TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/29 94/12/0066

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Veröffentlicht am 29.03.2000
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Index

10/10 Datenschutz;

Norm

DSG 1978 §1;
DSG 1978 §14;
DSG 1978 §35 Abs1;
DSG 1978 §36 Abs1 Z1 idF 1986/370;
DSG 1978 §37 Abs1;
DSG 1978 §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des Ingenieur F in W, vertreten durch den unbestellten Verfahrenshelfer Dr. Werner Stanek, Rechtsanwalt in Wien I, Wollzeile 33, gegen den Bescheid der Datenschutzkommission vom 28. November 1991, GZ 120.388/3-DSK/91, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde wegen Unzuständigkeit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit seinem bei der Datenschutzkommission (belangte Behörde) eingebrachtem Schreiben vom 15. November 1991 brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (Unterstreichungen im Original;

Personen- und Ortsnamen wurden anonymisiert):

"SACHVERHALTSDARSTELLUNG

Nur zur Klärung eines Sachverhaltes in einem Außerstreitverfahren habe ich der Richterin Frau Mag. (X) am Bezirksgericht (Y) einen Original-Computerauszug des Militärkommandos Wien mit den persönlichen Daten meines Militärdienstes zur Verfügung gestellt, wozu ich vom Militärkommando Wien die Erlaubnis hatte.

Ich habe Frau Mag. (X) mehrmals ausdrücklich in mündlicher und schriftlicher Form untersagt, meine militärischen Daten an Dritte weiterzugeben.

Am Freitag, den 15.11.1991 musste ich feststellen, dass der Computerauszug des Militärkommandos Wien im Akt 6 P 139/88 nicht mehr vorhanden war. "

Die Datenschutzkommission wies mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 28. November 1991 diese "als Sachverhaltsdarstellung bezeichnete Beschwerde ... gegen die behauptete Weitergabe Ihrer persönlichen Daten durch das Bezirksgericht Y im Rahmen eines Außerstreitverfahrens" gemäß § 14 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. Nr. 565/1978 in der geltenden Fassung in Verbindung mit Art. 94 B-VG wegen Unzuständigkeit zurück. Nach (im Wesentlichen wörtlicher) Wiedergabe des Schreibens des Beschwerdeführers vom 15. November führte sie in der Begründung weiter aus, dass selbst bei Zutreffen der Behauptung nicht inhaltlich auf die Beschwerde einzugehen gewesen sei, weil sie sich gegen ein Gericht richte, das die in Frage stehenden Daten im Rahmen eines Außerstreitverfahrens erhalten haben solle. Das Außerstreitverfahren nach dem Außerstreitgesetz sei ein Teil der Gerichtsbarkeit und nicht der Justizverwaltung. Die Überprüfung der Gerichtsbarkeit sei aber der belangten Behörde entzogen. § 14 DSG enthalte zwar keine explicite Ausnahme für Datenschutzverletzungen durch Gerichte im Rahmen der Gerichtsbarkeit; diese Bestimmung müsse aber im Hinblick auf Art. 94 B-VG restriktiv so verstanden werden, dass sie sich auch die Tätigkeit richterlicher Organe im Rahmen der Gerichtsbarkeit nicht beziehe. Dies schon deshalb, weil alle Formen der Kontrolle etwa über die Verwaltungstätigkeit durch Gerichte im Verfassungsrang angeordnet seien, sodass das B-VG davon ausgehe, dass eine gegenseitige Kontrolle den in Art. 94 B-VG ausgesprochenen Trennungsgrundsatz zwischen Justiz und Verwaltung verletzten würde. Da somit die Tätigkeit der Gerichtsbarkeit der Kontrolle der belangten Behörde entzogen sei, sei die Beschwerde wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, in der er im Wesentlichen die Verletzung des Rechtes auf den gesetzlichen Richter geltend machte, weil ihm die belangte Behörde, der nach § 4 DSG generell die im DSG vorgesehene Kontrolle der Einhaltung des "gesetzlich geregelten Datenschutzes" im "Öffentlichen Bereich" zukomme, zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert habe. Mit Beschluss vom 24. Juni 1992, B 193/92, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab, trat sie jedoch dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In seiner ergänzten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

