TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/22 2000/04/0058

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Veröffentlicht am 22.03.2000
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E010 EG Art10;
11997E012 EG Art12;
AVG §13 Abs8 idF 1998/I/158;
AVG §59;
AVG §66 Abs4;
EURallg;
GewO 1994 §127 Z15;
GewO 1994 §28 Abs1 Z2;
GewO 1994 §28;
GewO 1994 §373c;
GewO 1994 §373d;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des G in F, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 14. Jänner 2000, Zl. 321.334/1-III/A/9/99, betreffend Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides verweigerte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten dem Beschwerdeführer mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 GewO 1994 ergangenen Bescheid vom 14. Jänner 2000 unter Bezugnahme auf § 28 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zur Ausübung des Gewerbes der Immobilientreuhänder, eingeschränkt auf Bauträger. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, der im 36. Lebensjahr stehende Beschwerdeführer habe in einem seinem Nachsichtsansuchen beigeschlossenen Lebenslauf zu seinem Bildungsgang und seiner bisherigen Tätigkeit angegeben, er habe in den Jahren 1970 bis 1979 die Grundschule und die Hauptschule in der Bundesrepublik Deutschland absolviert und im Jahre 1982 eine Berufsausbildung zum Tischler mit erfolgreicher Gesellenprüfung beendet. In den Jahren 1982 bis 1992 sei er als Tischler in Deutschland und in der Schweiz tätig gewesen und habe in den Jahren 1987 und 1989 die Meisterschule für Tischler in der Bundesrepublik Deutschland erfolgreich besucht. Seit 1993 sei er als Bauträger und Immobilienmakler in der Bundesrepublik Deutschland selbstständig tätig. Zum Nachweis dieses Vorbringens habe er entsprechende Urkunden vorgelegt. Davon ausgehend führte der Bundesminister aus, für die Beurteilung, ob ein Nachsichtswerber die volle Befähigung zur Ausübung des auf die Tätigkeiten der Bauträger eingeschränkten Gewerbes der Immobilientreuhänder besitze, seien die Bestimmungen der §§ 3 und 4 der den Befähigungsnachweis für dieses Gewerbe festlegenden Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, BGBl. Nr. 89/1994, maßgebend. Aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Nachweisen ergebe sich, dass er nach einer erfolgreich absolvierten Lehrausbildung im Lehrberuf Tischler und unselbstständiger Beschäftigung in diesem Beruf seit dem Jahr 1992 in der Bundesrepublik Deutschland neben dem Immobilienmaklergewerbe gewisse mit der Ausübung des Bauträgergewerbes verbundene Tätigkeiten selbstständig ausgeübt habe, sodass angenommen werden könne, dass er in einem bestimmten Umfang Kenntnisse auf dem Gebiet des von ihm angestrebten, auf die Tätigkeit der Bauträger eingeschränkten Gewerbes der Immobilientreuhänder besitze. Es dürfe aber nicht übersehen werden, dass er im Inland weder eine die Ausübung des von ihm angestrebten Gewerbes dienliche Ausbildung absolviert habe, noch mit der Ausübung der dem Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten beschäftigt gewesen sei. Bei der sich solcherart darstellenden Sachlage könne daher nicht angenommen werden, dass er die nach den §§ 3 und 4 der zitierten Verordnung für die selbstständige Ausübung des auf die Tätigkeiten der Bauträger eingeschränkten Gewerbes der Immobilientreuhänder als erforderlich anzusehenden Kenntnisse, insbesondere die Kenntnisse auf den einschlägigen Rechtsgebieten, in einem die Annahme seiner hinreichenden tatsächlichen Befähigung, geschweige denn vollen Befähigung rechtfertigenden Umfang besitzt, setze doch der Erwerb solcher Kenntnisse regelmäßig eine entsprechende Tätigkeit bei einem dieses Gewerbe ausübenden inländischen Gewerbetreibenden voraus.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf Erteilung der in Rede stehenden Nachsicht sowie in jenem "auf Abhaltung eines Gleichhaltungsverfahrens nach § 373d der Gewerbeordnung" verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bringt er vor, die Behörde übersehe offenkundig, dass der Beschwerdeführer bereits seit acht Jahren eine völlig gleichartige selbstständige Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausübe, sodass die Feststellung, der Beschwerdeführer sei keiner dem angestrebten Gewerbe eigentümlichen Tätigkeit nachgegangen, im Widerspruch zur Aktenlage stehe. Es möge zutreffen, dass zur angestrebten Gewerbeausübung auch rechtliche Kenntnisse erforderlich seien. Der Umstand, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften in der Bundesrepublik Deutschland nahezu deckungsgleich mit jenen in Österreich seien, lasse aber auch diesen Punkt der Bescheidbegründung als zumindest hinterfragungswürdig erscheinen. Gerade die selbstständige Ausübung über acht Jahre hindurch lasse beim Beschwerdeführer vielmehr vermuten, dass nicht nur die tatsächliche Befähigung für die angestrebte Tätigkeit hinreichend vorliege, sondern auch entsprechende Kenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen vorhanden seien. Das Abstellen auf einzig anrechenbare Kenntnisse, die bei Ausübung bei einem inländischen Gewerbetreibenden erworben werden könnten, sei schlichtweg diskriminierend. Nach der jahrelangen erfolgreichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in der Bundesrepublik Deutschland, die sogar noch dem Umfang nach über das nunmehr angestrebte Betätigungsfeld im Gebiet der Republik Österreich hinausgehe, sei diesem jedenfalls zu konzedieren, dass er zumindest auch über die hinreichenden tatsächlichen Befähigungen für die Ausübung der Tätigkeit der Bauträger in Österreich verfüge. Ungeachtet dieses Umstandes hätte die Behörde dem Beschwerdeführer die Auflage erteilen können, die entsprechende Fachprüfung auf dem Gebiet der rechtlichen Vorschriften innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens nachzuholen. Der Bescheidbegründung sei nicht zu entnehmen, auf welcher Beweiswürdigung die Annahme des Nichtvorliegens der Nachsichtsvoraussetzungen fuße. Es könne der Behörde keinesfalls darin zugestimmt werden, dass eine erforderliche Befähigung zur Ausübung des Bauträgergewerbes nur durch die Ausübung derartiger Tätigkeiten bei einem inländischen Gewerbetreibenden erworben werden könnten. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid beantragt, den gegenständlichen Sachverhalt auch unter dem Gesichtspunkt eines Gleichhaltungsverfahrens nach § 373d GewO 1994 zu beurteilen. Entsprechend der Zuständigkeit des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten im Gleichhaltungsverfahren hätte dieser daher auch die Angelegenheit selbst einer positiven Entscheidung zuführen können. Die diesbezügliche Antragsänderung bzw. Umstellung im Berufungsverfahren sei von der Behörde jedoch unerledigt geblieben. Eine Verletzung des § 37 iVm § 13 Abs. 8, des § 39 Abs. 2 AVG und des § 59 AVG sei demnach offenkundig. Entgegen dem Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Sacherledigung aller gestellten Anträge habe es die belangte Behörde unterlassen, über die in der Berufung enthaltenen Eventualanträge abzusprechen.

