TE Vwgh Erkenntnis 2018/4/11 Ra 2015/08/0033

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Veröffentlicht am 11.04.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §25 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2015/08/0048 Ra 2015/08/0047

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen des Arbeitsmarktservice Linz in 4021 Linz, Bulgariplatz 17-19, gegen die Erkenntnisse und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 23. Februar 2015, L503 2015051-1/4E (Ra 2015/08/0033), L503 2007603-1/4E (Ra 2015/08/0047) und L503 2007603-1/5E (Ra 2015/08/0048), betreffend Ratenzahlung nach § 25 Abs. 4 AlVG (mitbeteiligte Partei: N J in F), zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird Folge gegeben.

Das zu Ra 2015/08/0047 angefochtene Erkenntnis wird dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde unter Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung vom 23. April 2014 zurückgewiesen wird.

Der zu Ra 2015/08/0048 angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts behoben.

Das zu Ra 2015/08/0033 angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 29. Dezember 2011 sprach das (vormals zuständige) Arbeitsmarktservice Innsbruck gegenüber der Mitbeteiligten aus, dass der Bezug von Notstandshilfe für den Zeitraum Februar bis November 2011 gemäß § 24 Abs. 2 iVm.

§ 38 AlVG widerrufen und die Mitbeteiligte zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistungen von EUR 7.614,39 gemäß § 25 Abs. 1 AlVG verpflichtet werde.

1.2. Am 13. März 2014 stellte die Mitbeteiligte beim Arbeitsmarktservice Linz (im Folgenden: AMS Linz) den Antrag, ihr die Entrichtung des noch offenen Rückforderungsbetrags von EUR 7.562,69 in monatlichen Raten von EUR 25,-- zu bewilligen. Bei der Antragstellung wurde mit der Mitbeteiligten eine Niederschrift aufgenommen, in der ihre wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt wurden. Weiters fertigte das AMS Linz ein "Berechnungsblatt Raten und Stundungsansuchen" an, in dem es die Einnahmen und (anerkannten) Ausgaben gegenüberstellte und nähere Berechnungen zum Ratenansuchen durchführte.

1.3. In der Folge richtete das Arbeitsmarktservice Oberösterreich (im Folgenden: AMS Oberösterreich) das nachstehende Schreiben vom 17. März 2014 an die Mitbeteiligte:

"(...) Ihr Ansuchen um Zahlungserleichterung vom 13.3.2014 Sehr geehrte Frau (...),

Ihr Ansuchen vom 13.03.2014 um Zahlungserleichterung betreffend die Rückzahlung Ihrer derzeitigen offenen Forderung in Höhe von EUR 7.562,69 kann aufgrund Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse nicht bewilligt werden. Es wird daher bis zur Abstattung der offenen Forderung die Hälfte Ihres Leistungsbezuges einbehalten. Sollten Sie aus dem Leistungsbezug ausscheiden und die Rückforderung nicht zur Gänze beglichen sein, ersuchen wir Sie, den noch offenen Betrag mit der angefügten Zahlungsanweisung einzuzahlen. Bei Fragen zur Rückzahlung wenden Sie sich bitte an das Arbeitsmarktservice Linz.

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesgeschäftsführerin

S W (...)"

Dieses (in den Verwaltungsakten einliegende) Schreiben weist keine Unterschrift auf; auch ein sonstiger Nachweis der Identität des/der Genehmigenden bzw. der Authentizität der Erledigung liegt nicht vor.

In der Kopf- und Fußzeile des Schreibens ist jeweils das AMS Oberösterreich angeführt.

2.1. Die Mitbeteiligte wertete das Schreiben vom 17. März 2014 (im Folgenden: Erledigung) als Bescheid und erhob dagegen Beschwerde. Sie brachte vor, die Erledigung sei zwar nicht als Bescheid bezeichnet und enthalte auch keine Rechtsmittelbelehrung. Dennoch liege ein bekämpfbarer Bescheid vor, weil sich der Inhalt als Entscheidung über das Recht auf Ratenzahlung darstelle. Der Bescheid sei jedoch (aus näher erörterten Erwägungen) nicht ausreichend begründet und auch inhaltlich rechtswidrig.

2.2. Das AMS Linz wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom 23. April 2014 (im Folgenden: Beschwerdevorentscheidung) gemäß § 63 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG mangels Vorliegens eines Bescheids zurück. Es führte aus, eine Beschwerde könne sich nur gegen einen Bescheid wenden, vorliegend fehlten jedoch die wesentlichen Bescheidmerkmale (Spruch, Begründung, Rechtsmittelbelehrung), sodass die Beschwerde zurückzuweisen sei.

