TE Vwgh Erkenntnis 2018/4/19 Ra 2016/15/0050

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.04.2018
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §24 Abs1 litb;
BAO §24 Abs1 litc;
EStG 1988 §93 Abs2 Z3 lita;
ZEStG 1983 §1 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofrätin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Innsbruck in 6021 Innsbruck, Innrain 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 11. Februar 2016, Zl. RV/3100407/2013, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2008 bis 2011 (mitbeteiligte Partei: R AG in I, vertreten durch die Kerschbaum Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Am Heumarkt 7/91), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, eine Bank, schloss im Zeitraum Jänner 2008 bis Dezember 2011 mit der Gemeinde X fünfzehn Unterbeteiligungsverträge ab. In diesem Zusammenhang leistete die Gemeinde X Zahlungen an die Mitbeteiligte. Die Verträge sollen der Gemeinde X Unterbeteiligungen vermitteln, und zwar die Unterbeteiligung an einer Barvorlage, die von der Mitbeteiligten zuvor dem Amt der Tiroler Landesregierung eingeräumt worden war, und eine Unterbeteiligung an jeweils mehreren Darlehen, die von der Mitbeteiligten zuvor einer Tochtergesellschaft (Beteiligung 99,8%) gewährt worden waren. Die Laufzeit der Unterbeteiligungsverträge betrug drei bzw. (in einem Fall) sechs Monate, wobei als vereinbart galt, dass die Gemeinde X in der Höhe ihres Anteils an der Barvorlage bzw. an den Darlehen für den Übernahmezeitraum das Risiko des Forderungsausfalls (im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners) trägt und die Mitbeteiligte keinerlei Haftung für die ordnungsgemäße Bedienung der Forderung übernimmt (Punkt 5). Vereinbart war zudem, dass die Mitbeteiligte am Ende des Übernahmezeitraums (in der Regel drei Monate) den Anteil der Gemeinde X an der Barvorlage bzw. den Darlehen rückübernimmt, wenn bis zu diesem Zeitpunkt in der Bonität des Schuldners keine Verschlechterung eingetreten ist und der Schuldner alle Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Forderung ordnungsgemäß erfüllt hat (Punkt 7). Die Forderungsübernahme der Gemeinde X war dabei in stiller Form vereinbart. Eine Offenlegung war daher, auch gegenüber dem Amt der Tiroler Landesregierung bzw. der Tochtergesellschaft, ausgeschlossen (Punkt 16).

2 Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung der Mitbeteiligten gelangte der Prüfer zur Auffassung, dass die Zinsen, welche die Gemeinde X von der Mitbeteiligten erhielt, der Kapitalertragsteuer unterlägen. Bei diesen mit den Unterbeteiligungsverträgen in Zusammenhang stehenden Erträgen handle es sich um Zinserträge aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten (§ 93 Abs. 3 Z 3 lit. a EStG 1988). Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Mitbeteiligte im Zusammenhang mit den Unterbeteiligungen gegenüber der Gemeinde X folgende Patronatserklärung abgegeben habe:

"Wir haben zur Kenntnis genommen, dass Sie sich an Krediten, welche die (Mitbeteiligte) an die (Tochtergesellschaft) vergeben hat, unterbeteiligt haben.

Wir beaufsichtigen und kontrollieren unsere (Tochtergesellschaft) in allen wesentlichen Angelegenheiten und haben nicht die Absicht, diese Beteiligung ganz oder teilweise aufzugeben.

Wir, die (Mitbeteiligte), werden dafür Sorge tragen, dass unsere (Tochtergesellschaft) jeweils die notwendigen Mittel zur Rückzahlung der Kredite, an denen Sie sich unterbeteiligt haben, bereitstellen wird."

Dass die unter dem Titel Unterbeteiligung an Darlehen hingegebenen Gelder in wirtschaftlicher Betrachtung als Einlagen im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 3 lit. a EStG 1988 anzusehen seien, werde laut Prüfer auch durch das Gemeinderatsprotokoll vom 11. Oktober 2007 bestätigt. Dort werde zum Thema "Veranlagung einer Rücklage" ausgeführt, bei den vorliegenden Anboten sei die Mitbeteiligte mit einer Verzinsung von derzeit 4,64% KESt-frei, ohne Risiko, täglich abrufbar, als Bestbieter hervorgegangen.

3 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und zog die Mitbeteiligte mit Bescheiden vom 5. Juli 2013 gemäß § 95 EStG 1988 zur Haftung für Kapitalertragsteuer der Jahre 2008 bis 2011 heran.