In der Folge focht der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 15. Dezember 1993 den im Beschwerdefall präjudiziellen § 14 DSG aus den dem Unterbrechungsbeschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 2. Juli 1993, B 965/90, B 70/91 und B 446/92 zugrundeliegenden Überlegungen an (Anmerkung: Zu diesem Zeitpunkt war nicht bekannt, dass der Verfassungsgerichtshof bereits in seiner nicht öffentlichen Sitzung vom 1. Dezember 1993 diesen Unterbrechungsbeschluss erledigt hatte). Mit Beschluss vom 1. März 1994, G 15/94, wies jedoch der Verfassungsgerichtshof diesen Anfechtungsantrag mit der Begründung zurück, weil er bereits mit Erkenntnis vom 1. Dezember 1993, G 139-141/93, § 14 DSG als verfassungswidrig aufgehoben habe.

In seiner Eingabe vom 27. Mai 1994 übermittelte der Beschwerdeführer dem Verwaltungsgerichtshof eine (in einer anderen Beschwerdesache) ergangene Entscheidung der DSK (Bescheid vom 23. März 1994, GZ 120.432/22-DSK/94), in der diese - gestützt auf im obzitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1993, G 139-141/93 enthaltene Ausführungen - ihre Zuständigkeit zur Beurteilung der Frage bejaht hatte, ob in einem (bestimmten) Außerstreitverfahren Daten automationsunterstützt verarbeitet worden seien und die Verweigerung eines auf § 11 DSG gestützten Auskunftsverlangens durch das betreffende Bezirksgericht zu Recht erfolgt sei. Diesen Bescheid des DSK legte der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 3. Februar 1995 nochmals vor.

In seiner Eingabe vom 29. Juni 1995 verwies der Beschwerdeführer wiederum auf die geänderte Auffassung der DSK. Er habe in der Zwischenzeit am 25. November 1994 neuerlich Beschwerde bei der DSK gegen die "Aktenverwaltung des Bezirksgerichtes Y."

wegen Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz eingebracht, die jedoch mit Bescheid dieser Behörde vom 4. Mai 1995, GZ 120.488/2-DSK/95 wiederum - diesmal unter Hinweis auf die in der Zwischenzeit erfolgte Neufassung der im Verfassungsrang stehenden Bestimmung des § 36 Abs. 1 Z. 1 DSG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 632/1994, die am 1. Jänner 1995 in Kraft getreten ist) - zurückgewiesen worden sei. Dagegen habe er die beim Verfassungsgerichtshof die unter B 1940/95 protokollierte Beschwerde (Verfahrenshilfeantrag) eingebracht. Wegen deren präjudizieller Bedeutung für das anhängige Verwaltungsgerichtshofverfahren stelle er den Antrag auf Beischaffung des Aktes des Verfassungsgerichtshofes zu B 1940/95 (Anmerkung: Diesen vom Beschwerdeführer eingebrachten Verfahrenshilfeantrag wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. August, B 1940/95-5, ab, den danach gestellten Antrag auf Abtretung des Verfahrenshilfeantrages an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. September 1995, B 1940/95-8 = VfSlg. 14.242/1995, zurück. Damit wurde das unter B 1940/95 protokollierte Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beendet).

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Rechtslage

Im Beschwerdefall ist das Datenschutzgesetz (DSG), BGBl. Nr. 565, in seiner zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochten Bescheides in Geltung stehenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 91/1993 maßgebend. Zu Vergleichszwecken wird jedoch auch eine Änderung durch die spätere Novelle BGBl. Nr. 632/1994 dargestellt.

Artikel 1(Verfassungsbestimmung) regelt das "Grundrecht auf Datenschutz". Die Bestimmung lautet (Stammfassung) auszugsweise:

"§ 1. (1) Jedermann hat Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges Interesse, insbesondere im Hinblick auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, hat.

(2) Beschränkungen des Rechtes nach Abs. 1 sind nur zur Wahrung berechtigter Interessen eines anderen oder auf Grund von Gesetzen zulässig, die aus den in Art. 8 Abs. 2 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. Nr. 210/1958) genannten Gründen notwendig sind. Auch im Falle solcher Beschränkungen muss der vertraulichen Behandlung personenbezogener Daten Vorrang gegeben werden.