In Erwiderung des letzteren Vorbringens ist auf das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/04/0134, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof dargelegt hat, dass die Gewerbeordnung einerseits zwischen der im § 373c GewO 1994 geregelten Anerkennung der den vorgeschriebenen Befähigungsnachweis ersetzenden Qualifikation und andererseits der in § 28 GewO 1994 geregelten Nachsicht vom Befähigungsnachweis unterscheidet. Meint ein Betroffener, er erfülle die in den auf Grund des § 373c in Umsetzung der im Abs. 2 dieser Gesetzesstelle genannten Richtlinien des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft erlassenen Verordnungen genannten Voraussetzungen für die Anerkennung seiner Qualifikation im Sinne dieser Gesetzesstelle, so hat er den Weg der Antragstellung nach § 373c GewO 1994 zu beschreiten. In diesem Verfahren ist gegebenenfalls auch die Gesetzmäßigkeit und die Übereinstimmung der zur Anwendung gelangenden (innerstaatlichen) Verordnung mit Gemeinschaftsrecht zu prüfen. Beschreitet der Betroffene hingegen den Weg eines Antrages auf Nachsicht vom Befähigungsnachweis im Sinne des § 28 GewO 1994, so ist in diesem Verfahren - unter Außerachtlassung der allenfalls gegebenen Möglichkeit einer Anerkennung der Qualifikation im Wege des § 373c GewO 1994 - allein das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Gesetzesstelle zu prüfen. Dies gilt sinngemäß auch für das Verhältnis zwischen den Bestimmungen des § 28 GewO 1994 und des § 373d leg. cit. Handelt es sich aber solcherart bei Anträgen nach § 373d GewO 1994 um eine andere Sache als bei Anträgen auf Nachsicht im Sinn des § 28 leg. cit., so war die Berufungsbehörde mit Rücksicht auf die Beschränkung ihrer Zuständigkeit auf eine Entscheidung in der Sache durch § 66 Abs. 4 AVG nicht befugt, im Rahmen des Verfahrens über die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstbehördlichen Bescheid über dessen in der Berufung gestellten Eventualantrag auf Entscheidung nach § 373d GewO 1994 meritorisch abzusprechen. Dem steht auch die Bestimmung des § 13 Abs. 8 AVG nicht entgegen, weil die dort vorgesehene Antragsänderung nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur dann zulässig ist, wenn dadurch die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert wird. Der in der Berufung gestellte Eventualantrag war daher von der Behörde als selbstständiger Antrag anzusehen, der einem gesonderten Verfahren zuzuführen ist. Es bildet daher auch keinen Verstoß gegen die Bestimmung des § 59 AVG, wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid über diesen Antrag nicht abgesprochen hat.

