TE Lvwg Erkenntnis 2018/2/1 LVwG-AV-1526/001-2017

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Veröffentlicht am 01.02.2018
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Entscheidungsdatum

01.02.2018

Norm

BAO §92
BAO §93
BAO §227
BAO §288 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde des AW vom 6. Oktober 2017 gegen den Bescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeabwasserverbandes *** vom 11. September 2017, Zl. 729/2017, mit welchem ein „Einspruch gegen die Vorschreibung der Kanalgebühren vom Objekt *** in *** ab 2016“ als unzulässig zurückgewiesen wurde, zu Recht:

1.   Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Schreiben vom 14. Mai 2016 (Datum des Einlangens 17. Mai 2016) brachte Herr AW (in der Folge: Beschwerdeführer) beim Gemeindeabwasserverband *** ein als „Einspruch gegen die Vorschreibung der Kanalgebühren vom Objekt *** in *** ab 2016“ bezeichnetes Schreiben ein, in welchem er sich auf sein früheres Schreiben vom 17. Februar 2016 bezüglich Veränderungsanzeige bezog.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 11. September 2017, Zl. 729/2017, wurde dieses Schreiben als Berufung vom Verbandsvorstand des Gemeindeabwasserverbandes *** als unzulässig zurückgewiesen.
Es könne dem Schreiben nicht entnommen werden, welcher Bescheid damit angefochten werden solle. Es sei für die gegenständliche Liegenschaft im zeitlichen Naheverhältnis zu der Eingabe kein Bescheid ergangen, der für eine Anfechtung mittels Berufung in Frage kommen würde.

Im Sitzungsprotokoll des Verbandsvorstandes vom 11. September 2017 wurde dazu unter Tagesordnungspunkt 5 ausgeführt, dass mit der angeführten Eingabe (Einspruch vom 14. Mai 2016 gegen die Vorschreibung der Kanalgebühr ab 2016) gegen die Vorschreibung der quartalsmäßigen Kanalgebühren Einspruch erhoben werde. Die Berufung sei als unzulässig zurückzuweisen, da die Information über das Fälligwerden der Teilbeträge keinen eigenständigen Abgabenbescheid darstelle.

Gegen diesen Bescheid vom 11. September 2017 richtet sich die nunmehrige Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht.

Die Beschwerde vom 6. Oktober 2017 und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Landesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 15. Dezember 2017 zur Entscheidung vorgelegt.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 92. (1) Erledigungen einer Abgabenbehörde sind als Bescheide zu erlassen, wenn sie für einzelne Personen

         a)       Rechte oder Pflichten begründen, abändern oder aufheben, oder

         b)       abgabenrechtlich bedeutsame Tatsachen feststellen, oder

         c)       über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses absprechen.

(2) Bescheide bedürfen der Schriftform, wenn nicht die Abgabenvorschriften die mündliche Form vorschreiben oder gestatten.

§ 93. (1) Für schriftliche Bescheide gelten außer den ihren Inhalt betreffenden besonderen Vorschriften die Bestimmungen der Abs. 2 bis 6, wenn nicht nach gesetzlicher Anordnung die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen genügt.

(2) Jeder Bescheid ist ausdrücklich als solcher zu bezeichnen, er hat den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht.

(3) Der Bescheid hat ferner zu enthalten

         a)       eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen (§ 85 Abs. 1 oder 3) zugrunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;

         b)       eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist, ferner, daß das Rechtsmittel begründet werden muß und daß ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt (§ 254).

(4) Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.

(5) Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben.

(6) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Abgabenbehörde, bei welcher das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel richtig eingebracht, wenn es bei der Abgabenbehörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Abgabenbehörde eingebracht wurde.

§ 227. (1) Vollstreckbar gewordene Abgabenschuldigkeiten sind einzumahnen.

(4) Eine Mahnung ist nicht erforderlich,

a) wenn dem Abgabepflichtigen spätestens eine Woche vor dem Eintritt der Fälligkeit oder, wenn eine Mahnung bis dahin nicht erfolgt sein sollte, spätestens eine Woche vor dem Ablauf einer gesetzlich zustehenden oder durch Bescheid zuerkannten Zahlungsfrist eine Verständigung (Buchungsmitteilung, Lastschriftanzeige) zugesendet wurde, die ihn über Art, Höhe und Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung unterrichtet oder der Abgabepflichtige auf elektronischem Wege (§ 98 Abs. 2) davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass auf dem Abgabenkonto Buchungen erfolgt sind;

§ 243. Gegen Bescheide, die Abgabenbehörden erlassen, sind Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.

§ 260. (1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie

                                     a)     nicht zulässig ist oder

                                     b)     nicht fristgerecht eingebracht wurde.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Wie oben unter 1. zum Sitzungsprotokoll des Verbandsvorstandes vom 11. September 2017 dargestellt, hat das Landesverwaltungsgericht bei der Prüfung der von der Abgabenbehörde vorgelegten Aktenunterlagen festgestellt, dass in dem Protokoll zu dieser Sitzung (TOP 5), in welcher die Berufung des Beschwerdeführers behandelt wurde, kein Beschluss über die erforderliche Begründung der Entscheidung aufscheint bzw. die in der Bescheidausfertigung enthaltene Begründung nicht mit diesem Beschluss übereinstimmt.

Aus dem Protokoll ist zwar ersichtlich, dass der Verbandsvorstand beschlossen hat, die Berufung als unzulässig zurückzuweisen. Über die Begründung der Entscheidung sagt das Sitzungsprotokoll nichts aus bzw. kann dem Sitzungsprotokoll die in der Bescheidausfertigung ausgeführte Begründung nicht entnommen werden.

Es wäre jedoch nach Maßgabe des Gesetzes zwingend erforderlich gewesen, dass der Stadtrat seine Entscheidung auch entsprechend begründet und die maßgebliche Begründung in das Sitzungsprotokoll aufgenommen hätte, zumal der angefochtene Berufungsbescheid vom 11. September 2017, dem dieser Beschluss zugrunde liegt, sehr wohl eine Begründung enthält, welche sich im Sitzungsprotokoll jedoch nicht wiederfindet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwSlg. 11.366 A/1984, sowie VwGH vom 30. April 1985, Zl. 81/05/0090, sowie VwGH vom 19. März 1991, Zl. 86/05/0139, sowie VwGH vom 27. August 1996, Zl. 95/05/0186, sowie VwGH vom 17. Mai 2004, Zl. 2003/06/0149) hat Gegenstand der Beschlussfassung eines Kollegialorganes, wie es der Verbandsvorstand des Gemeindeabwasserverbandes *** ist, sowohl der Spruch der Entscheidung als auch die Grundzüge der Begründung zu sein. Entspricht der Spruch und die Begründung eines Bescheides des Kollegialorganes nicht der vorangegangenen Beschlussfassung des Kollegialorganes, dann ist dies eine der Unzuständigkeit gleichkommende Rechtswidrigkeit, weil diesem Bescheid, welcher nach seinem Erscheinungsbild intendiert, dem Kollegialorgan zugerechnet zu werden, kein entsprechender Beschluss dieses Organs zugrunde liegt; ein solcher Bescheid ist in diesem Fall also so zu betrachten, als ob er von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wäre (vgl. u.a. VwGH vom 12. Juni 1991, Zl. 90/13/0028, sowie VwGH vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0068, sowie VwGH vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/04/0188, sowie VwGH vom 8. März 1994, Zl. 93/08/0273, sowie VwGH vom 16. März 1995, Zl. 94/06/0083, sowie VwGH vom 29. Mai 1996, Zl. 93/13/0008).

Der in Ausfertigung des Sitzungsbeschlusses ergangene Bescheid vom 11. September 2017, der eine eingehende Begründung enthält, entspricht nicht dem Beschluss des Verbandsvorstandes des Gemeindeabwasserverbandes *** vom 11. September 2017, der die in der Bescheidausfertigung ausgeführte Begründung nicht enthält bzw. eine davon abweichende Begründung enthält, sodass der angefochtene Bescheid durch den Beschluss des Kollegialorganes nicht gedeckt und somit rechtswidrig ist.

Da im gegenständlichen Fall die rechtliche Begründung somit lediglich dem Ausfertiger des Berufungsbescheides überlassen worden ist, war der angefochtene Bescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeabwasserverbandes *** wegen Unzuständigkeit als rechtswidrig aufzuheben (vgl. u.a. VwGH vom 23. November 1976, Zlen. 2086, 2087/76, sowie VwGH vom 15. Februar 1977, Zl. 2266/76, sowie VwGH vom 30. April 1985, Zl. 81/05/0090), wobei Verletzungen von Rechten des Beschwerdeführers betreffend die Entscheidung durch eine unzuständige Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. VwGH vom 20. März 1984, Zl. 83/05/0137) selbst dann wahrzunehmen sind, wenn sie nicht geltend gemacht wurden.

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde erweist sich bereits aus diesem Grund infolge Unzuständigkeit als rechtswidrig. Der Beschwerde war daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben, ohne auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Sache näher einzugehen.

3.2.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und steht bereits aufgrund der Aktenlage fest, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.3. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.1.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Abgabe; Abgabenbescheid; Kanalbenützungsgebühr; Beschlussdeckung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1526.001.2017

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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