2.3. Die Mitbeteiligte stellte in der Folge den Antrag, die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

3.1. Mit Bescheid vom 24. April 2014 wies das AMS Linz den Antrag vom 13. März 2014 als unbegründet ab. Es führte aus, Ratenzahlungen könnten nur gewährt werden, wenn sie die Einbringlichkeit der Forderung nicht gefährdeten. Auf Grund der wirtschaftlichen Situation der Mitbeteiligten würde die Bewilligung der Ratenzahlung die Einbringlichkeit gefährden. Das Ratenansuchen sei daher abzuweisen.

3.2. Die Mitbeteiligte erhob Beschwerde gegen den Bescheid und brachte vor, die Behörde habe durch die als Bescheid zu qualifizierende Erledigung vom 17. März 2014 bereits über das Ratenansuchen entschieden, es liege daher res iudicata vor, eine neuerliche Entscheidung sei ausgeschlossen. Im Übrigen sei der bekämpfte Bescheid auch nicht ausreichend begründet, weil nicht näher dargelegt werde, warum die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Ratenzahlung entgegenstünden. Aus dem "Berechnungsblatt" ergebe sich, dass die Mitbeteiligte keinesfalls in der Lage sei, den Rückforderungsbetrag auf einmal zu begleichen. Ferner werde nicht näher begründet, warum die Einbringlichkeit durch die Bewilligung der Ratenzahlung gefährdet würde. Diese sei auch keine Voraussetzung für die Gewährung von Ratenzahlungen.

3.3. Das AMS Linz erwiderte im Rahmen der Beschwerdevorlage, bei der Bewilligung einer Ratenzahlung dürfe im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners die Einbringung nicht gefährdet sein. Unter den hier gegebenen Umständen (Forderung aus dem Jahr 2011, bereits erfolgte Stundung, letztes Dienstverhältnis im Jahr 2003, Berufsunfähigkeitspension von 2007 bis Jänner 2014, negatives weiteres Pensionsantragsverfahren) habe das Ratenansuchen nicht bewilligt werden können, weil mit der Abdeckung des Überbezugs nicht zu rechnen sei. Vielmehr sei die Abstattung durch Hälfteeinbehalt vom jeweils laufenden Bezug geboten, wobei von März bis Mai 2014 bereits EUR 667,05 einbehalten worden seien und die Mitbeteiligte zuletzt im November und Dezember 2014 je EUR 30,-- bezahlt habe, sodass noch EUR 6.887,34 unberichtigt aushafteten.

4.1. Mit dem zu Ra 2015/08/0047 angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Beschwerde in Bezug auf die Beschwerdevorentscheidung (vom 23. April 2014) stattgegeben und diese gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG aufgehoben werde. Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, die Erledigung vom 17. März 2014 sei als Bescheid zu qualifizieren. Auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid komme es nicht an, vielmehr liege ein Bescheid dann vor, wenn eine Erledigung ihrem Inhalt nach in eindeutiger Weise eine rechtsverbindliche Entscheidung oder Verfügung darstelle, durch die Rechtsverhältnisse begründet oder festgestellt würden. Dies sei hier der Fall, weil in der Erledigung vom 17. März 2014 explizit ausgesprochen worden sei, dass das Ratenansuchen nicht bewilligt werden könne. Es sei damit verbindlich über das Recht der Mitbeteiligten auf Bewilligung einer Ratenzahlung abgesprochen worden, sodass der Erledigung ein normativer Charakter zukomme. Die Erledigung vom 17. März 2014 weise auch alle sonstigen Merkmale eines Bescheids auf. Die Beschwerde habe sich daher gegen einen Bescheid gerichtet und hätte nicht wegen Fehlens eines solchen zurückgewiesen werden dürfen.

4.2. Mit dem zu Ra 2015/08/0048 angefochtenen Beschluss sprach das Verwaltungsgericht aus, dass auf Grund der Beschwerde (auch) der "Bescheid" vom 17. März 2014 behoben und die Sache gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG an das AMS Linz zurückverwiesen werde. Das Verwaltungsgericht legte begründend dar, die Behörde habe wesentliche Ermittlungsschritte unterlassen, indem sie sich in keiner Weise mit der erforderlichen Zahlungswilligkeit der Mitbeteiligten auseinandergesetzt und keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen habe. Darin seien krasse bzw. besonders gravierende Ermittlungslücken zu erblicken, die zur Aufhebung und Zurückverweisung führen müssten. In der Sache selbst hielt das Verwaltungsgericht fest, die Behörde habe das Ratenansuchen wegen der schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Mitbeteiligten abgewiesen. Dies sei jedoch unzutreffend, setze doch die Gewährung von Ratenzahlungen voraus, dass auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse die Hereinbringung der Forderung in einem Betrag nicht möglich sei. Eine Ratenzahlung sei daher jedenfalls zu bewilligen gewesen.

