TE Vwgh Erkenntnis 2018/2/27 Ra 2017/05/0073

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Veröffentlicht am 27.02.2018
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Index

L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt
Oberösterreich;
L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

BauO OÖ 1994 §15;
B-VG Art119a Abs5;
GdO OÖ 1990 §102 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Enzenhofer und Dr. Moritz sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Rehak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision des Ing. E W in V, vertreten durch die Holter - Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in 4710 Grieskirchen, Uferstraße 10, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 24. Jänner 2017, Zl. LVwG-151058/11/VG, betreffend Aufhebung eines Bescheides und Zurückverweisung der Sache in einer Bauangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde V; mitbeteiligte Partei: Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses S. Platz 32 in V, vertreten durch Dr. Rudolf Franzmayr, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 32; weitere Partei:

Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadtgemeinde Vöcklabruck hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom 29. April 2009 stellte S. als Vertreter der mitbeteiligten Partei an die Baubehörde der Stadtgemeinde V den Antrag gemäß § 15 der Oö. Bauordnung 1994 (im Folgenden: BO), zur Durchführung von Verputzarbeiten an einer Außenmauer des Gebäudes S. Platz 32 die Nachbarliegenschaft S. Platz 30 des Revisionswerbers benützen zu dürfen und die Notwendigkeit, die Art, den Umfang und die Dauer der Inanspruchnahme dieser Nachbarliegenschaft mit Bescheid festzusetzen, weil der Revisionswerber seine Zustimmung zur Inanspruchnahme verweigere.

2 Im Akt befindet sich weiters ein Telefax des Revisionswerbers an S. vom 20. August 2009, in dem der Revisionswerber ausführt, laut den genehmigten Plänen des Objektes S. Platz 32 sei die Außenmauer in einem Abstand von ca. 30 cm von der Grundgrenze entfernt. Tatsache sei jedoch, dass im Kellergeschoß die Grundgrenze zum Nachteil des Revisionswerbers bis zu 60 cm überschritten worden sei und im Erdgeschoß die "alte" Mauer seit mehr als 100 Jahren zum Haus S. Platz 30 des Revisionswerbers gehöre. Aus den Geometerplänen des Büros W. (Bestandsaufnahme vom 27. Jänner 2009) sei ersichtlich, dass es bereits zu einer Überbauung des Grundstückes S. Platz 30 gekommen sei und dass durch das zusätzliche Aufbringen von Isolierung der Grund und Besitz der Nachbarliegenschaft S. Platz 30 in Anspruch genommen würde. Weiters sei festgestellt worden, dass die baurechtlich genehmigten Einreichpläne an der Grundstücksgrenze nicht mit dem tatsächlichen Gebauten übereinstimmten.

3 Am 7. Oktober 2009 fand eine mündliche Verhandlung statt. Verhandlungsgegenstand war nach der Niederschrift der Antrag betreffend die Inanspruchnahme von Teilen der Liegenschaft S. Platz 30 für das Herstellen einer Vollwärmeschutzfassade an Teilen der Nordostfassade des Objektes S. Platz 32. Als bautechnischer Amtssachverständiger hat Ing. P. teilgenommen.

4 Beim Lokalaugenschein sei festgestellt worden, dass die gegenständliche Außenwandfläche überwiegend an der Nord-Ost-Fassade des Objektes S. Platz 32 in der Ebene des ersten Obergeschoßes gelegen sei. Die betroffene Außenwand grenze unmittelbar an das nordöstliche Nachbargrundstück an. Die nordöstliche Fläche betrage ca. 12 m x 2 m. Im Innenhof sei weiters eine dreiecksförmige Wandfläche von 2 m x 2 m gegeben, die Richtung Nordwesten ausgerichtet sei. Derzeit seien die genannten Teilflächen der Fassade unverputzt.

5 Die Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes werde beantragt für die Eingerüstung der zu sanierenden Fläche, für die Herstellung einer Vollwärmeschutzfassade inklusive Verdübelung, für die Aufbringung eines Reibputzes und für den Einbau der erforderlichen Verblechungen im Anschluss der alten und neuen Fassade. Diese Arbeiten sollten laut Auskunft des S. über die asphaltierten Freiflächen im Nordwesten (markierte Stellplätze) bewerkstelligt werden bzw. solle entsprechend die Anlieferung erfolgen. Die Arbeiten würden ca. 2 bis 3 Wochen in Anspruch nehmen.

6 Aufgrund der Situierung der betroffenen Wandflächen unmittelbar im Bereich einer Nachbargrundgrenze (bebautes Gebiet) sei aus baufachlicher Sicht die Inanspruchnahme der Nachbarliegenschaft für die Fassadenergänzungen unweigerlich notwendig. Die herkömmliche Methode einer derartigen Fassadenfertigung mit Gerüst sei aus baufachlicher Sicht nachvollziehbar. Überlegungen in Bezug auf die Bestückung über Kräne erschienen nicht geeignet, da auch dadurch die Lufthoheit des Nachbargrundstückes in Anspruch genommen würde. Es erscheine nachvollziehbar, dass für die geplanten Arbeiten bzw. für die Materialanlieferung die befestigten Grundstücksteile der Nachbarliegenschaft im Bereich der im Nordwesten asphaltierten Flächen verwendet bzw. in Anspruch genommen werden müssten. Aus baufachlicher Sicht sei die Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes für die genannten Fassadenarbeiten unbedingt erforderlich. Die vom Antragsteller angegebene Art und Weise der Durchführung der Arbeiten sei technisch nachvollziehbar. Eine andere Art der Abwicklung dieser Arbeiten erscheine aus fachlicher Sicht, schon auf Grund der Überlegung der Wirtschaftlichkeit, nicht möglich.

7 Der Revisionswerber gab zu Protokoll, mit dem Errichter des Gebäudes S. Platz 32 sei ein Vertrag geschlossen worden, dass sämtliche Wandisolierungen an der Innenseite des Gebäudes vorzunehmen seien. Die gegenständliche Mauer sei auf dem Nachbargrundstück errichtet worden. Im Kellergeschoß sei das Nachbargrundstück mit massiven Pfahlfundamenten versehen worden, die ebenfalls sehr weit in das Nachbargrundstück hinein ragten.