Gemäß § 28 Abs. 1 GewO 1994 ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis, sofern dieses Bundesgesetz oder eine Verordnung gemäß § 20 Abs. 4 oder § 22 Abs. 4 nichts Gegenteiliges bestimmt, zu erteilen, wenn

1. nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, dass er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen (volle Befähigung) besitzt und keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen, oder

2. eine hinreichende tatsächliche Befähigung des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, keine Ausschlussgründe gemäß § 13 vorliegen und

a) dem Nachsichtswerber die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist,

oder

b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einer hinreichenden tatsächlichen Befähigung im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 nur dann gesprochen werden kann, wenn aufgrund der vom Nachsichtswerber beigebrachten Unterlagen bzw. aufgrund des Ergebnisses des über sein Vorbringen bzw. sonst durchgeführten Ermittlungsverfahren die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass er immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die als erforderlich erachtet werden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, Zl. 97/04/0201).

Zu Recht hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass das Maß für die Beurteilung, ob die nach der Bestimmung des § 28 Abs. 1 für die Erteilung einer Nachsicht geforderten Kenntnisse und Fähigkeiten jene Kenntnisse und Fähigkeiten sind, die nach der jeweils in Betracht kommenden Befähigungsnachweisverordnung den Gegenstand der dort vorgesehenen Prüfung bilden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. März 1998, Zl. 96/04/0011). Im vorliegenden Fall ist dies, wie ebenfalls die belangte Behörde bereits ausgeführt hat, die Bauträger-Befähigungsnachweisverordnung, die im § 4 Abs. 2 unter anderem Kenntnisse auf weiten Gebieten des österreichischen Rechts vorsieht.

Da der Beschwerdeführer nach den diesbezüglich unbestritten gebliebenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde Kenntnisse auf dem Gebiet des Bauträgergewerbes ausschließlich durch die Ausübung dieses Gewerbes in der Bundesrepublik Deutschland erworben hat, wobei nicht einmal behauptet wurde, dass im Rahmen dieser Tätigkeit auch Geschäfte mit entsprechendem Österreich-Bezug abgewickelt worden wären, bietet die Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer über entsprechende Kenntnisse des österreichischen Rechts verfügt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, wegen des Fehlens derartiger Kenntnisse müssten dem Beschwerdeführer auch bloß hinreichende Kenntnisse im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 2 GewO 1994 auf dem Gebiete des in Rede stehenden Gewerbes abgesprochen werden, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Daran vermag die vom Beschwerdeführer behauptete Ähnlichkeit des deutschen mit dem österreichischen Recht nichts zu ändern. Für den vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen Auftrag zur Nachholung einer entsprechenden Prüfung bietet das Gesetz keine Grundlage.

Da somit schon das Vorbringen in der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. März 2000

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5 Inhalt der Berufungsentscheidung Anspruch auf meritorische Erledigung (siehe auch Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verfahrensrechtliche Entscheidung der Vorinstanz)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000040058.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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