TE OGH 2018/3/21 9ObA19/18m

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Veröffentlicht am 21.03.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** H*****, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Tinhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, über die Revision der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. November 2017, GZ 7 Ra 51/17x-21, mit dem der Berufung der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 14. Oktober 2016, GZ 24 Cga 123/15f-17, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Nebenintervenientin ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.489,86 EUR (darin 248,31 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stand seit 1983 bei der Nebenintervenientin bzw deren Rechtsvorgängern in einem Angestelltenverhältnis. Im Jahr 2014 wurde er von der Nebenintervenientin an die A***** KG (kurz: A-KG) zur Arbeitsleistung überlassen. Die A-KG wurde bis zum 30. 6. 2015 als Subauftragnehmerin der I***** GmbH (kurz: I-GmbH) herangezogen, um Leistungen aufgrund eines zwischen dem AM***** und der I-GmbH bestehenden Dienstleistungsvertrags (kurz: AM*****-Projekt) zu erbringen. Der Kläger wurde im Rahmen seiner Überlassung an die A-KG bei dieser in der Organisationseinheit „Service-*****“ eingesetzt, in der bis zum 30. 6. 2015 Leistungen im Rahmen dieses AM*****-Projekts erbracht wurden.

Aufgrund einer Neuausschreibung wurde der zuvor von der A-KG im Rahmen des AM*****-Projekts verrichtete Subauftrag mit Wirkung vom 1. 7. 2015 an die Beklagte als neue Subauftragnehmerin der I-GmbH erteilt. Bei diesem Wechsel der Subauftragnehmer handelt es sich (unstrittig) um einen Betriebsteilübergang im Sinne des § 3 Abs 1 AVRAG.

Um diesen Auftrag auch tatsächlich ab 1. 7. 2015 erfüllen zu können, übernahm die Beklagte zertifizierte Trainer von der A-KG, die bereits zuvor von dieser im Rahmen des AM*****-Projekts eingesetzt worden waren. In einer schriftlichen mit der A-KG abgeschlossenen Vereinbarung erklärte die Beklagte, gemäß den gesetzlichen Bestimmungen als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse der dem übergehenden Betriebsteil zugeordneten Mitarbeiter laut Anlage 1 einzutreten. Die A-KG verschwieg der Beklagten bewusst, dass sie in diese Anlage 1 auch den gar nicht bei ihr angestellten Kläger aufgenommen hatte. Sie wollte damit erreichen, dass auch dessen Arbeitsverhältnis mit der Nebenintervenientin von der Beklagten übernommen wird.

Die A-KG und die Nebenintervenientin hatten im Jahr 2014 bis zumindest 21. 10. 2015 dieselbe Alleingesellschafterin.