8 Weiters bestehe ein privatrechtlicher Vertrag mit dem Errichter des Objektes S. Platz 32, dass die Grundgrenzen, so wie sie in den Plänen von Dipl. Ing. St. dargestellt seien, anerkannt würden. Die gegenständliche Mauer sei nicht an der im genehmigten Bauplan eingezeichneten Stelle errichtet worden. Somit stehe eindeutig fest, dass eine Grenzüberschreitung erfolgt sei. Es wäre daher eine Dokumentierung der Überschreitungen durch die Baubehörde erforderlich. Sollte eine Überbauung festgestellt werden, verlange der Revisionswerber das Abtragen dieser Mauer und eine Errichtung so, wie sie in den genehmigten Plänen dargestellt sei.

9 Der Aufstellung der Gerüste stimme der Revisionswerber nicht zu, da die Arbeiten durch entsprechende Steighilfen möglich seien und durch die Luftraumverletzung keine Beeinträchtigung der Terrasse erfolgte und ebenso nicht durch die Anlieferung von Material. Die an der Nordseite vorhandenen Stellplätze seien vermietet. Sollten diese unbedingt zur Aufstellung einer Steighilfe benötigt werden, wäre der Mietentgang zu ersetzen.

10 Seitens des Vertreters der mitbeteiligten Partei wurde zu Protokoll gegeben, dass die zu verputzende Mauer im Eigentum der Liegenschaft S. Platz 32 stehe. Die Vereinbarung zwischen dem Rechtsvorgänger der Eigentümergemeinschaft S. Platz 32 und dem Revisionswerber, wonach Isolierungen an der Innenseite des Mauerwerkes S. Platz 32 anzubringen seien, beziehe sich lediglich auf jenen Teil des Mauerwerkes zwischen den Gebäuden S. Platz 30 und 32, an den seitens des Revisionswerbers direkt angebaut worden sei, nicht aber auf jene Flächen, die nach wie vor die Außenmauer des Hauses S. Platz 32 bildeten. Die Anbringung einer Außenisolierung im verfahrensgegenständlichen Bereich sei daher jedenfalls zulässig.

11 Im Akt befindet sich weiters das Gutachten des Dipl. Ing. W. vom 9. Februar 2009, erstattet in einem Verfahren vor dem Landesgericht Wels. Nach dem diesem Gutachten beigeschlossenen Lageplan verläuft die gegenständliche Grenze vom S. Platz nordwestlich bis zu einem Punkt 4346, dann rechtwinkelig gegen Südwesten, dann wieder nordwestlich, dann wiederum rechtwinkelig südwestlich (Anmerkung: An dieser Seite befindet sich im südlichsten Bereich die dreieckige zu verputzende Fläche), dann wieder nordwestlich bis zum Punkt 3461 (Anmerkung: In diesem Verlauf befindet sich die zu verputzende rechteckige Fläche).

12 Der Gutachter führte zu dem hier gegenständlichen Bereich aus, die Grenze knicke etwa im rechten Winkel gegen Südwesten und nach ca. 4 m wieder nach Nordwesten zum Grenzpunkt 3461, der im Grenzkataster einverleibt sei. Dieser Teil der Grenze sei zwar grafisch aus der Feldskizze der Nahvermessung unter Berücksichtigung einzelner Maßangaben, soweit verwendbar, rekonstruiert worden und weiche von der in der Katastermappe dargestellten Grenze ab, eine genaue Definition des Grenzverlaufes sei aber nicht möglich. Im hier gegenständlichen Verlauf der Grenze könne von einer eventuellen Überbauung nicht gesprochen werden, solange der Grenzverlauf nicht in einer Grenzverhandlung einvernehmlich festgelegt werde (Anmerkung: Für den vom S. Platz weglaufenden, von den hier gegenständlichen Verputzarbeiten nicht berührten Teil der Grenze stellte der Gutachter eine Überbauung der Liegenschaft S. Platz 30 auf eine Länge von 14,65 m in einer Breite von 50 cm fest).

13 Im Aktenvermerk des Ing. W., Sachverständiger der Bauabteilung des Stadtamtes V, vom 25. Juli 2011 wird ausgeführt, die Bauabteilung sei aufgefordert worden, das Eigentum zwischen den Liegenschaften S. Platz 32 und S. Platz 30 festzustellen. Der Feststellung liege das Gutachten des Dipl. Ing. W. vom 9. Februar 2009 zugrunde. Gegenstand der Beurteilung sei die außenseitig unverputzte Mauer. Der Sachverständige Dipl. Ing. W. habe diesbezüglich festgestellt, dass eine genaue Definition des Grenzverlaufs nicht möglich sei.

14 Im Lageplan vom 27. Jänner 2009, der Bestandteil des Gutachtens des Dipl. Ing. W. sei, sei neben der aus der Katastermappe entnommenen, unvermessenen Grenze auch die grafische, aus der Neuvermessung entnommene Grenze eingetragen. Weiters sei im Lageplan die verfahrensgegenständliche Mauer, und zwar in ihrer unterschiedlichen Ausführung (unten - neu: verputzt; Mitte: Ziegel; ganz oben: alter Verputz) eingetragen. Verfolge man nun die Mauer in jenem Bereich der Mitte, in dem der Verputz fehle und der rote Ziegel sichtbar sei (zwischen den Punkten 18, 19 und 20 bis zum Ende), so befinde sich diese Mauer sowohl südlich der aus der Katastermappe entnommenen, unvermessenen Grenze (schwarz strichlierte Linie im Lageplan) als auch südlich der grafisch aus der Neuvermessung entnommenen Grenze (violett punktierte Linie im Lageplan). Die verfahrensgegenständliche, unverputzte Mauer (im Lageplan des Dipl. Ing. W. zwischen den Punkten 18, 19 und 20 bis zum Ende) stehe somit "im Eigentum" der Liegenschaft S. Platz 32.

15 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde V vom 18. August 2011 wurde gemäß § 15 Abs. 4 BO die Notwendigkeit der zweckmäßigen Inanspruchnahme der Liegenschaft S. Platz 30 für die geplanten Instandhaltungsarbeiten einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen festgestellt. Der Eigentümer und die sonst Berechtigten der Liegenschaft S. Platz 30 hätten die vorübergehende Benützung zu dulden. Zweck der Inanspruchnahme sei die Sanierung der unverputzten Außenwandfläche, die überwiegend an der Nord-Ost-Fassade des Objektes S. Platz 32 in der Ebene des ersten Obergeschoßes liege. Folgende Arbeiten seien vorgesehen:

Einrüstung der zu sanierenden Fläche; Herstellung einer Vollwärmeschutzfassade inklusive Verdübelung; Aufbringung eines Reibputzes; Einbau der erforderlichen Verblechungen im Anschluss der alten und neuen Fassade.

16 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, auf Grund des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2009 und der fachlichen Stellungnahme der Bauabteilung vom 25. Juli 2011, liege die unverputzte Außenmauer auf der Liegenschaft S. Platz 32, und es sei zur Durchführung der geplanten Arbeiten die Inanspruchnahme des Grundstückes des Revisionswerbers zu dulden.

17 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Berufung. 18 Mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde V vom 5. Jänner 2012 wurde festgestellt, dass die Inanspruchnahme der Liegenschaft S. Platz 30 für die gegenständlichen (im Berufungsbescheid gleichlautend wie im erstinstanzlichen Bescheid umschriebenen) Instandhaltungsarbeiten in einem näher genannten Umfang vom Eigentümer oder sonst Berechtigten dieser Liegenschaft zu dulden sei. Es dürfe ein für die geplanten Arbeiten zweckmäßiges Gerüst aufgestellt werden, benötigtes Material gelagert werden und auch die bei solchen Verputzarbeiten üblichen Arbeiten erledigt werden.

19 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, im Aufstellen eines Gerüstes könne im Vergleich zum Arbeiten mit Steighilfen kein wesentlicher Unterschied in der Beeinträchtigung der Terrasse erblickt werden. Das Aufstellen eines Gerüstes sei im nordwestlichen Teil der zu verputzenden Mauer jedenfalls notwendig, da sich der unterste Rand hier einige Meter über dem Boden befinde. Aus Sicherheitsgründen sei das Aufstellen eines Gerüstes auch entlang des restlichen Teils der unverputzten Außenwand zu empfehlen. Im Übrigen folge die Berufungsbehörde den Ausführungen des Sachverständigen Ing. P.

20 Nach der Rechtsprechung seien Mehrkosten ohne Inanspruchnahme des Nachbargrundes von 50 % jedenfalls (nicht "nur") unzumutbar hohe Kosten. Eine Kranstunde koste laut Auskunft der Bauabteilung ca. EUR 100,-- ein Quadratmeter Gerüst ca. EUR 12,-- für vier Wochen. Wenn die gesamte Fläche eingerüstet werde, ergebe sich ein Bedarf von ca. 12 m x 2 m für die Fläche über der Terrasse plus ca. 6 m x 2 m über der Parkfläche, also insgesamt 36 m2, gerundet 40 m2. Diese 40 m2 würden bis maximal vier Wochen Aufstellzeit Kosten von EUR 480,-- verursachen. Für den 1,5-fachen Wert (jedenfalls mehr als 50 %) könnte man einen Kran 7,2 Stunden, gerundet acht Stunden, aufstellen. Da mit acht Stunden Arbeitszeit bei den geplanten Arbeiten erfahrungsgemäß nicht das Auslangen gefunden werden könne, sei von unverhältnismäßig hohen Kosten bei der Aufstellung eines Krans auszugehen.

21 Die Eigentumsverhältnisse an der Mauer und der Einhaltung des Baukonsenses beim Bau der Mauer und der Grenzverlauf stellten keine Vorfragen dar. Antragsberechtigt sei der, der die Inanspruchnahme beabsichtige. Dies könne auch ein Dritter, zum Beispiel ein Bauunternehmen, sein. Dass der Antragsteller S. die Inanspruchnahme beabsichtige, sei unbestritten.

22 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Vorstellung. 23 Mit Vorstellungsbescheid vom 7. August 2012 behob die Oberösterreichische Landesregierung den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde V vom 5. Jänner 2012 und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde V zurück. Begründend wurde, tragend für die Aufhebung, ausgeführt, der Gemeinderat hätte prüfen müssen, ob das Gebäude, dessen Mauer nun zu verputzen beabsichtigt sei, konsensgemäß errichtet worden sei. Das Privileg, in den Anwendungsbereich des § 15 BO zu gelangen, setze eine konsensgemäße Errichtung voraus; dies umso mehr, als es sich dabei um eine Beschränkung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrechtes handle. Die Bauabteilung habe in ihrem Aktenvermerk vom 25. Juli 2011 zwar ausgeführt, dass die unverputzte Mauer auf dem Grundstück der Liegenschaft S. Platz 32 liege, sie habe jedoch nicht geprüft, ob eine konsensgemäße Errichtung erfolgt sei. Für das weitere Verfahren werde "aus verwaltungsökonomischen Gründen (obiter dicta)" noch darauf hingewiesen, dass die Prüfung der konsensgemäßen Errichtung des Gebäudes (gegenständliche Mauer) und die zu klärende Frage betreffend die strittige Grundgrenze einhergingen (Abstand des konsentierten Gebäudes von der Grundgrenze), weshalb die Baubehörde eine diesbezügliche Beurteilung gemäß § 38 AVG werde vornehmen müssen.

