TE Lvwg Erkenntnis 2018/3/26 LVwG-2018/20/0211-4

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Veröffentlicht am 26.03.2018
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Entscheidungsdatum

26.03.2018

Index

90/01 Straßenverkehrsrecht

Norm

StVO 1960 §5 Abs1
StVO 1960 §99 Abs1 lita
StVO 1960 §4 Abs1 lita
StVO 1960 §4 Abs1 lic
StVO 1960 §4 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde des Herrn AA, Z, vertreten durch Herrn RA BB, Z, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 09.01.2018, Zahl ****, betreffend Übertretungen der StVO nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

I.

1.   Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses wird als unbegründet abgewiesen

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird insoweit richtig gestellt, als der Tatzeitpunkt „ca 15.00 Uhr“ lautet.

Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind € 440,--, zu bezahlen.

2.   Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses wird als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird insoweit richtig gestellt, als der Tatzeitpunkt „ca 15.00 Uhr“ lautet.

Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind € 40,--, zu bezahlen.

3.   Die Beschwerde betreffend Spruchpunkt 3. des angefochtenen Straferkenntnisses wird als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird insoweit richtig gestellt, als der Tatzeitpunkt „ca 15.00 Uhr“ lautet.

Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Strafe, das sind € 40,--, zu bezahlen.

4.   Der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt 4. des angefochtenen Straferkenntnisses wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gem § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Es fällt hinsichtlich dieses Spruchpunktes kein Beitrag zu den Kosten des behördlichen und verwaltungsgerichtlichen Verfahrens an.

II.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer Folgendes vorgeworfen:

„Tatzeit: 1. 27.10.2017 um 15.34 Uhr

                  2-4. 27.10.2017 um 15.34 Uhr

Tatort:          1. Gemeinde Z, auf der Adresse 1

                  2-4. Gemeinde Z, auf der Adresse 2, auf Höhe Nr. 15,

Fahrzeug(e): PKW, ****

1. Sie haben das angeführte Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Der Test am geeichten Alkomaten ergab einen Alkoholgehalt der Atemluft von 1,50 mg/l.

2. Sie sind als Lenker/in des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.

3. Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die beteiligte(n) Person(en), einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.

4.Sie sind mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da Sie es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht haben, Ihre körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

1. § 99 Abs 1 lit. a i.V.m. 5 Abs 1 StVO

2. § 4 Abs 1 lit a StVO

3. § 4 Abs 5 StVO

4. § 4 Abs 1 lit c StVO

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurden folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Euro:

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von:

Freiheitsstrafe von:

Gemäß:

1.) 2.200,00

429 Stunden

---

§ 99 Abs 1 lit a StVO

2.) 200,00

99 Stunden

---

§ 99 Abs 2 lit a StVO

3.) 200,00

92 Stunden

---

§ 99 Abs 3 lit b StVO

4.) 200,00

99 Stunden

---

§ 99 Abs 2 lit a StVO

Weiters wurden Verfahrenskostenbeiträge vorgeschrieben.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. In dieser wurde in Bezug auf den Schuldvorwurf laut Spruchpunkt 1. insbesondere vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Fahrt nicht in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er sei um ca 14.30 Uhr zu einem Supermarkt in Z gefahren und habe dort eine kleine Flasche Marillenschnaps und eine Flasche Wein gekauft. Nach dem Verlassen des Geschäfts habe er sich in sein Fahrzeug gesetzt, den Fahrzeugschlüssel auf den Beifahrersitz gelegt und habe er im Verlauf von ca einer Stunde den gekauften Schnaps ausgetrunken und die Weinflasche fast leergetrunken. Dann sei er eingeschlafen, bis um ca 16.30 Uhr die Polizisten eingetroffen seien. Danach sei er alkoholisiert gewesen. Er hätte aber nicht die Absicht gehabt, das Fahrzeug in diesem Zustand in Betrieb zu nehmen.

Hinsichtlich der weiteren Vorwürfe wurde eingeräumt, dass der Beschwerdeführer am 27.10.2017 tatsächlich vor seinem Wohnhaus einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und den Schaden nicht sogleich seinem Nachbarn gemeldet habe. Allerdings sei der Unfall bereits um 14.30 Uhr passiert. Die Punkte 2. bis 4. des Straferkenntnisses würden insofern angefochten, als diese Bestrafungen gegen das Doppelbestrafungsverbot verstoßen würden. Es hätte nur einen einzigen Vorfall gegeben und es würde ein und dieselbe Tathandlung bzw Unterlassung sanktioniert.

