Entscheidungsdatum
15.05.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W217 2006949-1/18Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , StA. Afghanistan, geb. XXXX , vertreten durch Dr. Mario ZÜGER, Rechtsanwalt, gegen Spruchpunkt I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2014, IFA XXXX , beschlossen:
A)
Das Verfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 7 AVG idgF iVm §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG idgF hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides vom 24.03.2014 eingestellt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge BF), StA Afghanistan, stellte am 06.08.2013 einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz.
1.1. Bei der Erstbefragung vor Organen der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 06.08.2013 führte der BF aus, er sei am XXXX in der Provinz Baghlan geboren, gehöre der Volksgruppe der Pashtunen an und habe die Grundschule 7 Jahre in XXXX besucht. Sein Großvater habe zwei Personen getötet. Die Feinde seines Großvaters hätten nach dem Tod des Großvaters vor elf Jahren den Vater des BF umgebracht. Vor etwa zwei Monaten seien die Feinde in die Region zurückgekommen. Eines Tages hätten sie auf den Bruder des BF, der mit der Feldarbeit beschäftigt gewesen sei, geschossen. Der Bruder habe sich jedoch retten können. Der BF habe im Dorf ein Geschäft betrieben. Eines Nachts hätten sie in dem Geschäft Bomben gelegt und dieses zerstört. Einige Tage später wären bewaffnete Männer hinter ihnen her gewesen. Die Familie habe nicht mehr im Dorf bleiben können und hätten sie den Entschluss gefasst, nach Pakistan zu fliehen.
1.2. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 03.02.2014 gab der BF an, sein Vater sei vor elf Jahren wegen eines Racheaktes erschossen worden. Seine Mutter und sein zwanzigjähriger Bruder würden zurzeit in Pakistan leben. Vor der Ausreise aus Afghanistan habe der BF mit seiner Familie in XXXX in der Provinz Baghlan gewohnt. Er sei zwar 7 Jahre zur Schule gegangen, tatsächlich jedoch höchstens drei Jahre. Er sei gesund, ledig und habe keine Kinder. Er habe in Afghanistan im Kinderartikelgeschäft gearbeitet oder in der Landwirtschaft geholfen.
Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, sein Großvater habe zwei Personen erschossen, vor elf Jahren sei sein Vater aus Rache getötet worden. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass die Feinde vom Stamm XXXX wären. Er wisse nicht, wo diese zu Hause seien. Sein Bruder sei eines Tages auf dem Weg vom Geschäft nach Hause von einem Auto verfolgt worden, habe gesehen, dass dieses angehalten hätte und eine Kalaschnikow auf ihn gerichtet worden sei. Er habe sich in einem bewohnten Haus versteckt. Dieser Vorfall habe sich drei Tage bevor auf ihn geschossen wurde, zugetragen. Dann hätten drei Personen auf seinen Bruder auf den Feldern geschossen. Zuletzt sei das Geschäft zwei Tage vor ihrer Ausreise explodiert. Sie seien am Abend zusammengesessen, plötzlich hätten sie einen lauten Krach gehört. Ein Nachbar sei gekommen und habe ihnen mitgeteilt, dass ihr Kinderartikelgeschäft im Dorf rund 15 Minuten von zu Hause entfernt in die Luft geflogen sei. Sein Bruder habe dann gemeint, dass sie in Afghanistan nicht bleiben könnten, da sie hier nicht sicher seien. Müsste der BF nach Afghanistan zurückkehren, würden ihn diese Leute finden und nicht in Ruhe lassen und auch aus finanziellen Gründen könne er dort nicht leben, da Haus und Grund verkauft werden sollten und das Geschäft kaputt sei.
2. Mit Bescheid vom 24.03.2014, IFA XXXX , wies das BFA unter Spruchpunkt I. den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF ab. Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Begründend führte das BFA aus, die Identität des BF stehe mangels Personaldokumente nicht fest. Der BF sei afghanischer Staatsbürger; seine Niederlassung im, sowie seine Einreise und Hinreise in den Herkunftsstaat (somit auch in jedem Teil des Gesamtstaates) sei reell möglich, ebenso wie eine Existenzgründung. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse im Herkunftsstaat seien gesichert. Er verfüge über soziale Kontakte im Herkunftsstaat. Er verfüge über eine Grundschulbildung und berufliche Erfahrungen. Er sei gesund und arbeitsfähig. Er verfüge in seinem Herkunftsstaat über eine Unterkunftsmöglichkeit.
Er habe keine systematische bzw. intensive Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Religion, Nationalität, zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Gesinnung geltend bzw. glaubhaft gemacht. Er sei auch persönlich nicht glaubwürdig. Nach Verlassen seines Herkunftsstaates habe er sich bereits in anderen sicheren Staaten befunden und dort keinen Asylantrag gestellt oder Aufenthalt gesucht, sondern sei am Landweg nach Österreich weitergereist.
Im Zuge einer ganzheitlichen Würdigung des individuellen Vorbringens sei der BF weder persönlich glaubwürdig noch seine Angaben konsistent, noch das Vorbringen plausibel nachvollziehbar oder widerspruchsfrei und hinreichend wahrscheinlich, Letzteres auch im Hinblick auf die Situation im Herkunftsstaat. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei einerseits zumutbar und real möglich und andererseits bestehe in anderen Landesteilen effektiver Schutz. Zufolge den Länderfeststellungen würden jedenfalls die befriedeten Gebiete die geforderte Beständigkeit aufweisen und erscheine es unwahrscheinlich, dass der BF etwa in Kabul oder seiner behaupteten Herkunftsregion von einem innerstaatlichen Konflikt oder damit verbundenen massiven Menschenrechtsverletzungen betroffen sein könnte. Auch könne dem BF eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung des bisherigen Lebens im Herkunftsstaat gewährt werden. In diesem Zusammenhang werde der Neubeginn zu Hause unterstützt, Kontakt zu dortigen Hilfsorganisationen vermittelt, finanzielle Unterstützung gewährt und beim Zugang zu Wohn-, Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten geholfen. Es könne nicht angenommen werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde.
Die Rückkehrentscheidung stelle keinen Eingriff in die Achtung des Familienlebens dar, zumal kein Familienbezug vorliege. Auch seien im Verfahren keine Ansatzpunkte hervorgetreten, die die Vermutung einer besonderen Integration des BF in Österreich rechtfertigen würden, zumal er weder Deutsch spreche noch über enge Bindungen in Österreich verfüge. Er gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach und lebe von der Grundversorgung. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liege eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vor.
3. Mit Beschwerde vom 08.04.2014 bekämpfte der BF sämtliche Spruchpunkte des Bescheides vom 24.03.2014. Der BF habe seine Heimat als Minderjähriger verlassen, da sein Großvater ein Familienmitglied der Familie XXXX ermordet habe. Aus Rache seien sein Großvater und vor elf Jahren auch sein Vater von der gleichen Familie ermordet worden. Als sein Bruder und der BF selbst vor der Volljährigkeit standen, seien sie zum nächsten Ziel geworden: der BF und sein Bruder seien bedroht und ihr Geschäft in Brand gesteckt worden. Dies sei der fluchtauslösende Moment gewesen. Der BF habe auch keinen Schutz bei der Polizei gefunden, nachdem die Polizei bekannter Weise korrupt und nicht in der Lage sei, die Bevölkerung vor einer solchen Bedrohung zu schützen. Das BFA habe es insbesondere verabsäumt, entsprechende Ermittlungen zum Vorbringen des BF im Hinblick auf Blutrache anzustellen. Der BF habe keine Familie in Afghanistan und wäre bei einer Rückkehr auf sich alleine gestellt. Ohne familiäre Unterstützung sei eine Neusiedlungsalternative in Kabul oder in einem anderen Landesteil nicht zumutbar.
4. Mit Schreiben vom 09.04.2014 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Das Beschwerdeverfahren wurde zunächst der Gerichtsabteilung W150 zur Entscheidung zugewiesen. Am 27.11.2015 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W217 zugewiesen.
5. Am 30.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der BF die Beschwerde, soweit sie sich gegen Spruchpunkt I. und II. bezieht, zurückgezogen hat.
II. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den hier maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt somit in gegenständlicher Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden.
In welchen Fällen das Verfahren einzustellen ist, regelt das VwGVG nicht. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jenes Verfahrens, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).
Zu A)
Da der BF während der mündlichen Verhandlung vom 30.04.2018 seine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.03.2014, IFA XXXX , zur Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten zurückgezogen hat, ist der angefochtene Bescheid zu Spruchpunkt I. und II. rechtskräftig geworden. Das diesbezügliche Verfahren ist gemäß § 13 Abs. 7 AVG iVm §§ 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss einzustellen (vgl VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047).
Zu B):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Schlagworte
Verfahrenseinstellung, ZurückziehungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W217.2006949.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.05.2018