TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/7 97/19/1803

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Veröffentlicht am 07.04.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §63 Abs5;
AVG §71 Abs1 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/1804

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Zens, Dr. Bayjones und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerden der am 5. April 1939 geborenen H B in Pottenbrunn, vertreten durch Dr. H, Dr. L und Mag. F, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 12. Dezember 1997, 1.) zu Zl. 121.799/9-III/11/97, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Berufungsfrist und 2.) zu Zl. 121.799/2-III/11/97, betreffend Zurückweisung einer Berufung, jeweils in einer Angelegenheit des Aufenthaltsgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der zweitangefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 14. Juni 1996 bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.

Mit Bescheid vom 20. Februar 1997 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes in Verbindung mit § 10 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1992 ab. Adressiert war der Bescheid an die von der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag angegebene Adresse in P. Auf dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein scheinen auf: 1.) ein Tagesstempel mit dem Datum 4. März 1997 des Postamtes 3140 P,

2.) die Angabe, dass am 4. März 1997 ein erster Zustellversuch stattgefunden habe und die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches in den Briefkasten eingelegt worden sei, 3.) im Feld "Übernahmsbestätigung" die Datumsangabe "4.03.1997", eine Unterschrift sowie das angekreuzte Feld "Empfänger" und 4.) eine Paraphe im Feld "Zusteller".

Mit am 19. März 1997 zur Post gegebenem Schriftsatz erhob die Beschwerdeführerin, erstmals anwaltlich vertreten, Berufung.

Mit Schreiben vom 24. April 1997 wurde die Beschwerdeführerin vom Bundesminister für Inneres aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, dass aus dem Rückschein entnommen werden könne, dass die Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz am 4. März 1997 erfolgt sei, die Berufung jedoch erst am 19. März 1997 (laut Poststempel), also anscheinend verspätet, eingelangt sei.

Mit Schriftsatz vom 30. April 1997 brachte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin vor, ihm liege das Originalkuvert "hinsichtlich der eigenhändigen Zustellung" vor. Auf diesem Originalkuvert sei vermerkt, dass anscheinend am 4. März 1997 am Postamt P das gegenständliche Schriftstück eingelangt sei und die Zustellung für den 5. März 1997 angekündigt worden sei. Auf Grund dieses Umstandes ergebe sich, dass am 4. März 1997 die Zustellung nicht bewirkt werden konnte, weil ja die Zustellung erst für den 5. März 1997 angekündigt worden war. Bei der Datierung des Rückscheines dürfe es sich "anscheinend" allenfalls um einen Irrtum handeln. Es werde daher beantragt, das Zustellorgan hinsichtlich des Zustellvorganges zu vernehmen.

Mit Schriftsatz vom 12. Mai 1997 gab der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin dem Bundesminister für Inneres bekannt, ein zweiter Zustellversuch sei für den 5. März 1997 angekündigt worden, möglicherweise sei das Schriftstück durch das Postamt P am 4. März 1997 entgegengenommen worden. Dagegen spreche jedoch, dass laut dem Stempelaufdruck auf der Vorderseite des Schriftstückes (gemeint: des Kuverts) als Versendetag der 7. März 1997 aufscheine. Unter Berücksichtigung der Richtigkeit des Versendedatums würde sich somit ergeben, dass weder der Tag der Ankündigung noch der Tag der Entgegennahme des Schriftstückes durch das Postamt Pottenbrunn richtig vermerkt worden sei. Es werde somit der Antrag auf Einvernahme des Zustellorgans hinsichtlich des Zustellvorgangs bei der Anbringung der Vermerke aufrecht erhalten. Nach neuerlicher Rücksprache mit der Beschwerdeführerin sei in Erfahrung zu bringen gewesen, dass diese das Schriftstück direkt vom Postbeamten ausgefolgt erhalten habe. Es bestehe somit die Möglichkeit, dass das Schriftstück "tatsächlich" direkt vom Postbeamten vor Durchführung des zweiten Zustellversuches ausgefolgt worden sei, es sei jedoch noch immer unklar, an welchem Tag diese Zustellung erfolgt sein könnte. Laut dem Absendedatum 7. März 1997 könne dies weder der 4. März 1997 noch der 5. März 1997 gewesen sein. Auf Grund der Sprachprobleme habe auch unter Beiziehung eines Dolmetschers von der Beschwerdeführerin keine genauere Aufklärung erlangt werden können. Fest stehe jedenfalls, dass der Tag der erfolgten Zustellung durch das Zustellorgan richtig zu vermerken gewesen wäre, sodass ein allfälliger daraus entstandener Irrtum jedenfalls als ein nur geringes Verschulden der Einschreiterin anzusehen sei. Von der allfälligen Fristversäumnis habe die Beschwerdeführerin erst mit dem am 28. April 1997 zugestellten Schreiben des Bundesministers für Inneres vom 24. April 1997 Kenntnis erlangt, "in eventu" (gemeint offenbar: aus Gründen der prozessualen Vorsicht) werde daher der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Erhebung der Berufung gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Februar 1997 gestellt. Beigeschlossen findet sich im Verwaltungsakt eine Kopie des Briefkuverts, das nach den Angaben der Beschwerdeführerin die Bescheidausfertigung enthalten hat. Auf der Vorderseite des Kuverts findet sich ein Poststempel mit unleserbarer Ortsangabe und der Datumsangabe "7.3.97". Auf der Rückseite des Kuverts scheint ein rechteckiger Stempel auf. In der Zeile "Angekündigt für den" ist handschriftlich "5.3.97" eingetragen. Auf der Rückseite des Kuverts scheint ferner ein Poststempel des Postamtes P mit der Datumsangabe 4. März 1997 auf.

Mit Schreiben vom 21. Mai 1997 forderte der Bundesminister für Inneres das Postamt P auf mitzuteilen, wann genau der Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. Februar 1997 der Beschwerdeführerin zugestellt worden sei. Laut einer handschriftlichen Stellungnahme des Postamtes P vom 27. Mai 1997 sei der Rückscheinbrief am 4. März 1997 vom Zusteller für den 5. März 1997 angekündigt, der Brief sei jedoch am 4. März 1997 beim Schalter abgeholt worden.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 1997 wies der Landeshauptmann von Niederösterreich den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG ab. Begründend wurde ausgeführt, der Bescheid vom 20. Februar 1997 sei an die Beschwerdeführerin mit RSa-Kuvert abgeschickt worden. Diese habe die am 4. März 1997 erfolgte Zustellung in der Übernahmsbestätigungsrubrik des Rückscheinabschnittes "unterschriftlich bekundet". Der die Abweisung des Antrags auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz enthaltende Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich sei "in der Folge rechtskräftig geworden". Das zum Zustellvorgang zur Äußerung aufgeforderte Postamt P habe bestätigt, dass die Zustellung des RSa-Briefes vom Zusteller am 4. März 1997 für den 5. März 1997 angekündigt worden sei, die Übernahme sei dann aber schon am 4. März 1997 durch die Beschwerdeführerin persönlich erfolgt. Bei Fristversäumnis sei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen. Das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 AVG sei glaubhaft zu machen. Überprüfe man die Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag dahin, ob die dargelegten, erhobenen Voraussetzungen erfüllt seien, sei festzuhalten, dass dies nicht der Fall sei.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, das Postamt P habe selbstverständlich nur bekannt geben können, dass nach seinen Aufzeichnungen die Hinterlegung für den 5. März 1997 angekündigt worden sei, dies ergebe sich ja bereits aus den auf dem Kuvert vermerkten Daten. Seitens der Beschwerdeführerin sei aber ausdrücklich darauf verwiesen worden, dass auf dem Zustellkuvert der 7. März 1997 als Versendetag aufscheine. Wenn somit von Seiten des Postamtes P bekannt gegeben werde, dass die Zustellung am 4. März für den 5. März 1997 angekündigt worden sei, so könne diese Aussage nur für das Postamt P gelten. Dieses Postamt könne aber keine Auskünfte über die Versendevorgänge des Versendepostamtes erteilen. Dies jedoch wäre jedenfalls einer Überprüfung zuzuführen gewesen. Ein Brief, der am 7. März 1997 in Wien zur Post gegeben worden sei, könne nicht am 4. März 1997 beim Postamt P eingelangt sein. Eines der beiden Postämter habe jedenfalls einen Fehler begangen, welcher für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar sei. Bei entsprechender Überprüfung hätte sich jedenfalls ergeben, dass ein der Behörde zuzurechnender Zustellmangel vorliege, sodass die Beschwerdeführerin auch für den Fall eines Irrtums jedenfalls nur einen entschuldbaren Irrtum begangen hätte, sodass "bei Durchführung des Überprüfungsverfahrens dem Antrag auf Wiedereinsetzung jedenfalls stattzugeben gewesen wäre". Den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Wiedereinsetzungsantrag sei ebenso wenig Rechnung getragen worden wie ihren Angaben in der Bekanntgabe vom 12. Mai 1997. Auch habe eine Beweiswürdigung nicht stattgefunden. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die Behörde zu der Erkenntnis gelangen müssen, dass die Beschwerdeführerin jedenfalls berechtigt gewesen sei, die Berufungsfrist ab dem 7. März 1997 zu berechnen und somit keine Fristversäumnis vorliege, jedenfalls aber nur ein minderer Grad des Versehens vorliege.

