TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/22 99/03/0116

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Veröffentlicht am 22.03.2000
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

BetriebsO 1994 §10 Abs1;
BetriebsO 1994 §13 Abs1;
BetriebsO 1994 §6;
StGB §83 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des AV in I, vertreten durch Dr. Martin Leys, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Michael-Gaismair-Straße 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 10. März 1999, Zl. IIa-65.004/6-98, betreffend Taxilenkerausweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Taxilenkerausweis des Beschwerdeführers für den Zeitraum von sechs Monaten zurückgenommen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Taxilenkerausweis sei von der Behörde erster Instanz auf Grund der über den Beschwerdeführer verhängten strafgerichtlichen Verurteilung vom 17. Oktober 1996 wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB, zurückgenommen worden. Außerdem sei der Beschwerdeführer wegen des Verdachtes des Vergehens nach einem näher genannten Delikt angezeigt worden. Diese Anzeige sei von der Staatsanwaltschaft Innsbruck mit Schreiben vom 7. Dezember 1998 zurückgelegt worden. Im Laufe des Ermittlungsverfahrens habe von der belangten Behörde erhoben werden können, dass bei der Bezirkshauptmannschaft Imst Strafvormerkungen aufschienen, und zwar die Strafverfügung vom 18. September 1998 wegen "Verletzung des § 20 Abs. 2 StVO 1960", das Straferkenntnis vom 27. Mai 1998 wegen "Verletzung des § 368 Z. 9 Gewerbeordnung und Übertretung nach der Sperrstundenverordnung" sowie die Strafverfügung vom 25. Mai 1998 wegen "Verletzung des § 368 Z. 9 iVm § 152 Abs. 3 iVm § 70 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994".

Wie es in der rechtlichen Beurteilung heißt, sei der Behörde erster Instanz darin beizupflichten, dass beim Beschwerdeführer die geforderte Vertrauenswürdigkeit auf Grund seiner rechtskräftigen Bestrafung wegen § 83 Abs. 1 StGB vorübergehend nicht gegeben sei. Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 sei nicht nur auf die Höhe bzw. das Ausmaß einer verwaltungs- oder strafgerichtlichen Verurteilung abzustellen, sondern vielmehr eine Persönlichkeitswertung im Zusammenhang mit einer Gewerbeausübung (Berufs- und Taxilenker) vorzunehmen. Die verwaltungs- und strafgerichtlichen Verurteilungen seien in ihrer Gesamtheit in die Wertung der Persönlichkeitsstruktur einzubeziehen, wobei zumindest auf die letzten fünf vergangenen Jahre Bedacht zu nehmen sei. Die aktenkundigen Bestrafungen, die strafgerichtliche Verurteilung vom 17. Oktober 1996 und die zurückgelegte Anzeige vom 7. Dezember 1998 "beeinträchtigen" die Vertrauenswürdigkeit des Berufungswerbers in dem Maße, dass eine befristete Zurücknahme des Taxilenkerausweises für sechs Monate gerechtfertigt erscheine. Auf Grund der Gesamtbetrachtung der Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers sei die Behörde zur Ansicht gelangt, dass die an einen Taxilenker geforderte Vertrauenswürdigkeit beim Beschwerdeführer zur Zeit nicht gegeben sei und deshalb die Zurücknahme des Taxilenkerausweises auf sechs Monate auszusprechen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Als Lenker im Fahrdienst (Taxilenker) dürfen nach § 4 Abs. 1 der Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr - BO 1994, BGBl. Nr. 951/1993, in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 1028/1994, nur Personen tätig werden, die einen Ausweis nach dem Muster der Anlage 1 besitzen.

§ 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 bestimmt, dass der Ausweis auszustellen ist, wenn (u.a.) der Bewerber vertrauenswürdig ist; die Vertrauenswürdigkeit muss zumindest in den letzten fünf Jahren vor der Ausstellung des Ausweises nachweislich gegeben sein.

Der Ausweis ist nach § 13 Abs. 1 BO 1994 von Amts wegen für einen der Schwere des Einzelfalles angemessenen, im Falle der zeitlichen Beschränkung gemäß § 10 Abs. 2 die Geltungsdauer des Ausweises jedoch nicht überschreitenden Zeitraum zurückzunehmen, wenn eine der im § 6 bezeichneten Voraussetzungen nicht mehr gegeben ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, soll mit dem Erfordernis der Vertrauenswürdigkeit das Vorhandensein der nach der Eigenart des Gewerbes erforderlichen Eigenschaften bei den im Fahrtdienst verwendeten Personen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit, insbesondere in Ansehung der Sicherheit der im Rahmen des Taxigewerbes zu befördernden Personen, Gewähr leistet werden. Die Frage, ob eine Person vertrauenswürdig ist, ist auf Grund eines im Ermittlungsverfahren festzustellenden Gesamtverhaltens des Antragstellers zu beurteilen. Entscheidend ist, ob das bisherige Verhalten auf ein Persönlichkeitsbild schließen lässt, das mit jenen Interessen im Einklang steht, deren Wahrung der Behörde im Hinblick auf § 13 des Gelegenheitsverkehrs-Gesetzes 1996, BGBl. Nr. 112, obliegt. In diesem Sinne ist die für die Ausübung des Taxigewerbes geforderte persönliche Vertrauenswürdigkeit dann zu verneinen, wenn aus bestimmten Tatsachen zu schließen ist, dass der Taxilenker in Zukunft nicht die Gewähr für die Erfüllung der für dieses Gewerbe bestehenden besonderen Anforderungen bietet (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1994, Zl. 93/03/0266, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Entscheidend für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 BO 1994 ist im Falle der Begehung einer Straftat die Straftat selbst und nicht das Urteil bzw. der Bescheid, mit welchem über Schuld und Strafe abgesprochen wird. So lange ein Strafurteil bzw. ein Strafbescheid nicht vorliegt, hat die Behörde im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens zufolge § 38 AVG die Wahl, entweder eine selbstständige Vorfragenbeurteilung vorzunehmen oder das Verfahren nach § 6 Abs. 1 bzw. § 13 Abs. 1 BO 1994 bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Vorfrage zu unterbrechen. Durch die strafgerichtliche Verurteilung bzw. durch den Schuldspruch in einer Verwaltungsstrafsache wird jedoch in einer für die Verwaltungsbehörde bindenden Weise über die Begehung der Tat abgesprochen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1995, Zl. 95/03/0003).

