TE Vwgh Beschluss 2000/3/22 2000/04/0031

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2000
beobachten
merken

Index

L72004 Beschaffung Vergabe Oberösterreich;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1175;
ASVG §415 impl;
AVG §9;
LVergG OÖ 1994 §1 Z9;
LVergG OÖ 1994 §44 Abs4;
LVergG OÖ 1994 §58 Abs2;
LVergG OÖ 1994 §61 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2000/04/0032

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, in der Beschwerdesache der

1.) A Gesellschaft m.b.H. in P, 2.) W Tiefbaugesellschaft m.b.H. in

P und 3.) T Gesellschaft m.b.H. in S, alle vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Juli 1996, Zl. Fin-090517/10/FÜR/MAY, betreffend Feststellung gemäß § 61 Abs. 4 O.ö. Vergabegesetz (mitbeteiligte Partei: O AG in L), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde einschließlich des damit verbundenen Antrages auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Juli 1996 wurde gemäß § 61 Abs. 4 des O.ö. Vergabegesetzes der Antrag der zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Zweit- und Drittbeschwerdeführer vom 5. Jänner 1996 bzw. vom 24. Jänner 1996 abgewiesen und festgestellt, dass im Zuge des Vergabeverfahrens keine Rechtsverletzung im Sinne des § 61 Abs. 1 O.ö. Vergabegesetz begangen worden sei, derentwegen der Zuschlag nicht dem Bestbieter erteilt worden wäre. Zur Begründung führte die Oberösterreichische Landesregierung nach Darstellung des Verfahrensganges aus, die Vergabe des gegenständlichen Auftrages unterliege den Bestimmungen der "Sektorenrichtlinie" 90/531/EWG bzw. nunmehr 93/38/EWG bzw. des III. Hauptstückes des 3. Teiles des O.ö. Vergabegesetzes. Zwar sehe dieses Vergabegesetz in seiner im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides geltenden Fassung ein Nachprüfungsverfahren für Aufträge im Anwendungsbereich der Sektorenrichtlinie gar nicht vor, da gemäß § 44 Abs. 4 O.ö. Vergabegesetz der 4. Teil dieses Landesgesetzes, der unter anderem das Nachprüfungsverfahren regle, nicht anzuwenden sei. Der Gesetzgeber sei daher mit der Umsetzung der zitierten Sektorenrichtlinie im Verzug. Art. 2 dieser Richtlinie räume dem Einzelnen in jedem Fall das Recht ein, dass über einen von ihm behaupteten Rechtsverstoß entschieden, der Rechtsverstoß schnellstmöglich beseitigt und eine weitere Schädigung seiner Interessen verhindert werde. Insoweit sei diese Richtlinie hinreichend genau und unbedingt, weshalb die direkte Anwendbarkeit dieser Bestimmung zu bejahen sei. Dem Vorbringen der mitbeteiligten Partei, dass mangels gesetzlicher Regelung der Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde jedenfalls die ordentlichen Gerichte zum Abspruch über den Nachprüfungsantrag zuständig seien, weil es sich um Fragen zivilrechtlicher Natur handle, könne nicht ohne weiteres gefolgt werden. Die österreichische Verfassungsrechtsordnung kenne keine Bestimmung, aus der sich herleiten ließe, dass Zivilrechtsangelegenheiten jedenfalls in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehörten. Daran vermöge auch Art. 6 EMRK nichts zu ändern, dessen Gerichtsbegriff bekanntlich nicht deckungsgleich mit dem des "ordentlichen Gerichtes" im Sinne der österreichischen Verfassungsrechtsordnung sei. Den aus Art. 6 EMRK erfließenden Vorgaben könne somit auch durch die Einschaltung eines "Tribunals", das kein "ordentliches Gericht" sei, etwa des unabhängigen Verwaltungssenates, entsprochen werden. Nach der Verfassungsbestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 5 Bundes-Vergabegesetz obliege die Regelung der Auftragsvergabe durch die mitbeteiligte Partei in Gesetzgebung und Vollziehung dem Land. "Auftragsvergabe" sei nach der dem Bundes-Vergabegesetz und den Landes-Vergabegesetzen zu Grunde liegenden Konzeption einschließlich des Nachprüfungsverfahrens und der schadenersatzrechtlichen Regelungen zu verstehen. Damit werde der Landesgesetzgeber allein zuständig, sämtliche Aspekte der Auftragsvergabe, also auch die zivilrechtlichen, einschließlich der Zuständigkeitsregelungen zu erlassen. Für eine Geltung bundesgesetzlicher Zuständigkeitsregelungen, so lange der Landesgesetzgeber nicht tätig geworden sei, bestünden keine Anhaltspunkte. Das O.ö. Vergabegesetz unterscheide - abgesehen vom unterschiedlichen Beginn der zweiwöchigen Antragsfrist gemäß § 59 Abs. 1 und 2 leg. cit. - nicht zwischen einem Antrag, der vor der Zuschlagserteilung eingebracht wurde und einem nach der Zuschlagserteilung gestellten Antrag. Im Zusammenhang mit den Gesetzesmaterialien werde deutlich, dass der Gesetzgeber von einem einzigen Antrag ausgehe, über den, je nach dem, ob der Zuschlag zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung bereits erteilt wurde oder nicht, gemäß § 61 Abs. 1 oder Abs. 4 O.ö. Vergabegesetz zu entscheiden sei. Es sei deshalb sehr wohl möglich und sogar geboten, einen vor Zuschlagserteilung gestellten Nachprüfungsantrag nach erfolgter Zuschlagserteilung zu einem Antrag auf eine Entscheidung im Sinne des § 61 Abs. 4 O.ö. Vergabegesetz "umzudeuten". In der Folge wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt, aus welchen Gründen die von den Beschwerdeführern geltend gemachten Rechtsverletzungen im Zuge des Vergabeverfahrens nicht gegeben seien. Der angefochtene Bescheid enthält schließlich die Rechtsmittelbelehrung, es könne gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen ab der Zustellung Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhoben werden.