Nach Vorlage des verwaltungsbehördlichen Aktes an das Landesverwaltungsgericht Tirol wurde von diesem am 12.03.2018 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und dessen Rechtsvertreters eine öffentliche Verhandlung durchgeführt. Beweis wurde aufgenommen durch Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der Zeugen Insp CC, Insp DD und EE, weiters durch Einsichtnahme in die verwaltungsbehördlichen Akten sowie in die Verkehrsunfallanzeige und die Lichtbildbeilage. Auch wurde Einsicht genommen in Auszüge (Orthofotos) aus dem tiris (Tiroler Raumordnungsinformationssystem).

II.      Sachverhalt:

Am 27.10.2017 um ca 15.00 Uhr lenkte der Beschwerdeführer den PKW Dacia Sandero mit dem Kennzeichen **** im Gemeindegebiet von Z auf der Adresse 2 in der Nähe der Häuser Adresse 2 15 bzw 16a, somit in unmittelbarer Nähe seines Wohnhauses. Der Beschwerdeführer befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, wobei ein Alkoholisierungsgrad von 1,50 mg/l zugrunde zu legen ist. Der Beschwerdeführer fuhr dabei beim Reversieren mit dem Heck seines Fahrzeuges gegen ein abgestelltes Fahrzeug und beschädigte dieses im Bereich der rechten hinteren Türe. Bei dem vom Beschwerdeführer gelenkten Fahrzeug wurden die Heckschürze links und das Hecklicht links beschädigt. Der Beschwerdeführer stieg kurz aus dem Fahrzeug aus und nahm die Beschädigungen wahr. Er setzte sich jedoch unmittelbar darauf wieder ans Steuer und lenkte sein Fahrzeug zum ca einen Kilometer entfernten MPreis-Supermarkt in Z (Adresse 1).

Der Verkehrsunfall wurde von einem Zeugen beobachtet. Von einer Nachbarin wurde um ca 15.30 Uhr die Polizei verständigt und vom Vorfall in Kenntnis gesetzt. Um 15:40 Uhr traf eine Streife der Polizeiinspektion Z am Unfallort ein. Der Beschwerdeführer war weder am Unfallsort anwesend, noch erfolgte ein Identitätsaustausch mit dem Geschädigten. Er erstattete von sich aus keine Meldung an die Polizei.

Um 16:34 Uhr wurde die Streife Z 1 der PI Z von der Bezirksleitstelle davon verständigt, dass sich eine wahrscheinlich alkoholisierte Person in einem Dacia auf dem Parkplatz beim MPreis in Z befinden würde. Unmittelbar danach traf die Streife am Parkplatz des Supermarktes ein und konnte dabei der Beschwerdeführer auf dem Fahrersitz des geparkten Fahrzeuges angetroffen werden. Es wurde ein Zusammenhang mit dem zuvor angeführten Verkehrsunfall hergestellt. Der Beschwerdeführer räumte die Unfallverursachung auch ein. Der Beschwerdeführer war stark alkoholisiert. Messungen um 17:18 Uhr bzw 17:19 Uhr mit dem Alkomaten erbrachten Messergebnisse von 1,51 bzw 1,50 mg/l Atemalkoholgehalt.

III.    Beweiswürdigung:

Dass der Beschwerdeführer am Nachmittag des 27.10.2017 in der Nähe des Wohnhauses mit seinem Pkw gegen einen parkend abgestellten Pkw gefahren ist, ist unstrittig. Der Zeuge EE beobachtete den Vorfall und konnte in der Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht eine detaillierte Schilderung geben. Der Beschwerdeführer räumte die Unfallverursachung ein und erklärte dazu, dass er den Schaden gesehen und die Absicht gehabt habe, den Schaden später mit dem Nachbarn zu klären.

