TE Vwgh Erkenntnis 2018/3/8 Ra 2017/17/0268

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Veröffentlicht am 08.03.2018
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Index

34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

GSpG 1989 §52 Abs1;
VStG §22;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Brandl als Richterin bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision des Bundesministers für Finanzen in 1010 Wien, Johannesgasse 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 22. Dezember 2016, LVwG-411653/5/Gf/Mu, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich; mitbeteiligte Partei: M M in P, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Dominikanerbastei 17/Top 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts

aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 5. Oktober 2016 wurde die Mitbeteiligte als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten GmbH der Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt; es wurde über sie eine Geldstrafe in der von EUR 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage und 12 Stunden), verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich der von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde statt, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.

3 Das Landesverwaltungsgericht traf zur Beurteilung der Vereinbarkeit von Regelungen des Glücksspielgesetzes mit Art. 56 AEUV ausführliche Feststellungen und gelangte nach umfangreicher Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Unionsrechtswidrigkeit des Glücksspielgesetzes rechtlich zum Ergebnis, dass das in den §§ 3 ff GSpG normierte System des Glücksspielmonopols deshalb in Art. 56 AEUV keine Deckung finde und somit dem Unionsrecht widerspreche, weil es nicht auf einem durch die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) anerkannten zwingenden Grund des Allgemeininteresses - wie etwa dem Spielerschutz und der Suchtvorbeugung oder der Kriminalitätsbekämpfung - basiere, sondern primär der Sicherung einer verlässlich kalkulierbaren Quote an Staatseinnahmen diene. Darüber hinaus seien die konkrete Ausgestaltung des Monopolsystems und die den staatlichen Behörden zur Abwehr von Beeinträchtigungen dieses Monopols gesetzlich übertragenen Eingriffsermächtigungen insbesondere mangels der gänzlich fehlenden Notwendigkeit einer vorhergehenden richterlichen Ermächtigung jeweils unverhältnismäßig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte, die Revision kostenpflichtig ab- in eventu zurückzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die vorliegende Revision erweist sich als zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht. Sie ist auch berechtigt.

6 Der Revisionsfall gleicht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in den entscheidungswesentlichen Punkten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit hg. Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof, nach der vom EuGH geforderten Gesamtwürdigung der Umstände, unter denen die Dienstleistungsfreiheit beschränkende Bestimmungen des Glücksspielgesetzes erlassen worden sind und unter denen sie durchgeführt werden, eine Unionsrechtswidrigkeit der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes nicht erkannt. Dieser Rechtsansicht hat sich der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Oktober 2016, E 945/2016-24, E 947/2016-23, E 1054/2016-19, angeschlossen.

7 Eine Unionsrechtswidrigkeit von Bestimmungen des Glücksspielgesetzes ist somit ausgehend von den Verfahrensergebnissen im Revisionsfall nicht zu erkennen.

8 Da das Verwaltungsgericht insoweit die Rechtslage verkannte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

9 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

10 Im fortgesetzten Verfahren wird das Verwaltungsgericht überdies zu beachten haben, dass der Revisionswerberin im Straferkenntnis die Begehung einer Verwaltungsübertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 2 Abs. 4 GSpG in Bezug auf drei näher bezeichnete Glücksspielgeräte zur Last gelegt wurde, der Betrieb jedes einzelnen Glücksspielgerätes jedoch bereits eine selbstständige Verwaltungsübertretung darstellt und somit die im Straferkenntnis verhängte Gesamtstrafe gegen das Kumulationsprinzip des § 22 VStG verstößt (vgl. VwGH 7.10.2013, 2013/17/0274).

11 Ein Aufwandersatz vor dem Verwaltungsgerichtshof findet gemäß § 47 Abs. 4 VwGG nicht statt.

Wien, am 8. März 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017170268.L00

Im RIS seit

27.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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