4 Die Mitbeteiligte berief gegen die Haftungsbescheide vom 5. Juli 2013 und brachte in der Berufung vor, für Kreditunterbeteiligungen/Widmungseinlagen, die einer Bank mit einem bestimmten Verwendungszweck gegeben würden, bestehe dann keine KESt-Pflicht, wenn der Anleger (Einlagengeber) das wirtschaftliche Risiko aus der Kreditvergabe an den Dritten trage und dieser kein Kreditinstitut sei. Bei der gegenständlichen Kreditunterbeteiligung komme diese Tatsache durch das Produktmerkmal der Risikoübernahme des Investors während der Kreditunterbeteiligung zum Ausdruck. "Der Investor beteiligt sich (...) und trägt für den Übernahmezeitraum das Kreditrisiko." Durch die Abgabe einer "weichen Patronatserklärung" der Mitbeteiligten sei dieses Kreditrisiko auch nicht geschmälert. Die Angaben im Gemeinderatsprotokoll, das der Prüfer für seinen Standpunkt ins Treffen geführt habe, änderten daran nichts. Die Kreditunterbeteiligung sei weder täglich abrufbar noch risikolos gewesen.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Berufung (nunmehr Beschwerde) der Mitbeteiligten Folge und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Gemeinde X aufgrund der Unterbeteiligungsverträge das Risiko allfälliger Forderungsausfälle getragen habe. Dieses Risiko werde durch die vorliegende Patronatserklärung nicht vermindert, weil es sich hierbei lediglich um eine sogenannte weiche Patronatserklärung handle.

6 Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, weil "der Streitfall von der Lösung der Sachverhaltsfrage abhängig ist, ob die (Mitbeteiligte) das wirtschaftliche Risiko für den Verlust der von ihr übernommenen Gelder trifft".

7 In der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Revision des Finanzamtes wird zur Zulässigkeit u.a. ausgeführt, die Begründung des Erkenntnisses lasse vermuten, dass das Bundesfinanzgericht von zur Verwaltung überlassenen Geldern im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 3 lit. a EStG 1988 ausgehe. Worin die Verwaltung der übernommenen Gelder bestanden habe, werde im angefochtenen Erkenntnis aber nicht dargelegt.

8 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision ist zulässig und begründet.

11 § 93 EStG 1988 in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BBG 2011) lautet auszugsweise:

"§ 93. (1) Bei inländischen Kapitalerträgen (Abs. 2) sowie bei im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren (Abs. 3) wird die Einkommensteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben (Kapitalertragsteuer).

(2) Inländische Kapitalerträge liegen vor, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat oder Zweigstelle im Inland eines Kreditinstitutes ist und es sich um folgende Kapitalerträge handelt:

(...)

3. a) Zinserträge aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten (§ 1 des Bankwesengesetzes). Als Geldeinlage bei Kreditinstituten gelten auch von Kreditinstituten treuhändig oder zur Verwaltung aufgenommene Gelder, für deren Verlust sie das wirtschaftliche Risiko tragen.

b) Zinserträge aus sonstigen Forderungen gegenüber

Kreditinstituten, denen ein Bankgeschäft zugrunde liegt."

12 Nach dem EStG 1988 unterliegen der Kapitalertragsteuer u. a. Zinserträge aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten und Zinserträge aus sonstigen Forderungen gegenüber Kreditinstituten, denen ein Bankgeschäft zugrunde liegt. Bei diesen Kapitalerträgen handelt es sich um solche, die zuvor der Zinsertragsteuer (§ 1 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes über die Einführung einer Zinsertragsteuer, BGBl. Nr. 531/1984) unterlagen. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum EStG 1988 (621 BlgNR 17. GP, 92) ist zur Klärung von Abgrenzungsfragen auf die dazu entwickelten Grundsätze zurückzugreifen, wobei die Erläuterungen in diesem Zusammenhang auf die Zinsertragsteuerrichtlinien (AÖFV 1984/30) hinweisen.

13 Im Abschnitt II der Zinsertragsteuerrichtlinien wird dazu u. a. ausgeführt, dass die Bestimmungen des § 24 Abs. 1 lit. b und c BAO auch im Bereich der Zinsertragsteuer Geltung haben. Nehme eine Kreditunternehmung als Treuhänder von einem Dritten Geldeinlagen herein, seien diese Gelder nicht ihr, sondern dem Treugeber zuzurechnen. Handle es sich bei dem Treugeber um keine Kreditunternehmung, bestehe für die Zinserträge keine Steuerpflicht. Als Geldeinlage bei einer Kreditunternehmung würden jedoch die von Kreditunternehmungen treuhändig aufgenommenen Einlagen fingiert, für deren Verlust die Kreditunternehmung das wirtschaftliche Risiko trage. Dies sei etwa der Fall, wenn ein Treugeber eine Kreditunternehmung beauftrage, für ihn Geld aufzunehmen und die Kreditunternehmung gegenüber dem Anleger eine Garantie für das eingelegte Kapital übernehme. Gleiches gelte für Gelder, die von einer Kreditunternehmung nicht als Einlage, sondern nur zur Verwaltung hereingenommen würden. Dies sei etwa im Bereich der sogenannten Widmungseinlagen denkbar. Bei Widmungseinlagen handle es sich um Gelder, die der Anleger einer Kreditunternehmung mit einer bestimmten Verwendungsauflage (z.B. Verwendung zu Kreditzwecken) zur Verwaltung überlasse (vgl. idS auch Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 93 Tz 14.2; ebenso Doralt et al, EStG16, § 93 Tz 41, mwN).