24 In einer "ergänzenden Stellungnahme" vom 23. Jänner 2012 (richtig wohl: 2013) führte der Amtssachverständige Ing. P. im Wesentlichen aus, die Baubehörde habe ihn um Prüfung der konsensgemäßen Errichtung der betroffenen Wandteile der gegenständlichen nordöstlichen Außenwand in der Ebene des ersten Obergeschoßes des Objektes S. Platz 32 ersucht. Als Beurteilungsgrundlagen stünden zur Verfügung die Einreichpläne des Dipl. Ing. St. vom 8. April 2002, der Bescheid betreffend den Um- und Zubau des Objektes S. Platz 32 vom 26. Juni 2002 und die Vermessungsurkunde des Dipl. Ing. W. vom 27. Jänner 2009.

25 Hauptsächlich sei im gegenständlichen Verfahren der nordöstliche Außenwandflügel des Objektes S. Platz 32 betroffen. In den Einreichunterlagen des Dipl. Ing. St. vom 8. April 2002, die die Grundlage für den Baubewilligungsbescheid vom 26. Juni 2002 darstellten, betrage dieser Abstand der Wand zur Nachbarliegenschaft im Bereich des im Süden einspringenden Eckes ca. 39 cm und im Bereich des nördlichen Gebäudeeckes ca. 30 cm. Das heiße, die Wand verlaufe in etwa parallel zur Nachbargrundgrenze. Die Länge des betroffenen Wandflügels bis zum im Südosten angrenzenden Lager sei mit 15 m angegeben worden. Bis zur im Südosten einspringenden Nachbargrundgrenze habe die Wand eine Länge von ca. 11,9 m (herausgemessen). Bei der in den Einreichunterlagen als "Grundgrenze" definierten Linie handle es sich um die aus der damaligen Katastermappe entnommene Grenze. Diese werde in den Vermessungsplänen des Dipl. Ing. W. vom 27. Jänner 2009 als schwarz-strichlierte Linie ausgewiesen. Im Rahmen der Neuvermessung (Erhebung des Ist-Standes) sei die unverputzte betroffene Wand ebenfalls aufgenommen, als hellblaustrichlierte Linie dargestellt und mit "Mitte-Ziegel" bezeichnet worden.

26 Vergleiche man nun den Abstand des neuvermessenen Wandflügels (hellblau-strichlierte Linie) mit der aus der Katastermappe entnommenen Grenze (schwarz-strichlierte Linie), so sei im Bereich des im Süden einspringenden Eckes ein Abstand von ca. 40 cm (in den Einreichunterlagen mit 39 cm angegeben) anzunehmen. Die Länge des Wandflügels vom nördlichen Außeneck bis zur im Südosten einspringenden Grundgrenze betrage im Vermessungsplan ca. 11,8 m. Dies entspreche ebenfalls der Darstellung in den ursprünglichen Einreichunterlagen. Entsprechend der neuen Vermessungsurkunde verlaufe die Wand in etwa parallel zur Katastergrenze, wie dies auch in den Bauplänen dargestellt gewesen sei.

27 Vergleiche man also die Darstellung des betroffenen Wandflügels in der Bestandsaufnahme des Geometers mit der Darstellung in den der Baubewilligung zugrunde gelegenen Einreichpläne, könne man im Wesentlichen davon ausgehen, dass es zur konsensgemäßen Ausführung gekommen sei. Äußerungen im Zusammenhang mit der "tatsächlichen" Grundgrenze seien nicht zu treffen. Für den Vergleich sei jeweils die Darstellung der Grenze aus der Katastralmappe herangezogen worden.

28 Mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde V vom 7. April 2014 stellte die Baubehörde zweiter Instanz neuerlich fest, dass die Inanspruchnahme der Liegenschaft S. Platz 30 zu Instandhaltungsarbeiten notwendig und vom Eigentümer oder sonst Berechtigten dieser Liegenschaft zu dulden sei. Der Antragsteller könne für die Dauer der geplanten Arbeiten das Grundstück und die Flächen der Liegenschaft S. Platz 30 in folgendem Umfang nützen:

Auf der offenen Terrasse im nordwestlichen Teil der Liegenschaft die unmittelbar an die Nachbarbaufläche angrenzende Fläche in einem Abstand von 3 m zu den unverputzten Mauerteilen; im nordwestlichen Teil der Liegenschaft jene Fläche, die sich auf der Ebene der offenen Parkplatzfläche befinde und in der Natur auch durch eine Parkplatzmarkierung umschrieben sei. Der Antragsteller dürfe auf den oben genannten Flächen ein für die geplanten Arbeiten zweckmäßiges Gerüst aufstellen, benötigtes Material lagern und auch die bei solchen Fassadenarbeiten üblicherweise anfallenden Arbeiten darauf erledigen. Folgende Arbeiten seien vom Antragsteller vorgesehen: Einrüstung der unverputzten Außenwandfläche; Herstellung einer Vollwärmeschutzfassade inklusive Isolierplattenverdübelung; Aufbringung eines Reibputzes; Anbringung der erforderlichen Verblechungen.

29 Begründend wurde zur konsensgemäßen Errichtung der rechteckigen Ziegelmauer ausgeführt, laut Gutachten des Sachverständigen sei der gegenständliche Wandflügel konsensgemäß ausgeführt worden. An der Schlüssigkeit des Gutachtens bestünde kein Zweifel. Die dreiecksförmige unverputzte Wandfläche sei nicht verfahrensgegenständlich und daher werde auch ihre Konsensmäßigkeit nicht beurteilt.

30 Im Plan des Gutachters Dipl. Ing. W. sei zwischen den Punkten 16 und 29 die verputzte Mauer im oberen Bereich mit einer durchgehenden blauen Linie dargestellt. Die neu verputzte Mauer im unteren Bereich sei blau-strichliert dargestellt. Der Mauerteil mit der gegenständlichen, sichtbaren unverputzten Fläche sei blaustrichpunktiert dargestellt. Die aus dem Kataster entnommene, unvermessene Grenze sei schwarz-strichliert dargestellt.

31 Alle drei blauen Linien befänden sich gegenüber der Katastergrenze auf der Seite der Liegenschaft S. Platz 32. Ziehe man zur Beurteilung des Grenzverlaufes die Katastergrenze heran, befinde sich die verfahrensgegenständliche Mauer jedenfalls auf der Liegenschaft des Antragstellers.