Der Kläger begehrt mit seiner vorliegenden Klage die Feststellung, dass sein Arbeitsverhältnis seit 1. 7. 2015 gegenüber der Beklagten im ungekündigten Zustand aufrecht bestehe. Dazu brachten er und die auf seiner Seite beigetretene Nebenintervenientin vor, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die Beklagte in Folge des Betriebsteilübergangs von der A-KG auf die Beklagte ebenfalls von der Eintrittsautomatik des § 3 Abs 1 AVRAG erfasst sei. Nach der einschlägigen Entscheidung Albron (EuGH 21. 10. 2010, C-242/09) sei im Fall einer konzerninternen Arbeitskräfteüberlassung bei einem Betriebsübergang von einem konzernzugehörigen auf ein konzernfremdes Unternehmen auch jenes Konzernunternehmen als „Veräußerer“ im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG (im Folgenden kurz: „BetriebsübergangsRL“) anzusehen, an das ein Arbeitnehmer ständig abgestellt gewesen sei, ohne jedoch mit diesem durch einen Arbeitsvertrag verbunden gewesen zu sein. Zudem habe die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zur Nebenintervenientin auch vereinbarungsgemäß übernommen.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klageabweisung und wandte ein, dass der der Entscheidung Albron zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden schon deshalb nicht vergleichbar sei, weil es sich hier nicht um eine „atypische“ Leiharbeit gehandelt habe, bei der der Arbeitnehmer des Schutzes der BetriebsübergangsRL bedürfe. Die Vereinbarung betreffend die Übernahme des Arbeitsverhältnisses des Klägers sei infolge rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Nebenintervenientin nichtig.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Der Kläger sei bis zu dem mit 1. 7. 2015 erfolgten Betriebs(teil)übergang in einem vertraglichen Arbeitsverhältnis ausschließlich zur Nebenintervenientin (als Überlasserin) und nicht zur Inhaberin bzw späteren Veräußerin des übergegangenen Betriebs(teils), nämlich der A-KG, gestanden. Da der A-KG lediglich die Stellung einer mit dem Kläger nicht arbeitsvertraglich verbundenen Beschäftigerin zugekommen sei, habe die Übernahme jenes Betriebsteils, in dem der Kläger von der A-KG im Rahmen des AM*****-Projekts verwendet worden sei, durch die Beklagte nicht die Rechtsfolge des Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte gemäß § 3 Abs 1 AVRAG nach sich gezogen. Auch im Lichte der EuGH-Entscheidung Albron habe der vorliegende Betriebsteilübergang nicht zu einem durch § 3 Abs 1 AVRAG iVm Art 3 Abs 1 BetriebsübergangsRL ex lege bewirkten Übergang des Arbeitsverhältnisses des Klägers auf die Beklagte geführt. Die zwischen der A-KG und der Beklagten abgeschlossene Vereinbarung habe nicht das Arbeitsverhältnis des Klägers betroffen.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Nebenintervenientin, mit der sie die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe begehrt; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Nebenintervenientin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In ihrer Revision stützt sich die Nebenintervenientin weiterhin auf die EuGH-Entscheidung Albron. Auch der Kläger sei von ihr an die A-KG „ständig abgestellt“ gewesen. Die BetriebsübergangsRL solle nach ihrem Schutzzweck in erster Linie dem Verlust des Arbeitsplatzes als Folge eines „Inhaberwechsels“ vorbeugen. Zudem habe der EuGH in der Entscheidung Della Rocca (EuGH 11. 4. 2013, C-290/12) bestätigt, dass das Verhältnis zwischen überlassener Arbeitskraft und Beschäftiger als „Arbeitsverhältnis“ zu qualifizieren sei.

Dazu hat der Senat Folgendes erwogen:

1. Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über (Betriebsübergang), so tritt dieser als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein (§ 3 Abs 1 AVRAG). Die BetriebsübergangsRL 2001/23/EG definiert in Art 2 Abs 1 lit d den Begriff „Arbeitnehmer“ als jede Person, die in dem betreffenden Mitgliedstaat auf Grund des einzelstaatlichen Arbeitsrechts geschützt ist. Damit ist der Arbeitnehmerbegriff nach den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zu beurteilen (EuGH C-242/09, Albron, Rn 23; EuGH C-108/10, Scattolon, Rn 39; RIS-Justiz RS0110829; Gahleitner in ZellKomm² § 3 AVRAG Rz 33; Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG³ § 3 Rz 27 mwN). Diese Definition des Arbeitnehmers liegt auch der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. 11. 2008 über Leiharbeit (kurz: LeiharbeitsRL) zugrunde (Art 3 Abs 1 lit a). Art 2 Abs 2 der BetriebsübergangsRL und Art 3 Abs 2 der LeiharbeitsRL normieren, dass diese Richtlinien das einzelstaatliche Recht in Bezug auf die Begriffsbestimmungen des Arbeitsvertrags und des Arbeitsverhältnisses sowie auch des Arbeitnehmers unberührt lassen.

2. Arbeitnehmer, die im Betrieb des Veräußerers zwar eingegliedert sind, nicht aber zum Veräußerer, sondern zu einem Dritten in arbeitsvertraglicher Beziehung stehen, gehen nach nationalem Verständnis grundsätzlich nicht mit über. Leiharbeitnehmer werden also von der Eintrittsautomatik in der Regel nicht erfasst, wenn nicht der Überlasserbetrieb, sondern bloß der Beschäftigerbetrieb übergeht (vgl Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG³ § 3 Rz 40; Holzer/Reissner, AVRAG² § 3 Rz 10; Gahleitner in ZellKomm² § 3 AVRAG Rz 38; Gahleitner/Leitsmüller, Umstrukturierung und AVRAG, Rz 218; Jöst, Inhaber im Sinne des § 3 Abs 1 AVRAG und des Art 1 Abs 1 der Betriebsübergangsrichtlinie – Arbeitgeber oder Betriebsinhaber, ZAS 1999, 38 ff).