Aufgrund der Angaben des Zeugen EE ist abzuleiten, dass der Vorfallszeitpunkt früher, nämlich um ca 15:00 Uhr war. Dies ergibt sich vor allem daraus, dass der Zeuge EE angab, dass er zunächst mit der Nachbarin (der Mutter des Fahrzeugbesitzers) Kontakt aufgenommen habe, welche ihrerseits wiederum mehrmals versucht zu habe, mit dem Beschwerdeführer in Kontakt zu treten. Nach den Angaben des Zeugen EE sei auch die Polizei einen dreiviertel Stunde nach dem Unfall eingetroffen. In der unbedenklichen Verkehrsunfallanzeige ist festgehalten, dass die Polizei um 15.34 Uhr verständigt worden und eine Streife (Z 1)um 15.40 am Vorfallort eingetroffen sei.

Das Messergebnis des Alkomaten ist unbedenklich und wird nicht angezweifelt.

In Bezug auf die hier in Vordergrund stehende Frage der Alkoholbeeinträchtigung zum Unfallzeitpunkt ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in Bezug auf die Glaubwürdigkeit einer Nachtrunkbehauptung ein sehr strenger Maßstab anzulegen ist. Derjenige, der sich auf einen Nachtrunk beruft, hat die Menge des so konsumierten Alkohols konkret zu behaupten und zu beweisen (vgl VwGH 27.02.2007, Zl 2007/02/0018). Die Nachtrunkangaben müssen auch entsprechend detailliert sein, sodass etwa die Gebindegröße, die Art des Getränkes und die exakte Menge des konsumierten Alkohols detailliert dargelegt werden müssen (vgl VwGH 20.03.2009, Zl 2008/02/0134). Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer bei der Amtshandlung der Polizisten keinen Nachtrunk behauptet. Erst im Zuge der Beschwerdeerhebung wurden vom Beschwerdeführer Getränkearten (Weißwein und Marillenschnaps) angegeben, ohne die Gebindegröße bzw die konsumierte Menge exakt anzugeben.

Die beiden Polizisten gaben als Zeugen übereinstimmend an, dass sie den Beschwerdeführer am Parkplatz des Supermarktes in Bezug auf die Nachtrunkbehauptung mehrfach befragt hätten und die Kommunikation mit ihm schwierig gewesen sei. Es habe sich aber im Zuge der Befragung ergeben, dass Herr Hofer den gesamten Alkohol getrunken habe, bevor er von zu Hause losgefahren sei. Auf Frage des Rechtsvertreters betreffend die Fragestellung in Bezug auf den Zeitpunkt des Konsums von Alkohol antwortete Insp CC wie folgt: „Wir haben da mehrfach gefragt. Das ist auch eine gewisse Zeit gegangen. Es war nicht so, dass nur einmal gefragt wurde, war es davor oder danach. Es ist dann schon nachgefragt worden, sind Sie sicher, dass es davor war.“ Dass der Beschwerdeführer zur Klärung der Frage eines allfälligen Nachtrunks mehrfach befragt wurde und auch adäquate Antworten gab, ist auch der Aussage des Zeugen Insp DD zu entnehmen. Der Zeuge gab dazu folgendes an: „Wir fragten, ob er was getrunken hat. Und ob er den Alkohol zu Hause konsumiert hat, das fragten wir und da hat er ja gesagt. Wir fragten, ob er das alkoholische Getränk im MPreis gekauft hat. Da sagte er nein.

Die beiden Polizisten hinterließen einen guten und glaubwürdigen Eindruck. Es ergaben sich keine Bedenken bezüglich der Richtigkeit ihrer Angaben. Es gab also im Zuge der Amtshandlung wegen des Verdachts des Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand keine Nachtrunkbehauptung und schon gar keine ausreichend konkrete. Die vom Beschwerdeführer (erstmals) in der Beschwerde gemachten Angaben in Bezug auf den Nachtrunk sind nicht nur viel zu spät erfolgt. Sie sind auch nicht ausreichend genau. Die Nachtrunkangaben müssen entsprechend detailliert sein, sodass etwa die Gebindegröße, die Art des Getränkes und die exakte Menge des konsumierten Alkohols detailliert dargelegt werden müssen (vgl VwGH 20.03.2009, Zl 2008/02/0134). Insofern fehlt es jedenfalls an den für die Glaubwürdigkeit erforderlichen Kriterien zur Anerkennung einer Nachtrunkbehauptung. Die (strengen) Kriterien, um eine Nachtrunkbehauptung als glaubwürdig anzusehen, hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung (vgl ua Erk vom 31.01.2018, Ra 2018/02/0036; 18.11.2011, 2010/02/0219) mehrfach zum Ausdruck gebracht.

Das Beweisverfahren erbrachte eine ausreichend klare Sachverhaltslage. Im Hinblick darauf, dass die Angaben des Beschwerdeführers in Bezug auf einen getätigten Nachtrunk die strengen Anforderungen in Bezug auf deren Glaubwürdigkeit (insbesondere in zeitlicher Hinsicht) jedenfalls nicht erfüllten, war auch die Aufnahme weiterer Beweise, insbesondere die Einvernahme der Lebensgefährtin des Beschwerdeführers in Bezug auf die Frage der Orientiertheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Befragung durch die Polizisten nicht erforderlich. Es bedurfte auch nicht der Aufnahme weiterer anderer Beweise.

IV.      Rechtsgrundlagen:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) lauten wie folgt:

„§ 4 Verkehrsunfälle.

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

        

c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

....

(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

§ 5 StVO

Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol.

(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.

§ 99 Strafbestimmungen.

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a) der Lenker eines Fahrzeuges, dessen Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofern er den Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und 2 zuwiderhandelt, insbesondere nicht anhält, nicht Hilfe leistet oder herbeiholt oder nicht die nächste Polizeidienststelle verständigt,

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

b) wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des
§ 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet,“

§ 99 StVO

Strafbestimmungen

1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,

a)   wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,

V.       Rechtliche Erwägungen:

Der Beschwerdeführer lenkte den PKW zum Tatzeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, wobei er zum Unfallzeitpunkt eine Alkoholbeeinträchtigung im Ausmaß von zumindest 1,5 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft aufwies. Er hat somit gegen § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO verstoßen. Er musste sich auch im Klaren sein, dass ihm das Lenken eines Kraftfahrzeuges beim Konsum einer erheblichen Menge Alkohols nicht erlaubt ist. Es trifft ihn daher in subjektiver Hinsicht bedingter Vorsatz. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer bereits am Beginn der Fahrt (beim Ausparken) einen Verkehrsunfall verschuldete, den er auch wahrnahm, und er dennoch nicht von einer Weiterfahrt Abstand nahm.

Indem der Beschwerdeführer nach dem Unfall, nachdem er kurz ausgestiegen ist und die Beschädigung wahrgenommen hat, seine Fahrt fortgesetzt hat, ist er der Anhalteverpflichtung nach § 4 Abs 1 lit a StVO nicht im ausreichenden Ausmaß nachgekommen. Da er unmittelbar nach dem Unfall weder einen Identitätsaustausch mit dem Geschädigten vornahm, noch die nächste Polizeidienststelle verständigte, hat er eine Übertretung gemäß § 4 Abs 5 StVO begangen. Dabei handelt es sich um unterschiedliche Verpflichtungen, weshalb auch der Vorwurf der Doppelbestrafung ins Leere geht.

Die in § 4 Abs 1 lit c StVO normierte Verpflichtung kann sinnvoll nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht iSd § 4 Abs 2 besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten des Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst. Liegt aber unbestritten ein Verkehrsunfall vor, bei dem niemand verletzt wurde und Sachschaden nur am Kraftfahrzeug des Beschuldigten selbst eingetreten ist, besteht keine Mitwirkungsverpflichtung iSd § 4
Abs 1 lit c StVO (vgl VwGH 20.04.2001, 99/02/0176).

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den Beschwerdeführer eine Mitwirkungsverpflichtung iSd § 4 Abs 1 lit c StVO erst dann entstanden ist, als er (um 16.34 Uhr) von einer Polizeistreife einer Amtshandlung unterzogen wurde. Indem er dann unter anderem den Alkomattest durchgeführt hat, war es durchaus möglich, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen. Dass er einen Nachtrunk getätigt und dadurch gegen § 4 Abs 1 lit c StVO verstoßen hätte, wurde dem Beschwerdeführer nicht vorgeworfen. Dass der Beschwerdeführer einen Nachtrunk getätigt hätte, ist im Übrigen auch nicht als erwiesen anzusehen.

