TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/22 98/04/0146

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Veröffentlicht am 22.03.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52 Abs2;
AVG §52;
AVG §66 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde der F GesmbH in S, vertreten durch Dr. G und Dr. R, Rechtsanwälte in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. Juni 1998, ZL. 04-15/161-97/21, betreffend Sachverständigengebühren in einem Verfahren zur Genehmigung der Änderung einer genehmigten Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. Juni 1998 wurden der Beschwerdeführerin die Kosten für näher bezeichnete Tätigkeiten eines nicht amtlichen Sachverständigen im Verfahren zur Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage der Beschwerdeführerin (Aufbereitungsanlage für bituminöses Mischgut) in Höhe von S 271.224,-- vorgeschrieben. Hiezu wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei im vorliegenden Genehmigungsverfahren erforderlich gewesen, die Geruchsimmissionen bei den Nachbarn zu erheben. Die Beschwerdeführerin habe dafür ein von der ETH Zürich entwickeltes Verfahren vorgeschlagen, das jedoch vom immissionstechnischen Amtssachverständigen als zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellung ungeeignet beurteilt worden sei. Der Amtssachverständige habe dies damit begründet, dass bei dieser Methode Geruchsemissionskonzentrationen durch olfaktometrische Messungen erfasst würden. Probeluft werde so lange mit geruchsneutraler Luft verdünnt, bis die Geruchsschwelle erreicht sei. Aus dem Verdünnungsfaktor ergebe sich die Emissionskonzentration. Der für die Immissionsbelastung ausschlaggebende Emissionsmassenstrom werde nur am Rande berücksichtigt. Auf Grund der Emissionskonzentrationen erfolge eine qualitative Kategorisierung der zu erwartenden Immissionsbelastung. Die Methode der ETH Zürich sei also keine Methode zur Messung der Immissionsbelastung, sondern eine Emissionsmessung mit grober Abschätzung der immissionsseitigen Auswirkungen. Aussagen über Geruchshäufigkeiten könnten nicht gemacht werden. Die Rastermethode, deren Einsatz (in modifizierter Form) der immissionstechnische Amtssachverständige für das vorliegende Verfahren vorgeschlagen habe, verwende dasselbe Messinstrument, das auch in der Olfaktometrie eingesetzt werde, nämlich die menschliche Nase. Auch hier gehe es nur um die Entscheidung, ob Geruch wahrgenommen werde oder nicht, das heißt, ob die Geruchsschwelle überschritten werde oder nicht. Zusätzlich würden Daten wie eine grobe Abschätzung der Intensität erhoben, um das Bild abzurunden; auch Emissionen aus diffusen Quellen würden erfasst. Durch geeignete Erhebungsplanung könnten nach statistischer Auswertung Aussagen über Geruchshäufigkeiten an den Immissionspunkten gemacht werden; die für den Nachbarschutz relevanten Stellen könnten bei der Erhebung berücksichtigt werden. Eine Alternative zur Rastermethode wäre die Ermittlung der Geruchshäufigkeiten mit einer Ausbreitungsrechnung, wofür allerdings umfangreiche meteorologische Erhebungen und die Erfassung aller (auch der diffusen) Emissionsquellen erforderlich seien. Der immissionstechnische Amtssachverständige sei daher zum Ergebnis gelangt, es wäre im vorliegenden Fall eine Erhebung nach der modifizierten Rastermethode durchzuführen. Die Durchführung einer Erhebung nach dieser Methode erfordere allerdings einen beträchtlichen Zeit- und Personalaufwand. Pro Erhebungsfahrt müssten mindestens fünf Personen zur Verfügung stehen, davon drei "Amtspersonen". Je nach Problemstellung seien zumindest 18 Erhebungsfahrten erforderlich, um ein statistisch abgesichertes Ergebnis zu erhalten. Dieser Aufwand könne mit dem vorhandenen