Aus der Entscheidung Della Rocca lässt sich für den vorliegenden Fall nichts Abweichendes entnehmen (EuGH 11. 4. 2013, C-290/12).

Richtig ist, dass der EuGH im Zusammenhang mit der Überlassung von Arbeitnehmern allgemein von einem „doppelten Arbeitsverhältnis“ spricht (Rs Della Rocca, Rn 40); im Übrigen werden aber dort Fragen befristeter Arbeitsverträge behandelt.

3. In der Rechtssache Albron hat der EuGH entschieden, dass bei einem Betriebs(teil)übergang im Sinne der BetriebsübergangsRL eines einem Konzern angehörenden Unternehmens auf ein Unternehmen, das diesem Konzern nicht angehört, als „Veräußerer“ im Sinne von Art 2 Abs 1 lit a dieser Richtlinie auch ein Konzernunternehmen betrachtet werden kann, zu dem die Arbeitnehmer ständig abgestellt waren, ohne mit diesem durch einen Arbeitsvertrag verbunden gewesen zu sein, obwohl es in diesem Konzern ein Unternehmen gab, an das die betreffenden Arbeitnehmer durch einen Arbeitsvertrag gebunden waren (Rn 32).

Dieser Entscheidung lag aber ein besonders gelagerter Sachverhalt zugrunde:

Innerhalb des niederländischen Konzerns Heineken International ist das gesamte Personal bei einem einzelnen Konzernunternehmen namens HNB beschäftigt. Dieses fungiert als zentraler Arbeitgeber und stellt Personal zu den verschiedenen Betriebsgesellschaften des Heineken-Konzerns in den Niederlanden ab. Auch Herr Roest war bei diesem zentralen Arbeitgeber HNB beschäftigt und wurde zur Heineken Nederland, die die Lieferung von Mahlzeiten an Beschäftigte des Heineken-Konzerns durchführte, abgestellt. Die Lieferung von Mahlzeiten erfolgte ab März 2005 aber nicht mehr von Heineken Nederland, sondern diese Aufgabe wurde durch Vertrag an ein anderes Unternehmen namens Albron übertragen, das nicht dem Konzern angehörte.

Der EuGH begründete nun seine Entscheidung damit, dass das gemäß Art 3 Abs 1 BetriebsübergangsRL bestehende Erfordernis entweder eines Arbeitsvertrags oder, alternativ und somit gleichwertig, eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Übergangs zur Annahme führe, dass nach dem Willen des Unionsgesetzgebers eine vertragliche Beziehung zum Veräußerer nicht unter allen Umständen dafür erforderlich sei, dass den Arbeitnehmern der durch die BetriebsübergangsRL gewährte Schutz zugute kommen könne (Rn 24). Aus der BetriebsübergangsRL gehe nicht hervor, dass das Verhältnis zwischen Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis ein Subsidiaritätsverhältnis wäre und dass daher im Falle eines Übergangs bei mehreren Arbeitgebern systematisch auf den vertraglichen Arbeitgeber abgestellt werden müsste. Somit hindere in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens der Rs Albron die BetriebsübergangsRL nicht daran, dass der nichtvertragliche Arbeitgeber, an den die Arbeitnehmer ständig überstellt seien, als „Veräußerer“ im Sinne der BetriebsübergangsRL betrachtet werden könne. Ein Übergang eines Unternehmens im Sinne der BetriebsübergangsRL setze insbesondere einen Wechsel der juristischen oder persönlichen Person voraus, die für die wirtschaftliche Tätigkeit der übertragenen Einheit verantwortlich sei und die in dieser Eigenschaft als Arbeitgeber der Arbeitnehmer dieser Einheit Arbeitsverhältnisse mit diesen – gegebenenfalls ungeachtet des Fehlens vertraglicher Beziehungen mit diesen Arbeitnehmern – begründe. Somit könne der Stellung eines vertraglichen Arbeitgebers für die Zwecke der Bestimmung der Person des Veräußerers nicht systematisch Vorrang gegenüber der Stellung eines für diese Tätigkeit verantwortlichen nichtvertraglichen Arbeitgebers gebühren. Dies werde bestätigt durch den dritten Erwägungsgrund der BetriebsübergangsRL, der die Notwendigkeit hervorhebe, die Arbeitnehmer bei einem „Inhaberwechsel“ zu schützen. Dieser Begriff könne in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens der Rs Albron den nichtvertraglichen Arbeitgeber bezeichnen, der für die Durchführung der übertragenen Tätigkeit verantwortlich sei. Wenn daher in einem Konzern zwei Arbeitgeber nebeneinander bestünden, von denen der eine vertragliche Beziehungen und der andere nichtvertragliche Beziehungen zu den Arbeitnehmern dieses Konzerns unterhalte, könne als „Veräußerer“ im Sinne der BetriebsübergangsRL auch der Arbeitgeber betrachtet werden, der für die wirtschaftliche Tätigkeit der übertragenen Einheit verantwortlich sei und der in dieser Eigenschaft Arbeitsverhältnisse mit den Arbeitnehmern dieser Einheit begründe, und zwar im Fall ständiger Überstellung auch bei Fehlen vertraglicher Beziehungen zu diesen Arbeitnehmern (Rn 25–31).

