TE Vwgh Erkenntnis 2018/3/1 Ra 2016/16/0045

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Veröffentlicht am 01.03.2018
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Index

L37161 Kanalabgabe Burgenland;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §212a Abs1;
BAO §212a Abs5;
BAO §288 Abs1;
KanalabgabeG Bgld §10;
KanalabgabeG Bgld §11;
KanalabgabeG Bgld §12;
KanalabgabeG Bgld §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., über die Revision des Gemeinderats der Marktgemeinde Apetlon, vertreten durch die Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in 7000 Eisenstadt, Rusterstraße 62/1/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Burgenland vom 1. April 2016, Zl. E G04/01/2016.004/004, betreffend Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: W GmbH in A, vertreten durch die Beck & Dörnhöfer & Partner Rechtsanwälte in 7000 Eisenstadt, Colmarplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird - soweit es die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2015 betrifft - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Revision als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Bürgermeister der Marktgemeinde Apetlon schrieb der Mitbeteiligten mit Bescheid vom 30. Juni 2015 Kanalbenützungsgebühr für ein näher bezeichnetes Objekt für das Jahr 2015 vor und stützte sich dabei auf die Bestimmungen des § 15 FAG 2008, die §§ 10 bis 12 des Burgenländischen Kanalgesetzes 1984 und die Verordnung des Gemeinderates Apetlon vom 15. Dezember 2014.

2 Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Marktgemeinde Apetlon (Revisionswerber) mit Bescheid vom 14. Dezember 2015 im Spruchpunkt I. als unbegründet ab und gab im Spruchpunkt II. dem gleichzeitig mit der Berufung gestellten Antrag auf Aussetzung der Einhebung nicht statt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Objekt der Mitbeteiligten an die Kanalisationsanlage angeschlossen sei und Schmutzwässer aus dem Weinbaubetrieb anfielen. Daher sei die bebaute Fläche - auch wenn Dachwässer auf Eigengrund versickerten - nicht von der Berechnungsfläche abzuziehen. Im Barriquelager bestünde ein Wasseranschluss und ein Springbrunnen, weshalb auch die dafür genützte Fläche zur Kellereiwirtschaft zähle und für die Berechnung der Nutzfläche heranzuziehen sei. Das über keinen Wasseranschluss und - abfluss verfügende Flaschenlager sei Teil des an den Kanal angeschlossenen Gebäudes, jedoch mit einem geringeren Faktor zu bewerten.

3 Dagegen erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, in der sie geltend machte, dass für die im bekämpften Bescheid genannten Anschlussgrundflächen nach wie vor keine Anschlusspflicht ausgesprochen worden sei. Sie brachte vor, Eigentümerin des auf den in Rede stehenden Grundstücken errichteten Superädifikats zu sein, welches ein Wirtschaftsgebäude für einen Weinbaubetrieb sei. Eingehend bestritt sie die Ermittlung der Berechnungsfläche.

4 Das Landesverwaltungsgericht Burgenland gab mit dem angefochtenen Erkenntnis der Beschwerde Folge und hob den bekämpften Bescheid sowie die bisherige Verpflichtung zur Bezahlung einer Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2015 auf. Weiters traf es den Ausspruch, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

Das Landesverwaltungsgericht stellte fest, dass "die Gemeinde" keine Bescheide erlassen habe, wonach eine Verpflichtung zum Anschluss der in Rede stehenden Grundstücke an die Kanalisationsanlage bestehe. Die Mitbeteiligte sei nicht Eigentümerin dieser Grundstücke.

Rechtlich erwog das Landesverwaltungsgericht, dass ein gesetzmäßiger Kanalbenützungsgebührenbescheid die Existenz eines rechtskräftigen Bescheides voraussetze, wonach für die relevanten Grundstücke eine Anschlussverpflichtung ausgesprochen worden sei. Da es einen solchen Bescheid nicht gebe und bisher niemand verpflichtet worden sei, die Grundstücke anzuschließen, erweise sich der bekämpfte Bescheid als rechtswidrig und sei daher aufzuheben gewesen. Über den Aussetzungsantrag zu entscheiden sei der Gemeinderat nicht zuständig gewesen, darüber hätte der Bürgermeister entscheiden müssen.

Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision wurde damit begründet, dass keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen sei, der grundsätzliche Bedeutung zukäme.

5 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Gemeinderats der Marktgemeinde Apetlon legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.