32 Würde man die aus dem Kataster entnommene Grenze außer Acht lassen, käme man zum gleichen Ergebnis. Nach analoger Auslegung von § 416 ABGB erwerbe der Bauführer (auch der unredliche) wegen Geringwertigkeit der in Anspruch genommenen Grundfläche des Nachbarn im Verhältnis zum Wert des eigenen Grundes Eigentum an der überbauten Fläche. Der Eigentümer der Liegenschaft S. Platz 32 hätte somit jedenfalls bis zur durchgehenden blauen Linie (alter Verputz) bereits Eigentum gehabt oder durch die Bauführung erworben, und zwar bis zu der im Plan des Dipl. Ing. W. durchgehenden blauen Linie zwischen den Punkten 16 und 29.

33 Ein Gutachten zum Grenzverlauf in der Natur sei nicht in Auftrag gegeben worden. Wie schon das Gutachten des Dipl. Ing. W. zeige, wäre daraus für das Verfahren nichts zu gewinnen gewesen. Um den Grenzverlauf definitiv festzulegen, müssten die Parteien den Zivilrechtsweg beschreiten.

34 Die vorgesehenen Arbeiten seien weder bewilligungs- noch anzeigepflichtig nach der BO. Eine Angabe zur Stärke der Verkleidung sei für eine Entscheidung nach § 15 BO nicht notwendig. Weshalb eine Überschreitung der Grundgrenze jedenfalls eine Folge der geplanten Arbeiten sein solle, sei nicht nachvollziehbar, liege doch die zu verputzende Fläche klar hinter dem Verlauf der bereits verputzten Mauerflächen und auch klar hinter der Grenze aus dem Kataster.

35 Gegen diesen Bescheid vom 7. April 2014 erhob der Revisionswerber Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich.

36 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 16. Februar 2015 wurde der Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde V vom 7. April 2014 wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde (der zugestellten Ausfertigung lag kein inhaltlich übereinstimmender Beschluss des Gemeinderates in Bezug auf das Bescheiddatum und die Zustellverfügung zugrunde) aufgehoben.

37 Im Verwaltungsakt liegt ein "Bescheidschriftsatz" des Gemeinderates der Stadtgemeinde V vom 8. April 2016, der in Spruch und Begründung dem Bescheid vom 7. April 2014 gleicht.

38 Der Revisionswerber erhob in der Folge Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde V vom 11. April 2016, zugestellt am 12. April 2016 (Anmerkung: Der Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde V vom 11. April 2016 befindet sich nur im Akt des Verwaltungsgerichtes. Offenbar ist dieser Bescheid identisch mit dem im Verwaltungsakt befindlichen "Bescheidschriftsatz" vom 8. April 2016, mit Ausnahme des Datums).

39 Mit dem angefochtenen Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich wurde der Beschwerde stattgegeben, der Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde V vom 11. April 2016 aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG an den Gemeinderat der Stadtgemeinde V zurückverwiesen. (Spruchpunkt I). Unter Spruchpunkt II wurde eine ordentliche Revision für unzulässig erklärt.

40 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sollten ein rechteckiger (ca. 12 m x 2 m) und ein dreieckiger (ca. 2 m x 2 m) Mauerabschnitt verputzt werden. Eine Antragseinschränkung auf den rechteckigen Mauerabschnitt sei nicht erfolgt (wurde näher ausgeführt). Es liege ein zulässiger Antrag gemäß § 15 BO eines dazu Berechtigten (hier: Hausverwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft, siehe § 18 WEG) vor. Davon sei bereits die Landesregierung bei ihrer aufhebenden Entscheidung vom 7. August 2012 (zumindest implizit) ausgegangen. Das Verwaltungsgericht sei an die tragenden Aufhebungsgründe des Vorstellungsbescheides der Landesregierung vom 7. August 2012 gebunden.

41 Die belangte Behörde sei entgegen der Aktenlage davon ausgegangen, dass der dreiecksförmige Mauerabschnitt nicht verfahrensgegenständlich sei. Sie habe daher diesbezüglich jegliche Ermittlungstätigkeit zur konsensgemäßen Errichtung unterlassen.

42 Dazu komme, dass die von der belangten Behörde herangezogene Stellungnahme des bautechnischen Amtssachverständigen vom 23. Jänner 2012 (richtig: 2013) zum rechteckigen Mauerabschnitt nicht schlüssig sei. Der Amtssachverständige führe darin im Ergebnis aus, dass man "im Wesentlichen" davon ausgehen könne, dass die Mauer konsensgemäß ausgeführt worden sei. Die Formulierung "im Wesentlichen" sei aber unklar, weil sie nach dem allgemeinen Sprachgebrauch implizieren könnte, dass die Mauer nicht zur Gänze konsensgemäß errichtet worden sei. Dem hätte die belangte Behörde nachgehen müssen.

43 Weiters seien Arbeiten gemäß § 15 Abs. 1 BO nur zu dulden, wenn sie auf andere Weise nicht oder nur unter unzumutbar hohen Kosten durchgeführt werden könnten und der widmungsgemäße Gebrauch der in Anspruch genommenen Grundstücke oder baulichen Anlagen dadurch keine unverhältnismäßige Behinderung erfahre. Auch dazu hätte die belangte Behörde in ihrer Entscheidung (auf Basis eines Sachverständigengutachtens unter Wahrung des Parteiengehörs) entsprechende Feststellungen treffen müssen.

44 Es sei nicht ersichtlich, dass die Sachverhaltsermittlung durch das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer bewirken könnte. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Behörde ihr Ermittlungsverfahren erst zu einem späteren Zeitpunkt werde abschließen können als das Verwaltungsgericht ein von ihm geführtes abschließen könnte. Die belangte Behörde sei vielmehr mit der umfangreichen Vorgeschichte des gegenständlichen Falles und insbesondere mit dem ursprünglichen Baubewilligungsverfahren zum Objekt S. Platz 32 vertraut. Dies sei für die ausstehenden Ermittlungen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht vorteilhaft.

45 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

46 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig abzuweisen.

47 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

48 Die Revision ist in Anbetracht der Frage der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde zulässig.

49 In der Revision wird im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht mache keine weitergehenden Ausführungen dazu, inwiefern der Gemeinderat der Stadtgemeinde V jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe oder bloß ansatzweise ermittelt habe, sodass eine krasse bzw. besonders gravierende Ermittlungslücke vorliege, die eine Zurückverweisung im Sinne des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigte. Die Verwaltungsbehörde habe sich mit den Aktenbestandteilen auseinandergesetzt. Weshalb die Zurückverweisung an den Gemeinderat zu einer Kostenersparnis führen würde, sei nicht nachvollziehbar. Durch eine meritorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes würde das Verfahren erheblich beschleunigt und endlich (nach bereits fast achtjähriger Verfahrensdauer) zu einer raschen und kostensparenden Erledigung geführt.

50 Nach den Vorgaben des nach wie vor bindenden Vorstellungsbescheides vom 7. August 2012 sei einerseits zu überprüfen, ob konsensgemäß gebaut worden sei, und andererseits, ob durch die geplanten Maßnahmen die zivilrechtliche Grundgrenze überschritten werde (und damit sei als Vorfrage zu beurteilen, wo die zivilrechtliche Grundgrenze verlaufe).

51 Im Urteil des Landesgerichtes W zur Zahl 4 Cg 29/10x sei ausgesprochen worden, dass im hier gegenständlichen Bereich der Grenzverlauf nicht festgestellt werden könne. Wenn allerdings nicht festgestellt werden könne, ob die geplanten Maßnahmen jenseits der Grundgrenze gesetzt würden, so könne eine Bewilligung nicht erteilt werden. Würde die Baubehörde dem Antrag stattgeben, würde sie eine Grenze feststellen, deren Verlauf nicht einmal für das zuständige Gericht feststellbar gewesen sei.

52 Die Behörde zweiter Instanz sei im Bescheid vom 11. April 2016 (wie bereits im Gemeinderatsbescheid vom 7. April 2014) zu dem Ergebnis gelangt, dass der Grenzverlauf nicht definitiv festgestellt werden könne. Dieser Zweifel müsse zu Lasten der antragstellenden Partei gehen und könne nicht zu Lasten des potentiell durch einen Eigentumseingriff betroffenen Revisionswerbers ausschlagen.

53 Die Baubehörde zweiter Instanz habe sich auf den Standpunkt gestellt, dass für die Liegenschaft S. Platz 32 bereits gemäß § 416 ABGB aufgrund eines Überbaues Grundeigentum erworben worden sei. Dem sei allerdings entgegenzuhalten, dass es gerade im Bereich der nicht verputzten Flächen zu keinem Eigentumsübergang gekommen sein könne, weil eben dort nichts verputzt worden sei. Außerdem könne die Baubehörde die rechtswidrige "Vorgangsweise des Hauses S. Platz 32" nicht als Argument dafür heranziehen, dass weiter durch den beantragten Vollwärmeschutz zu Lasten der Liegenschaft des Revisionswerbers Eigentum erworben werde. Außerdem könne die Baubehörde nicht die Entscheidung treffen, ob von einem geringwertigen Eigentumserwerb gesprochen werden könne. Auf Basis des Antrages stehe nicht fest, in welcher Stärke ein Vollwärmeschutz angebracht werden solle.

54 Das Verputzen einer konsenswidrigen Mauer könne jedenfalls nicht notwendig im Sinne des § 15 BO sein. Die Baubehörde müsste vielmehr einen Abrissbescheid erlassen.

55 Mit der dreieckigen Fläche habe sich der Sachverständige Ing. P. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 23. Jänner 2013 nicht auseinandergesetzt. Diese Wandfläche liege jenseits der Grundgrenze und sei auch ohne jeden Konsens errichtet worden. Aus dem Gutachten des Dipl. Ing. W. ergebe sich, dass die dreiecksförmige Wandfläche jenseits der Katastergrenze eingetragen sei. Wenn man davon ausgehe, dass die bewilligten Einreichunterlagen von der Katastergrenze ausgegangen seien (was allerdings im Baubewilligungsansuchen nicht definiert worden sei), zeige sich, dass die dreiecksförmige Fläche jedenfalls jenseits der Katastergrenze auf der Liegenschaft des Revisionswerbers errichtet worden sei und nunmehr weiter durch die Aufbringung nicht nur des Vollwärmeschutzes, sondern auch durch eine nicht näher definierte Wärmeschutzfassade, durch die Aufbringung eines Reibputzes und durch eine weitere Verblechung zu Lasten des Revisionswerbers überschritten werden solle. Die Errichtung der dreiecksförmigen Fläche sei auch weder im Baubewilligungsbescheid noch in den "klausulierten" Einreichplänen, insbesondere nicht im Plan des ersten Obergeschoßes, enthalten. Vielmehr ergebe sich aus dem Plan des ersten Obergeschoßes, dass im Bereich der Grundgrenze des Lichthofes (wo auch immer diese genau verlaufe) keinerlei Baumaßnahmen zu setzen seien. Bezüglich der dreiecksförmigen Fläche bestehe kein Baukonsens, bereits jetzt werde die Katastergrenze damit überschritten und sie würde durch eine weitere Verkleidung noch weiter überschritten (wurde näher ausgeführt).

56 Die Grundstücke S. Platz 32 und S. Platz 30 seien nicht in den Grenzkataster umgewandelt, sodass die Katastermappe oder andere gezeichnete Grenzen keinen Beweis über den Grenzverlauf lieferten. Dies werde auch im Gutachten des Dipl. Ing. W. so dargelegt. Die Grenzen seien daher nach der Naturgrenze zu beurteilen. Von der antragstellenden Partei sei keinerlei Vorbringen dazu erstattet worden, warum sie der Ansicht sei, dass die zu verputzende rechteckige Mauerfläche auf ihrem Grundstück gelegen sei.

57 Der Eigentümer des Hauses S. Platz 32 müsse für den Antrag gemäß § 15 BO unberechtigt sein (wurde näher ausgeführt). Wenn die unverputzte Mauer dem bisherigen Besitzstand entspräche und der bisherige Besitzstand auch die Eigentumsgrenze darstellte, müsse zwingenderweise die Aufbringung eines Vollwärmeschutzes dazu führen, dass damit die Grundgrenze überschritten werde. Die Auffassung der Bauabteilung in der Stellungnahme vom 25. Juli 2011, dass die unverputzte Mauer auf dem Grundstück der Antragsteller liege, sei nicht nachvollziehbar (wurde näher dargelegt).

58 In der Baubeschreibung vom 25. Jänner 2002 werde der Abstand zu den Nachbargrundgrenzen bei allen Grenzen stets "laut Bestand" definiert. Bestritten werde daher die Ausführung des Ing. P., dass es sich bei den in den Einreichunterlagen als Grundgrenze definierten Linien um die aus der damaligen Katastermappe entnommene Grenze handle. Es lasse sich der eindeutige Nachweis erbringen, dass die in der Natur ersichtliche Grenze vor den Umbauten des Hauses S. Platz 32 hinter der nunmehr zu verkleidenden nordöstlichen Fläche verlaufen sei (wurde näher ausgeführt). Im Zuge der Umbauarbeiten des Hauses S. Platz 32 sei die nunmehr zu verputzende Außenmauer nicht dort errichtet worden, wo sich die ursprüngliche Außenmauer des Hauses S. Platz 32 befunden habe, sondern massiv verschoben zu Lasten der Liegenschaft S. Platz 30 (wurde näher ausgeführt).

59 Weiters führt der Revisionswerber aus, es wäre eine kontradiktorische Verhandlung durchzuführen gewesen. Das Antragsvorbringen sei mangelhaft konkretisiert, zumal vor allem nicht dargelegt werde, in welcher Stärke die Verkleidung der Außenwand erfolgen solle. Es sei auch nicht bekanntgegeben worden, ob auf der Grundlage des Antrages die Einhaltung der Grundgrenze geplant sei. Ferner sei nicht eine Sanierung, sondern eine erstmalige Aufbringung eines Außenputzes und eines Vollwärmeschutzes geplant. Auch zu Instandhaltungsarbeiten komme es nicht. Die zu verputzende Außenfläche sei spruchgemäß nicht eindeutig umschrieben. Eine nähere Umschreibung der zu benutzenden Fläche könne dies nicht ersetzen, da der Revisionswerber Gefahr laufe, dass auch andere als die verfahrensgegenständlichen Flächen verputzt und damit in diesem Umfang die Grundgrenze zu Lasten seiner Liegenschaft weiter überschritten werde. Die vorgeschriebene Beweissicherung sei im Berufungsbescheid "wesentlich gelockert" worden, wodurch der Revisionswerber in seinen Rechten verletzt werde.

60 Der Revisionswerber habe auch geltend gemacht, dass die Arbeiten durch entsprechende Steighilfen möglich seien und keine Beeinträchtigung der Terrasse bzw. durch Anlieferung von Material erfolgen müsse. Darauf gehe der Sachverständige Ing. P. nicht ein. Auch von der Baubehörde zweiter Instanz seien dazu keine Feststellungen getroffen worden. Die Baubehörde zweiter Instanz habe es unterlassen, die entsprechende Abwägung und Berechnung der jeweiligen Kosten vorzunehmen.

61 § 15 Oö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66, in der Fassung

LGBl. Nr. 70/1998, lautet auszugsweise:

"§ 15

Benützung fremder Grundstücke und baulicher Anlagen

(1) Die Eigentümer und die sonst Berechtigten haben die vorübergehende Benützung von Grundstücken und baulichen Anlagen zur Erstellung der nach diesem Landesgesetz erforderlichen Pläne, zur Ausführung von Bauvorhaben, zu Instandhaltungsarbeiten oder zur Behebung von Baugebrechen einschließlich der erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu dulden, wenn diese Arbeiten auf andere Weise nicht oder nur unter unzumutbar hohen Kosten durchgeführt werden können und der widmungsgemäße Gebrauch der in Anspruch genommenen Grundstücke oder baulichen Anlagen dadurch keine unverhältnismäßige Behinderung erfährt.

...

(4) Die Eigentümer und die sonst Berechtigten sind von einer gemäß Abs. 1 bis 3 beabsichtigten Inanspruchnahme von Grundstücken oder baulichen Anlagen mindestens vier Wochen vorher unter genauer Angabe der Art und Dauer der beabsichtigten Inanspruchnahme von demjenigen schriftlich zu verständigen, der die Inanspruchnahme beabsichtigt. Wird die Inanspruchnahme verweigert, hat die Baubehörde auf Antrag über die Notwendigkeit, die Art, den Umfang und die Dauer der Inanspruchnahme mit Bescheid zu entscheiden. ...

...

(6) Die Inanspruchnahme hat unter möglichster Schonung der Grundstücke und baulichen Anlagen sowie der Rechte der Betroffenen zu erfolgen. Nach Beendigung der Inanspruchnahme ist der frühere Zustand soweit als möglich wieder herzustellen. Für verbleibende Vermögensschäden gebührt eine angemessene Entschädigung, die über Antrag des Geschädigten von der Baubehörde unter sinngemäßer Anwendung des § 14 mit Bescheid festzusetzen ist. Der Antrag auf Festsetzung der Entschädigung ist bei sonstigem Verlust des Anspruches innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Beendigung der Inanspruchnahme bei der Baubehörde einzubringen."

62 § 28 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, lautet auszugsweise:

"Erkenntnisse und Beschlüsse Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.

der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das

Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

...

(5) Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

..."

63 Zunächst ist dem Verwaltungsgericht beizupflichten, dass die tragenden Aufhebungsgründe des Vorstellungsbescheides der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. August 2012 für das weitere Verfahren bindend sind. Dazu gehören aber auch die Gründe, die als logische Voraussetzung der Auffassung der Vorstellungsbehörde, die zur Aufhebung des Bescheides der Gemeindebehörde geführt hat, vorgelagert sind (vgl. VwGH 29.6.2016, Ro 2014/05/0065, mwN).