Die Beschwerdeführer erhoben entsprechend der im angefochtenen Bescheid enthaltenen Rechtsmittelbelehrung Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat, der diese Berufung aber mit Bescheid vom 19. August 1996 gemäß § 66 Abs. 4 AVG wegen Unzuständigkeit der angerufenen Behörde als unzulässig zurückgewiesen hat.

Zur Begründung dieser Entscheidung führte der unabhängige Verwaltungssenat im Wesentlichen aus, es gebe kein Gesetz, in dem der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich entsprechend dem Art. 129a B-VG generell als Berufungsbehörde gegen Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung eingesetzt sei. Derartige Bestimmungen könnten daher nur in den in Frage kommenden Landesgesetzen geregelt werden. Wie schon die Erstbehörde ausgeführt habe, sei der Geltungsbereich des O.ö. Vergabegesetzes für Auftraggeber wie die mitbeteiligte Partei gemäß § 44 Abs. 4 leg. cit. auf die Bestimmungen des 1. und 5. Teiles dieses Gesetzes eingeschränkt. Der 4. Teil sei nicht anzuwenden, weshalb auch der dort geregelte Rechtsschutz (§ 58 Abs. 2 leg. cit.) auf den vorliegenden Fall keine Anwendung finden könne. Das O.ö. Vergabegesetz schaffe somit keinen Titel für eine Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates im vorliegenden Fall. Auch aus dem Bundes-Vergabegesetz könne eine Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates nicht abgeleitet werden. Selbst wenn man der Auffassung der Erstbehörde über die unmittelbare Anwendbarkeit der Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie folge, könne daraus keine Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates zur Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid der Erstbehörde abgeleitet werden. Es sei den EU-Richtlinien immanent, dass sie zwar für jedes Mitgliedsland verbindlich seien, diesem aber die Wahl der Mittel zur Erreichung des vorgegebenen Zieles überließen. Eine EU-Richtlinie könne daher keine innerstaatliche Zuständigkeit einer bestimmten Behörde schaffen.

Die Beschwerdeführer erhoben daraufhin die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Juli 1996, mit der der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist verbunden ist.

Da die Beschwerde als erstbeschwerdeführende Partei eine Arbeitsgemeinschaft anführt, hatte der Verwaltungsgerichtshof zunächst deren Prozessfähigkeit zu prüfen. Da eine solche Arbeitsgemeinschaft weder als juristische Person noch als eine - selbständig Prozessrechtsfähigkeit besitzende - Personengesellschaft des Handelsrechtes, sondern als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu qualifizieren ist, könnte ihr Prozessrechtsfähigkeit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur zuerkannt werden, wenn das zu Grunde liegende Materiengesetz, hier also das O.ö. Vergabegesetz, einer solchen Arbeitsgemeinschaft selbstständige, von ihren einzelnen Mitgliedern losgelöste materielle Rechte oder Verfahrensrechte einräumte. Mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 1 Z. 9 O.ö. Vergabegesetz, wonach die Arbeitsgemeinschaft ein Zusammenschluss mehrerer Unternehmer ist, die sich unbeschadet der sonstigen Bestimmungen des zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnisses dem Auftraggeber gegenüber solidarisch zur vertragsmäßigen Erbringung einer Leistung auf dem Gebiet gleicher oder verschiedener Fachrichtungen verpflichten, muss dies aber verneint werden. Die Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Arbeitsgemeinschaft war daher schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