4.1. Das österreichische Schrifttum verweist zur Entscheidung Albron überwiegend darauf, dass es sich um einen „atypischen Fall“ einer ständigen konzerninternen Überlassung handle. Erfolge die Abstellung (innerhalb oder außerhalb eines Konzerns) hingegen nicht ständig, so werde beim Übergang einer wirtschaftlichen Einheit im Bereich des Beschäftigers die BetriebsübergangsRL nicht greifen. Insoweit müsse es also beim üblichen nationalen Verständnis bleiben, dass sich ein Betriebsübergang beim Beschäftiger nicht auf die dorthin überlassenen Arbeitskräfte auswirke (vgl Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG³ [2016] § 3 Rz 40 FN 148; Reissner, Aktuelle Entwicklungen im Betriebsübergangsrecht, in Wachter/Reissner, Innsbrucker Jahrbuch zum Arbeitsrecht und Sozialrecht 2015 [2016], 128 f; Köck, Individualarbeitsrecht im Konzern – Ausgewählte alte und aktuelle Probleme, ZAS 2014/11, 66; Felten, Arbeit und Soziales, in Eilmansberger/Herzig, Europarecht, Jahrbuch 2011, 302; vgl auch Gruber, Betriebsübergang mit „Konzern-Leiharbeitern“, ASoK 2010, 434 ff; Heilegger, Betriebsübergang von im Konzern überlassenen Arbeitnehmern, DRdA 2011, 316 ff; Schörghofer, Grenzfälle der Arbeitskräfteüberlassung 99).

4.2. Auch im deutschen Schrifttum wird überwiegend diese Rechtsauffassung vertreten (vgl etwa Wank in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht18 AÜG, Einleitung, Rn 38; Winter in Franzen/Gallner/Oetker, Erfurter Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht18 Art 2 RL 2001/23/EG, Rn 12; Powietzka/Christ, Betriebsübergang für Leiharbeitnehmer im Entlehnbetrieb?, Zesar 2013, 313 [315, 318]; Raab, Betriebsübergang und Leiharbeit – Rechtsfolgen der Übernahme des Entleiherbetriebs für die dort beschäftigten Leiharbeitnehmer, EuZA 2011, 537 ff; Willemsen, Erosion des Arbeitgeberbegriffs nach der Albron-Entscheidung des EuGH?, NJW 22/2011, 1546 ff mwN).

5. Im Schrifttum wurde richtig erkannt, dass der EuGH das besondere Element des Sachverhalts in der Rs Albron darin sah, dass der dort betroffene Arbeitnehmer Roest, der bei einem Unternehmer arbeitsvertraglich beschäftigt war, ständig an einen anderen Unternehmer abgestellt worden war. Die wesentliche Bedeutung dieser ständigen Abstellung ist nicht nur daran zu erkennen, dass der EuGH diesen Umstand gleich an mehreren Stellen seiner Entscheidung hervorhob (Rn 20, 26, 32, 41). Der Aspekt gewinnt noch zusätzliches Gewicht dadurch, weil das niederländische Gericht im Rahmen seiner beiden formulierten Fragen an den EuGH gar nicht auf die ständige Überlassung des Arbeitnehmers besonders abgestellt hatte, sondern offenbar vor allem das Vorliegen eines Konzerns und die Konzentration aller Arbeitnehmer bei einer einzigen Personalgesellschaft (erste Frage), allenfalls auch bei mehreren Konzernunternehmen (zweite Frage), als wesentlich ansah (Rn 19).

