TE Lvwg Erkenntnis 2018/4/17 LVwG-AV-965/001-2016

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Veröffentlicht am 17.04.2018
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Entscheidungsdatum

17.04.2018

Norm

AWG 2002 §62 Abs2a
VVG 1991 §2
VVG 1991 §5
VVG 1991 §7
VVG 1991 §10

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Dr. Michaela Lütte als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn A, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 26. Juli 2016, Zl. ***, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) insoweit stattgegeben, als statt einer Zwangsstrafe im Ausmaß von 3 Tagen (72 Stunden) Haft eine Zwangsstrafe in Höhe von 600,00 Euro verhängt wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) in Verbindung mit Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden (in der Folge: belangte Behörde) vom 26. Juli 2016, Zl. ***, wurde über den Beschwerdeführer eine Zwangsstrafe im Ausmaß von drei Tagen (72 Stunden) Haft mit der Begründung verhängt, dass dieser durch die Zuführung von Abfällen folgender mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 01. Juli 2014, Zl. ***, aufgetragener Verpflichtung zur Schließung einer Abfallbehandlungsanlage zuwidergehandelt habe:

„Es wird die sofortige Schließung der auf den Grundstücken Nr. ***, *** und ***, KG ***, von Herrn A konsenslos betriebenen ortfesten Abfallbehandlungsanlage (Deponie und Abfallzwischenlager) verfügt. Sämtliche Abfallablagerungen und Abfallzwischenlagerungen sind unverzüglich, spätestens jedoch bis Ende August 2014 nachweislich ordnungsgemäß zu entfernen. Die Entsorgungsnachweise sind im Wege des Deponieaufsichtsorganes der Behörde vorzulegen. Es dürfen keine neuen Abfälle zugeführt werden.“

Am 22. April 2016 sei durch ein Organ der technischen Gewässeraufsicht der Bezirkshauptmannschaft Baden Folgendes festgestellt worden:

„Ein LKW der Firma B mit dem behördlichen Kennzeichen *** näherte sich dem geschlossenen Schranken. Anschließend stieg der Fahrer aus und öffnete das Vorhängeschloss mit einem Schlüssel und den Schranken. Er fuhr mit dem LKW durch die aufrechte Schotterentnahmegrube und kippte auf den Parzellen *** und *** alle KG *** ca. 5m³ Bodenaushubmaterial von der Ladefläche auf die unbefestigte Schotterfläche. Augenscheinlich war das gleiche Erdmaterial schon innerhalb der letzten 2 Wochen zugeführt worden, da sich in Summe ca. 200m³ von diesem Abfall auf den Liegenschaften befinden und die letzte Überprüfung der Gewässeraufsicht am 08.04.2016 Vorort stattfand.

Diese zuletzt getätigten Ablagerungen (nicht eingebaut, in Haufenform geschüttet) befinden sich im Bereich des ehemaligen Haufens 10B des Vermessungsplanes vom 24.11.2014 des Amtes der NÖ Landesregierung.

Anschließend fuhr der LKW wieder Richtung Schranken, der Schranken wurde geschlossen und der LKW fuhr fort.“

Es sei daher der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 01. Juli 2014 aufgetragenen Verpflichtung (keine Zufuhr von Abfällen) nicht entsprochen worden.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

2.1. In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Beschwerde bringt der Beschwerdeführer Folgendes vor:

Es handle es sich bei dem von dem Organ der technischen Gewässeraufsicht beobachteten LKW mit dem behördlichen Kennzeichen *** nicht um ein Fahrzeug der Firma C sondern um ein Fahrzeug der Firma D GmbH; es sei daher rechtlich nicht möglich, Herrn A für die angebliche Tat – welche jedoch bestritten werde – zu bestrafen.

Zudem hätte der Fahrer des LKW, Herr E, vor dem versperrten Schranken der Grundstücke Nr. ***, *** und ***, alle KG ***, angehalten und dort ein Organ der technischen Gewässeraufsicht angetroffen. Im Rahmen eines Gesprächs hätte der Fahrer dem Organ der technischen Gewässeraufsicht mitgeteilt, dass er wisse, dass die gegenständliche Deponie geschlossen sei. Der Fahrer hätte das Organ der technischen Gewässeraufsicht gefragt, ob es möglich sei, Rückstände, die an der Ladefläche des LKW anhafteten, abputzen zu dürfen, da ansonsten die im Rahmen des nächsten Auftrags zu ladende fein gesiebte Erde ebenfalls auf der Ladefläche kleben bleiben würde. Das Organ der technischen Gewässeraufsicht hätte dem Fahrer mitgeteilt, dass dies möglich wäre und hätte den Fahrer gefragt, ob er ihn und den LKW fotografieren dürfte, worin der Fahrer eingewilligt hätte. Nach diesem Gespräch sei der Fahrer zu der im Norden der Grube abgelagerten Erde für die Rekultivierung gefahren und hätte dort Rückstände (anhaftender Erde) von der Ladefläche des LKW im Ausmaß von ca.1 bis 2 Scheibtruhen entfernt.

2.2. Der Beschwerdeführer beantragte eine öffentliche mündlichen Verhandlung sowie die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3.   Zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren:

3.1. Mit Schreiben vom 07. September 2016 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung vor.

3.2. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 22. März 2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der Beweis erhoben wurde durch Verlesung des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde
Zl. ***, des gegenständlichen Aktes des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich Zl. LVwG-AV-965/001-2016 sowie der Akten des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich Zlen. LVwG-AB-14-4024 (betreffend den der Zwangsstrafe zugrunde liegenden Titelbescheid) und
LVwG-AV-610/001-2014 (betreffend die Verhängung einer Zwangsstrafe in Höhe von 500,00 Euro wegen Zuwiderhandelns gegen den Titelbescheid). Ferner wurde der Beschwerdeführer befragt und der Fahrer des LKW, Herr E, sowie das Organ der technischen Gewässeraufsicht der Bezirkshauptmannschaft Baden, Herr F, als Zeugen einvernommen.

4.   Feststellungen:

4.1. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 01. Juli 2014, ***, erging an den Beschwerdeführer betreffend die Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken Nr. ***, *** und ***, alle KG ***, folgender behördlicher Auftrag:

„Es wird die sofortige Schließung der auf den Grundstücken Nr. ***, *** und ***, KG ***, von Herrn A konsenslos betriebenen ortsfesten Abfallbehandlungsanlagen (Deponie und Abfallzwischenlager) verfügt. Sämtliche Abfallablagerungen und Abfallzwischenlagerungen sind unverzüglich, spätestens jedoch bis Ende August 2014 nachweislich ordnungsgemäß zu entfernen. Die Entsorgungsnachweise sind im Wege des Deponieaufsichtsorganes der Behörde vorzulegen. Es dürfen keine neuen Abfälle zugeführt werden.

Rechtsgrundlagen:

§ 62 Abs. 2a und c Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002 BGBl. I 102/2002 i.d.g.F.“

4.2. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 21. Oktober 2014, LVwG-AB-14-4024, wurde der Beschwerde gegen diesen Bescheid insofern Folge gegeben, als dieser dahingehend abgeändert wurde, dass der zweite und dritte Satz ersatzlos entfielen. Darüber hinausgehend wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Februar 2015, ***, wurde die Behandlung der gegen diese Entscheidung eingebrachten Beschwerde abgelehnt. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Oktober 2015, ***, wurde die gegen diese Entscheidung eingebrachte Revision als unbegründet abgewiesen.

4.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03. September 2014, Zl. ***, wurde über den Beschwerdeführer bereits eine Zwangsstrafe in Höhe von 500,00 Euro wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung aus dem Titelbescheid rechtskräftig verhängt. Im Anschluss an diesen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die mit dem angefochtenen Bescheid verhängte Zwangsstrafe in Höhe drei Tagen (72 Stunden) Haft angedroht.

