TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/30 99/16/0088

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Veröffentlicht am 30.03.2000
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Index

E1E;
E3R E02202000;
E3R E03402000;
E3R E03606300;
E6J;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
31992R2913 ZK 1992 Art220 Abs2 litb;
31993R2163 MindesteinfuhrpreisV getrocknete Weintrauben 1993/94;
31994R1904 MindesteinfuhrpreisV getrocknete Weintrauben 1994/95;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61996CJ0370 Covita VORAB;
VwGG §38a;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):99/16/0089

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden

der F Handels-GmbH in W, vertreten durch Schönherr, Barfuss, Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien I, Tuchlauben 13, gegen die Bescheide des Berufungssenates II der Region Innsbruck bei der Finanzlandesdirektion für Salzburg, 1) vom 20. Jänner 1999, GZ ZRV 31/1-I2/98, und 2) vom 9. Februar 1999, GZ ZRV 76/1-I2/98, je betreffend Nachentrichtung einer Ausgleichsabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge zweier von der Prüfungsstelle für die Zollgebahrung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland bzw. von der Außen- und Betriebsprüfung/Zoll des Hauptzollamtes Wien durchgeführten Sonderprüfungen betreffend die Abfertigung von Waren der Warennummer HS 080620 (Mindestpreisregelung für getrocknete Weintrauben) bzw. betreffend die Beachtung der Mindesteinfuhrpreise überhaupt wurde u.a. festgestellt, dass bei von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Überführungen von getrockneten Weintrauben in den zollrechtlich freien Verkehr die Mindestpreisregelungen für getrocknete Weintrauben nicht beachtet worden seien. Es handelt sich dabei um insgesamt achtzehn Einfuhrvorgänge am 9. und 13. Februar 1995 (drei Vorgänge, die Gegenstand des zweitangefochtenen Bescheides bilden) bzw. vom 4. August, 22. März 21. März, 19 Dezember, 23. November, 5. Dezember, 18. September, 24. Juli, 7. September, 9. Mai, 6. Februar 1995 und 17. Jänner 1996 (fünfzehn Vorgänge, die Gegenstand des erstangefochtenen Bescheides sind wovon jetzt vier angefochten sind).

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 3. Dezember 1996 und drei weiteren Bescheiden je vom 23. Jänner 1998 wurde der Beschwerdeführerin daraufhin die gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK zusätzlich entstandene Zollschuld unter Berufung auf Art. 221 Abs. 1 ZK zur Entrichtung mitgeteilt.

Gegen diese Bescheide berief die Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit dem Argument, die nachträgliche bescheidmäßige Erfassung der Abgaben habe aus den Gründen des Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK zu entfallen.

Gegen die daraufhin ergangenen abweislichen Berufungsvorentscheidungen erhob die Beschwerdeführerin jeweils Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde 2. Instanz, wobei sie auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrte.

Die belangte Behörde wies die als Beschwerden gewerteten Anträge mit zwei Berufungsentscheidungen je als unbegründet ab und vertrat die Auffassung, der Beschwerdeführerin sei weder Gutgläubigkeit zuzubilligen noch habe sie alle geltenden Vorschriften beachtet.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Verwaltungsgerichtshofbeschwerden je wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, dass die Nachforderungen unterbleiben, weil die Voraussetzungen des Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK vorlägen.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstatteten Gegenschriften vor, in denen die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen

Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Den weitwendigen Beschwerdeausführungen ist folgendes entgegenzuhalten:

Die einschlägigen Bestimmungen des ZK lauten auszugsweise:

"Art. 220 (1) Ist der einer Zollschuld entsprechende Abgabenbetrag nicht nach den Artikeln 218 und 219 buchmäßig erfasst oder mit einem geringeren als dem gesetzlich geschuldeten Betrag buchmäßig erfasst worden, so hat die buchmäßige Erfassung des zu erhebenden Betrages oder des nachzuerhebendes Restbetrages innerhalb von zwei Tagen nach dem Tag zu erfolgen, an dem die Zollbehörden diesen Umstand feststellen und in der Lage sind, den gesetzlichen geschuldeten Betrag zu berechnen sowie den Zollschuldner zu bestimmen (nachträgliche buchmäßige Erfassung). Diese Frist kann nach Artikel 219 verlängert werden.

(2) Außer in den Fällen gemäß Artikel 217 Absatz 1 Unterabsätze 2 und 3 erfolgt keine nachträgliche buchmäßige Erfassung, wenn

a)

...

b)

der gesetzlich geschuldete Abgabenbetrag aufgrund eines Irrtums der Zollbehörden nicht buchmäßig erfasst worden ist, sofern dieser Irrtum vom Zollschuldner nicht erkannt werden konnte und dieser gutgläubig gehandelt und alle geltenden Vorschriften über die Zollanmeldung eingehalten hat;

              c)              ...

Art. 221 (1) Der Abgabenbetrag ist dem Zollschuldner in geeigneter Form mitzuteilen, sobald der Betrag buchmäßig erfasst worden ist."

Die drei Voraussetzungen für das Unterbleiben der nachträglichen buchmäßigen Erfassung gemäß Art. 220 Abs. 2 lit. b ZK müssen - wie sich aus dem Verordnungstext unzweifelhaft ergibt - kumulativ vorliegen (vgl. in diesem Sinn auch zB. das Urteil des BFH von 20. Juli 1999, VII R 83/98, ZfZ 1999/12, 409 und die dort angeführte zahlreiche Rechtsprechung des EuGH).

Es kommt daher unter anderem entscheidend darauf an, ob der Beschwerdeführerin in den vorliegenden Fällen guter Glaube zugebilligt werden kann.

Im Urteil des EuGH vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-370/96, Covita AVE gegen Elliniko Dimosio (Griechenland) Slg. 1998 I-7730, wurde u.a. klargestellt, dass sich ein im Ein- und Ausfuhrhandel erfahrener Unternehmer, dem die drohenden Gefahr der Einführung einer Ausgleichsabgabe auf bestimmte Waren bekannt ist, durch die Einsichtnahme in die einschlägigen Amtsblätter über das auf sein Geschäft anwendbare Gemeinschaftsrecht vergewissern muss. Ein Unternehmer, der sich nicht durch Einsichtnahme in die einschlägigen Amtsblätter vergewissert, handelt fahrlässig.

Die Pflicht, sich (zB. im Wege der Einsichtnahme in die einschlägigen Amtsblätter) zu informieren, hat der BFH in seinem Urteil vom 23. März 1999, VII R 16/98, ZfZ 1999/8, 271, sogar für einen noch unerfahrenen Unternehmer (der seinen Geschäftsbetrieb erst aufgenommen hatte) betont und dazu ausgesprochen, die Informationspflicht treffe jeden, der Waren zur Einfuhr aus einem Drittland anmeldet.

Damit ist aber das Schicksal der Beschwerden bereits entschieden, weil mit der Verordnung (EWG) Nr. 2163/93 der Kommission vom 28. Juli 1993, veröffentlicht im Amtsblatt Nr. L 194 vom 3. August 1993, S 0015, (wie schon in den Jahren vorher auch) betreffend das Wirtschaftsjahr 1993/94 unter anderem für Sultaninen und mit der Verordnung (EG) Nr. 1904/94 der Kommission vom 27. Juli 1994 betreffend das Wirtschaftsjahr 1994/95 für getrocknete Weintrauben, veröffentlicht im Amtsblatt Nr. L 194 vom 29. Juli 1994, S 0018 bis 0020, Mindesteinfuhrpreise festgesetzt worden waren.

Der Beschwerdeführerin ist bereits aus diesem Grund die für eine Anwendung des Ausnahmetatbestandes nach Artikel 220 (2) Buchstabe b ZK erforderliche Gutgläubigkeit nicht zuzubilligen, weshalb auf die Fragen, ob die beiden anderen, kumulativ erforderlichen Voraussetzungen für ein Unterbleiben der nachträglichen Erfassung ebenfalls vorliegen, nämlich ein so genannter aktiver Irrtum der Zollbehörde (vgl. dazu zB. Vaulont, Vertrauensschutz in der Europäischen Union, 52) und die allfällige Verletzung von Vorschriften über die Zollanmeldung durch die Beschwerdeführerin gar nicht mehr eingegangen werden muss (vlg. dazu insbesondere das oben schon zitierte Urteil des BFH ZfZ 1999/8, 271).

Mit Rücksicht auf die durch die oben angeführte Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch des BFH gegebene Offenkundigkeit des Fehlens einer der kumulativ erforderlichen Voraussetzungen des Artikel 220 Absatz 2 Buchstabe b ZK in den beiden Beschwerdefällen war in Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982, Rs 283/81 EuGH 1982, 3415-C.I.L.F.I.T. (vlg. dazu insbesondere auch das Urteil des BFH vom 17. Juni 1999, Rs VII R 55/98 ZfZ 1999/10, 344) die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens entbehrlich.

Da sich somit die angefochtenen Bescheide im Ergebnis als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten erweisen, waren die Beschwerden als unbegründet abzuweisen (§ 42 Abs. 1 VwGG).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am 30. März 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999160088.X00

Im RIS seit

10.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

23.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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