64 Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass ein zulässiger Antrag gemäß § 15 BO eines dazu Berechtigten vorliegt. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass die geplanten Baumaßnahmen solche sind, die § 15 BO unterliegen.

65 Bindend ist ferner die Rechtsansicht der Oberösterreichischen Landesregierung, dass es wesentlich ist, ob das Gebäude, dessen Mauern nun verputzt werden sollen, konsensgemäß errichtet worden ist. Damit ist allerdings nicht, wie sich aus dem - zwar inhaltlich nicht bindenden, aber zur Interpretation der Begründung der Oberösterreichischen Landesregierung heranzuziehenden - "obiter dictum" im letzten Absatz der Begründung des Vorstellungsbescheides vom 7. August 2012 ergibt, die konsensgemäße Errichtung des gesamten Gebäudes in jeder Hinsicht, sondern nur jene der zu verputzenden Mauern, und zwar hinsichtlich ihrer Lage, gemeint.

66 Auch wenn der Revisionswerber ins Treffen führt, dass durch den Verputz nunmehr jedenfalls die Grundgrenze überschritten würde und damit die Erfüllung des Tatbestandselementes des § 15 Abs. 1 BO, wonach ein "fremdes" Grundstück für die Durchführung der Baumaßnahmen (also der Baumaßnahmen auf einem "anderen" Grundstück) in Anspruch genommen werden muss (vgl. auch VwGH 20.9.1994, 94/05/0188, zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 16 Oö. BauO 1976), in Frage stellt, ist ihm der unangefochten gebliebene Vorstellungsbescheid vom 7. August 2012 entgegenzuhalten: Als logische Voraussetzung ihrer Entscheidung ist die Vorstellungsbehörde - für das weitere Verfahren bindend - wie bereits erwähnt davon ausgegangen, dass die geplanten Baumaßnahmen § 15 BO unterliegen.

67 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung durch das Verwaltungsgericht an die Verwaltungsbehörde kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Auch die Notwendigkeit der Einholung eines (weiteren) Gutachtens rechtfertigt im Allgemeinen nicht die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (vgl. VwGH 21.11.2017, Ra 2016/05/0025, mwN; weiters VwGH 27.8.2014, Ro 2014/05/0062, sowie VwGH 30.9.2015, Ra 2015/06/0049, jeweils mwN).

68 Nach der Begründung des angefochtenen Beschlusses ist zu klären, welche Bedeutung der Formulierung "im Wesentlichen" in Bezug auf die konsensgemäße Ausführung der gegenständlichen Mauer im Sachverständigengutachten zukommt. Darüber hinaus bedarf das Sachverständigengutachten nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes einer Ergänzung hinsichtlich der dreieckigen zu verputzenden Fläche der in Frage stehenden Mauer. Ferner bedürfe es eines Sachverständigengutachtens dazu, ob die Arbeiten auf andere Weise nicht oder nur unter unzumutbar hohen Kosten durchgeführt werden können und der widmungsgemäße Gebrauch der in Anspruch genommenen Grundstücke oder baulichen Anlagen dadurch keine unverhältnismäßige Behinderung erfährt.

69 In Bezug auf die konsensgemäße Errichtung ist es ausschlaggebend, ob die zu verputzenden Mauern an jener Stelle errichtet wurden, an der sie nach den bewilligten Bauplänen zu errichten waren. Es geht bei dieser Frage also darum, wo die Mauern nach den bewilligten Bauplänen errichtet werden durften, nicht aber darum, wo tatsächlich die Grundgrenze zwischen den beiden gegenständlichen Liegenschaften verläuft. Soweit für die Lage der Baulichkeiten die Grundgrenze maßgeblich ist, kommt es somit auf jene Grenze an, die den bewilligten Einreichplänen zu entnehmen ist. Auf diese ist der Sachverständige Ing. P. in der ergänzenden Stellungnahme vom 23. Jänner 2012 (richtig wohl: 2013) eingegangen.

70 Betreffend die Frage, ob die gegenständlichen Arbeiten im Sinne des § 15 Abs. 1 BO nicht auf andere Weise bzw. nur unter unzumutbar hohen Kosten auf andere Weise durchgeführt werden könnten und der widmungsgemäße Gebrauch der in Anspruch genommenen Grundstücke und baulichen Anlagen dadurch eine unverhältnismäßige Behinderung erführe, sind bereits Äußerungen des technischen Amtssachverständigen in der Niederschrift vom 7. Oktober 2009 enthalten, ferner gibt es auch - offenbar auf sachverständiger Grundlage beruhende - Darlegungen im Berufungsbescheid vom 5. Jänner 2012, worauf das Verwaltungsgericht in seiner Begründung nicht eingeht.

71 Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die von ihm als notwendig erachteten ergänzenden Ermittlungen selbst durchzuführen und, gegebenenfalls nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung, in der Sache selbst zu entscheiden hat: Krasse bzw. besonders gravierende Ermittlungslücken, wie die Unterlassung jeglicher erforderlicher Ermittlungstätigkeit, das Setzen völlig ungeeigneter Ermittlungsschritte oder eine bloß ansatzweise Ermittlung zeigt die Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht auf. Dergleichen ergibt sich auch nicht aus den Verfahrensakten. Dass ein Gutachten zu ergänzen bzw. ein weiteres einzuholen ist bzw. dass fachliche Äußerungen einer Überprüfung eines Sachverständigen bedürfen oder es einer Aktualisierung bzw. Valorisierung sachverständiger Angaben bedarf, vermag bei dem im vorliegenden Fall bereits gegebenen Ermittlungsstand die Aufhebung des angefochtenen Bescheides nicht zu rechtfertigen.

72 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

73 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 27. Februar 2018

Schlagworte

Bindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde Ersatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017050073.L00

Im RIS seit

17.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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