In Hinblick auf die Angaben des Zeugen EE waren die Schuldvorwürfe in Bezug auf den Tatzeitpunkt (der durch das Unfallereignis ohnedies zusätzlich zeitlich determiniert wurde) zu korrigieren, was auf Grund noch nicht eingetretener Verfolgungsverjährung ohne weiters möglich war.

VI.      Strafbemessung:

Die Strafen waren unter Zugrundelegung der vom Gesetzgeber vorgesehen Strafdrohung nach Maßgabe des § 19 VStG auszumessen. In Bezug auf das Alkoholdelikt gelangt nunmehr die Strafdrohung des § 99 Abs 1 lit a StVO zur Anwendung. Diese sieht eine Geldstrafe von mindestens € 1.600,-- und höchstens € 5.900,-- vor. Der Beschwerdeführer wies eine Alkoholisierung auf, die erheblich über dem hier maßgeblichen Grenzwert von 0,8 mg/l Alkoholgehalt der Atemluft lag, nämlich bei 1,5 mg/l. Die kraftfahrspezifischen Fähigkeiten sind umso schlechter, je höher der Alkoholisierungsgrad ist. Im gegenständlichen Fall führte das Lenken des Beschwerdeführers in diesem erheblich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand bereits beim Ausparken zu einem Verkehrsunfall. Der Beschwerdeführer nahm jedoch diesen Unfall nicht zum Anlass, von der Fortsetzung der Fahrt Abstand zu nehmen sondern setzte er seine Fahrt vielmehr fort und fuhr zum ca ein Kilometer entfernt gelegenen Parkplatz eines Supermarktes. Durch sein Verhalten wurde die Verkehrssicherheit in einem erheblichen Ausmaß beeinträchtigt. Die Tat blieb nicht ohne Folgen. Es bestand die große Gefahr, dass es zu einem weiteren Unfall kommen würde.

Schon allein aufgrund der zuvor konsumierten großen Menge an Alkohol ist von Vorsatz auszugehen. Der Schuldvorwurf wiegt aufgrund der Fortsetzung der Fahrt nach dem Unfall umso schwerer.

Der Beschwerdeführer wurde bereits einmal wegen einer gleichgelagerten Tat (§ 99 Abs. 1a) im Jahre 2013 mit einer Geldstrafe von Euro 1.900,00 bestraft. Diese einschlägige Vorstrafe war erschwerend. Mildernd war nichts.

Obwohl der Beschwerdeführer lediglich ein geringes Einkommen bezieht (ca Euro 800,00 pro Monat aus seiner selbstständigen Tätigkeit) erweist sich die von der Verwaltungsbehörde verhängte Geldstrafe, insbesondere im Hinblick auf die Fortsetzung der Fahrt nach dem Verschulden eines Unfalls und die einschlägige Vorstrafe als nicht unangemessen hoch.

Hinsichtlich der Übertretung laut Spruchpunkt 2. des angefochtenen Straferkenntnisses sieht die maßgebliche Strafnorm (§ 99 Abs 2 lit a StVO) eine Geldstrafe von € 36,-- bis € 2.180,-- vor. Die Übertretung laut Spruchpunkt 3. ist nach § 99 Abs 3 lit a StVO mit einer Strafe bis zu Euro 726,-- zu ahnden. Die von der Verwaltungsbehörde festgesetzten Geldstrafen liegen im unteren Bereich des Strafrahmens und erscheinen nicht unangemessen. Der Unrechtsgehalt ist jeweils als erheblich einzustufen. Der Beschwerdeführer wurde erst eineinhalb Stunden nach den Verkehrsunfall auf einem Parkplatz ausfindig gemacht.

Aus einem Einblick in den Verwaltungsstrafvormerk ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 wegen Übertretungen gemäß § 4 Abs. 1 lit a und (zweimal) lit c StVO mit jeweils Euro 250,00 bestraft wurde. Diese einschlägigen Strafvormerkungen waren erschwerend. Mildernd war nichts. Trotz der ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse erweisen sich die zu Spruchpunkt 2. und 3. verhängten Geldstrafen nicht als unangemessen hoch.

VII.    Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten RA bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

Glaubwürdigkeit einer Nachtrunkbehauptung; Anhalte-, Mitwirkungs- und Meldeverpflichtung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2018.20.0211.4

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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