TE Vwgh Erkenntnis 2018/4/13 Ra 2018/02/0023

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Veröffentlicht am 13.04.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/06 Wertpapierrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §31 Abs1;
VStG §32 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
WAG 2007 §24 Abs1 idF 2012/I/119;
WAG 2007 §24 Abs2 Z2 idF 2012/I/119;
WAG 2007 §96 Abs2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2018/02/0024 E 13. April 2018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. November 2017, W172 2141455-1/13E, betreffend Übertretung des WAG 2007 (mitbeteiligte Partei: B in W, vertreten durch die Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Parkring 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die revisionswerbende Behörde (Revisionswerberin) führte vom 10. Oktober 2014 bis 1. April 2015 gemäß § 91 Abs. 3 Z 3 WAG 2007 und § 48 BörseG eine Prüfung der B Bank durch. Der darüber ergangene Prüfbericht wurde dem Mitbeteiligten als Vorstand der B Bank zugestellt und hielt unter anderem fest, dass Mitarbeitern der B Bank die Genehmigung erteilt wurde, Wertpapierdepots und damit zusammenhängende Konten bei Drittbanken zu führen. Die Mitarbeiter in Vertraulichkeitsbereichen waren dazu verpflichtet, jährlich einen Depotauszug an die Compliance-Beauftragte der B Bank zu übermitteln, wobei diese Verpflichtung nicht schriftlich festgehalten war und eine unverzügliche Feststellung der vom Mitarbeiter getätigten Geschäfte nicht möglich sowie eine Vollständigkeit der Information nicht gewährleistet war. Es wurde ausdrücklich der Verdacht erhoben, von der B Bank seien keine angemessenen Vorkehrungen gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2 WAG 2007 getroffen worden, die gewährleisteten, über jedes persönliche Geschäft einer relevanten Person im Sinne des § 24 Abs. 1 WAG 2007 unverzüglich unterrichtet zu werden (Rz 31, 33 und 37 des genannten Prüfberichtes).

2 Mit Schreiben der Revisionswerberin vom 13. Mai 2016 erging an den Mitbeteiligten die ihm am 17. Mai 2016 zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung zum Verdacht, er habe es in der Funktion als Vorstand der B Bank, eines konzessionierten Kreditinstitutes, gemäß § 9 Abs. 1 VStG als zur Vertretung nach außen Berufener zu verantworten, dass es die B Bank im Zeitraum vom 5. Mai 2014 bis 18. November 2014 an ihrem Sitz in W unterlassen habe, angemessene Vorkehrungen gemäß § 24 WAG 2007 zu treffen, um relevante Personen, deren Tätigkeiten zu einem Interessenkonflikt Anlass geben könnten, oder die aufgrund von Tätigkeiten, die sie im Namen des Rechtsträgers ausübten, Zugang zu Insider-Informationen im Sinne von § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG oder zu anderen vertraulichen Informationen über Kunden oder über Geschäfte hätten, die mit oder für Kunden getätigt würden, daran zu hindern, persönliche Geschäfte zu tätigen, bei denen zumindest eine der in § 24 Abs. 1 Z 1 WAG 2007 genannten Voraussetzungen erfüllt sei. Dies sei dadurch geschehen, dass es die B Bank im genannten Zeitraum unterlassen habe, eine Verpflichtung relevanter Personen im Sinne des § 24 Abs. 1 WAG 2007 zur unverzüglichen Meldung von über Fremdbankdepots getätigten Wertpapiertransaktionen vorzusehen. Es seien auch keine anderen Verfahren im Unternehmen festgelegt worden, die die unverzügliche Feststellung dieser Wertpapiergeschäfte sicherstellen würden. Es handle sich um Verwaltungsübertretungen nach § 24 Abs. 1 und 2 Z 2 iVm § 95 Abs. 2 Z 2 WAG 2007.

3 Dazu erstattete der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 9. Juni 2016 eine Äußerung, in der er im Wesentlichen den Eintritt der Verfolgungsverjährung infolge Treffens von Vorkehrungen bis zum 10. November 2014 sowie infolge unzureichender Konkretisierung der Verfolgungshandlung in der oben dargestellten behördlichen Aufforderung zur Rechtfertigung und die Einhaltung des Angemessenheits- und Proportionalitätsgebots gemäß § 24 Abs. 1 WAG 2007 geltend machte sowie die Erfüllung des objektiven Tatbestands gemäß § 24 Abs. 2 Z 2 WAG 2007 bestritt.

4 Mit Straferkenntnis vom 4. November 2016 lastete die Revisionswerberin dem Mitbeteiligten wegen der in der Aufforderung zur Rechtfertigung genannten Tat die Verletzung von § 24 Abs. 1 und 2 Z 2 iVm § 95 Abs. 2 Z 2 WAG 2007 an, verhängte über ihn eine Geldstrafe und setzte für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe fest.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, behob das Straferkenntnis ersatzlos und stellte das Verfahren gemäß § 38 VwGVG iVm § 45 Abs. 1 Z 3 iVm § 31 Abs. 1 VStG iVm § 96 Abs. 2 WAG 2007 ein. Es sprach aus, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Begründend ging es im Wesentlichen davon aus, dass eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG bei Unterlassungsdelikten, wie im gegenständlichen Fall, eine Beschreibung jener Handlungen zu enthalten habe, die der Täter hätte setzen müssen. Dies habe zumindest beispielsweise und durch konkret bezeichnete Einzelakte zu erfolgen. Diesen Anforderungen habe der in der Aufforderung zur Rechtfertigung angeführte Tatvorwurf mit der Verwendung von nur generalisierten Begriffen und Wortwendungen, die der Wiedergabe des Gesetzeswortlautes nahe kämen, ohne näher und detaillierter die unterlassenen Handlungen zu beschreiben oder die Unzulänglichkeit der Handlungen anzuführen, nicht genügt, damit der Mitbeteiligte seine Verteidigungsrechte wahrnehmen und einer allfälligen Gefahr einer Doppelbestrafung entgehen könne. Mangels eines innerhalb von 18 Monaten (§ 31 Abs. 1 VStG iVm § 96 Abs. 2 WAG 2007) derartig konkretisiert erhobenen Tatvorwurfs sei Verfolgungsverjährung für die von der Revisionswerberin dem Mitbeteiligten zur Last gelegten Taten eingetreten und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 3 VStG einzustellen gewesen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Zu ihrer Zulässigkeit wird vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Inhaltsanforderungen an die Tatumschreibung für die Verfolgungsverjährung, welche hier ausreichend konkret erfolgt sei, ab (Hinweis u.a. auf VwGH 11.9.2013, 2013/02/0047).

7 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die kostenpflichtige Zurück- oder Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

     8 Die Revision ist aus den von ihr genannten Gründen zulässig

und berechtigt.

     9 Der in der Revisionsbeantwortung monierten ungesetzmäßigen

Ausführung der Revision steht entgegen, dass letztere klar erkennbar gesonderte Angaben über die Zulässigkeit der Revision in deren Abschnitt V. enthält und deren Ausführungen zum Revisionsgrund im Abschnitt VI. hinreichend erkennen lassen, worin sie die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sieht.

10 § 24 Abs. 1 und 2 WAG 2007 in der Fassung BGBl. I Nr. 119/2012 lautet:

"§ 24. (1) Ein Rechtsträger hat angemessene Vorkehrungen zu treffen und dauernd einzuhalten, um relevante Personen, deren Tätigkeiten zu einem Interessenkonflikt Anlass geben könnten, oder die aufgrund von Tätigkeiten, die sie im Namen des Rechtsträgers ausüben, Zugang zu Insider-Informationen im Sinne von § 48a Abs. 1 Z 1 BörseG oder zu anderen vertraulichen Informationen über Kunden oder über Geschäfte haben, die mit oder für Kunden getätigt werden, daran zu hindern,

1. ein persönliches Geschäft zu tätigen, bei dem zumindest

eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

a) die Person darf das Geschäft gemäß den §§ 48b bis 48d BörseG oder einer in einem anderen Mitgliedstaat auf Grund der Richtlinie 2003/6/EG erlassenen Vorschrift nicht tätigen;

b)        das Geschäft geht mit dem Missbrauch oder der

vorschriftswidrigen Weitergabe der vertraulichen Informationen

einher;

c)        das Geschäft verstößt gegen eine Pflicht des

Rechtsträgers nach diesem Bundesgesetz oder es besteht Grund zur

Annahme, dass es gegen eine solche verstoßen könnte;

2.        außerhalb ihres regulären Beschäftigungsverhältnisses

oder Dienstleistungsvertrags einer anderen Person ein Geschäft mit

Finanzinstrumenten zu empfehlen, das, wenn es sich um ein

persönliches Geschäft der relevanten Person handeln würde, unter

Z 1, § 37 Abs. 2 Z 1 oder 2 oder § 55 Abs. 4 fallen würde, oder

die andere Person zu einem solchen Geschäft zu veranlassen;

3.        außerhalb ihres regulären Beschäftigungsverhältnisses

oder Dienstleistungsvertrags Informationen oder Meinungen an eine

andere Person weiterzugeben, wenn die relevante Person weiß oder

nach vernünftigem Ermessen wissen müsste, dass diese Weitergabe

die andere Person dazu veranlasst oder veranlassen kann,

a)        ein Geschäft mit Finanzinstrumenten zu tätigen, das,

wenn es sich um ein persönliches Geschäft der relevanten Person

handeln würde, unter Z 1, § 37 Abs. 2 Z 1 oder 2 oder § 55 Abs. 4

fallen würde, oder

b)        einer anderen Person ein solches Geschäft zu empfehlen

oder eine andere Person zu einem solchen Geschäft zu veranlassen.