6 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision begründete der Gemeinderat der Marktgemeinde Apetlon damit, das Landesverwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach es für einen gesetzmäßigen Kanalbenützungsgebührenbescheid nicht Voraussetzung sei, dass ein rechtskräftiger Anschlussverpflichtungsbescheid vorliege, es komme nur auf das Bestehen der Anschlusspflicht selbst an.

11 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

12 Gemäß § 15 Abs. 3 Z 4 FAG 2008 werden die Gemeinden ermächtigt, durch Beschluss der Gemeindevertretung unter anderem Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden, auszuschreiben.

13 Das Burgenländische Gesetz vom 25. Juni 1984 über die Einhebung von Kanalabgaben (Kanalabgabegesetz - KAbG), LGBl. Nr. 41/1984, in der Fassung LGBl. Nr. 11/2015, lautet auszugsweise:

"2. Abschnitt

Kanalisationsbeiträge

§ 2

Allgemeines

...

(9) Anschlussgrundflächen sind Flächen im Sinne des § 1 Abs. 4 Bgld. Kanalanschlussgesetz 1989.

...

§ 5

Anschlussbeitrag

(1) Für jene Anschlussgrundfläche bzw. Teile der Anschlussgrundfläche, für die eine Anschlussverpflichtung oder eine Anschlussbewilligung rechtskräftig ausgesprochen wurde, ist ein Anschlussbeitrag zu erheben.

(2) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe der in Z 1 und Z 2 genannten, mit dem Bewertungsfaktor vervielfachten Flächen.

...

(3) Der Abgabenanspruch entsteht mit der Rechtskraft des Anschlussbescheides bzw. der Anschlussbewilligung.

...

3. Abschnitt

Kanalbenützungsgebühren

§ 10

Allgemeines

(1) Soferne Gemeinden auf Grund bundesgesetzlicher Ermächtigung durch Verordnung des Gemeinderates Gebühren für die Benützung der Kanalisationsanlage vorschreiben, gelten hiefür die Bestimmungen dieses Abschnittes.

(2) Dem Gemeinderat steht es frei, innerhalb der bundesgesetzlichen Ermächtigung hinsichtlich des Abgabengegenstandes, der Entstehung der Abgabenschuld, des Abgabenschuldners und der Fälligkeit von diesem Gesetz abweichende Bestimmungen zu treffen.

§ 11

Höhe der Gebühr

(1) ...

(2) ...

(3) Der Abgabenanspruch entsteht mit Beginn des Monats, in dem erstmalig die Benützung der Kanalisationsanlage möglich ist.

(4) Die Kanalbenützungsgebühr ist mit ihrem Jahresbetrag festzusetzen.

(5) ...

§ 12

Abgabenschuldner

(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer der im § 5 Abs. 1 genannten Anschlussgrundfläche. ...

(2) Ist die im § 5 Abs. 1 genannte Anschlussgrundfläche vermietet, verpachtet oder sonst zum Gebrauch überlassen, so ist die Kanalbenützungsgebühr dem Inhaber (Mieter, Pächter, Fruchtnießer) vorzuschreiben. Der Eigentümer haftet persönlich für die Abgabenschuld.

..."

14 Gemäß § 1 Abs. 4 des Burgenländischen Kanalanschlussgesetzes 1989 sind Anschlussgrundflächen bebaute oder unbebaute Grundflächen, die aus einem oder mehreren benachbarten Grundstücken bestehen, welche eine funktionelle oder wirtschaftliche Einheit bilden.

15 Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Apetlon vom 15. Dezember 2014, Zahl: GR 2012-17/17-4, über die Ausschreibung einer Kanalbenützungsgebühr für das Ortsgebiet von Apetlon (ohne Feriensiedlung Reihersiedlung) lautet auszugsweise:

"Auf Grund der §§ 10, 11, 12 und 13 des Kanalabgabegesetzes, LGBl. Nr. 41/1984 idgF, LGBl. Nr. 72/2013 im Zusammenhalt mit § 15 Abs. 3 Z 4 des Finanzausgleichsgesetzes 2008 - FAG 2008, BGBl. I Nr. 103/2007 idgF, wird verordnet:

§ 1

Zur Deckung der Betriebs- und Instandhaltungskosten der Kanalisationsanlage und zur teilweisen Deckung der Errichtungskosten (ohne Reihersiedlung) werden nach den Bestimmungen des dritten Abschnittes des Kanalabgabegesetzes Kanalbenützungsgebühren erhoben.

§ 2

(1) Die Höhe der Kanalbenützungsgebühr wird mit 1,23 Euro pro m2 Berechnungsfläche gemäß § 5 Abs. 2 KAbG festgesetzt.

(2) Das Beitragsausmaß ergibt sich aus dem mit der Berechnungsfläche vervielfachten Beitragssatz. Die gesetzliche Umsatzsteuer ist gesondert hinzuzurechnen.

§ 3

(1) Zur Entrichtung der Kanalbenützungsgebühr ist der Eigentümer der Anschlussgrundfläche verpflichtet. ...

(2) Ist die Anschlussgrundfläche vermietet, verpachtet oder sonst zum Gebrauch überlassen, ist die Kanalbenützungsgebühr dem Inhaber (Mieter, Pächter, Fruchtnießer) vorzuschreiben. Der Eigentümer haftet persönlich für die Abgabenschuld.

§ 4

Der Abgabenanspruch entsteht mit Beginn des Monats, in dem erstmalig die Benützung der Kanalisationsanlage möglich ist.

..."

16 Aus diesen Vorschriften ergibt sich nicht, dass die Einhebung der Kanalbenützungsgebühr gemäß §§ 10, 11 und 12 des KAbG in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates vom 15. Dezember 2014 von der Existenz eines rechtskräftigen Bescheides über eine Anschlussverpflichtung abhängt. § 12 Abs. 1 KAbG verweist bei der Definition des Abgabenschuldners lediglich auf den Eigentümer der in § 5 Abs. 1 KAbG genannten Anschlussgrundfläche. Ein rechtskräftiger Bescheid über eine Anschlussverpflichtung oder -bewilligung ist nur für den in § 5 KAbG geregelten Anschlussbeitrag erforderlich (vgl. VwGH 25.5.1998, 93/17/0400).

17 Insofern erweist sich das Abstellen des Landesverwaltungsgerichtes auf die Existenz eines rechtskräftigen Anschlussbescheides als nicht ausreichend für die Beurteilung der Frage, ob die Mitbeteiligte zur Entrichtung von Kanalbenützungsgebühren verpflichtet ist.

18 Der Umstand allein, dass die Mitbeteiligte nicht Eigentümerin der Anschlussgrundfläche ist, befreit sie noch nicht von der Verpflichtung zur Entrichtung der Kanalbenützungsgebühr, weil diese nach § 3 Abs. 2 der oben genannten Verordnung (vgl. dazu auch § 12 Abs. 2 KAbG) auch einem Inhaber wie Mieter, Pächter oder Fruchtnießer vorzuschreiben ist, und Feststellungen über das Rechtsverhältnis der Liegenschaftseigentümer zur Mitbeteiligten als Eigentümerin des Superädifikats fehlen.

19 Das angefochtene Erkenntnis war daher - soweit es die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr für das Jahr 2015 betrifft - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

20 Soweit im angefochtenen Erkenntnis auch der Ausspruch des Gemeinderates der Marktgemeinde Apetlon über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung aufgehoben wird, finden sich dazu keine näheren Ausführungen in der Revision, außer die Erklärung, das Erkenntnis des Landesverwaltungsgericht zur Gänze anzufechten.

21 Über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung einer Abgabe ist nach § 212a Abs. 1 BAO von der Abgabenbehörde zu entscheiden. Diese Bestimmung ist gemäß § 288 Abs. 1 BAO bei Bestehen eines zweistufigen Instanzenzuges für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden sinngemäß anzuwenden. In diesem Fall hat daher die Abgabenbehörde erster Instanz und nicht die Berufungsbehörde zu entscheiden (vgl. Ritz, BAO6, § 212a Tz 2), weil auch im Bereich der unmittelbaren Anwendbarkeit des § 212a BAO jene Behörde zuständig ist, deren Entscheidung bekämpft wird, und mit der Entscheidung der Berufungsbehörde über die Berufung bereits der Ablauf der Aussetzung der Einhebung zu verfügen ist (§ 212a Abs. 5 BAO). Da aber der Gemeinderat der Marktgemeinde Apetlon den Aussetzungsantrag der Mitbeteiligten meritorisch erledigte, wurde dieser Spruchpunkt des vor dem Landesverwaltungsgericht bekämpften Bescheides zu Recht aufgehoben. Insoweit erweist sich die Revision als unbegründet.

22 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 6 VwGG abgesehen werden.

23 Ein Zuspruch von Aufwandersatz kam gemäß § 47 Abs. 3 iVm § 50 VwGG (vgl. VwGH 27.7.2016, Ro 2016/17/0019) sowie gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht in Betracht.

Wien, am 1. März 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016160045.L00

Im RIS seit

11.04.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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