Personal amtlicherseits nicht durchgeführt werden. Im Zuge des Parteiengehörs habe die Beschwerdeführerin die Stellungnahme eines - näher bezeichneten - Ziviltechnikers vorgelegt, derzufolge für die gegebene Aufgabenstellung die Methode der ETH Zürich gleich, wenn nicht besser geeignet sei, die Geruchsimmissionssituation in der Nachbarschaft festzustellen. Beide Methoden würden dem Mediziner gleichermaßen die erforderlichen Werte und Ergebnisse bieten, um die Zumutbarkeit von Geruchsimmissionen beurteilen zu können. Durch diese Ausführungen seien die Darlegungen des immissionstechnischen Amtssachverständigen jedoch nicht entkräftet worden, wonach die Methode der ETH Zürich keine Methode zur Messung der Immissionsbelastung, sondern eine Emissionsmessung mit grober Abschätzung der immissionsseitigen Auswirkungen sei, bei der Aussagen über die Geruchshäufigkeiten nicht getroffen werden könnten; diese Häufigkeitsangaben seien allerdings für die medizinischen Schlussfolgerungen von größter Wichtigkeit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid - ihrem gesamten Vorbringen zufolge - im Recht auf Nichtvorschreibung der in Rede stehenden Kosten eines nicht amtlichen Sachverständigen verletzt. Sie bringt hiezu im Wesentlichen vor, der Sachverständige, dessen Honorar in Rede stehe, sei nicht durch Bescheid gemäß § 52 AVG beigezogen worden. Mangels Erlassung eines Bescheides sei eine Bestellung des nicht amtlichen Sachverständigen aber gar nicht erfolgt, sodass der Beschwerdeführerin schon aus diesem Grunde keine Kosten vorgeschrieben werden könnten. Die belangte Behörde sei weiters zu Unrecht zur Auffassung gelangt, im vorliegenden Fall sei nur die "modifizierte Rastermethode" zur Abklärung der entscheidungswesentlichen Fragestellungen geeignet. Der beigezogene Amtssachverständige habe möglicherweise alternative Methoden gar nicht gekannt, wie sich aus einem - näher bezeichneten - Telefax durchaus ableiten lasse. Die belangte Behörde ihrerseits habe es unterlassen, das von der Beschwerdeführerin am 2. März 1998 vorgelegte Gutachten eingehend zu würdigen. Hätte sie dies getan, wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass mit der von der ETH Zürich entwickelten Methode eine kostengünstigere Methode existiere, um dem medizinischen Sachverständigen jene Informationen und Grundlagen zu bieten, die er für seine Beurteilung benötige. Das Argument, bei dieser Methode würden Geruchshäufigkeiten nicht berücksichtigt, sei nicht von entscheidender Bedeutung. Würden nämlich Geruchserhebungen emissionsseitig veranlasst und festgestellt, dass gewisse Schwellenwerte bereits emissionsseitig nicht erreicht werden, so seien Überlegungen im Zusammenhang mit dem Emissionsmassenstrom bzw. den Geruchshäufigkeiten nicht mehr von Relevanz. Im Übrigen habe die belangte Behörde ohne Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen festgestellt, dass Häufigkeitsangaben für die medizinische Schlussfolgerung von größter Wichtigkeit sei; dies sei jedoch unrichtig. Die belangte Behörde habe auch nicht aufgezeigt, aus welchen Gründen das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten unschlüssig sein sollte. Bei richtiger Beurteilung hätte die belangte Behörde zum Ergebnis gelangen müssen, die von der Beschwerdeführerin - sachverständig belegt - vorgeschlagene Untersuchungsmethode sei zumindest in gleicher Weise geeignet, zu den notwendigen Untersuchungsergebnissen zu gelangen, wie die "modifizierte Rastermethode". Diese hätte aber lediglich einen Kostenaufwand von S 48.000,-- erfordert. Die Vornahme der Erhebungen nach der "modifizierten Rastermethode" folge daher nicht dem Gebot der Zweckmäßigkeit, Raschheit und insbesondere der Kostenersparnis im Sinne des § 39 AVG.

Gemäß § 76 Abs. 1 AVG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998), hat, wenn der Behörde bei einer Amtshandlung Barauslagen erwachsen, dafür, soferne nach den Verwaltungsvorschriften nicht auch diese von Amts wegen zu tragen sind, im Allgemeinen die Partei aufzukommen, die um die Amtshandlung angesucht hat. Als Barauslagen gelten auch die Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen, nicht jedoch die Gebühren, die einem Gehörlosendolmetscher zustehen.

Gemäß § 52 Abs. 1 AVG sind, wenn die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig wird, die der Behörde beigegebenen oder zur Verfügung stehenden amtlichen Sachverständigen (Amtssachverständige) beizuziehen.

Wenn Amtssachverständige nicht zur Verfügung stehen oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist, kann die Behörde gemäß § 52 Abs. 2 AVG aber ausnahmsweise andere geeignete Personen als Sachverständige (nicht amtliche Sachverständige) heranziehen.

Sachverständigenkosten können gemäß § 76 Abs. 1 AVG dann auf die antragstellende Partei überwälzt werden, wenn die Einholung des Gutachtens nach der Verfahrenslage notwendig war und kein Amtssachverständiger zur Verfügung stand (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), 1706 f, referierte hg. Judikatur).

Die Beschwerdeführerin tritt der Auffassung der belangten Behörde nicht entgegen, eine Begutachtung der Geruchsimmissionen sei im vorliegenden Fall durch Amtssachverständige nicht möglich gewesen. Sie zieht auch nicht in Zweifel, dass ein nicht amtliches Sachverständigengutachten betreffend Geruchsimmissionen erstellt wurde, und dass dafür die ihr vorgeschriebenen Kosten aufgelaufen sind.

Mit dem Beschwerdevorbringen, der Sachverständige sei nicht bescheidmäßig zum Gutachter bestellt worden, zeigt die Beschwerdeführerin keinen im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG wesentlichen Verfahrensmangel auf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1994, Zl. 93/06/0174).

Träfe hingegen der weitere Beschwerdevorwurf zu, die belangte Behörde hätte auf Grund des ihr von der Beschwerdeführerin vorgelegten Gutachtens zur Auffassung gelangen müssen, es bestehe eine zumindest in gleicher Weise geeignete, aber kostengünstigere Untersuchungsmethode als die gewählte, so wäre die der Beschwerdeführerin auferlegte höhere Kostenvorschreibung zu Unrecht erfolgt. Dies ist jedoch nicht der Fall:

Die belangte Behörde ist - dem eingeholten Gutachten eines immissionstechnischen Amtssachverständigen folgend - zur Auffassung gelangt, die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Methode der ETH Zürich sei im vorliegenden Fall keine geeignete Methode, weil dadurch - anders als bei der so genannten "Rastermethode" - keine Messung der Immissionbelastung erfolge, sondern vielmehr eine Emissionsmessung mit grober Abschätzung der immissionsseitigen Auswirkungen, der auch Aussagen über Geruchshäufigkeiten nicht entnommen werden könnten. Dieser Darstellung widerspricht das - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten insoferne nicht, als auch hier ausgeführt wird, dass bei dieser Methode ausgehend von der emissions- und anlagenseitig ermittelten Geruchswahrnehmung an Hand von Erfahrungen aus früheren Untersuchungen (Verprobung mit einem "Immissionsbelastungs-System") Rückschlüsse auf bestimmte Geruchsimmissionssituationen gezogen werden.

Steht solcherart unstrittig fest, dass bei der von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Untersuchungsmethode die konkrete Immissionsbelastung durch Schätzung, bei der so genannten Rastermethode hingegen durch immissionsseitige Ermittlung erfolgt, so kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie jene Methode, bei der die konkrete Immissionssituation unmittelbar gemessen wird, jener vorzog, bei der diese Verfahrensergebnisse lediglich im Wege einer Schätzung erzielt werden; sind doch, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, Auswirkungen der von einer geänderten Betriebsanlage ausgehenden Immissionen dort, wo eine Messung möglich ist, zu messen und nicht bloß zu berechnen oder zu schätzen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 99/04/0006, und die hier zitierte Vorjudikatur). Im Übrigen räumt das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Gutachten selbst ein, dass Ausbreitungsrechnungen zwar für konventionelle Luftschadstoffe zulässig seien, im Falle von Geruch jedoch auf Grund "nahezu unbestimmbarer Ausbreitungsbedingungen" derzeit nicht anwendbar seien.

Die belangte Behörde ist daher - dem Gutachten des immissionstechnischen Amtssachverständigen folgend - zu Recht zur Auffassung gelangt, es müsse im vorliegenden Fall die so genannte "modifizierte Rastermethode" angewendet werden.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. März 2000

Schlagworte

Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Sachverständiger Bestellung Auswahl Enthebung (Befangenheit siehe AVG §7 bzw AVG §53) Verhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG (siehe auch Heilung von Verfahrensmängeln der Vorinstanz im Berufungsverfahren)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998040146.X00

Im RIS seit

25.01.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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