4.3. Mit dem zu Ra 2015/08/0033 angefochtenen Erkenntnis sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Beschwerde gegen den Bescheid vom 24. April 2014 stattgegeben und die Entscheidung gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG aufgehoben werde. Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, es habe bereits in dem zu Ra 2015/08/0047 angefochtenen Erkenntnis ausgesprochen, dass es sich bei der Erledigung vom 17. März 2014 um einen Bescheid handle, mit dem über das Ratenansuchen bindend abgesprochen worden sei. Mit dem Bescheid vom 24. April 2014 sei neuerlich über dieselbe Sache entschieden worden, was nicht zulässig sei, dürfe doch nach Erlassung eines Bescheids auch schon vor Eintritt der formellen Rechtskraft - außer auf Grund von Rechtsmitteln oder in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen - kein weiterer Bescheid in derselben Sache ergehen.

4.4. Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision jeweils nicht zulässig sei.

5. Gegen diese Entscheidungen wenden sich die Revisionen des AMS Linz wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts.

Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

6. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revisionen auf Grund ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

7.1. Das AMS Linz begründet die Zulässigkeit der Revision zu Ra 2015/08/0033 damit, dass keine bereits entschiedene Sache vorliege. Das Verwaltungsgericht habe die Erledigung vom 17. März 2014 zu Unrecht als Bescheid erachtet, richtiger Weise sei mit dem Bescheid vom 24. April 2014 erstmalig in der Sache entschieden worden. Das Verwaltungsgericht hätte sich daher mit der Beschwerde gegen den Bescheid vom 24. April 2014 inhaltlich auseinandersetzen müssen. Weiters begründet das AMS Linz die Zulässigkeit der Revisionen damit, dass die Erledigung vom 17. März 2014 - selbst wenn sie als Bescheid erachtet würde - nicht durch die zur Entscheidung über Ratenansuchen zuständige regionale Geschäftsstelle ergangen sei. Ferner könnten Ratenzahlungen gemäß § 25 Abs. 4 AlVG nur anlässlich der Vorschreibung von Rückforderungen - also im Rückforderungsbescheid selbst und nicht nach bereits rechtskräftiger Rückforderung - gewährt werden. Das Verwaltungsgericht hätte daher die Erledigung vom 17. März 2014 als nichtig erklären und die dagegen erhobene Beschwerde unter Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung zurückweisen müssen.

7.2. Die Revisionen sind zulässig und berechtigt. Einerseits ist das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es die Erledigung vom 17. März 2014 zu Unrecht als Bescheid erachtet hat und infolge dessen die angefochtenen Entscheidungen mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet hat. Andererseits fehlt Rechtsprechung zur Auslegung des § 25 Abs. 4 zweiter Satz AlVG, bis wann eine Ratenzahlung beantragt und bewilligt werden kann.

8.1. Voraussetzung für die Qualifikation eines Verwaltungsakts als Bescheid ist, dass es im Willen des Organs liegt, den Akt in Ausübung der hoheitlichen Gewalt zu setzen, und das Organ diesen Willen entsprechend zum Ausdruck bringt (vgl. VwGH 6.9.1995, 95/12/0195, mwN). In dem Zusammenhang ordnet § 58 Abs. 1 des - gemäß Art. I Abs. 2 Z 1 EGVG auch hier anwendbaren - AVG an, dass jeder Bescheid ausdrücklich als solcher zu bezeichnen ist und den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zu enthalten hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt (vgl. beginnend mit VwGH 15.12.1977, 0934/73, VwSlg. 9458 A (verstärkter Senat); etwa 24.4.1996, 95/12/0248; 29.3.1996, 96/02/0113), kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch normativ rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung, also in dem Sinn auch aus deren Form ergeben. Die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge im Verfahren, Rechtsbelehrungen und dergleichen können nicht als verbindliche Erledigung und damit als Spruch im Sinn des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden.

Mangelt es einer Erledigung an der für Bescheide vorgesehenen Form, so muss deutlich hervorgehen, dass die Behörde dennoch den objektiv erkennbaren Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Regelung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen (vgl. VwGH 19.12.2001, 2001/12/0053). An eine nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnete behördliche Erledigung ist hinsichtlich der Wertung als Bescheid ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. VwGH 18.10.2000, 95/17/0180). Bei Zweifeln über den Inhalt kommt auch der sonstigen Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, wie etwa dem Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln. Aus einer solchen Form der Erledigung ist eher darauf zu schließen, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Willenserklärung oder eine bloße Wissenserklärung vorliegt (vgl. VwGH 22.2.2007, 2006/09/0216; 13.9.2006, 2006/12/0085).

8.2. Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage kann fallbezogen die (oben wörtlich wiedergegebene) Erledigung vom 17. März 2014 nicht als Bescheid betrachtet werden. Für die Verneinung eines Bescheids spricht insbesondere, dass die Erledigung keine ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid, keinen als Spruch gekennzeichneten Teil und auch keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Dem Vorliegen eines Bescheids steht weiters entgegen, dass die Erledigung - zumindest nach der Aktenlage - keine entsprechende Genehmigung im Sinn des § 18 Abs. 3 AVG aufweist. Die Erledigung ist ferner nicht durch die gemäß § 25 Abs. 4 AlVG zur Entscheidung über Ratenansuchen berufene regionale Geschäftsstelle ergangen, sodass auch nicht gesagt werden kann, sie sei im Zweifel als Bescheid zu deuten, weil diese Erledigungsform gesetzlich geboten gewesen wäre (vgl. VwGH 9.10.2013, 2013/08/0034, mwN).

Auch aus der Textierung der Erledigung ergibt sich nicht in der erforderlichen Eindeutigkeit, dass damit über das Ratenansuchen vom 13. März 2014 rechtsverbindlich abgesprochen worden wäre. Einzelnen allenfalls als normative Aussagen zu deutenden Textpassagen im ersten und zweiten Satz ("kann (...) nicht bewilligt werden"; "wird daher (...) einbehalten") steht die gegen eine normative Regelung sprechende Wortwahl des dritten und vierten Satzes ("ersuchen wir Sie, (...) einzuzahlen"; "wenden Sie sich bitte") entgegen. Auch die sonstigen Höflichkeitsfloskeln in der Anrede ("Sehr geehrte Frau (...)") und in der Grußformel ("Mit freundlichen Grüßen") sprechen gegen einen normativen Charakter.

Davon ausgehend kann jedoch der Erledigung vom 17. März 2014 - unter Anlegung des von der Rechtsprechung geforderten strengen Maßstabs - nach Form und Inhalt keine Bescheidqualität beigemessen werden. Die Erledigung stellt sich vielmehr als unverbindliche Mitteilung bzw. Information dar.

8.3. Das AMS Linz hat nach dem Vorgesagten den Bescheidcharakter der Erledigung vom 17. März 2014 zu Recht verneint und die dagegen erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten - mangels Vorliegens eines Bescheids und damit einer notwendigen Prozessvoraussetzung - im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung als unzulässig zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht, dem die Beschwerde auf Grund eines Vorlageantrags vorgelegt wurde, hätte richtiger Weise die Beschwerde unter Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung zurückweisen müssen, anstatt diese in der irrigen Annahme des Vorliegens eines Bescheids ersatzlos zu beheben. Das zu Ra 2015/08/0047 angefochtene Erkenntnis ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts dahingehend abzuändern (§ 42 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 VwGG), dass die Beschwerde unter Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung zurückgewiesen wird.

8.4. Da die Erledigung vom 17. März 2014 nicht als Bescheid zu erachten ist, hätte das Verwaltungsgericht insofern nicht mit einer Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG vorgehen dürfen. Der zu Ra 2015/08/0048 angefochtene Beschluss ist daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts zu beheben (§ 42 Abs. 2 Z 2 VwGG).

8.5. Da die Erledigung vom 17. März 2014 keinen Bescheid darstellt, hat das AMS Linz mit Bescheid vom 24. April 2014 erstmalig über das Ratenansuchen vom 13. März 2014 abgesprochen. Das Verwaltungsgericht hätte die dagegen erhobene Beschwerde richtiger Weise in der Sache selbst behandeln müssen, anstatt den Bescheid wegen entschiedener Sache zu beheben. Das zu Ra 2015/08/0033 angefochtene Erkenntnis ist daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben (§ 42 Abs. 2 Z 1 VwGG). Das Verwaltungsgericht wird im fortgesetzten Verfahren über die Beschwerde in der Sache selbst zu entscheiden haben.

9.1. Dem steht auch nicht entgegen, dass vorliegend das Ratenansuchen erst nach bereits rechtskräftiger Rückforderung gestellt wurde. Entgegen der Auffassung des AMS Linz ist nämlich die Regelung des § 25 Abs. 4 zweiter Satz AlVG, dass Ratenzahlungen "anlässlich" der Vorschreibung von Rückforderungen gewährt werden können, nicht dahin auszulegen, dass eine Ratenzahlung nur im Rückforderungsbescheid selbst eingeräumt und nicht auch späterhin beantragt und bewilligt werden könnte.

9.2. Nach der Wortbedeutung ist "anlässlich" gleichbedeutend mit "aus Anlass". Unter einem "Anlass" versteht man einerseits eine Gelegenheit bzw. ein bestimmtes Ereignis; andererseits bezeichnet ein "Anlass" etwas, wodurch eine Handlung (erst) ausgelöst wird, also eine Ursache (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch4, 95).

Demnach drückt die Wendung, dass Ratenzahlungen "anlässlich" der Vorschreibung von Rückforderungen gewährt werden können, in erster Linie einen Kausalzusammenhang aus, wonach die Vorschreibung die Gelegenheit bzw. Ursache darstellt, auf Grund derer eine Ratenzahlung erst bewilligt werden kann. Hingegen ist der aufgezeigten Wendung eine zeitliche Determinierung, bis wann eine Ratenzahlung beantragt und bewilligt werden kann - vor allem ob die Bewilligung zeitgleich mit der Vorschreibung von Nachforderungen erfolgen muss oder ein Antrag und eine Bewilligung auch nachträglich erfolgen kann - nicht zu entnehmen.

Demnach ist aus der Wortbedeutung der betreffenden Bestimmung nicht abzuleiten, dass eine Ratenzahlung nur im Rückforderungsbescheid selbst eingeräumt und nicht auch später beantragt und bewilligt werden könne.

9.3. Was die Entstehungsgeschichte der Regelung betrifft, so wurde § 25 Abs. 4 zweiter Satz AlVG durch die Novelle BGBl. Nr. 289/1976 eingefügt. Zu dem vom Gesetzgeber damit verfolgten Zweck wird in den Materialien (vgl. ErläutRV 146 BlgNR 14. GP, 16) Folgendes ausgeführt:

"Nach den geltenden Bestimmungen können Ratenzahlungen zur Abstattung einer offenen Rückforderung auf Ansuchen des Schuldners vom Landesarbeitsamt gewährt werden. Da auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung die Schuldner auf Grund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse in der Regel nicht in der Lage sind, ihre Schuld sofort nach ihrer Vorschreibung auf einmal zu bezahlen, werden stets Ansuchen um Ratenbewilligung eingebracht, die in allen Fällen positiv entschieden werden. Die derzeitige Rechtslage belastet sohin lediglich die Administration. Um entbehrliche Verwaltungsarbeit einzusparen, ist daher vorgesehen, die Arbeitsämter zu ermächtigen, anlässlich der Vorschreibung von Rückforderungen Ratenzahlungen zu gewähren."

Aus diesen Erläuterungen ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Einsparung von entbehrlicher Verwaltungsarbeit dadurch herbeiführen wollte, dass er die Zuständigkeit zweier verschiedener Behörden, nämlich des Arbeitsamts für die Vorschreibung von Rückforderungen und des Landesarbeitsamts für die Entscheidung über ein Ratenansuchen, beseitigt hat und statt dessen die Zuständigkeit des Arbeitsamts für beide Erledigungen vorgesehen hat.

Den Erläuterungen kann freilich nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber auch anordnen wollte, dass das Arbeitsamt eine Ratenzahlung nur zeitgleich mit der Vorschreibung von Rückforderungen und nicht auch nachträglich bewilligen könne. Ein solches Verständnis erscheint im Hinblick auf den verfolgten Gesetzeszweck nicht indiziert, sollte es doch keinen erheblichen Unterschied in Bezug auf den Verwaltungsaufwand machen, ob ein Ratenansuchen früher oder später gestellt und entschieden wird.

Folglich ist auch aus der Entstehungsgeschichte der Regelung und dem damit verfolgten Zweck nicht abzuleiten, dass eine Ratenzahlung nur im Rückforderungsbescheid selbst gewährt und nicht auch später beantragt und bewilligt werden könne.

9.4. Darüber hinaus ist auch aus Rechtsschutzerwägungen einer Auslegung der Vorzug zu geben, nach der einem Schuldner, in dessen wirtschaftlichen Verhältnissen erst nach bereits erfolgter Vorschreibung von Rückforderungen eine erhebliche Veränderung eingetreten ist, ein Anspruch auf Ratenzahlung zustehen soll.

10. Insgesamt war daher den Revisionen aus den dargelegten Erwägungen im aufgezeigten Sinn Folge zu geben.

Wien, am 11. April 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015080033.L00

Im RIS seit

08.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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