5.1 Aus der Beantwortung durch den EuGH ist aber zu erkennen, dass eben nicht schon das bloße Vorliegen eines Konzerns bzw die Konzentration aller Arbeitnehmer bei einem Konzernunternehmen dafür ausschlaggebend sind, in der Frage des Betriebsübergangs ausnahmsweise (Rn 24: arg „nicht unter allen Umständen“) nicht auf den vertraglichen, sondern auf den nicht vertraglichen Arbeitgeber abzustellen. Der EuGH gibt seiner Antwort aber durchaus auch eine allgemeine Ausrichtung, weil er zunächst klarstellt, dass in der Beurteilung des Betriebsübergangs zwischen Arbeitsvertrag und Arbeitsverhältnis keine Subsidiarität (Rn 25) bzw kein systematischer Vorrang besteht (Rn 29). Würden aber neben den vertraglichen stets auch die nicht vertraglichen Arbeitnehmer übergehen, hätte es nicht der mehrfachen Betonung der ständigen Abstellung eines Arbeitnehmers vom vertraglichen an einen nicht vertraglichen Arbeitgeber bedurft. Das bloße Vorliegen eines Konzerns ist sichtlich nicht ausschlaggebend, eine gewisse Bedeutung hat die Konzentration aller Arbeitnehmer bei einer einzigen Konzerngesellschaft. Dies aber erkennbar nicht als tragender rechtlicher Aspekt, sondern vielmehr als eine Besonderheit des Sachverhalts, bei der eben häufiger als sonst auch ständige Überlassungen vom vertraglichen an einen nicht vertraglichen Arbeitgeber anzutreffen sind.

5.2 Mit der Betonung der Abhängigkeit von der ständigen Überlassung – der Arbeitnehmer Roest wurde in der Rs Albron während seiner gesamten Beschäftigungsdauer von rund 20 Jahren von seinem arbeitsvertraglichen Arbeitgeber ständig an ein anderes Unternehmen abgestellt – machte der EuGH bei aller fehlenden Subsidiarität des bloßen Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitsvertrag klar, dass im Regelfall die nicht vertraglichen Arbeitnehmer, die nicht ständig, also bloß vorübergehend abgestellt sind, vom Betriebsübergang auf Seite des Beschäftigers nicht erfasst werden, also dort beschäftigt bleiben, wo sie auch vor dem Übergang vertraglich beschäftigt waren.

5.3 Ob nun die Nebenintervenientin und die A-KG Teil eines Konzerns sind, kann daher auf sich beruhen. Ausschlaggebend ist, dass der seit 1983 bei der Nebenintervenientin (bzw ihren Rechtsvorgängern) angestellte Kläger im Jahr 2014 nach 31 Jahren Beschäftigung für rund zehn Monate bis zum Übergang an die A-KG für ein bestimmtes Projekt abgestellt war. Dass es sich dabei um eine ständige Abstellung gehandelt hätte, wurde auch gar nicht behauptet.

6. Zusammengefasst liegt im vorliegenden Fall ein der Rechtssache Albron vergleichbarer Sachverhalt einer ständigen Überlassung eines Arbeitnehmers nicht vor, weshalb das zwischen dem Kläger und der Nebenintervenientin bestandene Arbeitsverhältnis vom Betriebsteilübergang am 1. 7. 2015 von der A-KG auf die Beklagte nicht umfasst war. Die Feststellungsklage wurde daher von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen.

Der Revision der Nebenintervenientin war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagten gebührt für ihre Revisionsbeantwortung kein Streitgenossenschaftszuschlag nach § 15 RATG, weil die Beklagtenvertreterin weder mehrere Personen vertritt noch ihr im Revisionsverfahren mehrere Personen gegenüberstehen (vgl Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 639; 9 ObA 126/16v).

Textnummer

E121536

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:009OBA00019.18M.0321.000

Im RIS seit

04.06.2018

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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