(2) Die in Abs. 1 vorgeschriebenen Vorkehrungen müssen insbesondere Folgendes gewährleisten:

1. Jede unter Abs. 1 fallende relevante Person hat die Beschränkungen bei persönlichen Geschäften und die Maßnahmen, die der Rechtsträger im Hinblick auf persönliche Geschäfte und Informationsweitergabe gemäß Abs. 1 getroffen hat, zu kennen.

2. Der Rechtsträger ist unverzüglich über jedes persönliche

Geschäft einer unter Abs. 1 fallenden relevanten Person zu unterrichten. Dies kann entweder durch Meldung des Geschäfts oder durch andere Verfahren, die dem Rechtsträger die Feststellung solcher Geschäfte ermöglichen, erfolgen. Wenn der Rechtsträger Aufgaben ausgelagert hat, hat er sicherzustellen, dass der Dienstleister persönliche Geschäfte aller relevanten Personen festhält und dem Rechtsträger auf Verlangen unverzüglich mitteilt.

3. Ein dem Rechtsträger gemeldetes oder von ihm

festgestelltes persönliches Geschäft sowie jede Erlaubnis und jedes Verbot im Zusammenhang mit einem solchen Geschäft ist festzuhalten."

11 Gemäß § 31 Abs. 1 VStG iVm § 96 Abs. 2 WAG 2007 ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von 18 Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 VStG) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Handlung abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

12 Nach der Vorschrift des § 32 Abs. 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgesehene Weise zu prüfen, wobei eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung unterbricht, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl. VwGH 17.5.2002, 2001/02/0179, mwN).

13 In dem vom Bundesverwaltungsgericht als Beleg für seine Annahme unzureichender Konkretisierung des Tatvorwurfs zitierten Erkenntnis (VwGH 3.9.2002, 99/09/0152) ging es um den Vorwurf einer Dienstpflichtverletzung in einem Disziplinarverfahren, bei dem der Schuldspruch im angefochtenen Bescheid in seinem Spruch gar keine Tatumschreibung enthielt und es daher nicht feststand, inwiefern die Unterrichtsgestaltung der dortigen Beschwerdeführerin während zwei Schuljahren pflichtwidrig gewesen sein soll oder durch welche von der rechtmäßigen Unterrichtsgestaltung abweichende Handlungen die Beschwerdeführerin pflichtwidrig gehandelt oder Dienstpflichten verletzt habe.

14 Im Gegensatz dazu ergibt sich die von der Behörde geforderte Handlung im Revisionsfall mit einer jeden Zweifel ausschließenden Deutlichkeit schon deshalb, weil die Revisionswerberin bereits in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13. Mai 2016 über die Umschreibung der bis 18. November 2014 angelasteten Unterlassung gemäß § 24 Abs. 1 und 2 Z 2 WAG 2007 hinaus sachverhaltsbezogen ausführte, dass es die B Bank unterlassen habe, eine Verpflichtung bestimmter Mitarbeiter zur unverzüglichen Meldung von über Fremdbankdepots getätigten Wertpapiertransaktionen vorzusehen. Damit wurde deutlich ausgedrückt, welche Meldepflicht die B Bank hätte einrichten sollen. Dazu nahm der Mitbeteiligte in seiner Äußerung vom 9. Juni 2016 auch inhaltlich Stellung, sodass den in der Revisionsbeantwortung enthaltenen Ausführungen zur unzureichenden Präzisierung des erhobenen Vorwurfs der Boden entzogen ist.

15 Somit wurde von der Revisionswerberin nicht nur die konkrete Unterlassung umschrieben, sondern es ergeben sich aus der Aufforderung zur Rechtfertigung auch jene Vorkehrungen, die die B Bank hätte treffen müssen (vgl. VwGH 11.9.2013, 2013/02/0047). 16 Eine Verfolgungsverjährung wegen der vom

Bundesverwaltungsgericht angenommenen unzureichenden Präzisierung der Verfolgungshandlung ist daher nicht eingetreten.

17 Das angefochtene Erkenntnis war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 13. April 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020023.L00

Im RIS seit

04.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.05.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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