14 Aus den vorstehenden Ausführungen erschließt sich der Inhalt der Regelung des § 93 Abs. 3 Z 3 lit. a EStG 1988 und ergibt sich, unter welchen Voraussetzungen Geldeinlagen bei Kreditinstituten nicht der Kapitalertragsteuer unterliegen, weil sie von diesen als Treuhänder oder bloß zur Verwaltung aufgenommen wurden.

15 Im Fall von Treuhandeinlagen tritt die Bank demnach als Treuhänderin für einen (Dritten) Schuldner auf. Das Geschäft wird in wirtschaftlicher Betrachtung zwischen dem Einlagengeber und dem Dritten abgeschlossen. Ist der Dritte keine Bank, besteht für die Zinserträge keine Kapitalertragsteuerpflicht. Dasselbe gilt für Widmungseinlagen, die von einem Kapitalgeber einer Bank mit einem bestimmten Verwendungszweck (z.B. Kreditgewährung) gegeben werden, wobei der Kapitalgeber (Anleger) das wirtschaftliche Risiko trägt.

16 Eine Treuhandeinlage liegt bei der gegenständlichen Gestaltung von vornherein nicht vor, weil die Mitbeteiligte nicht als Treuhänderin für einen Dritten aufgetreten ist. In wirtschaftlicher Betrachtung ist aber auch nicht von einer Widmungseinlage iSd § 93 Abs. 2 Z 3 lit. a EStG 1998 in der Fassung vor dem BBG 2011 auszugehen.

17 Die Gemeinde X hat der Mitbeteiligten jeweils für drei (bzw. sechs) Monate Kapital zur Verfügung gestellt und dafür von der Mitbeteiligten Zinsen erhalten. Zwischen der Mitbeteiligte und der Gemeinde X wurden in diesem Zusammenhang Verträge betreffend die Unterbeteiligungen an einer Barvorlage bzw. an Krediten abgeschlossen. Die Barvorlage und die Kredite waren aber jeweils schon vorher von der Mitbeteiligten im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (dem Amt der Tiroler Landesregierung bzw. einer Tochtergesellschaft) zugezählt worden, und zwar ohne Mitwirkung der Gemeinde X. Die Offenlegung einer Unterbeteiligung gegenüber dem Amt der Tiroler Landesregierung bzw. der Tochtergesellschaft war ausgeschlossen, zumal die zwischen der Gemeinde X und der Mitbeteiligten vereinbarte interne (jeweils 3 bis 6 Monate währende) Forderungsübernahme in stiller Form erfolgte. Nicht einmal die Laufzeit der Unterbeteiligungsverträge und die Restlaufzeit der Barvorlage bzw. der Kredite waren deckungsgleich.

18 Die Mitbeteiligte hat die Barvorlage und die Darlehen gewährt, bevor sie bei der Gemeinde X Kapital aufgenommen hat. Die Darlehensgewährung ist auch ohne ausdrückliche Bezugnahme auf die Geldaufnahme bei der Gemeinde X erfolgt. Schon deshalb kann in wirtschaftlicher Betrachtung keine Rede davon sein, dass die Mitbeteiligte die Gelder der Gemeinde X bloß zur Verwaltung (und Verwendung nach den Vorgaben der Gemeinde X) aufgenommen hätte und dass somit eine nicht zur Kapitalertragsteuer führende Widmungseinlage vorliegen könnte.

19 Die Gemeinde X wollte Gelder (kurzfristig) veranlagen und hat diese der Mitbeteiligten für jeweils drei (bzw. sechs) Monate zur Verfügung gestellt. Dafür hat sie von der Mitbeteiligten Zinsen erhalten. Eine Treuhand- bzw. Widmungseinlage liegt - wie oben ausgeführt - nicht vor. In wirtschaftlicher Betrachtung ist vielmehr von kapitalertragsteuerpflichtigen Zinserträgen aus Geldeinlagen bei Kreditinstituten im Sinne des § 93 Abs. 2 Z 3 lit. a erster Satz EStG 1988 auszugehen.

20 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 19. April 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016150050.L00

Im RIS seit

11.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten