TE Vwgh Erkenntnis 2000/3/31 98/02/0126

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Veröffentlicht am 31.03.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

B-VG Art129a;
MRK Art5;
PersFrSchG 1988 Art3 Abs2;
PersFrSchG 1988 Art3 Abs3;
StVO 1960 §100 Abs1;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VStG §11;
VStG §12;
VStG §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Breunlich, über die Beschwerde des J in M, vertreten durch Dr. Gerhard Ochsenhofer, Rechtsanwalt in Oberwart, Schulgasse 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 25. Februar 1998, Zl. K 02/06/97.152/8, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von S 4.565.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 7. Juli 1997 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe sich am 5. November 1996 gegen 16.11 Uhr an einer näher bezeichneten Stelle in Großpetersdorf gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl er verdächtig gewesen sei, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug "um 15.05 Uhr" dieses Tages bis zum Anhalteort gelenkt zu haben. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO begangen, weshalb über ihn eine "Arreststrafe" von drei Wochen verhängt wurde.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 25. Februar 1998 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 VStG der Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass im Tatvorwurf die Lenkzeit richtig "16.05 Uhr" und der Ausdruck "Arreststrafe" richtig "Freiheitsstrafe" zu lauten habe und bei der Sanktionsnorm auch der § 100 Abs. 1 StVO zu zitieren sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

In der Beschwerde wird insbesondere ausgeführt, die belangte Behörde habe die Erstellung eines medizinischen Amtssachverständigengutachtens veranlasst und um Feststellung ersucht, ob auf Grund des Akteninhalts, insbesondere der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen geschlossen werden könne, dass dieser zur Tatzeit aus medizinischen Gründen körperlich nicht in der Lage gewesen sei, einen Alkomattest ordnungsgemäß durchzuführen. In seinem Gutachten komme der Amtssachverständige zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer an einer Lungenentzündung des linken Unterlappens gelitten habe und aus medizinischen Gründen körperlich in der Lage gewesen sei, den Alkomattest ordnungsgemäß durchzuführen. Um den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers zum Tatzeitpunkt endgültig und abschließend beurteilen zu können, hätte die belangte Behörde nach Ansicht des Beschwerdeführers die Erstellung eines medizinischen Amtssachverständigengutachtens veranlassen müssen, jedoch unter vorheriger Untersuchung des Beschwerdeführers. Im konkreten Fall habe der Amtssachverständige das Gutachten lediglich auf Grund des Akteninhalts und der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen erstattet. Dem unvertreten gewesenen und auf Grund seiner Krankheit beeinträchtigten Beschwerdeführer hätte die Möglichkeit dieser "Mitwirkung" bei der Gutachtenserstellung angeboten bzw. aufgetragen werden müssen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer jedoch nicht die Wesentlichkeit eines der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf, zumal es auf die gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers im Tatzeitpunkt ankam und diese vom Amtssachverständigen auf Grund der vorhandenen Hinweise (Zeugenaussagen) über den Tathergang im Zusammenhang mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunden beurteilt werden konnte. Welche darüber hinausgehenden Erkenntnisse für den Amtssachverständige auf Grund einer nachträglichen persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers in Bezug auf den Tatzeitpunkt zu gewinnen gewesen wären, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun. Die belangte Behörde legte im Rahmen einer schlüssigen Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid dar, weshalb sie den Ausführungen des Amtssachverständigen betreffend die Möglichkeit der Ablegung eines gültigen Alkomattests durch den Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt mehr Glauben schenkte als den gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers.

Ferner rügt der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Verhängung der Freiheitsstrafe, dass die belangte Behörde hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers eine Zukunftsprognose gänzlich unterlassen habe. Bei Wahrung des Parteiengehörs hätte die belangte Behörde feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer bereits seit Anfang 1998 seiner ausgeübten Arbeit nicht nachgehen könne und "mit voraussichtlich Juni 1998" eine Pension erhalten werde. Es sei Faktum, dass der Beschwerdeführer sämtliche Übertretungen durch die Fahrt zum Arbeitsplatz begangen habe. Bei ordnungsgemäßer Durchführung des Verfahrens hätte die Behörde feststellen müssen, dass der Beschwerdeführer seiner früheren Arbeit nicht mehr nachgehe und somit einen PKW nicht mehr in Betrieb nehmen werde. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe wäre daher nicht mehr notwendig gewesen, um den Beschwerdeführer von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Zunächst ist zu untersuchen, ob eine Freiheitsstrafe im Sinne des § 11 VStG notwendig ist. Wird dies bejaht - und sieht die Verwaltungsvorschrift eine Strafdrohung von über zwei Wochen vor -, dann ist nach § 12 Abs. 1 VStG weiter zu prüfen, ob besondere Erschwerungsgründe bestehen, die die Verhängung einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen gebieten (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. November 1993, Zl. 93/10/0086, 0089 und 0090).