Gemäß § 46 Abs. 2 VwGG ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt wurde, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 22. November 1983, Slg. N. F. Nr. 11.234/A, ausgeführt hat, kann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist beim Verwaltungsgerichtshof nicht gewährt werden, wenn der Gerichtshof zur Überzeugung kommt, dass das von der Partei entsprechend der ihr erteilten Rechtsmittelbelehrung erhobene Rechtsmittel - entgegen der Ansicht der obersten Behörde - zulässig war. Die Prüfung der Zulässigkeit dieses Rechtsmittels hat ohne Bindung an den zurückweisenden Bescheid der obersten Behörde zu erfolgen.

Die somit dem Verwaltungsgerichtshof obliegende Prüfung der Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich zur Entscheidung über die von den Beschwerdeführern gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 8. Juli 1996 erhobenen Berufung führt zu dem Ergebnis, dass der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint hat. Vorweg ist festzuhalten, dass, wie schon die belangte Behörde hervorgehoben hat, gemäß § 44 Abs. 4 O.ö. Vergabegesetz in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 34/1997 auf Auftragsvergaben im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist, insbesondere der (mit "Rechtsschutz" überschriebene) 4. Teil des O.ö. Vergabegesetzes nicht anzuwenden ist. Zwar hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Oktober 1998, Zl. G 120/98-9, ausgesprochen, dass § 44 Abs. 4 des O.ö. Vergabegesetzes in der damaligen Fassung verfassungswidrig war, doch handelt es sich bei dem nunmehr vom Verwaltungsgerichtshof zu entscheidenden Fall nicht um einen Anlassfall im Sinne des Art. 140 Abs. 7 B-VG, sodass nach dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall die dargestellte Regelung des § 44 Abs. 4 O.ö. Vergabegesetz in seiner Stammfassung anzuwenden ist.

Zwar ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, dass die belangte Behörde zunächst von der Unanwendbarkeit des 4. Teiles des O.ö. Vergabegesetzes auf den vorliegenden Fall ausging. Sie stützte aber dennoch ihre Entscheidung ausdrücklich auf § 61 leg. cit., obwohl diese Bestimmung im 4. Teil dieses Gesetzes enthalten ist. Sie begründete diese Vorgangsweise mit dem Hinweis auf die unmittelbare Umsetzbarkeit der so genannten Sektoren-Rechtsmittelrichtlinie, die einen entsprechenden Rechtsschutz erfordere. Auch wenn dies in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht ausdrücklich gesagt wurde, ging die belangte Behörde offensichtlich davon aus, dass die die Anwendbarkeit des 4. Teiles des O.ö. Vergabegesetzes für den vorliegenden Fall ausschließende Bestimmung des § 44 Abs. 4 leg. cit. durch vorrangiges Gemeinschaftsrecht verdrängt wurde.

Wenn aber solcherart die belangte Behörde erkennbar im Rahmen des im 4. Teil des O.ö. Vergabegesetzes geregelten Rechtsschutzsystems als Nachprüfungsbehörde entschieden hat, so ist auch über Rechtsmittel gegen ihre Entscheidung von der in diesem Verfahren vorgesehenen Rechtsmittelbehörde zu entscheiden (vgl. sinngemäß das hg. Erkenntnis vom 13. September 1988, Zl. 88/04/0067, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass für die Beurteilung des administrativen Instanzenzuges nicht maßgebend ist, in welchem Behördenbereich der unterinstanzliche Bescheid gesetzmäßigerweise erlassen hätte werden sollen, sondern in welchem Behördenbereich er tatsächlich erlassen wurde). Das ist gemäß § 58 Abs. 2 O.ö. Vergabegesetz der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG setzt die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes im Wege der Bescheidbeschwerde die Erschöpfung des Instanzenzuges voraus. Da im vorliegenden Fall, wie oben nachgewiesen wurde, gegen den angefochtenen Bescheid der Rechtszug an den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich offen steht, erweist sich die vorliegende Beschwerde (trotz Zurückweisung der von den Beschwerdeführern gesetzmäßig erhobenen Berufung durch diesen unabhängigen Verwaltungssenat) als nicht zulässig.

Die Beschwerde war daher einschließlich des damit verbundenen Antrages auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.

Wien, am 22. März 2000

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Mangel der Rechtsfähigkeit und Handlungsfähigkeit sowie der Ermächtigung des EinschreitersRechtsfähigkeit Parteifähigkeit Gebilde ohne RechtsfähigkeitHandlungsfähigkeit ProzeßfähigkeitVwRallg7 Rechtsschutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000040031.X00

Im RIS seit

31.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.08.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten