Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Werner als Vorsitzenden und die Räte Dr. Kaniak, Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Richters Dr. Kirschner als Schriftführers, über die Beschwerde des Dipl. Ing. HS in L gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Mai 1961, Zl. L.A.V/1-904/5 - 61, betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 17. November 1960 wurde der Beschwerdeführer der Verwaltungsübertretung nach § 25 in Verbindung mit § 132 lit. c GewO für schuldig erkannt und über ihn gemäß § 131 GewO eine Geldstrafe von 1.000'- S, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von fünf Tagen verhängt. Als erwiesen wurde angenommen, der Beschwerdeführer habe in den letzten drei Monaten auf dem dem Ing. HW gehörigen Grundstück in M eine Mischanlage zu Straßenbauzwecken betrieben, ohne die erforderliche rechtskräftige gewerbepolizeiliche Genehmigung der Behörde erhalten zu haben. In der Begründung dieses Straferkenntnisses wurde nach einem Hinweis auf das III. Hauptstück der Gewerbeordnung ausgeführt, aus dem Ermittlungsergebnis, insbesondere aus dem Geständnis des Beschuldigten gehe hervor, daß dieser zum Zwecke der Ausübung des Straßenbaugewerbes in M eine nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung genehmigungspflichtige Mischanlage seit den letzten drei Monaten betreibe. Die Akten des Verwaltungsverfahrens zeigen, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner Einvernahme als Beschuldigter darauf hingewiesen hatte, daß es sich um keine ständige Einrichtung, sondern um eine vorübergehende Aufstellung handle. Er verwies hiebei auf andere Baumaschinen und erachtete die Einholung einer gewerbebehördlichen Genehmigung nicht für notwendig. Gegen das Straferkenntnis brachte der Beschwerdeführer Berufung ein; er machte im wesentlichen geltend, daß eine Baustelle nicht als Betriebsanlage im Sinne des § 25 GewO anzusehen und daher auch nicht als genehmigungspflichtig im Sinne des III. Hauptstückes der Gewerbeordnung sei. Auf einen diesbezüglichen Erlaß des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau zu dieser Rechtsfrage wurde hingewiesen. In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich der Entwurf eines Bescheides der belangten Behörde vom 30. Dezember 1960, dem zufolge das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren mit der Begründung eingestellt werden sollte, daß Baustellen (außerhalb der gewerblichen Betriebsstätten gelegene Orte einer Bauführung) ihrer Natur nach keine Anlagen im Sinne der Gewerbeordnung seien, sohin eine Genehmigungspflicht der Mischanlage als Betriebsanlage nicht gegeben sei. Dieser Bescheid wurde jedoch nach Ausweis der Verwaltungsakten dem Beschwerdeführer nicht zugestellt. Vielmehr wurde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24. Mai 1961 die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis im Namen des Landeshauptmannes als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es: Wie im Berufungsverfahren festgestellt worden sei, handle es sich bei der beanstandeten Mischanlage, die sich auf dem Gelände des Hartgesteinschotterwerkes der Firma W in M befinde, nicht um eine Baustelle, die zur Errichtung eines Baues in M diene, sondern um eine ortsfeste Anlage zur Zubereitung von Baumaterialien für Straßenbauzwecke, die weit ins Waldviertel hinein transportiert würden. Da es sich um eine seit Jahren immer wieder an der gleichen Stelle betriebene Anlage handle, könne auf diese der Erlaß des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 11. April 1958 keine Anwendung finden. Die für Straßenbauzwecke errichteten Baustellen könnten sich an ein und derselben Stelle nur für eine durch den Straßenbau begrenzte Zeit befinden und müßten gewissermaßen immer weiter wandern. Der Betrieb der Mischanlage bedürfe daher einer Genehmigung nach dem III. Hauptstück der Gewerbeordnung um einen entsprechenden Schutz der Anrainer zu gewährleisten.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid zunächst wegen Verletzung des für das Verwaltungsstrafverfahren geltenden Verbotes der reformatio in peius, weil die belangte Behörde nicht berechtigt gewesen sei, den auf Einstellung des Strafverfahrens lautenden Berufungsbescheid abzuändern oder aufzuheben. Hier verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Es ist unbestritten, daß der Bescheid der belangten Behörde vom 30. Dezember 1960 dem Beschwerdeführer niemals zugestellt wurde. Damit ist dieser in Schriftform ergangene Bescheid, weil er nach außen und auch nicht in der Rechtssphäre des Beschwerdeführers durch Zustellung in Erscheinung getreten ist, nicht als erlassen im Sinne des § 56 AVG 1950 anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. Juli 1948, Slg. N.F.Nr. 484/A). Von einer reformatio in peius kann sohin keine Rede sein.
Dagegen erweist sich die Beschwerde insoweit als begründet, als der Beschwerdeführer geltend macht, der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei die nach § 56 AVG 1950 erforderliche Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nicht vorangegangen.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Aufstellung einer Baumaschine (Mischanlage), falls diese geeignet ist, auf die im § 25 GewO angegebene Weise die Nachbarschaft zu gefährden oder zu belästigen, eine nach dem III. Hauptstück der Gewerbeordnung genehmigungspflichtige Betriebsanlage oder nur eine keiner behördlichen Genehmigung bedürftige Baustelleneinrichtung ist, ist rechtsentscheidend, ob die Baumaschine im Zusammenhang mit einer konkreten und sohin auf eine bestimmte Zeit beschränkten Bauführung aufgestellt wird, sodaß sie nach Beendigung der Bauarbeiten wieder beseitigt oder zumindest stillgelegt wird, oder ob diese Baumaschine für eine von vornherein nicht bestimmte Anzahl von Bauführungen, sohin auf unbestimmte Zeit, aufgestellt und betrieben wird, somit der Betrieb der Maschine den Charakter einer weiteren Betriebsstätte gewönne. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, hat die Behörde im Ermittlungsverfahren festzustellen. In dieser Hinsicht enthält das erstinstanzliche Straferkenntnis überhaupt keine Feststellungen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides hat die belangte Behörde hiezu nur ausgeführt, bei der Mischmaschine handle es sich nicht um eine Baustelle, die zur Errichtung eines Baues in M diene, sondern um eine ortsfeste Anlage zur Bereitung von Baumaterialien für Straßenbauzwecke, die weit ins Waldviertel hinein, d.h. zu verschiedenen an anderen Orten gelegenen Baustellen transportiert würden. Abgesehen davon, daß die Grundlagen für diese Feststellung dem. Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht zur Kenntnis gebracht wurden und ihm somit keine Gelegenheit gegeben wurde, hiezu Stellung zu nehmen - in der Beschwerde wird die Richtigkeit dieser Feststellungen bestritten -, reichen diese Feststellungen, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, nicht aus, die Frage zu beantworten, ob im vorliegenden Fall eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage vorliegt oder nicht.
Der Sachverhalt erweist sich sohin in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig. Die Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes führt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zufolge § 42 Abs. 2 lit. c Z. 2 VwGG 1952 zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Gerichtshof hielt es demnach für entbehrlich, sich mit den Beschwerdeausführungen auseinanderzusetzen, die die Annahme des Verschuldens seitens der belangten Behörde zum Gegenstand haben. Wien, am 5. Dezember 1961
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1961:1961001187.X00Im RIS seit
12.04.2018Zuletzt aktualisiert am
16.04.2018