Artikel 2 enthält ua in seinem 1. Abschnitt (§§ 3 - 5) "Allgemeine Bestimmungen". § 4 Abs. 1 (Stammfassung) lautet:

"(1) Die Bestimmungen des 2. Abschnittes sind auf den Datenverkehr von oder im Auftrag von Rechtsträgern anzuwenden, die durch Gesetz eingerichtet sind, soweit es sich nicht um Rechtsträger nach § 5 handelt."

Das Gesetz sieht in § 4 Abs. 2 und § 5 Abs. 2 DSG die Ausnehmung solcher Rechtsträger aus dem öffentlichen Bereich unter bestimmten Voraussetzungen und Einschränkungen (durch Verordnung der BReg bzw. LReg) vor. Eine solche ausdrückliche Ausnehmung bewirkt die Anwendung der datenschutzrechtlichen Regelungen für den "Privaten Bereich" (3. Abschnitt, §§ 17 ff), deren Einhaltung vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen ist.

Im 2. Abschnitt des Art. 2 wird der "Öffentliche Bereich" (§§ 6 bis 16) geregelt.

§ 14 DSG enthält Bestimmungen über den "Rechtsschutz des Betroffenen". Die Bestimmung lautete (Stammfassung):

"(1) Die Datenschutzkommission (§ 36) erkennt, soweit nicht der Antrag des Betroffenen auf Auskunft (§ 11), Richtigstellung oder Löschung (§ 12) bereits Gegenstand eines Verfahrens vor der sachlich zuständigen Behörde ist, über Beschwerden wegen Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Durchführungsbestimmungen, soweit der Beschwerdeführer behauptet, dadurch in seinen Rechten verletzt worden zu sein, sowie über Anträge gemäß Abs. 3.

(2) Erfolgte eine Richtigstellung oder Löschung auf Grund einer Entscheidung der für die Feststellung der Daten sachlich zuständigen Behörde, so ist die Datenschutzkommission an die rechtskräftige Entscheidung gebunden.

(3) Wird in einem Verwaltungsverfahren, in dem verarbeitete Daten benützt werden, die Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Durchführungsbestimmungen behauptet, so ist das Verwaltungsverfahren, außer bei Gefahr im Verzug, bis zur Entscheidung der Datenschutzkommission auszusetzen (§ 38 AVG 1950). Gleichzeitig ist ein solches Verfahren zu beantragen."

Im 5. Abschnitt des Artikel 2 (§§ 35 bis 47) werden nähere Bestimmungen über die Datenschutzkommissiom, den Datenschutzrat und das Datenverarbeitungsregister getroffen.

§ 35 Abs. 1 DSG (Stammfassung) lautet:

"(1) Zur Wahrung des Datenschutzes im Sinne dieses Bundesgesetzes - unbeschadet der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte - werden eine Datenschutzkommission und ein Datenschutzrat eingerichtet."

§ 36 (in der Fassung des Novelle BGBl. Nr. 370/1986) lautete

(auszugsweise):

"Aufgaben der Datenschutzkommission

(1) Der Datenschutzkommission obliegen - abgesehen von den in den §§ 8a, 9, 12, 13, 16, 23a, 23b, 24, 32, 37, 38, 39, 44, 45, 50 und 52 genannten Befugnissen - folgende Aufgaben:

1. die Durchführung von Beschwerdeverfahren (§ 14) und von Verfahren nach § 12 Abs. 10;

2. ..."

Abs. 1 des § 37 ("Wirkung von Bescheiden") lautet (Stammfassung):

"(1) Wenn die Datenschutzkommission eine Verletzung von Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Durchführungsbestimmungen festgestellt hat, so sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung der Datenschutzkommission entsprechenden Zustand herzustellen. In den Bescheiden der Datenschutzkommission ist die Behörde zu bestimmen, die den Bescheid zu vollstrecken hat. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich nach den für diese Behörde sonst geltenden Vorschriften."

