TE Vwgh Erkenntnis 2018/3/6 Ro 2018/08/0002

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Veröffentlicht am 06.03.2018
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §341 Abs3;
ASVG §343 Abs1;
ASVG §343 Abs4;
ASVG §345 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Univ.-Prof. Dr. M E in Wien, vertreten durch die Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Porzellangasse 4-6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 2017, Zl. W173 2129339- 1/9E, betreffend Kündigung eines Vertrags über die Vornahme immunologischer Untersuchungen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landesschiedskommission für Wien; mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, vertreten durch die Preslmayr Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Universitätsring 12), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

1 Am 20. November 1991 schloss die Revisionswerberin mit dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger einen "Rahmenvertrag", der nach dessen § 1 Abs. 1 die Beziehungen zwischen dem Hauptverband und den in der Anlage 1 zu diesem Vertrag genannten Versicherungsträgern einerseits und der Revisionswerberin andererseits hinsichtlich der Durchführung von immunologischen Untersuchungen von Versicherten bzw. deren Angehörigen in einer Tagesklinik der Revisionswerberin auf Rechnung der genannten Versicherungsträger regelt.

2 Gemäß § 4 des Rahmenvertrags wurden die Untersuchungen auf Grund von Zuweisungen durch Vertragsärzte, Vertragseinrichtungen und eigene Einrichtungen der genannten Versicherungsträger vorgenommen. Die Honorierung erfolgte nach Einzelleistungen zu den in einer Anlage 2 des Rahmenvertrags enthaltenen Tarifsätzen. Versicherungsträger, die in der Anlage 1 ursprünglich nicht verzeichnet waren, konnten durch schriftliche Erklärung gegenüber der Revisionswerberin dem Rahmenvertrag beitreten.

3 § 10 Abs. 1 des Rahmenvertrags lautet:

"Dieser Vertrag tritt mit 1. Oktober 1991 in Kraft und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Er kann von den Vertragspartnern unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Ende jeden Kalendervierteljahres mittels eingeschriebenen Briefes gekündigt werden."

4 Am 4. November 2015 richtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse an die Revisionswerberin folgendes Einschreiben:

"Wir erlauben uns, Ihnen mitzuteilen, dass die Wiener Gebietskrankenkasse das auf Basis des zwischen Ihnen und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossenen Rahmenvertrags bestehende Vertragsverhältnis mit 31. März 2016 beendet.

Die Wiener Gebietskrankenkasse hat den Hauptverband daher ersucht, sie mit 31. März 2016 aus der Liste der in Anlage 1 zum Vertrag genannten KV-Träger, für die der Rahmenvertrag gilt, zu streichen."

5 Gegen diese Kündigung erhob die Revisionswerberin gemäß § 343 Abs. 4 ASVG Einspruch an die belangte Behörde. Der Revisionswerberin sei nicht mitgeteilt worden, weshalb das Vertragsverhältnis gekündigt worden sei. Die Kündigung habe sie sowie ihre 26 Mitarbeiter völlig überraschend getroffen. 80 % der Untersuchungen der Tagesklinik seien bei Patienten durchgeführt worden, die bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse versichert gewesen seien. Die Revisionswerberin beschäftige einen besonders hohen Teil an älteren Mitarbeitern, alleinerziehenden Frauen und ausländischen Mitarbeitern, die ein durch die Kündigung des Vertrags mit der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bedingter Verlust ihres Arbeitsplatzes besonders hart treffen würde. Gemäß § 343 Abs. 4 ASVG müsse die Kündigung durch den Krankenversicherungsträger bei sonstiger Unwirksamkeit schriftlich unter Angabe des Kündigungsgrundes erfolgen. Der Krankenversicherungsträger sei an die im Kündigungsschreiben genannten Gründe gebunden. Vorfälle, die sich erst nach Zustellung der Kündigung ereignet hätten, dürften im Kündigungsanfechtungsverfahren nicht herangezogen werden. Die Kündigung sei damit schon deshalb rechtsunwirksam, weil im Schreiben vom 4. November 2015 kein Kündigungsgrund genannt worden sei. Ein sachlicher Kündigungsgrund liege nicht vor.

6 Die Revisionswerberin stellte den Antrag:

"die Landesschiedskommission möge feststellen, dass mangels rechtswirksamer Kündigung das auf den Rahmenvertrag vom 20. November 1991 basierende Vertragsverhältnis zwischen der (Revisionswerberin) und der Antragsgegnerin über den 31. März 2016 hinaus aufrecht besteht

in eventu

die mit Schreiben der Antragsgegnerin vom 4. November 2015 ausgesprochene Kündigung, der (Revisionswerberin) zugegangen am 20. November 2015, für rechtsunwirksam zu erklären."

