TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/21 W238 2177200-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.03.2018
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Entscheidungsdatum

21.03.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §43
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W238 2177200-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 05.10.2017, OB XXXX , betreffend Einziehung des Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer verfügte ab 25.10.2007 über einen Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

2. Am 21.03.2017 beantragte er beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), die Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass. Seinem Antrag legte er medizinische Beweismittel bei.

3. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 27.06.2017 erstatteten - Gutachten vom 04.09.2017 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:

"Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand: normal

Ernährungszustand: normal

...

Klinischer Status - Fachstatus:

Haut: Rosiges Kolorit

Sichtbare Schleimhäute: feucht, gut durchblutet

Kopf: Capilitium unauffällig

Augen: unauffällig, Visus mit eigener Korrektur rechts 0,05, links 1,0

Gehör: unauffällig

Hals: Schilddrüse palpatorisch unauffällig, schluckverschieblich, keine Lymphknoten palpabel

Thorax: symmetrisc

Herz: normofrequent, Hertöne rein und rhythmisch

Lunge: Vesikuläratmen

Abdomen: über Thoraxniveau, weich, kein Druckschmerz, Leber am Rippenbogen, Milz nicht palpabel, Darmgeräusche unauffällig

Nierenlager: nicht klopfdolent

Wirbelsäule:

Becken- und Schulterstand gerade

Halswirbelsäule: Kinn-Jugulum-Abstand 2 QF, Rotation bds. 50°, Seitneigen bds. 40°

Brustwirbelsäule: Seitneigen bds. bis knapp über die Kniegelenke

Lendenwirbelsäule: nicht klopfdolent

Vorbeugen: FBA 25 cm bei durchgestreckten Kniegelenken, 0 bei gebeugten Rückbeugen: 20°

Obere Extremitäten:

Schultergelenke: Arme vorhalten und seitlich 140°, Nacken- und Schürzengriff bds. möglich

Ellenbogengelenke: Beugung, Streckung und Unterarmdrehung unauffällig

Handgelenke und Finger: unauffällig, Grob- und Spitzgriff bds. durchführbar, Faustschluß bds. vollständig möglich, Kraftgrad 5 bds.

Untere Extremitäten:

Keine Beinödeme, Fußpulse gut palpabel, Beinlänge seitengleich

Hüftgelenke: bds. S 0-0-120, R 40-0-20

Kniegelenke: bds. S 0-0-140

Sprunggelenke: bds. S 30-0-40,

Zehen- und Fersenstand bds. möglich Kraftgrad 5 bds.

Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt alleine, selbst gehend mit normalen Schuhen ohne Gehhilfe zur Untersuchung. Gangbild: unauffälliger, sicherer Gang

Status Psychicus: wach, voll orientiert, gut kontaktfähig, Stimmung und Affekt unauffällig, Antrieb normal, Ductus kohärent, Gedächtnis unauffällig, emotionale Kontrolle gut, soziale Funktionsfähigkeit gut."

Als Ergebnis der Begutachtung wurden die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Pos.Nr.

GdB %

1

Aortenklappenstenose - erfolgreich operiertes Vitium Wahl dieser Richtsatzposition bei erfolgreich sanierter Aortenklappenstenose und anhaltend gutem Angioplastieergebnis mit Zustand nach Implantation eines Stents in die LAD 2007 mit guter Leistungsfähigkeit (Ergometrie mit 134 % - 240 Watt am Ende des Rehabaufenthaltes in Groß Gerungs im Herbst 2016), fixer Rahmensatz.

05.06.04

30

2

Amblyopie rechts Wahl dieser Richtsatzposition bei Minderung der Sehschärfe des rechten Auges, fixer Rahmensatz gemäß Tabelle Kolumne 8, Zeile 1.

11.02.01

30

3

Arterielle Hypertonie Wahl dieser Richtsatzposition bei einfachem Bluthochdruck, fixer Rahmensatz.

05.01.01

10

zugeordnet und

nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch die übrigen Leiden mangels nachteiliger wechselseitiger Beeinflussung nicht erhöht werde. Es handle sich um einen Dauerzustand. Hinsichtlich der Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten (Anm.: vom 03.10.2007) wurde seitens des Sachverständigen festgehalten, dass Leiden 1 des Vorgutachtens (Aorteninsuffizienz und koronare Eingefäßerkrankung bei Zustand nach Stentimplantation) nach erfolgreicher Sanierung der Aortenklappenstenose, bei guter Leistungsfähigkeit und aufgrund der Änderung der Einschätzungsgrundlage (EVO statt RVO) um eine Stufe herabgesetzt werde. Leiden 2 des Vorgutachtens (Praktische Einäugigkeit links bei Innenschielen) bleibe unverändert, Leiden 3 sei neu hinzugekommen. Insgesamt komme es zu einer Absenkung des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen.