Im Anschluss an die Aufhebung des § 14 DSG durch das obzitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1994 wurden einige Bestimmungen des DSG durch die Novelle BGBl. Nr. 632/1994, darunter die §§ 14 und 36 Abs. 1, neugefasst. Diese Bestimmungen lauten nunmehr:

§ 14. (1) Die Datenschutzkommission erkennt über Beschwerden von Personen, die behaupten, in ihren Rechten nach diesem Bundesgesetz oder den hiezu ergangenen Verordnungen verletzt zu sein, sowie über Anträge gemäß Abs. 3.

(2) Bei Gefahr im Verzug für den Beschwerdeführer kann die Datenschutzkommission die Benützung oder Übermittlung von Daten oder einzelne Verarbeitungsvorgänge untersagen.

(3) Wird in einem vor einer anderen Verwaltungsbehörde durchgeführten Verwaltungsverfahren von einer Partei behauptet, in ihren Rechten nach diesem Bundesgesetz oder den hiezu ergangenen Verordnungen verletzt zu sein, so hat die Verwaltungsbehörde, außer bei Gefahr im Verzug, ihr Verfahren bis zur Entscheidung dieser Vorfrage durch die Datenschutzkommission auszusetzen und gleichzeitig die Entscheidung bei der Datenschutzkommission zu beantragen."

§ 36. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Datenschutzkommission entscheidet:

1.über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch das Verhalten eines Organes, das im Falle automationsunterstützter Datenverarbeitung dem 2. Abschnitt zuzurechnen wäre, in ihren Rechten nach diesem Bundesgesetz oder den hiezu ergangenen Verordnungen verletzt zu sein, soweit dieses Verhalten nicht der Gerichtsbarkeit zuzurechnen ist;

2. ..."

§ 36 Abs. 1 ist nach der Verfassungsbestimmung des durch diese Novelle im § 58 eingefügten Abs. 13 mit 1. Jänner 1995 in Kraft getreten.

Die EB zur RV zu dieser Novelle, 1640 Blg Sten Prot NR XVIII. GP, führen im "Allgemeinen Teil" aus, dass die durch das zitierte Verfassungsgerichtshoferkenntnis veranlasste Neuregelung der Kompetenzen der DSK gleichzeitig zum Anlass genommen werde, deren Zuständigkeit in zwei Bereichen klarer als bisher abzugrenzen; und zwar zum einen betreffend Beschwerden gegen behauptete Grundrechtsverletzungen durch Verwaltungsorgane und zum anderen hinsichtlich der Zuständigkeit zur datenschutzrechtlichen Überprüfung von Akten der Gerichtsbarkeit.

Die EB führen zu § 36 Abs. 1 Z. 1 auf Seite 7f, soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles von Bedeutung ist, Folgendes aus:

"Ein weiteres Problem der Kompetenzabgrenzung der Datenschutzkommission ist die Frage, ob sich die Kontrollzuständigkeit der Datenschutzkommission im Hinblick auf Art. 94 B-VG auch auf Akte der Gerichtsbarkeit bezieht. Entgegen ihrer bisherigen Entscheidungspraxis wurde eine diesbezügliche Kontrollbefugnis von der Datenschutzkommission jüngst in GZ 120.432/20-DSK/94 unter Berufung auf die Argumentation im Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zu § 14 DSG, G 139-141/39-6 vom 1. Dezember 1993, bejaht. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser wesentlichen Fragte scheint daher geboten, umsomehr, als § 36 Abs. 1 nunmehr im Verfassungsrang stehen soll.

Der in Art. 94 B-VG zum Ausdruck gebrachte Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung lässt einen behutsamen Umgang mit möglichen Kontrollinstrumenten der Datenschutzkommission (als Verwaltungsbehörde) gegenüber der Gerichtsbarkeit geraten erscheinen. Ein Eingriff der Datenschutzkommission in der Form, dass sie ihre Rechtsmeinung endgültig gegenüber dem entscheidenden Gerichtsorgan durchsetzen könnte, wird daher durch die ausdrückliche Ausnehmung der Gerichtsbarkeit in § 36 Abs. 1 Z. 1 ausgeschlossen.

Die Justizverwaltung unterliegt hingegen selbstverständlich in vollem Umfang der datenschutzrechtlichen Beurteilung durch die Datenschutzkommission."

II. Beschwerdeausführungen

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Wahrung des Datenschutzes, auf "informationelle Selbstbestimmung", auf Wahrung des Parteiengehörs und auf Entscheidung durch die zuständige Behörde (§§ 14 in Verbindung mit §§ 35 und 36 DSG) verletzt.

2. Auf Grund des Inhaltes des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung einer als Beschwerde nach § 14 DSG gewerteten Eingabe des Beschwerdeführers wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde) ist im Beschwerdefall ausschließlich die Frage zu klären, ob die belangte Behörde zu Recht eine Sachentscheidung verweigert hat.

Dabei sind unter Berücksichtigung der Beschwerdeausführungen zwei Fragen zu klären:

a) Was hat der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 15. November 1991 geltend gemacht? (siehe dazu unter Punkt 3)

b) War die belangte Behörde auf Grund des DSG verpflichtet, über den Inhalt dieser Eingabe eine Sachentscheidung zu treffen? (siehe dazu unter Punkt 4)

3.1. Der Beschwerdeführer bringt (in Verbindung mit seiner Verfassungsgerichtshofbeschwerde, auf deren Ausführungen er zum Teil in seiner ergänzten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde verweist) unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften im Wesentlichen vor, die belangte Behörde habe den angenommenen Sachverhalt aktenwidrig angenommen: In seiner vorerst knapp gehaltenen der belangten Behörde überreichten "Sachverhaltsdarstellung" habe er weder die "Weitergabe" personenbezogener Daten und schon gar nicht behauptet, dass diese Daten "im Rahmen eines Außerstreitverfahrens" weitergegeben worden seien. Er habe lediglich festgestellt, dass der Computerausdruck mit den Daten seines "Persönlichkeitsprofils" nicht mehr im Akt vorhanden gewesen sei. Die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, objektive Feststellungen (nötigenfalls auch unter Bestellung eines unabhängigen, allgemein beeideten Sachverständigen für Datenschutz und Datensicherheit) zu treffen, was in der Verwaltung der Daten/Akten und der Handhabung/Organisation der Geschäftsabteilung 6 des Bezirksgerichtes Y mit den von ihm überlassenen Akten tatsächlich geschehen sei. Dabei sei die Abgrenzung zwischen Rechtsprechung und Justizverwaltung von Bedeutung; letztere unterliege jedenfalls der Kontrolle durch die belangte Behörde. Verwende ein Richter ihm für Zwecke des Verfahrens anvertraute und überlassene Daten als Grundlage für eine gerichtliche Entscheidung, indem er diese Daten zum Inhalt seiner Feststellungen mache, oder lege der Erstrichter den Akt mit den ihm im Rahmen seiner Tätigkeit als Organ der Gerichtsbarkeit überlassenen Daten im Rechtsmittelweg der 2. Instanz vor, so handle er sicherlich im Rahmen der Rechtsprechung. Dass der vom Beschwerdeführer festgestellte Zustand (Fehlen des der Richterin anvertrauten Dokuments im Gerichtsakt) im Rahmen der Tätigkeit richterlicher Organe oder in Ausübung der Rechtsprechung erfolgt wäre, könne er aus dem (bisher) festgestellten Sachverhalt nicht schlüssig erkennen. Die belangte Behörde gehe ohne Prüfung des Sachverhaltes seiner Beschwerde davon aus, dass die Tatsache des Fehlens der Daten im Gerichtsakt dem Bereich der Rechtsprechung zuzurechnen sei. Insbesondere jene Tätigkeiten und Vorschriften, die sich mit der Aktenanlage, der Kalendierung und der Aktenverwaltung körperlich befassten, fielen nicht unter den Begriff der Rechtsprechung, sondern seien ein Teil der Justizverwaltung.

3.2. Dem ist Folgendes zu erwidern:

Die belangte Behörde hat gemäß der durch Art. II Z. 1 der Novelle des DSG, BGBl. Nr. 370/1986, in Art. II Abs. 2 lit. A EGVG eingefügten Z. 24a (nunmehr seit der Wiederverlautbarung BGBl. Nr. 50/1991 Z. 28) ua in ihrem behördlichen Verfahren das AVG anzuwenden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines Anbringens nicht auf die zufälligen verbalen Formen, sondern auf dessen Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes an. Maßgebend ist der objektive Erklärungswert, vorausgesetzt, die entsprechende Erklärung der Partei lässt keinen Zweifel offen. Andernfalls hat die Behörde eine Klarstellung durch die Partei herbeizuführen (siehe dazu zB die unter E 42 und 44 zu § 13 AVG in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren, MAG, Band I, 2. Auflage, wiedergegebene Rechtsprechung).

Legt man diesen Maßstab an die Eingabe des Beschwerdeführers vom 15. November 1991 an, dann trifft es mangels besonderer Verfahrensvorschriften im AVG oder im DSG über den Aufbau einer Beschwerde im Sinne des § 14 Abs. 1 DSG zu, dass die belangte Behörde diese Eingabe - ungeachtet der Überschrift "Sachverhaltsdarstellung" - auf Grund ihres Inhaltes als Beschwerde im Sinne der genannten Bestimmung gewertet hat. Wäre das nicht der Fall, wäre der Beschwerdeführer schon deshalb durch den angefochtenen Bescheid nicht in seinen Rechten verletzt worden, weil die Entscheidung im Ergebnis dem Gesetz entsprochen hätte.

Was ihren Inhalt betrifft, ist es zwar richtig, dass die im letzten Absatz mitgeteilte Wahrnehmung auf verschiedene Ursachen zurückgehen kann, darunter auch solche, die von vornherein keine Verletzung des § 1 DSG darstellten wie z.B. die Vernichtung des fraglichen Computerauszuges, ohne dass dem eine allenfalls nach dem Datenschutzgesetz verpönte Verhaltensweise vorangegangen wäre. Der letzte Absatz dieser Eingabe kann aber nicht isoliert für sich allein gelesen werden, sondern ist im Zusammenhang mit den sonstigen Ausführungen des Beschwerdeführers zu sehen. Damit kommt aber hinreichend zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer das verschwundene Dokument (mit persönlichen Daten) im Rahmen eines bei einem Bezirksgericht anhängigen Außerstreitverfahrens "zur Klärung eines Sachverhaltes" an die zuständige Richterin übergeben und er ihr (mehrfach) die Weitergabe dieses Dokumentes an Dritte untersagt hat. Bei einer vernünftigen Gesamtwürdigung kann es aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, insbesondere auch durch die durch Unterstreichungen vom Beschwerdeführer selbst vorgenommene Gewichtung von Teilen seiner Angaben, keinem Zweifel unterliegen, dass er damit letztlich eine mögliche Verletzung des Datenschutzgesetzes behauptet, die darin liegt, dass das Verschwinden des Dokumentes auf dessen unbefugte Weitergabe an (unbekannte) Dritte zurückzuführen sei, die der für ein anhängiges Gerichtsverfahren (für dessen Zwecke es vorgelegt wurde) zuständigen Richterin zuzurechnen ist.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt damit nach dem objektiven Erklärungsinhalt seiner Angabe weder die von ihm behauptete Unklarheit, die die belangte Behörde zur Klarstellung durch den Beschwerdeführer zu veranlassen gehabt hätte, noch die vorgebrachte "Aktenwidrigkeit", zu der man nur bei einer isolierten Betrachtung einzelner Teile seiner Eingabe kommen kann, vor. Es fehlt auch auf Grund des oben aufgezeigten Zusammenhanges jeder Ansatzpunkt dafür, dass der Beschwerdeführer die geltend gemachte Verletzung des Datenschutzgesetzes auf eine Handlung oder Unterlassung zurückgeführt hat, die allenfalls der Justizverwaltung zuzurechnen wäre.

Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Eingabe ihrem Inhalt als Beschwerde nach § 14 Abs. 1 DSG wertete, mit der der Beschwerdeführer die Weitergabe persönlicher Daten durch das Bezirksgericht Y im Rahmen eines Außerstreitverfahrens geltend machte.

