TE Vwgh Beschluss 2018/4/11 Ra 2017/11/0242

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Veröffentlicht am 11.04.2018
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

AZG §26 Abs1;
AZG §28 Abs2 ;
B-VG Art133 Abs4;
VStG §9 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des J E T in W, vertreten durch Dr. Helmut Weber, Rechtsanwalt in 8940 Liezen, Ausseer Straße 32, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 30. Juni 2017, Zl. VGW-042/063/3486/2017-11, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien - Magistratisches Bezirksamt für den 18. Bezirk), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid vom 20. Jänner 2017 sah die belangte Behörde von der Fortsetzung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Revisionswerber hinsichtlich des Vorwurfs, als zur Vertretung nach außen Berufener der T GmbH mit Sitz in Wien näher bezeichnete Übertretungen der VO (EG) Nr. 561/2006 und des Arbeitszeitgesetzes (AZG) zu verantworten haben, ab und verfügte die Einstellung desselben. In der Begründung stützte sich die belangte Behörde auf die rechtskräftige Bestrafung des D.V. als verantwortlichen Beauftragten der T GmbH hinsichtlich der vorgeworfenen Übertretungen.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde des Arbeitsinspektorats für den 12. Aufsichtsbezirk gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis vom 30. Juni 2017 Folge und änderte den Bescheid der belangten Behörde ab. Der Revisionswerber wurde schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der T GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin hinsichtlich namentlich genannter Lenker näher bezeichnete Bestimmungen des AZG und der VO (EG) Nr. 561/2006 nicht eingehalten habe. Über den Revisionswerber wurden dafür Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) in Höhe von insgesamt EUR 5.492,-- (34 Tage und 8 Stunden) verhängt.

3 Unter einem wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht - soweit im Folgenden von Belang - aus, das Vorliegen des objektiven Tatbestandes der anhand der Auswertung vorgelegter digitaler Daten aus Kontrollgeräten bzw. Fahrerkarten festgestellten Verwaltungsübertretungen sei im Verfahren unbestritten geblieben. Laut Stellungnahme des Arbeitsinspektorats sei zum Tatzeitpunkt keine Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 ArbIG gemeldet worden. Auch der Revisionswerber habe zum tatsächlichen Einlangen einer entsprechenden Mitteilung über die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten keine konkreten Angaben machen können und deren Einlangen auch nicht bescheinigen können. Darüber hinaus seien zum Tatzeitpunkt drei inhaltsgleiche Bestellungsurkunden bezüglich D.V., P.R. und A.L. vorgelegen. Eine inhaltliche Abgrenzung der Verantwortungsbereiche sei aus den vorgelegten Bestellungsurkunden nicht ersichtlich. Der Revisionswerber sei nach seiner eigenen Aussage davon ausgegangen, dass alle drei Personen für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften verantwortlich gewesen wären. Von einer wirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten könne bei diesem Sachverhalt nicht ausgegangen werden, weshalb die Verantwortung für die angelasteten Verwaltungsübertretungen den Revisionswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer der T GmbH treffe.

5 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. aus vielen den Beschluss VwGH 20.2.2018, Ra 2018/11/0010 bis 0011, und die dort zitierte Vorjudikatur).

9 2.2.1. Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, es seien drei Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt worden, die als Disponenten bei der T GmbH beschäftigt und jeweils für die von ihnen disponierten LKW-Fahrer auch für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften zuständig gewesen seien, sodass eine klare Abgrenzung ihrer Zuständigkeitsbereiche vorliege. In jedem Fall hätte aber allenfalls P.R. als Teamleiter der Disponenten bestraft werden müssen. Das Verwaltungsgericht habe sich in völliger Verkennung dieser Umstände mit seiner Entscheidung in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzt. Damit liege eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG vor.

10 2.2.2. Die Revision zeigt damit schon deshalb nicht auf, dass ihre Behandlung von der Beantwortung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt, weil mit diesem Vorbringen die Begründung für die Zulässigkeit der Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Es wird nämlich nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Verwaltungsgericht nach Ansicht des Revisionswerbers abgewichen sein soll (vgl. abermals VwGH 20.2.2018, Ra 2018/11/0010 bis 0011 mit Verweis auf VwGH 6.10.2015, Ra 2015/02/0187).

11 Die Revision zeigt insbesondere nicht auf, inwieweit das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung, die vom Revisionswerber ins Treffen geführten Bestellungsurkunden seien beim Arbeitsinspektorat nicht eingelangt, weshalb schon deshalb von einer fehlenden wirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten auszugehen sei, von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sein soll.

12 Darüber hinaus ist der Revision entgegenzuhalten, dass es sich beim Inhalt einer Bestellungsurkunde um eine Erklärung im Einzelfall handelt, die auszulegen ist. Wie eine solche Erklärung aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Auch die Frage, ob irgendwelche Besonderheiten - etwa auf Grund des Unternehmensgegenstandes oder der Unternehmensorganisation - eine andere Deutung der Willenserklärung zuließen, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die Auslegung einer Bestellungsurkunde im Einzelfall wäre nur revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. VwGH 24.5.2016, Ra 2016/03/0041, mwN); derartiges wird von der Revision aber nicht aufgezeigt (aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu, dass eine eindeutige und zu keinen Zweifeln Anlass gebende Umschreibung des Verantwortungsbereichs nur dann vorläge, wenn für die in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt, vgl. VwGH 28.9.2011, 2011/04/0128; 19.3.2013, 2011/02/0238).

13 Es ist schließlich auch nicht zu erkennen, dass die implizite Auffassung des Verwaltungsgerichtes, eine (rechtskräftig erfolgte) Bestrafung des D.V. als verantwortlichen Beauftragten für die auch hier gegenständlichen Übertretungen schlösse eine Bestrafung des Revisionswerbers als organschaftlichen Vertreter der T GmbH wegen des gleichen Delikts nicht aus, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abwiche (vgl. VwGH 20.1.1998; 96/11/0133; 9.11.1999, 98/11/0206; 4.10.2012, 2011/09/0049; 20.2.2018, Ra 2018/11/0010 bis 0011:

Danach ist in einem vergleichbaren Fall - ohne Bindung an ein Straferkenntnis - zu beurteilen, ob die Bestellung des namhaft Gemachten zum verantwortlichen Beauftragten wirksam wurde und die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des organschaftlichen Vertreters damit entfallen ist).

14 2.3. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 11. April 2018

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110242.L00

Im RIS seit

03.05.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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