Dieses Gutachten wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 07.09.2017 dem Parteiengehör unterzogen.

4. Mit Schreiben vom 29.09.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am 05.10.2017, erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gegen das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens. Er brachte im Wesentlichen vor, dass im Rahmen einer Rehabilitation bei der ärztlichen Schlussuntersuchung am 21.09.2017 Unregelmäßigkeiten im Herzultraschall festgestellt worden seien. Die daraufhin erfolgte Fahrrad-Ergometrie habe wegen zu hoher Blutdruckwerte bei 72 Watt abgebrochen werden müssen. Beim ärztlichen Endgespräch sei ihm zudem mitgeteilt worden, dass eine neuerliche Verkalkung eingetreten sei. Es sei ein Beobachtungszeitraum von drei Monaten festgelegt worden, danach sollte eine weitere Untersuchung mit Herzultraschall im Krankenhaus XXXX erfolgen. Den Abschlussbericht werde er nach Erhalt umgehend vorlegen. Zudem müsse die in der Anamnese festgehaltene Prostatahyperplasie nun operativ behandelt werden. Abschließend ersuchte der Beschwerdeführer um "aufschiebende Wirkung der Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass" zumindest bis zum Ergebnis der nächsten Herzuntersuchung in drei Monaten.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 05.10.2017 wurde gemäß §§ 41, 43 und 45 BBG ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle. Begründend stützte sich die belangte Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Dem Beschwerdeführer sei mit Schreiben vom 07.09.2017 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, könne vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden. In rechtlicher Hinsicht zog die belangte Behörde § 43 Abs. 1 BBG heran, wonach der Behindertenpass bei Wegfall der Voraussetzungen einzuziehen ist.

Als Beilage zum Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (erneut) das Sachverständigengutachten vom 04.09.2017 übermittelt.

6. In einem Aktenvermerk der Behörde vom 11.10.2017 wurde festgehalten, dass die Stellungnahme des Beschwerdeführers am 05.10.2017 eingelangt, aber erst am 11.10.2017 von der zuständigen Stelle weitergeleitet worden sei. Der Bescheid sei am 05.10.2017 approbiert und am 06.10.2017 versendet worden, weshalb die Stellungnahme nicht mehr berücksichtigt werden habe können.

7. Gegen den Bescheid vom 05.10.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er mit Einschreiben vom 29.09.2017 fristgerecht mitgeteilt habe, dass bei einer Herzuntersuchung neuerlich ein Problem an seiner Herzklappe festgestellt worden sei. Bei weiteren Untersuchungen sei eine Zunahme der Gradienten über der Bioklappe festgestellt und eine CT-Untersuchung zur Beurteilung der Bioklappe angeordnet worden. Die CT-Untersuchung habe am 03.11.2017 stattgefunden, der Befund stehe noch aus. Der Beschwerdeführer ersuchte erneut um "aufschiebende Wirkung der Neufestsetzung des Grades der Behinderung", bis das Ergebnis der Untersuchung feststehe.

8. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 21.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

9. Seitens des Beschwerdeführers wurden keine Befunde nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Dem Beschwerdeführer wurde am 25.10.2007 ein Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

Am 21.03.2017 stellte er einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades seiner Behinderung im Behindertenpass.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle. Sein Behindertenpass wurde eingezogen.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern:

1) Aortenklappenstenose - erfolgreich operiertes Vitium, anhaltend gutes Angioplastieergebnis bei Zustand nach Implantation eines Stents in die LAD 2007 mit guter Leistungsfähigkeit;

2) Amblyopie rechts bei Minderung der Sehschärfe des rechten Auges;

3) Arterielle Hypertonie (leicht).

Hinsichtlich der beim Beschwerdeführer bestehenden Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, medizinischer Einschätzung und wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde vom 04.09.2017 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt 30 v.H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses, zum Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung sowie zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides basieren auf dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.3. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für Augenheilkunde vom 04.09.2017. Darin wird auf die Leiden des Beschwerdeführers, deren Ausmaß und wechselseitige Leidensbeeinflussung vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.

Der vorliegende Sachverständigenbeweis vom 04.09.2017 wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes für schlüssig erachtet. Die getroffene Einschätzung, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen Befund, entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

Das Sachverständigengutachten setzt sich ausführlich und nachvollziehbar mit den vom Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden auseinander, die nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt werden konnte.

Soweit das von der belangten Behörde eingeholte Gutachten in seiner Einschätzung von dem noch auf Basis der Richtsatzverordnung erstatteten Vorgutachten vom 03.10.2007 abweicht, wurde vom befassten Sachverständigen begründend insbesondere ausgeführt, dass Leiden 1 des Vorgutachtens (Aorteninsuffizienz und koronare Eingefäßerkrankung bei Zustand nach Stentimplantation) nach erfolgreicher Sanierung der Aortenklappenstenose bei guter Leistungsfähigkeit und in Folge Anwendung der Einschätzungsverordnung um eine Stufe herabgesetzt werde. Leiden 2 des Vorgutachtens (Praktische Einäugigkeit links bei Innenschielen) bleibe unverändert. Leiden 3 (Arterielle Hypertonie) sei neu erfasst worden.

Die Absenkung des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen resultiert aus der operativen Sanierung der Aortenklappenstenose. Die vom Sachverständigen herangezogene Positionsnummer 05.06.04 sieht der - in der nachfolgenden rechtlichen Beurteilung teilweise wiedergegebenen - Anlage zur Einschätzungsverordnung zufolge bei Vorliegen eines erfolgreich operierten Vitiums einen fixen Rahmensatz von 30 v.H. vor. Die bestehende leichte arterielle Hypertonie wurde in die Diagnoseliste aufgenommen und zutreffend der Positionsnummer 05.01.01 mit einem fixen Rahmensatz von 10 v.H. zugeordnet. Wie im Sachverständigengutachten schlüssig ausgeführt wurde, bewirken die Leiden 2 und 3 keine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung, da keine negative wechselseitige Beeinflussung mit dem führenden Leiden 1 besteht.

Die Einwendungen im Rahmen der Beschwerde waren nicht geeignet, eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Vom Beschwerdeführer wurde zwar - wie bereits im Rahmen des Parteiengehörs vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - unter Bezugnahme auf aktuelle Untersuchungen eine Verschlechterung seines Herzleidens geltend gemacht und die Vorlage von Befunden in Aussicht gestellt. Er hat es jedoch letztlich verabsäumt, sein Vorbringen durch Beibringung von medizinischen Beweismitteln zu objektivieren. Weder legte er seiner Beschwerde Befunde bei noch reichte er Befunde nach. Für eine "aufschiebende Wirkung" im Sinne eines verpflichtenden Zuwartens mit der Entscheidung bis zum Vorliegen angekündigter Unterlagen mangelt es an einer gesetzlichen Grundlage, zumal der Beschwerdeführer dem Bundesverwaltungsgericht nicht einmal die Ergebnisse der CT-Untersuchung vom 03.11.2017 mitgeteilt hat. In dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten wurde das Herzleiden des Beschwerdeführers den Ergebnissen der klinischen Untersuchung und der Befundlage entsprechend eingeschätzt. Da auch im Zuge des Beschwerdeverfahrens keine weiteren Befunde in Vorlage gebracht wurden, sah sich das erkennende Gericht nicht veranlasst, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen.

Der Beschwerdeführer, dem es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl die getroffene Einschätzung des Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten vom 04.09.2017 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen getreten.

Im Ergebnis wurde weder durch entsprechend aussagekräftige Befunde noch durch ein substantiiertes Vorbringen des Beschwerdeführers aufgezeigt, dass eine höhere Einschätzung seiner Leiden hätte erfolgen müssen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes besteht kein Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 04.09.2017. Es wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(...)"

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

(...)"

3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

3.4. Die Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sieht - soweit für den Beschwerdefall relevant - auszugsweise Folgendes vor (geringfügige Formatierungsänderungen durch das Bundesverwaltungsgericht):

"05.06 Herzklappenstenosen

Aortenklappenstenose

05.06.04 Erfolgreich operiertes Vitium 30 %"

"11.02 Sehstörungen

...

Anm.: Tabelle nicht darstellbar."

"05.01 Hypertonie

Liegt eine schwerere (über mäßig hinausgehende) Hypertonie vor, stehen die Folgeerkrankungen weit im Vordergrund. Es sind folglich diese Funktionseinschränkungen einzuschätzen.

Die ursächliche Hypertonie ist bei dieser Einschätzung dann mit umfasst.

05.01.01 Leichte Hypertonie 10 %"

3.5. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - (erstmals) nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).

Gegenständlich wurde seitens der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eingeholt, das auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstattet wurde und den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen entspricht.

3.6. Wie oben unter Punkt II.2.3. eingehend ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 04.09.2017 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den Sachverständigenbeweis zu entkräften.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt 30 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. sind die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht (mehr) erfüllt.

Da der Behindertenpass gemäß § 43 Abs. 1 BBG bei Wegfall der Voraussetzungen einzuziehen ist, war die Beschwerde spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

3.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.7.1. Nach § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG). Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 leg.cit. normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH). Gemäß Abs. 3 leg.cit. hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Gemäß Abs. 4 leg.cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.7.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und dem im Verwaltungsverfahren eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erkannten - Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, dem der Beschwerdeführer weder auf gleicher fachlicher Ebene noch durch ein sonst substantiiertes Vorbringen entgegengetreten ist. Der Beschwerdeführer hat es insbesondere unterlassen, sein Vorbringen durch Vorlage medizinsicher Beweismittel zu objektivieren. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Einziehung, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W238.2177200.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.04.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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