Die belangte Behörde führte in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid aus, dass gegen den Beschwerdeführer bereits fünf einschlägige Vorstrafen, vier davon wegen Übertretungen des § 5 StVO im Jahre 1996, aufscheinen. Zur Notwendigkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe an Stelle einer Geldstrafe stellte die belangte Behörde fest, dass die wegen der bisherigen Übertretungen verhängten Geldstrafen den Beschwerdeführer nicht abhalten konnten, die gegenständliche neuerliche Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO zu begehen. Es sei zu befürchten, dass ihn eine nochmalige Geldstrafe ebenfalls nicht von einer solchen neuen Straftat abhalten würde. Mit diesen Ausführungen stellte die belangte Behörde hinreichend im Sinne des § 11 Abs. 1 VStG die Notwendigkeit der Verhängung einer Freiheitsstrafe an Stelle (nur) einer Geldstrafe dar.

Ferner kann aus der vom Beschwerdeführer dargelegten Änderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht zwingend geschlossen werden, dass er - wie er in der Beschwerde behauptet - in Hinkunft vom Lenken eines Fahrzeugs in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand Abstand nehmen werde. Gerade das bis zum Tatzeitpunkt beibehaltene uneinsichtige Verhalten des Beschwerdeführers ließ für die Behörde auch keinen Raum für eine zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Prognose im Sinne seiner Beschwerdeausführungen.

Der Beschwerdeführer vertritt zu § 12 Abs. 1 VStG die Ansicht, es müssten nach dieser Bestimmung mindestens zwei Erschwernisgründe für die Verhängung einer zwei Wochen übersteigenden Freiheitsstrafe vorliegen. Die belangte Behörde gehe aber nur von einem besonderen Erschwernisgrund, nämlich dem Vorliegen mehrere gleichartiger Strafen aus.

Dem ist entgegenzuhalten, dass "besondere Erschwernisgründe" im Sinne des § 12 Abs. 1 VStG z.B. schon bei Vorliegen mehrfacher gleichartiger Vorstrafen gegeben sein können (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 829, FN 2 zu § 12 Abs. 1 VStG). Das Vorliegen solcher besonderen Erschwernisgründe war - wie die belangte Behörde zutreffend feststellte - im Beschwerdefall gegeben.

Der Beschwerdeführer bezieht sich ferner auf den Vorbehalt Österreichs zu Art. 5 MRK und vermeint, es seien "Arreststrafen" nur insoweit zulässig, als sie sich auf Tatbestände beziehen würden, die bereits vor dem 3. September 1958 verwaltungsstrafbehördlich strafbar gewesen seien, was hinsichtlich des Straftatbestandes "des § 99 (1) lit. b StVO" nicht zutreffe. Es hätte, wenn überhaupt, nur eine Arreststrafe von höchstens 14 Tagen (§ 16 Abs. 2 VStG) ausgesprochen werden dürfen.

Dem ist die durch das Bundesverfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, geänderte Rechtslage (siehe insbesondere Art. 3 Abs. 2 und 3 leg. cit.) entgegenzuhalten. In den Erläuterungen (134 der Beilagen zu den Stenografischen Protokollen des Nationalrates, XVII. GP; siehe S. 4) wird u.a. ausgeführt, es sehe Art. 3 Abs. 3 des Entwurfes vor, dass die Verhängung einer Freiheitsstrafe wegen einer Verwaltungsübertretung bei einer unabhängigen Behörde anfechtbar sein müsse. Letztlich gehe es darum, ein grundrechtliches Regime zu schaffen, das die Zurückziehung des österreichischen Vorbehalts zu Art. 5 EMRK ermögliche.

Die in den Erläuterungen erwähnten unabhängigen Behörden wurden mittlerweile in Form der unabhängigen Verwaltungssenate geschaffen. Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zu ersehen, dass der vom vorgenannten Bundesverfassungsgesetz vorgesehene Rahmen für die höchstzulässige von einer Verwaltungsbehörde zu verhängende Freiheitsstrafe (vgl. Art. 3 Abs. 2 des vorzitierten Bundesverfassungsgesetzes) im Zusammenhang mit § 99 Abs. 1 lit. b und § 100 Abs. 1 StVO überschritten würde. Außerdem genügt nach § 100 Abs. 1 erster Satz StVO für die Verhängung einer Freiheitsstrafe an Stelle einer Geldstrafe bereits die einmalige Bestrafung einer Person nach § 99 leg. cit. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. März 2000

Schlagworte

Geldstrafe und Arreststrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998020126.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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