4. Bei diesem Inhalt der Eingabe des Beschwerdeführers vom 15. November 1991 ist daher die Frage zu klären, ob die belangte Behörde auf Grund der von ihr anzuwendenden Rechtslage (§§ 1, 4 Abs. 1, 14, 35 Abs. 1 und 37 Abs. 1 in der Stammfassung, § 36 Abs. 1 Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 370/1986) zu Recht ihre Zuständigkeit verneinte, weil sie nicht berufen war, die nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers dem Bereich der Gerichtsbarkeit zuzuordnende angebliche Verletzung von Rechten nach dem DSG zu prüfen.

Es trifft zu, dass diese Frage vor der (im Beschwerdefall nicht anzuwendenden) Neufassung des im Verfassungsrang stehenden § 36 Abs. 1 Z. 1 DSG durch die Novelle BGBl. Nr. 632/1994 im DSG nicht ausdrücklich geregelt war. Dem Beschwerdeführer ist auch einzuräumen, dass dem Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 DSG selbst keine Ausnehmung der Gerichtsbarkeit zu entnehmen ist.

Doch schon die Bestimmung des § 14 Abs. 3 DSG enthält ausdrücklich nur für den Verwaltungsbereich eine Sonderregelung zu § 38 AVG (grundsätzliche Pflicht zur Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens bei behaupteter Verletzung des DSG im Vorfragenbereich unter gleichzeitiger Befassung der Datenschutzkommission), die offenkundig der Rechtsrichtigkeit der Lösung einer solchen datenschutzrechtlichen Frage durch die hierauf spezialisierte Behörde den Vorrang vor der Raschheit des Verwaltungsverfahrens (im Falle der vorläufigen Beurteilung dieser Frage durch die für das Verwaltungsverfahren zuständigen Behörde) einräumt. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass dies auch für gerichtliche Verfahren gelten könnte und daher - unterläge die Gerichtsbarkeit bezüglich des Datenschutzes der Kontrolle durch die Datenschutzkommission - eine nicht bloß auf die Verwaltungsbehörden eingeschränkte Regelung im Vorfragenbereich zu erwarten gewesen wäre. Allerdings könnte dem entgegengehalten werden, dass die Gerichte zur Entscheidung über privatrechtliche Ansprüche nach dem DSG (unbeschadet etwaiger Ansprüche auf Schadenersatz, worauf § 28 Abs. 2 DSG ausdrücklich hinweist) gegen nicht den §§ 4 und 5 unterliegende Rechtsträger sowie über Rechtsträger im Sinne der genannten Bestimmungen, soweit sie ausdrücklich dem privaten Bereich unterstellt werden (siehe dazu näher §§ 4 Abs. 2 und 5 Abs. 2 DSG), zuständig sind (siehe dazu näher die §§ 17, 18, 20, 21, 25 bis 27) und daher - anders als Verwaltungsbehörden (ausgenommen die Datenschutzkommission) - Entscheidungszuständigkeiten auf dem Gebiet des DSG haben.

Eine solche Unterscheidung lässt sich aber für § 37 Abs. 1 DSG nicht finden, der die Wirkung von eine Rechtsverletzung nach dem DSG feststellenden Bescheiden des Datenschutzkommission nach dem Vorbild des § 63 Abs. 1 VwGG (und anderer Bestimmungen) ausdrücklich nur für die Verwaltungsbehörden (nicht aber für die Gerichte) regelt.

Schon auf Grund dieser einfachgesetzlich getroffenen Bestimmung im DSG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung) ist aber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes abzuleiten, dass auch vor der Novelle BGBl. Nr. 632/1994 das Verhalten der Gerichtsbarkeit unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verletzung des DSG (einschließlich der darauf beruhenden Verordnungen) keiner Kontrolle durch die Datenschutzkommission unterlag. Es bedarf daher keiner weiteren Untersuchung, ob die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid für dieses Ergebnis herangezogene Argumentation (im Wesentlichen verfassungskonforme Auslegung aus dem Blickwinkel des Art. 94 B-VG) zutrifft.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde nach § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1994120066.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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