4.4. Am 22. April 2016 öffnete der für den Beschwerdeführer tätige Fahrer E den Schranken der geschlossenen Abfallbehandlungsanlage mit einem Schlüssel und führte mit dem LKW mit dem behördlichen Kennzeichen ***, zugelassen auf die D GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer und Gesellschafter der Beschwerdeführer ist, Bodenaushubmaterial im Ausmaß von zumindest 2 m3 auf die unbefestigte Schotterfläche der Grundstücke Nr. *** und ***, beide KG ***, zu.

Der Beschwerdeführer erfuhr erst im Nachhinein von dieser Zufuhr des Bodenaushubmaterials in die geschlossene Abfallbehandlungsanlage. Der Fahrer nahm die Zufuhr ohne Kenntnis und ohne entsprechende Anweisung des Beschwerdeführers vor. Die Zufuhr erfolgte jedoch vor dem Hintergrund eines vom Beschwerdeführer an den Fahrer erteilten Auftrags, mit dem LKW feingesiebte Erde bei einer in der Nähe der geschlossenen Abfallbehandlungsanlage gelegenen Firma abzuholen. Da an der Ladefläche des LKW noch Bodenaushubmaterial von Tätigkeiten auf einer anderen Baustelle anhaftete, entschied der Fahrer, dieses von der Ladefläche auf der geschlossenen Deponie abzuputzen.

4.5. Der Beschwerdeführer informierte die beschäftigten Fahrer nach Zustellung des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 01. Juli 2014 betreffend die Schließung der gegenständlichen Abfallbehandlungsanlage mündlich darüber, dass dort kein Material mehr eingebracht werden dürfe. Eine schriftliche Anweisung oder mündliche Wiederholung dieser Weisung erfolgte nicht.

4.6. Dem Fahrer E war bekannt, dass die Deponie geschlossen ist. Der Fahrer ging jedoch davon aus, dass die Schließung und das Verbot der Zufuhr von Abfällen einem „Abputzen“ der Ladefläche im Ausmaß von „ein paar Scheibtruhen“ nicht entgegenstünden.

4.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Organ der technischen Gewässeraufsicht dem Fahrer E das „Abputzen“ der Ladefläche erlaubt hätte. Der Fahrer hätte das Bodenaushubmaterial auch dann zugeführt, wenn er das Organ der technischen Gewässeraufsicht nicht (zufällig) angetroffen hätte.

5.   Beweiswürdigung:

5.1. Die in den Punkten 4.1. bis 4.3. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den in der öffentlichen mündlichen Verhandlung verlesenen Akten und wurden vom Beschwerdeführer auch nicht in Frage gestellt.

5.2. Die in Punkt 4.4. getroffenen Feststellungen gründen sich auf die Ausführungen des Beschwerdeführers und der Zeugen in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2018 sowie auf die im Verwaltungsakt der belangten Behörde dem Aktenvermerk des Organs der technischen Gewässeraufsicht angeschlossenen Fotos betreffend die Wahrnehmungen am 22. April 2016:

Zur zugeführten Menge an Bodenaushubmaterial ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer von einer abgelagerten Menge im Ausmaß von 1 bis 2 m3 ausgeht und das Organ der technischen Gewässeraufsicht die beobachtete Zufuhr auf 5 m3 schätzt. Im Hinblick auf die im Akt enthaltenen Lichtbildaufnahmen, die insbesondere das auf der gekippten Ladefläche zusammengeschobene Material zeigen, und die Größe dieser Ladefläche (insgesamt ca. 10 m3) steht für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fest, dass in die geschlossene Anlage Material in der Menge von zumindest 2 m3 zugeführt wurde.

Zu den Feststellungen, dass der Beschwerdeführer erst im Nachhinein von der Zufuhr des Bodenaushubmaterials durch seinen Fahrer erfuhr und der Fahrer entschied, die Ladefläche auf der geschlossenen Deponie zu entleeren, ist auszuführen, dass dies glaubhaft und übereinstimmend vom Beschwerdeführer sowie von dem als Zeugen einvernommenen Fahrer dargelegt wurde.

5.3. Die in den Punkten 4.5. und 4.6. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den glaubwürdigen und übereinstimmendenden Aussagen des Beschwerdeführers sowie des als Zeugen einvernommenen Fahrers in der mündlichen Verhandlung. Insbesondere haben beide nachvollziehbar dargelegt, dass der Fahrer über die Schließung der Anlage informiert war, diesem jedoch nicht bewusst war, dass auch ein „Abputzen“ der Ladefläche „im Ausmaß von ein paar Scheibtruhen“ der untersagten Zuführung zuwiderläuft.

5.4. Für die Begegnung des Fahrers mit dem Organ der technischen Gewässeraufsicht (Feststellung in Punkt 4.7.) ist aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich aufgrund der Aussagen der beiden Zeugen in der mündlichen Verhandlung davon auszugehen, dass der Fahrer die Frage des Organs der technischen Gewässeraufsicht danach, was er auf dem Grundstück mache, sowie das weitere Verhalten des Organs der technischen Gewässeraufsicht auf seine Antwort, insbesondere, dass das Organ der technischen Gewässeraufsicht dem Vorhaben des Fahrers nicht entgegentrat und sich schließlich vom Fahrer entfernte, als „Erlaubnis“ für das Abputzen verstanden hat. Dass das Organ der technischen Gewässeraufsicht – ungeachtet dessen, dass der Fahrer dies anders interpretiert hat – eine Erlaubnis für das „Abputzen“ (ausdrücklich) erteilt hätte, konnte aufgrund der glaubwürdigen Aussage des als Zeugen einvernommenen Organs der technischen Gewässeraufsicht, die im Einklang mit dem nach der Begehung der geschlossenen Anlage verfassten Aktenvermerk steht, nicht festgestellt werden.

6.   Rechtslage:

6.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) lauten:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

[…]“

6.2. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (VVG) lauten:

„§ 2. (1) Bei der Handhabung der in diesem Bundesgesetz geregelten Zwangsbefugnisse haben die Vollstreckungsbehörden an dem Grundsatz festzuhalten, daß jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist.

[…]“

„§ 5. (1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen läßt, wird dadurch vollstreckt, daß der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 726 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.

(4) Die Vollstreckung durch Geldstrafen als Zwangsmittel ist auch gegen juristische Personen mit Ausnahme der Körperschaften des öffentlichen Rechts und eingetragene Personengesellschaften zulässig.“

„§ 10. (1) Auf das Vollstreckungsverfahren sind, soweit sich aus diesem Bundesgesetz nicht anderes ergibt, der I. Teil, hinsichtlich der Rechtsmittelbelehrung die §§ 58 Abs. 1 und 61 und der 2. und 3. Abschnitt des IV. Teiles des AVG sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Beschwerde beim Verwaltungsgericht gegen die Vollstreckungsverfügung hat keine aufschiebende Wirkung.“

6.3. § 10 Abs. 2 VVG idF vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr. 2013/33, lautete:

„§ 10. […]

(2) Die Berufung gegen eine nach diesem Bundesgesetz erlassene Vollstreckungsverfügung kann nur ergriffen werden, wenn

1.   die Vollstreckung unzulässig ist oder

2.   die Vollstreckungsverfügung mit dem zu vollstreckenden Bescheid nicht übereinstimmt oder

3.   die angeordneten oder angewendeten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen sind oder mit § 2 im Widerspruch stehen.“

7.   Erwägungen:

7.1. Die Beschwerde ist teilweise berechtigt.

7.2. Gemäß § 5 Abs. 1 VVG wird die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.

Gemäß § 5 Abs. 2 VVG hat die Vollstreckung mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.

Gemäß § 5 Abs. 3 VVG dürfen die Zwangsmittel in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 726,00 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen.

7.3. Bis zum Inkrafttreten des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes 2013, BGBl. I Nr. 33/2013, waren die Gründe für eine Berufung gegen eine Vollstreckungsverfügung auf den Rahmen des § 10 Abs. 2 VVG idF vor Inkrafttreten dieser Novelle beschränkt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass im nunmehr geltenden und im vorliegenden Fall anzuwendenden § 10 VVG keine Beschränkung der Beschwerdegründe mehr normiert sei. Soweit sich eine gegen die bescheidmäßige Anordnung der Ersatzvornahme erhobene Beschwerde aber auf Gründe stütze, die inhaltlich Berufungsgründe im Sinne § 10 Abs. 2 VVG aF darstellen, könne auf die zu dieser Gesetzesbestimmung ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen werden, wonach eine Vollstreckung etwa dann unzulässig sei (§ 10 Abs. 2 Z 1 VVG aF), wenn kein entsprechender Titelbescheid vorliege, ein solcher dem Verpflichteten gegenüber nicht wirksam sei oder der Verpflichtung innerhalb der festgesetzten Frist oder doch bis zur Einleitung des Vollstreckungsverfahrens bereits entsprochen wurde oder wenn die im Titelbescheid auferlegte Verpflichtung zu unbestimmt oder deren Erfüllung dem Verpflichteten tatsächlich unmöglich sei (vgl. VwGH 26.09.2017, Fe 2016/05/0001, mwN; s. auch VwGH 26.09.2013, 2013/07/0083, mwN). § 10 Abs. 2 Z 3 VVG aF sah zudem vor, dass die Berufung ergriffen werde dürfe, wenn die angeordneten Zwangsmittel im Gesetz nicht zugelassen seien oder mit § 2 im Widerspruch stünden.

7.4. Bei der im gegenständlichen Verfahren zu vollstreckenden Schließung der Abfallbehandlungsanlage einschließlich der Nichtzuführung von weiterem Material handelt es sich um eine unvertretbare Verhaltensweise und um eine Unterlassung, welche nur im Wege der §§ 5 bzw. 7 VVG vollstreckt werden kann (vgl. VwGH 13.03.1992, 92/04/0013).

7.5. Dem Beschwerdeführer ist die Zuführung von Material in die geschlossene Abfallbehandlungsanlage durch seinen Fahrer am 22. April 2016 zuzurechnen, wodurch der Beschwerdeführer die im Titelbescheid auferlegte konkrete Verpflichtung der Schließung der Anlage einschließlich der Nichtzuführung von weiterem Material verletzt hat. Dies aus folgenden Gründen:

Auch bei der Abladung einer nur geringeren Menge von Bodenaushubmaterial im Ausmaß von zumindest 2 m3 handelt es sich um eine im Sinne des Titelbescheides zu unterlassende Zufuhr von Material.

Dass die Zufuhr mit einem LKW, zugelassen auf die D GmbH, erfolgte, schadet nicht, weil der Beschwerdeführer handelsrechtlicher Geschäftsführer (und Gesellschafter) dieser Gesellschaft ist und der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, dass der Fahrer sein Mitarbeiter ist. Überdies verfügte der Fahrer über einen Schlüssel für den Schranken vor der geschlossenen Abfallbehandlungsanlage.

Es wäre die Verpflichtung des Beschwerdeführers als durch den Titelbescheid verpflichtete Person gewesen, für die Erfüllung der ihm auferlegten Verpflichtung – auch durch seine ihm weisungsgebundenen Mitarbeiter – ausreichende Vorkehrungen zu treffen. Eine einmalige mündliche Anordnung im Zeitraum der Zustellung des Titelbescheides ist nicht als eine Vorkehrung zu werten, die eine Zurechnung der Zufuhr von Material durch den Fahrer – nahezu zwei Jahre nach Erlassung des Titelbescheides – zum Beschwerdeführer ausschließen könnte. Dies gilt umso mehr aufgrund der Tatsache, dass über den Beschwerdeführer schon einmal eine Zwangsstrafe (in Höhe von 500,00 Euro) wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung aus dem Titelbescheid rechtskräftig verhängt wurde.

Eine Unmöglichkeit der Erfüllung des Titelbescheides durch den Beschwerdeführer liegt daher auch für vorliegenden Sachverhalt nicht vor.

7.6. Die über den Beschwerdeführer verhängte Zwangsstrafe im Ausmaß von drei Tagen (72 Stunden) Haft erweist sich jedoch im Sinne des § 2 Abs. 1 VVG als unverhältnismäßig.

7.6.1. § 5 Abs. 3 VVG sieht vor, dass Zwangsmittel in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 726,00 Euro, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen dürfen, wobei – nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes – die Geldstrafe im Verhältnis zur Haft das gelindere Zwangsmittel darstellt (vgl. etwa VwGH 09.10.2014, 2013/05/0110, mwN).

Gemäß § 2 Abs. 1 VVG haben die Vollstreckungsbehörden bei der Handhabung der in diesem Gesetz geregelten Zwangsbefugnisse am Grundsatz festzuhalten, dass jeweils das gelindeste noch zum Ziel führende Zwangsmittel anzuwenden ist. Es ist daher auch bei Verhängung einer Zwangsstrafe zu beurteilen, ob das angeordnete Zwangsmittel dem gesetzlich determinierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht.

7.6.2. Im vorliegenden Fall wurde über den Beschwerdeführer wegen Zuwiderhandelns gegen den Titelbescheid bereits eine Zwangsstrafe in Höhe von 500,00 Euro verhängt.

Wenngleich die Androhung (und Verhängung) einer Zwangsstrafe im Ausmaß von drei Tagen (72 Stunden) Haft dem in § 5 Abs. 2 VVG für den Fall des Zuwiderhandelns vorgesehenen Regime der Androhung eines „stets schärferen“ Zwangsmittels entspricht, ist die Verhängung einer dreitätigen Haftstrafe als Zwangsmittel im vorliegenden Fall als nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar anzusehen: Für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich haben sich im gesamten Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, dass nicht mit der Verhängung einer gelinderen Zwangsstrafe, insbesondere einer Geldstrafe, das Auslangen hätte gefunden werden können. So ergibt sich weder aus der Begründung des angefochtenen Bescheides noch aus einem Vorbringen der belangten Behörde oder hätte sich für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich in sonstiger Weise, etwa in der mündlichen Verhandlung, ergeben, dass es erforderlich wäre, insbesondere auch ohne Ausschöpfung des zur Verfügung stehenden Rahmens an gelinderen Geldstrafen als Zwangsmittel eine Haftstrafe im Ausmaß von drei Tagen zu verhängen.

Vielmehr trägt im vorliegenden Fall aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 600,00 Euro als Zwangsstrafe sowohl dem in § 5 Abs. 2 VVG vorgesehenen Regime der Durchsetzung von unvertretbaren Leistungen bzw. Unterlassungen als auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gemäß § 2 Abs. 1 VVG ausreichend Rechnung. Die von der belangten Behörde verhängte Zwangsstrafe war daher entsprechend zu korrigieren.

7.6.3. Die dahingehend vorzunehmende Modifikation der verhängten Zwangsstrafe ist aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässig, da Sache des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über eine Beschwerde gegen eine verhängte Zwangsstrafe deren Rechtmäßigkeit ist und das Verwaltungsgericht diese Angelegenheit – auch zur Vermeidung von Kassationskaskaden – zu erledigen hat (zum Vorrang der Sachentscheidung durch das Verwaltungsgericht vgl. etwa VwGH 02.03.2017, Ra 2015/08/0175).

Auch wenn gemäß § 5 Abs. 2 VVG „das angedrohte Zwangsmittel“ zu vollziehen ist (vgl. in diesem Sinne auch VwGH 06.07.2011, 2009/06/0228, mwN), kann diese Anordnung nur dahingehend verstanden werden, dass keine strengere Zwangsstrafe als die angedrohte Zwangsstrafe verhängt werden darf. Der Verhängung eines – in Entsprechung des tragenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – gelinderen und damit von der Androhung jedenfalls gedeckten Zwangsmittels steht diese Verpflichtung aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich nicht entgegen (vgl. etwa auch VwGH 09.10.2014, 2013/05/0110, wonach ein Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt wird, wenn über ihn nochmals die gemäß § 5 Abs. 3 VVG höchste Geldstrafe und nicht bereits eine Haftstrafe verhängt wird).

7.6.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

8.   Zur Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Fall keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war, weil die Entscheidung einerseits nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der Revision in derartigen Fällen zB VwGH vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0343).

Schlagworte

Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verfahrensrecht; Vollstreckung; Zwangsstrafe; Zwangsmittel;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.965.001.2016

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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