TE Vwgh Erkenntnis 2000/4/17 96/17/0343

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Veröffentlicht am 17.04.2000
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Index

L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §61 Abs4;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966 §112 Abs1;
GdO Tir 1966 §112 Abs2;
GdO Tir 1966 §119 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger und Dr. Holeschefsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des R, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 3. Juni 1996, Zl. Ib-8415/5-1996, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in Angelegenheiten eines Erschließungsbeitrages (mitbeteiligte Partei: Gemeinde N), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Partei vom 15. April 1996 wurde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 4. November 1993 dahin abgeändert, dass ein Erschließungsbeitrag in der (näher aufgeschlüsselten) Höhe von S 71.314,60 vorgeschrieben wurde.

Dieser Bescheid enthält folgende Rechtsmittelbelehrung:

"Gegen diesen Bescheid ist ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig.

Es kann jedoch innerhalb von zwei Wochen, gerechnet ab dem Tage der Zustellung dieses Bescheides, gegen diesen Bescheid schriftlich oder telegraphisch Vorstellung bei der Landesregierung erhoben werden. ..."

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 3. Juni 1996 wies diese die gegen den erwähnten Bescheid vom 15. April 1996 gerichtete Vorstellung des Beschwerdeführers als verspätet zurück. Der Bescheid des Gemeindevorstands sei dem Beschwerdeführer am 3. Mai 1996 zugestellt worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer den als Vorstellung zu wertenden Vorlageantrag am 16. Mai 1996 um 23.49 Uhr per Fax, gerichtet an das Amt der Tiroler Landesregierung erhoben; das Fax weise den Eingangsstempel 17. Mai 1996 auf. In § 112 Abs. 2 Tiroler Gemeindeordnung 1966, LGBl. Nr. 4 (TGO), sei jedoch die Einbringung der Vorstellung beim Gemeideamt (Stadtamt) vorgesehen. Die Vorstellung sei sohin bei der unzuständigen Behörde eingebracht worden. Mit Schreiben vom 22. Mai 1996 sei die Vorstellung gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die zuständige Einbringungsstelle, das Gemeindeamt der mitbeteiligten Partei, weitergeleitet worden.

Werde ein Rechtsmittel (hier die Vorstellung) bei der unzuständigen Behörde eingebracht, so erfolge die Weiterleitung auf Gefahr des Einschreiters. Die Frist sei dann gewahrt, wenn die unzuständige Behörde das Rechtsmittel zur Weiterleitung an die zuständige Stelle am letzten Tag der Frist zur Post gebe, da gemäß § 33 Abs. 3 AVG die Tage des Postenlaufens zur zuständigen Behörde nicht eingerechnet würden; die Rechtsmittelfrist sei jedoch - wie im vorliegenden Fall - nicht gewahrt, wenn die Vorstellung zwar rechtzeitig bei der Aufsichtsbehörde, jedoch verspätet bei der richtigen Einbringungsstelle, dem Gemeindeamt, einlange. Die Vorstellung sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er erachtet sich in seinen subjektiven Rechten insofern verletzt, "als die belangte Behörde entgegen der Bestimmung des § 61a Abs. 4 AVG die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes vom 15.4.1996 ... als verspätet" zurückgewiesen habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.

Die mitbeteiligte Gemeinde hat sich am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist davon auszugehen, dass die im Beschwerdepunkt zitierte Gesetzesstelle richtig "§ 61 Abs. 4 AVG" lauten solle; daraus folgt auch, dass der Beschwerdeführer den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (und nicht wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften) bekämpft.

Die Abs. 1 und 2 § 112 TGO lauten auszugsweise wie folgt:

"(1) Wer durch einen Bescheid eines Gemeindeorganes in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches aus dem Bereich der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzuges bei der Landesregierung dagegen Vorstellung erheben.

(2) Die Vorstellung ist schriftlich oder telegraphisch binnen zwei Wochen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Falle bloß mündlicher Verkündigung nach dieser beim Gemeindeamt (Stadtamt) einzubringen. ..."

Gemäß § 119 Abs. 1 erster Satz TGO finden für das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Verfahrens die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 Anwendung. § 61 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991, lautet:

"(4) Enthält der Bescheid keine oder eine unrichtige Angabe über die Behörde, bei der das Rechtsmittel einzubringen ist, so ist das Rechtsmittel auch dann richtig eingebracht, wenn es bei der Behörde, die den Bescheid ausgefertigt hat, oder bei der angegebenen Behörde eingebracht wurde."

Die oben erwähnte Rechtsmittelbelehrung im Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Partei vom 15. April 1996 erklärte ausdrücklich die "Vorstellung bei der Landesregierung" als zulässigen Rechtsbehelf. Wenn der Beschwerdeführer daher die von der Behörde als Vorstellung gewertete Eingabe an das Amt der Landesregierung, welches Hilfsorgan der Landesregierung ist (vgl. Art. 58 Abs. 1 Tiroler Landesordnung 1989, LGBl. Nr. 61/1988), richtete, so kann ihm nicht vorgehalten werden, er habe sich nicht an die in der Rechtsmittelbelehrung angeführte Behörde gewandt.

Daraus folgt aber im Sinne der oben dargestellten Rechtslage, dass die belangte Behörde nicht von der Verspätung der Vorstellung hätte ausgehen dürfen. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 17. April 2000

Schlagworte

Zuständigkeit der Vorstellungsbehörde Verhältnis zwischen gemeindebehördlichem Verfahren und Vorstellungsverfahren Rechtsstellung der Gemeinde im Vorstellungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1996170343.X00

Im RIS seit

28.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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