Mit Bescheid vom 12. März 1997 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Februar 1997 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. In der Begründung wurde ausgeführt, Berufungen seien gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am 4. März 1997 erfolgt sei und die Berufung erst am 19. März 1997 und daher verspätet eingebracht worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Mit Bescheid vom selben Tag wies der Bundesminister für Inneres auch die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 28. Oktober 1997, mit dem ihr Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 71 AVG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe am 14. Juni 1996 einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung gestellt, der mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Februar 1997, der am 4. März 1997 persönlich zugestellt worden sei, abgewiesen worden sei. Am 19. März 1997, somit verspätet, habe sie durch ihren Rechtsvertreter eine Berufung eingebracht und mit 12. Mai 1997 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Dieser Antrag sei damit begründet worden, dass die Ankündigung des zweiten Zustellversuchs zwar für den 5. März 1997 erfolgt sei, jedoch möglicherweise das Schriftstück durch das Postamt P bereits am 4. März 1997 entgegen genommen worden sei. Gegen diesen Umstand spreche jedoch, dass laut Stempelaufdruck auf der Vorderseite des Schriftstückes als Versendetag der 7. März 1997 aufscheine. Auf Grunde der "Sprachproblematik" der Beschwerdeführerin habe ihr Rechtsvertreter lediglich vorgegeben, dass als einziger erwiesener Umstand derjenige ihrer direkten Übernahme des Briefes "vor dem Postbeamten" genannt werden könne. Es stehe fest, dass sich auch ein Fremder, bei welchem ein ihm bekanntes Verfahren im Gange sei und über welches bescheidmäßigen in Form eines amtlichen Schriftstückes abgesprochen werde, über dessen Wichtigkeit bewusst sein müsse. Es liege sohin in seinem eigenen Verschulden, wenn er es unterlasse, zeitgerecht das ordentliche Rechtsmittel einzubringen. Dieser Umstand werde durch den im Verwaltungsakt einliegenden Rückschein "durch persönliche Unterschrift" bekräftigt. Im Falle der Beschwerdeführerin könne daher weder von einem unvorhergesehenen noch unabwendbaren Ereignis gesprochen werden, weil sie den Bescheid persönlich bereits am 4. März 1997 übernommen habe und es sich sohin offensichtlich um eine verspätete Berufungseinbringung handle. Letztlich werde durch die erkennende Behörde "auch noch betont, dass die Berufung gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolgen hätte müssen". Im Falle der Beschwerdeführerin sei die Berufung mit 19. März 1997 und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG mit 12. Mai 1997, also einige Wochen danach, getrennt eingebracht worden. Es seien somit in ihrem Falle die Voraussetzungen des § 71 AVG nicht gegeben.

Gegen diese Bescheide des Bundesminister für Inneres richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof, nach ihrer Verbindung auf Grund ihres rechtlichen, persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung, erwogen hat:

Bei den angefochtenen Bescheiden handelt es sich nicht um solche, mit denen Anträge auf Verlängerungen von Aufenthaltsbewilligungen abgewiesen wurden. Die angefochtenen Bescheide sind demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 und 7 des Fremdengestzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.

Die maßgeblichen Bestimmungen des AVG lauteten in der für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung (auszugsweise):

"§ 63.

...

(5) Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. ...

...

§ 66.

...

(4) Außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurück zu weisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. ...

...

§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist ... ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, ... und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, ..."

1. Zur Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid (Zurückweisung der Berufung):

Die belangte Behörde stützt ihre Annahme, die Beschwerdeführerin habe die Ausfertigung des Bescheides der Behörde erster Instanz vom 20. Februar 1997 am 4. März 1997 selbst übernommen, auf den im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein.

Zwar ist einzuräumen, dass die Angaben auf dem in Rede stehenden Rückschein - dies wird von der Beschwerdeführerin auch gar nicht in Frage gestellt - für den Fall ihres Zutreffens für eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 4. März 1997 sprächen. Damit stünden auch die Angaben auf der Rückseite des Briefkuverts im Einklang.

Allerdings hat die Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsverfahren, und zwar unmissverständlich, darauf hingewiesen, dass der Poststempel des Aufgabepostamtes auf dem Kuvert des Rückscheinbriefes die Datumsangabe 7. März 1997 trage. Eine Kopie des Kuverts, die diesen Stempel zeigt, legte die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vor. Mit diesem Vorbringen brachte sie zum Ausdruck, dass ihrer Ansicht nach die Zustellung erst frühestens am 7. März 1997 erfolgt sein konnte. Da es offensichtlich ist, dass bei Zutreffen dieser Datumsangabe (7. März 1997) die übrigen Datumsangaben - auf dem Rückschein sowie auf dem Kuvert - unrichtig wären und rechtlich daraus die Rechtzeitigkeit der unbestritten am 19. März 1997 zur Post gegebenen Berufung folgte, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, diesen Widerspruch aufzuklären, wozu sie, wie die Beschwerdeführerin beantragt hatte, einerseits den Zusteller einzuvernehmen und andererseits den Zeitpunkt der Entgegennahme des Schriftstücks durch das Aufgabepostamt zu ermitteln gehabt hätte. Sie hätte sich im Rahmen dieser Ermittlungen auch das Originalkuvert von der Beschwerdeführerin vorlegen lassen können. Ihre Ermittlungsergebnisse wären dann freilich einer entsprechenden Beweiswürdigung zugänglich gewesen.

Die belangte Behörde hat das Vorbringen der Beschwerdeführerin zwar in ihrer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens kurz erwähnt, sich damit aber inhaltlich nicht auseinander gesetzt. Insbesondere enthält der angefochtene Bescheid keine im Hinblick auf die gebotenen Ermittlungen nachvollziehbare Beweiswürdigung. Nach der Aktenlage ist auch weder eine Einvernahme des Zustellers noch eine Klärung des Zeitpunkt der Entgegennahme des Schriftstücks durch das Aufgabepostamt erfolgt.

Da der belangten Behörde somit Verfahrensfehler unterlaufen sind, bei deren Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der zweitangefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

2. Zum erstangefochtenen Bescheid (Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages):

Die belangte Behörde verkennt zunächst die Rechtslage, wenn sie meint, ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nur unter gleichzeitiger Nachholung der versäumten Handlung gestellt werden. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 Abs. 3 AVG ist nur eine bisher noch nicht gesetzte Handlung spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen. Eine bereits gesetzte Prozesshandlung muss nicht wiederholt werden. Dessen ungeachtet ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden:

Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt voraus, dass die Partei "durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Um welches unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, das die Partei an der Einhaltung der Frist hindert, es sich handelt, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beschreiben (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, Seite 1601 f (E 298) wiedergegebene hg. Judikatur). Diesen Erfordernissen wurde der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin jedoch nicht gerecht.

Selbst wenn ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entnehmen wäre, sie habe davon ausgehen können, dass ihr der erstinstanzliche Bescheid nicht vor dem 7. März 1997 zugestellt worden sei, wäre dieses Vorbringen insofern untauglich, als die Fristversäumnis Voraussetzung für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung darstellt. Hat eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides aber vor dem 7. März 1997 stattgefunden und wurde der Bescheid von der Beschwerdeführerin persönlich übernommen, so könnte ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das die Beschwerdeführerin an der Einhaltung der Beschwerdeführerin gehindert hätte, nur darin gelegen sein, dass sie auf Grund besonderer Umstände zur Rekonstruktion des Zustelldatums zu einem späteren Zeitpunkt ausschließlich auf den Versendestempel auf der Vorderseite des Kuverts angewiesen war, der ihr nahe legen konnte, dass die Zustellung erst am 7. März 1997 statt fand. Ein konkretes Vorbringen, wonach solche besonderen Umstände vorgelegen seien, hat die Beschwerdeführerin jedoch nicht erstattet. Irrte die Beschwerdeführerin hingegen über den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides und gab sie ihrem im Verwaltungsverfahren einschreitenden Rechtsvertreter unter Vorlage des Originalkuverts als Zustelldatum den 7. März 1997 an, so wäre ihr ein Verschulden an der Versäumung zur Last zu legen, das einen bloß minderen Grad des Versehens übersteigt (vgl. in diesem Zusammenhang den hg. Beschluss vom 26. Juni 1998, Zlen. 95/19/0811, 1453).

Durch die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages wurde die Beschwerdeführerin demnach - ungeachtet der zum Teil auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhenden Begründung der belangten Behörde - nicht in Rechten verletzt.

Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 7. April 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997191803.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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