TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/29 98/08/0045

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Veröffentlicht am 29.03.2000
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs6 lite idF 1996/201;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Wien, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 22. Jänner 1998, Zl. LGS-W Abt. 12/1218/56/1998, betreffend Karenzurlaubsgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 26. Juni 1997 beantragte die Beschwerdeführerin die Gewährung von Karenzurlaubsgeld aus Anlass der am 15. März 1997 erfolgten Geburt ihres Kindes. In dem verwendeten bundeseinheitlich aufgelegten Formblatt wurde die Frage nach eigenem Einkommen (8. Ich habe ein eigenes Einkommen. Wenn ja, welcher Art? (z.B. Alterspension, Invaliditätspension, Rente aus der Kriegsopferversorgung oder aus der Opferfürsorge, Unterhaltsleistung, Alimente, Erziehungsbeitrag, Unfallrente, Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit, Vermietung oder Hausbesorgertätigkeit u.a.) Höhe des Einkommens) bejaht, die Art des Einkommens mit "Vermietung eines Geschäftslokales" und die Höhe des Einkommens mit S 14.000,-- ergänzt. Laut der dem Antrag beigeschlossenen Arbeitsbescheinigung einer näher bezeichneten Filmproduktion Ges.m.b.H. wurde mit der Beschwerdeführerin vom 15. März 1997 bis 15. September 1998 ein Karenzurlaub vereinbart. In dem von der Behörde erster Instanz durchgeführten umfangreichen Ermittlungsverfahren wurde bekannt, dass die Beschwerdeführerin handelsrechtliche Geschäftsführerin und Gesellschafterin einer anderen Gesellschaft, nämlich der M. Ges.m.b.H. sei und deshalb in der Pensionsversicherung nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz pflichtversichert sei.

Mit Bescheid vom 1. September 1997 gab die angerufene regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes gemäß § 26 AlVG keine Folge. In der Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 26 Abs. 4 AlVG hätten Mütter, die gemäß § 12 Abs. 6 AlVG als arbeitslos gelten, bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Anspruch auf Karenzurlaubsgeld. Gemäß § 12 Abs. 6 lit. c AlVG gelte als arbeitslos, wer auf andere Art selbstständig erwerbstätig ist bzw. selbstständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a oder im Zeitraum der selbstständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbstständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge übersteigt. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin handelsrechtliche Geschäftsführerin und Gesellschafterin (zu 10 % beteiligt) bei der M. Ges.m.b.H. sei. 11,1 % des anteiligen Umsatzes überstiegen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze von derzeit S 3.740,--, weshalb Arbeitslosigkeit nicht vorliege.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin machte sie geltend, sie habe mehrfach angegeben, zu 10 % an der M. Ges.m.b.H. beteiligt und nur kollektiv zeichnungsberechtigte Geschäftsführerin zu sein. Sie beziehe von der Gesellschaft weder eine Geschäftsführervergütung noch eine Gewinnausschüttung. Im Umsatz 1994 sei ein außerordentlicher einmaliger Ertrag in Höhe von rund 6,2 Mio. S enthalten. Der Gesamtumsatz der Gesellschaft betrage jährlich rund 2 Mio. S aus Vermietung. Da sie aus der Gesellschaft keinerlei Einkommen beziehe und 11,1 % des Umsatzes aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit die Geringfügigkeitsgrenze nicht übersteige, ersuche sie um Zuerkennung des Karenzurlaubsgeldes.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Begründung führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesstellen und kurzer Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, gemäß den geltenden gesetzlichen Bestimmungen sei der Umsatz einer Gesellschaft dem geschäftsführenden Gesellschafter anteilig zuzurechnen. Die M. Ges.m.b.H. erziele laut dem Umsatzsteuerbescheid über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr 1994 Umsätze von S 8,123.565,45. Der auf die Beschwerdeführerin entfallende Umsatzanteil betrage S 7.514,29 und liege somit über der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze von S 3.740,--.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 26 Abs. 4 AlVG i.d.F. des Strukturanpassungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 297/1995, haben Anspruch auf Karenzurlaubsgeld bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen Mütter, die gemäß § 12 Abs. 6 als arbeitslos gelten.

Die von der belangten Behörde zur Begründung der Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin herangezogene Bestimmung des § 12 Abs. 6 lit. e AlVG i.d.F. des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201/1996, lautet:

"Als arbeitslos gilt jedoch, wer als geschäftsführender Gesellschafter aus dieser Tätigkeit ein Einkommen gemäß § 36a oder einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des auf Grund seiner Anteile aliquotierten Umsatzes der Gesellschaft die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge übersteigt."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. April 1999, 98/08/0283, 0354, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgesprochen, dass § 12 Abs. 6 lit. e AlVG auf geschäftsführende Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht anzuwenden ist. Eine andere Rechtsgrundlage dafür, die Umsätze der Gesellschaft m.b.H. für Zwecke der Arbeitslosenversicherung ihrem Geschäftsführer bzw. einem Gesellschafter zuzurechnen, lässt sich dem Arbeitslosenversicherungsgesetz nicht entnehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080045.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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