TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/22 98/04/0143

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.2000
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §353;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §77 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des J in B, vertreten durch Dr. M und Dr. J, Rechtsanwälte in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Juni 1998, Zl. 317.958/4-III/A/2a/98, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: Jo in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 20. Juni 1994 wurde dem Beschwerdeführer die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer gewerblichen Betriebsanlage, und zwar eines Bauhofes, bestehend aus einem Lagergebäude und Vor- sowie Lagerplätzen auf Grundstück Nr. 762/2, KG B., erteilt.

Die gegen diesen Bescheid u.a. von der mitbeteiligten Partei erhobenen Berufungen wurden vom Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 22. Februar 1995 teils zurück-, teils abgewiesen.

Die mitbeteiligte Partei erhob auch gegen diesen Bescheid Berufung.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten beraumte für den 7. Mai 1996 eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle an, in der die zur Genehmigung beantragte Betriebsanlage vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen beschrieben wurde. In dieser Beschreibung wurde u.a. ausgeführt, nördlich und östlich des

-

näher beschriebenen - Gebäudes solle die gesamte Liegenschaft 762/2 als Bauhof genützt werde. Im nördlichen Teil sollten Kraftfahrzeuge abgestellt und Lastkraftwagen mit Hochdruckreiniger gesäubert werden; im östlichen Teil solle die Einfahrt in die Garage erfolgen und im südöstlichen Teil sollten Holz- und Eisenteile für den Baubetrieb gelagert werden. Darüber hinaus werde auf diesem Grundstück je nach Bedarf ein abnehmbarer Lkw-Ladekran abgestellt. Außerdem sollten im nordwestlichen Eck der

-

näher beschriebenen, angrenzenden - Liegenschaft Nr. 759/1, KG B., ebenfalls Kraftfahrzeuge abgestellt werden.

Der Beschwerdeführer legte einen Austauschplan vor und beantragte, "diesen Plan sowie die im Befund des gewerbetechnischen Amtssachverständigen angeführten Abweichungen vom ursprünglichen Ansuchen als Modifikation des Ansuchens anzusehen". Bezüglich der Kreissäge werde das Genehmigungsansuchen dahin eingeschränkt, dass diese ausschließlich in der Halle bei geschlossenen Toren in Betrieb genommen werde. Die im ursprünglichen Projekt vorgesehene Hobelmaschine solle ersatzlos entfallen. Hingegen solle die 2 m hohe Lärmschutzwand an der Ostseite des Bauhofes (Schalldämmmaß mindestens 32 dB) Projektbestandteil bleiben.

Der Verhandlungsleiter forderte den Beschwerdeführer in der Folge gemäß § 13 Abs. 3 AVG auf, die vorgelegten Plankopien innerhalb einer Frist von vier Wochen entsprechend vergebührt dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten vorzulegen. Bei fruchtlosem Ablauf dieser Frist müsse der Modifikationsantrag zurückgewiesen werden.

Mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Juni 1998 wurde die Berufung der mitbeteiligten Partei nach Maßgabe folgender ergänzender Betriebsbeschreibung unter Einhaltung nachfolgender zusätzlicher Auflage als unbegründet abgewiesen und der erst- und zweitbehördliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt:

Betriebsbeschreibung:

Die Kreissäge wird ausschließlich in der Halle bei geschlossenen Toren in Betrieb genommen. Die im ursprünglichen Projekt angeführte Hobelmaschine wird ersatzlos gestrichen.

Auflage:

Die Betriebszeiten des Bauhofes sind auf Montag bis Freitag von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und Samstag von 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr beschränkt.

Der in der Verhandlung vom 7. Mai 1996 gestellte Modifikationsantrag bezüglich Erweiterung des Abstellplatzes in nordöstlicher Richtung wurde gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei der Aufforderung, binnen vier Wochen entsprechend vergebührte Plankopien vorzulegen, nicht nachgekommen. Das Modifikationsansuchen betreffend Erweiterung des Abstellplatzes sei daher zurückzuweisen gewesen. Im Übrigen hätten die, in Ergänzung des von den Vorinstanzen durchgeführten Ermittlungsverfahrens eingeholten technischen und medizinischen Gutachten ergeben, dass aus medizinischer Sicht bei Einhaltung einer Betriebszeit von Montag bis Freitag von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und Samstags von 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr weder eine Gesundheitsgefährdung noch eine unzumutbare Belästigung der nächstgelegenen Nachbarn gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht, dass die beantragte Betriebsanlagengenehmigung nur unter Vorschreibung solcher Auflagen erteilt wird, die erforderlich sind, um Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 zu vermeiden bzw. Belästigungen, Beeinträchtigungen und sonstige nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 GewO 1994 auf ein zumutbares Maß zu beschränken, sowie im Recht, "dass ein Anbringen nicht zurückgewiesen wird, wenn noch innert gesetzter Frist die Formgebrechen behoben werden, in eventu mangels Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG Anbringen überhaupt nicht zurückgewiesen werden," verletzt. Er bringt hiezu im Wesentlichen vor, ein Verbot jeglicher Betriebstätigkeit außerhalb der in der vorgeschriebenen Auflage genannten Zeiten sei im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 nicht nachvollziehbar. Es gäbe nämlich eine Vielzahl von Tätigkeiten, die ohne Lärm oder sonstige Emissionen entfaltet werden könnten (Aufräumearbeiten, Reinigungsarbeiten, Verwaltungsarbeiten, Reparaturarbeiten ohne Verwendung lärmender Geräte etc.). Die vorgeschriebene Auflage beruhe zwar auf einem Amtssachverständigengutachten; der hier erstattete Vorschlag sei aber aus den genannten Gründen nicht schlüssig. Ob der Beschwerdeführer zu diesem Gutachten eine Äußerung erstattet habe oder nicht, sei irrelevant. Eine Nichtäußerung habe nämlich nicht die Wirkung der Zustimmung. Da Auflagen nur nach Maßgabe des zur Erreichung ihres Zieles erforderlichen Minimums an Beschränkung vorzuschreiben seien, müsse die von der belangten Behörde vorgeschriebene Auflage als überschießend beurteilt werden. Was die Zurückweisung des Modifikationsbegehrens anlange, so habe die belangte Behörde eine unterlassene Vergebührung zu Unrecht als Formgebrechen beurteilt. Im Übrigen seien die Pläne ohnedies vergebührt vorgelegt worden, was sich auch aus den Verwaltungsakten der belangten Behörde ergeben müsse.

Gemäß § 77 Abs. 1 GewO 1994 ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden.

Als Auflage im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 kommt - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat (vgl. die bei Kobzina/Hrdlicka, GewO 1994 (1994), 266, referierte Judikatur) - auch die zeitliche Beschränkung des Betriebes einer Anlage, insbesondere durch Nachtarbeitsverbote, in Betracht.

Die belangte Behörde hat die im angefochtenen Bescheid zusätzlich vorgeschriebene Auflage auf das Gutachten eines medizinischen Amtssachverständigen gestützt, dem zufolge - ausgehend von den Messungen und Berechnungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen - eine Gesundheitsgefährdung oder eine aus medizinischer Sicht unzumutbare Belästigung der nächsten Nachbarn, bezogen auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen oder auf ein gesundes, normal empfindendes Kind, u.a. dann nicht zu erwarten ist, wenn die Betriebszeiten der Anlage auf Montag bis Freitag 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr und Samstag 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr eingeschränkt würden.

Diesem - nicht als unschlüssig zu erachtenden - Gutachten ist der Beschwerdeführer nach Ausweis der vorliegenden Verwaltungsakten sowie nach seinem Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde im Verwaltungsverfahren nicht entgegen getreten. Wenn er daher nunmehr einwendet, bestimmte Tätigkeiten hätten von der aus medizinischer Sicht erforderlichen Betriebszeitenbeschränkung ausgekommen werden müssen, so ist ihm zu entgegnen, dass es ihm oblegen wäre, im Rahmen des eingeräumten Parteiengehörs jene in der Betriebsbeschreibung dargestellten Vorgänge, in Ansehung derer er eine Betriebszeitenbeschränkung zum Schutz der Nachbarn für nicht erforderlich erachtet, konkret darzulegen. Da der Beschwerdeführer es jedoch unterlassen hat, im Verwaltungsverfahren entsprechend mitzuwirken, ist auch seine diesbezüglich an den Verwaltungsgerichtshof herangetragene Verfahrensrüge - die freilich die erforderliche Konkretisierung gleichfalls vermissen lässt - abzulehnen.

Im Übrigen erweist sich die Beschwerde jedoch aus folgenden Gründen als berechtigt:

Abgesehen davon, dass in den vorgelegten Verwaltungsakten ein Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 20. Mai 1996 (versehen mit dem Einlaufstempel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 22. Mai 1996) aufscheint, in dem der Beschwerdeführer erklärt, er lege "gemäß Verfügung in der Verhandlung vom 7. Mai 1996 vier Einreichpläne vergebührt vor", und dem ein, jenem in der Verhandlung vom 7. Mai 1996 vorgelegten Austauschplan entsprechender Plan in mehreren Ausfertigungen angeschlossen ist, trifft die Auffassung des Beschwerdeführers, eine unterbliebene Vergebührung zähle nicht zu den "Formgebrechen" im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998), zu; bei der mangelnden Vergebührung einer Eingabe handelt es sich um keinen Mangel, der aus der Nichterfüllung von (gesetzlichen) Formvorschriften resultiert.

Nun ist allerdings eine wesentliche Änderung des den Gegenstand des Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens bildenden Projektes, das heißt jede Änderung des Projektes, die geeignet ist, gegenüber dem ursprünglichen Projekt neuere oder größere Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 herbeizuführen, im Zuge des Verfahrens unzulässig (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 95/04/0129, und die hier zitierte Vorjudikatur). Dass die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung am 7. Mai 1996 vorgenommene Änderung des ursprünglich beantragten Projektes (jedenfalls) in Ansehung der Erweiterung des Abstellplatzes für Kraftfahrzeuge (in Richtung mitbeteiligte Partei) grundsätzlich geeignet ist, bei den Nachbarn neue bzw. größere Lärm- und Abgasimmissionen herbeizuführen, ist nicht zweifelhaft. Diese Änderung des ursprünglich beantragten Projektes war daher entsprechend der dargestellten Rechtslage im Rahmen des vorliegenden Verfahrens unzulässig.

Gleichwohl ermächtigt dies die Behörde nicht - wie das in der Gegenschrift der belangten Behörde zum Ausdruck kommt - zur Zurückweisung der Antragsänderung. Vielmehr ist eine solche Antragsänderung als ein - unter diesbezüglicher Zurückziehung des ursprünglich gestellten Antrages - neuer Antrag zu qualifizieren (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 1. Juli 1997 und die hier zitierte Vorjudikatur).

Solcherart aber war die belangte Behörde zu einer anderen als die ersatzlose Behebung des - auf Grund des (zurückgezogenen) Antrages - ergangenen Genehmigungsbescheides verfügenden Sachentscheidung nicht befugt.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die geltend gemachten Mehraufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich waren.

Wien, am 22. März 2000

Schlagworte

Formerfordernisse Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998040143.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten