TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/22 99/01/0027

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Veröffentlicht am 22.03.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des L R in P, geboren am 7. Mai 1955, vertreten durch Dr. Christian Kuhn und Dr. Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. Dezember 1998, Zl. 206.332/0-XI/35/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylsache (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 5. Mai 1994 hat das Bundesasylamt den am 20. April 1994 gestellten Asylantrag des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen albanischer Ethnie aus dem Kosovo, der am 15. April 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist, gemäß § 3 Asylgesetz (1991) abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 13. Mai 1994 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt.

Die dagegen gerichtete, vom unvertretenen Beschwerdeführer am 27. Mai 1994 zur Post gegebene Berufung hat folgenden Inhalt:

"Hiermit erhebe ich gegen den Bescheid des Bundesasylamtes Traiskirchen, Zl. ........., fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung

wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Zur Begründung verweise ich auf die binnen 7 Tagen

einzubringende, ausführliche Berufungsergänzung.

Ich stelle die Anträge

1. festzustellen, dass ich Flüchtling im Sinne der GFK und des gleich lautenden § 1 AsylG 1991 bin

2.

mir gem. § 3 AsylG 1991 Asyl zu gewähren

3.

in eventu beantrage ich, mir gem. § 8 AsylG 1991 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres zu erteilen."

Eine ausführliche "Berufungsergänzung" wurde vom Beschwerdeführer am 2. Juni 1994 zur Post gegeben.

Mit Bescheid vom 9. Dezember 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.

Die am 27. Mai 1994 zur Post gegebene Berufung lasse jegliche Begründung vermissen und beschränke sich ausschließlich auf die Ankündigung einer Berufungsergänzung innerhalb weiterer sieben Tage. Die "Berufungsergänzung" sei nicht innerhalb der Berufungsfrist eingebracht worden und daher nicht geeignet den der ursprünglichen Berufung anhaftenden Mangel eines begründeten Berufungsantrages zu sanieren.

Über die dagegen gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Das Erfordernis eines begründeten Berufungsantrages darf nach der Judikatur nicht formalistisch ausgelegt werden (vgl. etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 147 ff zu § 63 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Insbesondere dürften an eine von einem der deutschen Sprache nicht kundigen und rechtsfreundlich nicht vertretenen Asylwerber eingebrachte Berufung keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, E 3c zu § 63 Abs. 3 AVG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Für einen "begründeten Berufungsantrag" genügt es, wenn die Eingabe erkennen lässt, welchen Erfolg der Einschreiter anstrebt und womit er seinen Standpunkt vertreten zu können glaubt, selbst wenn die Begründung nicht als stichhältig anzusehen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Juli 1996, Zl. 94/18/0902 mwN). Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes sind diese Voraussetzungen vorliegend erfüllt. Der Beschwerdeführer beantragte in seiner Berufung "festzustellen, dass ich Flüchtling im Sinne der GFK und des gleich lautenden § 1 AsylG 1991 bin" sowie die Gewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz (1991), wobei er ausführte, dass der Bescheid der Behörde erster Instanz "inhaltlich" rechtswidrig sei und Verfahrensvorschriften verletzt worden seien. Er hat somit ausreichend deutlich klar gemacht, dass seiner Meinung nach die Erstbehörde die Frage seiner Flüchtlingseigenschaft materiell unrichtig beurteilt habe und ihr Verfahrensfehler unterlaufen seien. Hinsichtlich der geltend gemachten materiell unrichtigen Beurteilung der Frage der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers ist die in der gegenständlichen Berufung gebrauchte Formulierung etwa mit den vom Verwaltungsgerichtshof als noch für ausreichend befundenen Formulierungen "unrichtige rechtliche Beurteilung der von mir geltend gemachten Abschiebungshindernisse bezüglich Namibia" (Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 94/18/0936) und "wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Vorliegens von Voraussetzungen für eine Ausweisung in meinem Fall" (bereits zitiertes Erkenntnis, Zl. 94/18/0902) vergleichbar.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010027.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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