens haben einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft (vgl VwGH 27.04.2017, Ra 2017/07/0028 ua). Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranziehbar. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist (ne bis in idem). Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen (vgl dazu VwGH vom 24. April 2015, 2011/17/0244). Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl dazu etwa VwGH vom 19. Jänner 2016, Ra 2015/01/0070; VwGH 28.04.2017, Ra 2017/03/0027 ua).

Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl etwa VwGH vom 28.04.2017, Ra 2017/03/0027 mwN), bindet alle Parteien und somit auch die belangte Behörde. Eine Zuständigkeit der belangten Behörde in der Folge einen weiteren Bescheid in derselben Angelegenheit zu erlassen, scheidet aus. Aus diesem Grund war der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Stemmer

(Richterin)

Schlagworte

Res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.45.0226.1

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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