RS Vfgh 2018/3/1 G268/2017 ua (G268-272/2017-9)

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Veröffentlicht am 01.03.2018
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Index

72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 litb
B-VG Art18 Abs1
Hochschul-QualitätssicherungsG §27
RL für Verfahren zur Meldung grenzüberschreitender Studien §27

Leitsatz

Verstoß des §27 Hochschul-QualitätssicherungsG betreffend Rechtsnatur und Rechtsform, Verfahren sowie Rechtswirkungen des Melde- und Bestätigungsverfahrens grenzüberschreitender Studien hinsichtlich der externen Qualitätssicherung gegen das Bestimmtheitsgebot

Rechtssatz

Aufhebung des §27 des BG über die externe Qualitätssicherung im Hochschulwesen und die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (Hochschul-Qualitätssicherungsgesetz - HS-QSG), BGBl I Nr 74/2011 idF BGBl I Nr 45/2014. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31.12.2018 in Kraft.

Das Hochschul-QualitätssicherungsG (in der Folge: HS-QSG) regelt die externe Qualitätssicherung. Zuständig dafür ist die Agentur für Qualitätssicherung und Akkreditierung Austria (in der Folge: AQ Austria). Diese ist als eine juristische Person des öffentlichen Rechts eingerichtet und verfügt über ein Kuratorium, ein Board, eine Beschwerdekommission und eine Generalversammlung als ihre Organe sowie über eine Geschäftsstelle.

Das HS-QSG sieht insbesondere zwei Arten von Qualitätssicherungsverfahren zur Feststellung der Übereinstimmung von Bildungseinrichtungen und Studien oder des Qualitätsmanagementsystems der Bildungseinrichtungen mit definierten Kriterien und Standards vor: Audit und Zertifizierung einerseits und Akkreditierung andererseits.

§27 HS-QSG regelt die externe Qualitätssicherung hinsichtlich grenzüberschreitender Studien. §27 HS-QSG unterscheidet dabei zwischen der Durchführung von Studien durch in ihrem jeweiligen Herkunfts- bzw Sitzstaat als postsekundär iSd §51 Abs2 Z1 UniversitätsG 2002 anerkannte Bildungseinrichtungen in Österreich und der Durchführung solcher Studien durch eine entsprechende ausländische Bildungseinrichtung in Zusammenarbeit mit einer österreichischen Bildungseinrichtung.

Die Richtlinie für Verfahren zur Meldung grenzüberschreitender Studien gemäß §27 HS-QSG (in der Folge: §27 HS-QSG-Richtlinie) des Boards der AQ Austria enthält auch nähere Bestimmungen für das Meldeverfahren für grenzüberschreitende Studien gemäß §27 Abs1 bis 4 HS-QSG. Wesentlich ist hier Abs5 dieser Richtlinie, demzufolge das Board die ausländische Bildungseinrichtung und den entsprechenden Studiengang (offensichtlich gemeint: nur) in die Liste gemäß §27 Abs6 HS-QSG aufnimmt, wenn die ausländische Bildungseinrichtung Urkunden vorlegt, aus denen hervorgeht, dass sie in ihrem Herkunfts- bzw Sitzstaat als postsekundär iSd §51 Abs2 Z1 UG anerkannt ist, und dass der Studiengang, der in Österreich durchgeführt werden soll, im Herkunfts- bzw Sitzstaat der ausländischen Bildungseinrichtung anerkannt ist.

Vor Aufnahme des Studienbetriebes benötigt die als Kooperationspartner der ausländischen postsekundären Bildungseinrichtung fungierende österreichische Bildungseinrichtung eine Bestätigung des Boards der AQ Austria, mit der sichergestellt wird, dass die an der österreichischen Bildungseinrichtung angebotenen Leistungen bzw Anteile an den ausländischen Studien internationalen akademischen Standards entsprechen.

Die §27 HS-QSG-Richtlinie regelt für Bestätigungen für ausländische Studien in Zusammenarbeit mit österreichischen Bildungseinrichtungen nach §27 Abs5 HS-QSG ein Qualitätssicherungsverfahren, das zumindest im Kern mit den sonstigen im HS-QSG geregelten Qualitätssicherungsverfahren vergleichbar sein soll.

§27 HS-QSG regelt weder Rechtsnatur noch Rechtswirkungen des in dieser Bestimmung vorgesehenen Melde- und Bestätigungsverfahrens mit der angesichts des Regelungsgegenstandes möglichen und damit durch das Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG gebotenen Deutlichkeit. §27 HS-QSG sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, ob diese Bestimmung das Rechtsverhältnis in den Melde- und diesen allenfalls vorangehenden Bestätigungsverfahren hoheitlich- oder privatrechtlich ausgestaltet. Legen Systematik des HS-QSG und subjektiv-historische Absichten des Gesetzgebers ein privatrechtliches Verhältnis nahe, trägt - indem §27 HS-QSG die Kriterien für die ausschließlich von der AQ Austria zu erteilende Bestätigung festlegt, deren Nichteinholung letztlich verwaltungsstrafrechtsbewehrt ist - die Bestätigung aber Züge eines für die Hoheitsverwaltung typischen Aktes heteronomer Rechtserzeugung. Aber auch für das gesamte Meldeverfahren bleibt die Gestaltung des der Aufnahme in das Verzeichnis gemäß §27 Abs6 HS-QSG zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses offen. Schließlich regelt §27 HS-QSG weder das nähere Verfahren zur Erteilung der Bestätigung noch - was jedenfalls gesetzlicher Regelung bedürfte - die Möglichkeit der Erteilung von Auflagen oder des Widerrufes. Im Sinne des Art18 Abs1 B-VG bedarf es der Vorherbestimmung konkreter Rechtswirkungen aber sowohl, wenn der Gesetzgeber hoheitliches Verwaltungshandeln vorsehen will, als auch dann, wenn er - wäre es eine Angelegenheit des Privatrechts - zur Durchsetzung öffentlicher Interessen, zB wie hier jenem der Qualitätssicherung im tertiären Bildungssektor, einer Einrichtung besondere privatrechtliche Befugnisse verleiht.

§27 HS-QSG ist daher schon wegen mangelnder Bestimmtheit und damit wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 B-VG zur Gänze aufzuheben.

(Anlassfall V9/2017 ua, E v 06.03.2018).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Hochschulen, Determinierungsgebot, Hoheitsverwaltung, Privatwirtschaftsverwaltung, Legalitätsprinzip, Privatrecht - öffentliches Recht, EU-Recht, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Aufhebung Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2018:G268.2017

Zuletzt aktualisiert am

30.07.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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