7 Mit Bescheid vom 26. April 2016 wies die belangte Behörde den genannten Feststellungsantrag sowie den Eventualantrag wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde zurück. Rechtsverhältnisse zwischen Sozialversicherungsträgern und anderen Vertragspartnern als den im § 338 Abs. 1 ASVG angeführten Leistungserbringern könnten durch privatrechtliche Verträge geregelt werden. Dabei habe der Hauptverband der Sozialversicherungsträger als Vertragspartner auftreten können. Diese Verträge seien rein schuldrechtliche Verträge, die nicht dem Typus Einzelvertrag iSd §§ 343 ff ASVG zuzuordnen seien. Der gegenständliche vom Hauptverband abgeschlossene Rahmenvertrag sei kein Einzelvertrag mit einem Arzt oder einer Gruppenpraxis, bei dem der Kündigungsschutz des § 343 Abs. 4 ASVG zur Anwendung gelange. Die Kündigung eines privatrechtlichen Rahmenvertrags sei keine Kündigung iSd § 343 Abs. 4 ASVG. Die Anfechtung einer solchen Kündigung falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Landesschiedskommission gemäß § 345a ASVG, § 14 Abs. 1 Z 1 und 2 SchKVO 2014. Für Verfahren betreffend die Bekämpfung einer Kündigung des konkreten Rahmenvertrags seien die ordentlichen Gerichte zuständig.

8 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht die gegen den genannten Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.

9 Die Revisionswerberin sei Fachärztin für Innere Medizin und habilitierte Fachärztin für Immunologie mit dem Spezialgebiet "Klinische Immunologie und Infektions - Immunologie". Ursprünglich sei sie als Oberärztin an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien am Institut für Immunologie tätig gewesen. Zugleich habe sie in einer eigenen Ordination als Fachärztin für Innere Medizin praktiziert. Sie habe "Diagnosen erstellen und Patienten behandeln" wollen. Da die Zahl der ursprünglich von ihr unentgeltlich betreuten Kinder und Familien außerhalb der Wiener Spitäler stark angestiegen und die Räumlichkeiten am Institut für Immunologie an der Universität Wien unterdimensioniert gewesen seien, habe die Revisionswerberin 1991 beschlossen, eine immunologische Tagesklinik ("Biomedizinisches Institut") zu gründen. Sie sei als Rechtsträgerin der genannten Tagesklinik und als deren ärztliche Leiterin aufgetreten. 1991 sei die Führung der immunologischen Tagesklinik als privates Ambulatorium mit Bescheid bewilligt worden. Die immunologische Tagesklinik gehöre dem Verband der Privatkrankenanstalten Österreichs an. Die Revisionswerberin habe am 20. November 1991 den gegenständlichen Rahmenvertrag mit dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger eigenverantwortlich als ärztliche Leiterin und Rechtsträgerin der immunologischen Tagesklinik abgeschlossen. Ihr komme die Stellung einer vertragsabschließenden Partei zu. Sie habe sich nicht auf eine gesetzliche Ermächtigung zum Abschluss eines Gesamtvertrags mit dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger - etwa in der Funktion als gesetzliche berufliche Vertretung - stützen können. Es handle sich nicht um einen Gesamtvertrag zwischen dem Hauptverband und einer Ärztekammer iSd § 342 ASVG und auch nicht um einen Gesamtvertrag iSd § 349 Abs. 2 ASVG, zumal die Revisionswerberin für sich auch keine für eine Gesamtvertragsfähigkeit ausreichend repräsentative Gruppe von Leistungserbringern verkörpern würde. Sie könne nicht als Verbandsangehörige iSd § 349 Abs. 3 ASVG betrachtet werden.

§ 343 Abs. 1 ASVG spreche vom "Abschluss der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem

Arzt ... nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages". Nur

hinsichtlich solcher Einzelverträge bzw. nur im Fall der Kündigung eines solchen auf einem Gesamtvertrag beruhenden Vertrags durch den Krankenversicherungsträger habe der Gesetzgeber im § 343 Abs. 4 ASVG einen sozialversicherungsspezifischen Rechtsschutz eingeräumt. Nur eine Kündigung eines solchen Einzelvertrags sei als Kündigung gemäß § 343 Abs. 4 ASVG zu interpretieren. Die im § 345 und § 343 Abs. 4 ASVG genannte Landesschiedskommission sei nicht zum Abspruch über Rechtsstreitigkeiten aus anderen privatrechtlichen Verträgen zuständig. Die Zuständigkeit falle vielmehr gemäß § 1 JN in die der ordentlichen Gerichte. Die Zuständigkeit der belangten Behörde könne auf Basis einer privatrechtlichen Vereinbarung nicht begründet werden.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Das Verwaltungsgericht hat die Revision zugelassen, weil der Rechtsfrage der Zuständigkeit der Landesschiedskommission gemäß § 345 Abs. 2 ASVG eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukomme.

12 Die Revisionswerberin bringt vor, die Zuständigkeit der belangten Behörde und das Bestehen eines sozialversicherungsrechtlichen Kündigungsschutzes hänge von der Frage ab, ob das Vertragsverhältnis zwischen der Revisionswerberin und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse als Einzelvertragsverhältnis iSd § 343 Abs. 4 ASVG zu qualifizieren sei. Der Verfassungsgerichtshof habe entschieden, dass nur ein Einzelvertragsverhältnis gemäß § 343 Abs. 4 ASVG dem sozialversicherungsrechtlichen Kündigungsschutz unterliege, nicht aber ein schuldrechtliches Direktverrechnungsübereinkommen zwischen einem Arzt (als Rechtsträger einer Krankenanstalt) und einem Krankenversicherungsträger. Ungeklärt sei indes, ob ein kündigungsgeschütztes Vertragsverhältnis gemäß § 343 Abs. 4 ASVG nur dann vorliege, wenn dieses auf einem von der Ärztekammer mit dem Hauptverband geschlossenen Gesamtvertrag beruhe, oder ob der Kündigungsschutz des § 343 Abs. 4 ASVG auch zur Anwendung komme, wenn das Einzelvertragsverhältnis zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem Arzt auf einem zwischen dem Hauptverband und dem Arzt geschlossenen Rahmenvertrag beruht, der das Einzelvertragsverhältnis zwischen dem Krankenversicherungsträger und dem Arzt im Hinblick auf jene (in Anlage 1 des Rahmenvertrags genannten) Krankenversicherungsträger unmittelbar gestaltet, die vom Geltungsbereich des Rahmenvertrags erfasst sind. Die Krankenversicherungsträger würden durch den gegenständlichen Rahmenvertrag unmittelbar verpflichtet und berechtigt. Insofern entfalte der Rahmenvertrag normative Wirkung iSd § 341 Abs. 3 ASVG. Die Revisionswerberin sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rahmenvertrags die einzige Anbieterin zur Versorgung der Versicherten mit Diagnose und Therapie in dem von der Revisionswerberin angebotenen Leistungsspektrum gemäß Anlage 2 des Rahmenvertrags gewesen. Eine Einbeziehung der beruflichen Interessenvertretung (in das Abschlussgeschehen eines Gesamtvertrags) sei daher entbehrlich gewesen und berühre nicht den Kündigungsschutz iSd § 343 Abs. 4 ASVG. Diese Gesetzesstelle begründe auch einen Schutz der Versicherungsgemeinschaft vor Vertragsauflösungen, die mit dem gesetzlichen Versorgungsauftrag nicht im Einklang stünden. Ein (namentlich genanntes) anderes Institut (das die Leistungen wesentlich günstiger abrechnen würde) sei nicht in der Lage, eine gleichwertige Patientenversorgung anzubieten. Überdies sei vorgesehen, dass die Vertragsparteien das Vertragsverhältnis kündigen könnten. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei jedoch nicht Vertragspartner des Rahmenvertrags vom 20. November 1991 gewesen. Sie könne das Einzelvertragsverhältnis zur Revisionswerberin nur nach Maßgabe des § 343 Abs. 4 ASVG lösen. Die ausgesprochene Kündigung sei rechtsunwirksam.

13 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. 14 Gemäß § 341 Abs. 1 ASVG werden die Beziehungen zwischen

den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflichen Ärzten sowie den Gruppenpraxen jeweils durch Gesamtverträge geregelt. Diese sind für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Gemäß § 341 Abs. 3 ASVG ist der Inhalt des Gesamtvertrages auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes oder für den Sitz der Gruppenpraxis geltenden Gesamtvertrages verstoßen.

15 § 343 ASVG in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2014 lautet auszugsweise samt Überschrift:

"Aufnahme der Ärzte in den Vertrag und Auflösung des Vertragsverhältnisses

§ 343. (1) Die Auswahl der Vertragsärztinnen/Vertragsärzte und der Vertrags-Gruppenpraxen und der Abschluss der Einzelverträge zwischen dem zuständigen Träger der Krankenversicherung und dem Arzt/der Ärztin oder der Gruppenpraxis erfolgt nach den Bestimmungen des Gesamtvertrages und im Einvernehmen mit der zuständigen Ärztekammer. Diese Einzelverträge sind sodann für alle Gebiets- und Betriebskrankenkassen sowie für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern wirksam. Die Einzelvertragsparteien können abweichend von § 341 Abs. 3 mit Zustimmung der zuständigen Ärztekammer ergänzende oder abweichende Regelungen hinsichtlich Art, Umfang und Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit insbesondere im Zusammenhang mit der Festlegung der Öffnungszeiten, für Spitalsambulanzen entlastende Leistungen, oder für dislozierte Standorte treffen. Wurden in einem Zulassungsverfahren nach § 52c ÄrzteG 1998 oder § 26b Abs. 1 ZÄG Auflagen erteilt, so sind diese Inhalt des jeweiligen Einzelvertrages. Einzelverträge, die nicht im Rahmen der jeweils nach § 342 Abs. 1 Z 1 vereinbarten Zahl und örtlichen Verteilung abgeschlossen werden, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung des Hauptverbandes und der zuständigen Ärztekammer, bei Nichteinigung der Zustimmung des Hauptverbandes und der Österreichischen Ärztekammer. Mit approbierten Ärztinnen/Ärzten (§ 44 Abs. 1 ÄrzteG 1998) kann kein Einzelvertrag abgeschlossen werden, es sei denn, der Arzt/die Ärztin hat gemäß Artikel 29 der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen das Recht erworben, den ärztlichen Beruf als Arzt/Ärztin für Allgemeinmedizin im Rahmen eines Sozialversicherungssystems auszuüben.

(1a) (...)

(4) Das Vertragsverhältnis kann unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 3 von beiden Teilen unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres gekündigt werden. Der Krankenversicherungsträger kann nur wegen wiederholter nicht unerheblicher oder wegen schwerwiegender Vertrags- oder Berufspflichtverletzungen unter Angabe der Gründe schriftlich kündigen. Der gekündigte Arzt/die gekündigte Ärztin oder die gekündigte Vertrags-Gruppenpraxis kann innerhalb von zwei Wochen die Kündigung bei der Landesschiedskommission mit Einspruch anfechten. Die Landesschiedskommission hat innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen des Einspruches über diesen zu entscheiden. Der Einspruch hat bis zum Tag der Entscheidung der Landesschiedskommission aufschiebende Wirkung. Eine Vertrags-Gruppenpraxis kann die Kündigung des Einzelvertrages abwenden, wenn sie innerhalb von acht Wochen ab Rechtskraft der Kündigung jenen Gesellschafter/jene Gesellschafterin, der/die ausschließlich den jeweiligen Kündigungsgrund gesetzt hat, aus der Vertrags-Gruppenpraxis ausschließt. Eine vom gekündigten Arzt/von der gekündigten Ärztin (von der gekündigten Gruppenpraxis) eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hat ohne Zustimmung des Krankenversicherungsträgers keine aufschiebende Wirkung."

16 Gemäß § 345 Abs. 2 Z 2 ASVG in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 130/2013 ist die (für jedes Land zu errichtende) Landesschiedskommission u.a. zur Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung gemäß § 343 Abs. 4 ASVG zuständig.

17 Aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen geht hervor, dass von einem Einzelvertragsverhältnis iSd § 343 Abs. 4 ASVG, bei welchem die Beurteilung seiner Kündigung in die Zuständigkeit der Landesschiedskommission fällt, nur dann die Rede sein kann, wenn ein - unter Beteiligung einer Ärztekammer abgeschlossener - Gesamtvertrag existiert, der den Inhalt des Einzelvertrages in der in § 341 Abs. 3 ASVG vorgesehenen Weise determinieren könnte. Den Gesamtvertrag ergänzende oder von diesem abweichende einzelvertragliche Regelungen bedürfen gemäß § 343 Abs. 1 ASVG der Zustimmung der zuständigen Ärztekammer. Ein ohne Mitwirkung der zuständigen Ärztekammer - sei es durch Gesamtvertrag, sei es durch Zustimmung zu ergänzenden oder abweichenden Regelungen - zustande gekommenes Vertragsverhältnis ist daher keines iSd § 343 Abs. 4 ASVG.

18 Die Kündigung des gegenständlichen, ohne Beteiligung einer Ärztekammer im beschriebenen Sinn zu Stande gekommenen Rahmenvertrages (bzw. des Beitritts zur Anlage 1 dieses Rahmenvertrages nach dessen § 1 Abs. 2) ist keine solche gemäß § 343 Abs. 4 ASVG. Eine Zuständigkeit der Landesschiedskommission iSd § 345 Abs. 2 Z 2 ASVG zur Beurteilung der Wirksamkeit der gegenständlichen Kündigung ist nicht gegeben. Die vorliegenden Anträge wurden daher zu Recht wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen.

19 Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 6. März 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018080002.J00

Im RIS seit

27.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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