Der Schutzzweck der Betriebsordnung ist nicht auf den Straßenverkehr beschränkt, sondern darauf gerichtet, Personen vor der Verletzung jedes durch die Rechtsordnung geschützten Rechtsgutes zu bewahren. In diesem Sinne vermag das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB die Vertrauenswürdigkeit zu erschüttern. Dies gilt auch dann, wenn das strafbare Verhalten nicht im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Taxifahrer ausgeführt worden ist. Die vorsätzliche Körperverletzung deutet in der Regel auf einen erheblichen Mangel an Selbstbeherrschung und Respekt vor der Integrität der Mitmenschen hin, Charaktereigenschaft, die bei einem Taxilenker in Hinsicht auf die Ausübung seines Berufes und auf die von ihm zu befördernden Personen zu verlangen sind (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1995 und die dort angegebene Vorjudikatur).

Der Verwaltungsgerichtshof kann es daher nicht als rechtswidrig erkennen, wenn die belangte Behörde (primär) im Hinblick auf die gerichtliche Verurteilung wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB den Zurücknahmetatbestand des § 13 Abs. 1 BO 1994 als erfüllt ansah.

Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn der Beschwerdeführer vorbringt, der der Verurteilung wegen des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB zu Grunde liegende Sachverhalt lasse eindeutig erkennen, dass der Beschwerdeführer keine mut- oder böswillige Körperverletzung begangen habe, sondern vielmehr mit einem Klappmesser attackiert worden sei und aus der gegebenen Notwehrsituation heraus "überschießend reagiert und in der Folge im Zuge der Abwehr seines Angreifers diesen verletzt hat".

So weit sich dabei der Beschwerdeführer zunächst darauf beruft, er habe keine mut- oder böswillige Körperverletzung begangen, so vermag er damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Nach der oben wiedergegebenen hg. Rechtsprechung vermag das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB die Vertrauenswürdigkeit zu erschüttern. Für die Strafbarkeit nach § 83 Abs. 1 StGB kommt es auf eine besondere Form des Vorsatzes - wie Absicht oder Wissentlichkeit - nicht an.

Wenn sich der Beschwerdeführer aber auf eine Notwehrüberschreitung wegen eines asthenischen Affektes zu berufen scheint, so ist ihm zu erwidern, dass eine Notwehrüberschreitung, die lediglich aus Bestürzung, Furcht oder Schrecken geschieht, nach § 3 Abs. 2 StGB nur strafbar ist, wenn die Überschreitung auf Fahrlässigkeit beruht und die fahrlässige Handlung mit Strafe bedroht ist. Der Beschwerdeführer wurde aber nicht wegen fahrlässiger Körperverletzung, sondern wegen vorsätzlicher Körperverletzung zur Verantwortung gezogen; über die Begehung dieser Tat wurde in einer für die Verwaltungsbehörde bindenden Weise vom Strafgericht abgesprochen.

Dass aber auf Grund besonderer Umstände der im oben zitierten hg. Erkenntnis vom 12. Juli 1995, Zl. 95/03/0003, angesprochene Regelfall (Indizwirkung einer Verurteilung nach § 83 Abs. 1 StGB auf eine mangelnde Selbstbeherrschung und mangelnden Respekt vor der Integrität der Mitmenschen) nicht vorliege, ist für den Verwaltungsgerichtshof vor dem Hintergrund des Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen.

War bereits aus der Straftat im Grunde des § 83 Abs. 1 StGB zu schließen, dass der Beschwerdeführer in Zukunft nicht die Gewähr für die Erfüllung der für dieses Gewerbe bestehenden besonderen Anforderungen bietet, so kann es dahingestellt bleiben, ob, was vom Beschwerdeführer bestritten wird, die oben genannten Bestrafungen wegen Verwaltungsübertretungen und "die zurückgelegte Anzeige vom 07.12.1998" den Zurücknahmetatbestand des § 13 Abs. 1 BO 1994 zu erfüllen vermögen. Ebenso vermag angesichts der genannten Indizwirkung einer Verurteilung nach § 83 Abs. 1 StGB auf eine mangelnde Selbstbeherrschung und einen mangelnden Respekt vor der Integrität der Mitmenschen der Beschwerdeführer mit seinen Beschwerderügen über die mangelnde Auseinandersetzung der belangten Behörde mit seiner Persönlichkeitsstruktur keinen entscheidungswesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen.

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 22. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999030116.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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