TE OGH 1990/11/14 1Ob527/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.11.1990
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Nachlaß nach Cäcilia A*****, vertreten durch den zur Klagsführung ermächtigten Franz H*****, Privater, *****, vertreten durch Dr. Ernst Fasan, Dr. Wolfgang Weinwurm, Dr. Manfred Moser, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagten Parteien 1.) Verlassenschaft nach Hildegard F*****, 2.) Erwin F*****, beide vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Vertragsanfechtung und Rückübertragung einer Liegenschaft (Streitwert 120.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Jänner 1990, GZ 14 R 230/89-36, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 23. Juni 1989, GZ 3 Cg 691/86-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 6.789,42 S (darin 1.131,57 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 28. September 1983 schlossen die am 13. November 1889 geborene und am 30. April 1985 verstorbene Cäcilia A***** (im folgenden Übergeberin) mit ihrem Sohn Georg F*****, dessen Gattin Hildegard und deren Sohn Erwin (Übernehmer) in der Kanzlei eines Notars einen Übergabsvertrag betreffend eine der Übergeberin gehörige Liegenschaft mit einem Haus. Die Übergeberin erhielt das Wohnungsrecht an der von ihr bis dahin bewohnten Wohnung und das Ausgedinge durch die notwendige und ordentliche Pflege, Wartung und Betreuung, insbesondere im Krankheitsfall und bei Altersbehinderung, wie vor allem die volle Wirtschaftsführung, und ein Ziehsohn der Übergeberin, ein dingliches Wohnungsrecht an der von ihm bis dahin benützten Wohnung und einer Garage. Punkt Fünftens des Übergabsvertrages lautet: "Die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes in den tatsächlichen Besitz und Genuß der Übernehmer erfolgt mit heutigem Tage ..."

Die durch den Ziehsohn der Übergeberin als Miterben vertretene und vom Kreisgericht Wiener Neustadt als Rekursgericht zur Klagsführung namens der verstorbenen Übergeberin zur Klagsführung ermächtigte Verlassenschaft nach der Übergeberin begehrte gegenüber den Übernehmern zuletzt die Feststellung der Nichtigkeit des Übergabsvertrages und die Einwilligung der Beklagten in die Rückübertragung der Liegenschaft an die Verlassenschaft, weil die Übergeberin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht geschäftsfähig gewesen sei. Der Notariatsakt sei nichtig und ungültig, weil er nicht vom Notar persönlich (sondern von dessen Notariatskandidaten) aufgenommen worden sei.

Nach dem Tod des Sohnes der Übergeberin am 19. Juni 1984 und dessen Gattin und Alleinerbin am 10. November 1987 wurde die Parteienbezeichnung in Ansehung der Beklagten richtiggestellt in

1.) Verlassenschaft nach Hildegard F***** und 2.) Erwin F*****.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen seien am 22. September 1983 die Übergeberin und die drei späteren Übernehmer in die Kanzlei des Notars gekommen und hätten dem dort tätigen Notariatskandidaten mitgeteilt, daß ein Übergabsvertrag betreffend eine der Übergeberin gehörige Liegenschaft in N***** mit dem Haus ***** "geplant" sei. Da dem Notariatskandidaten das Alter der Übergeberin zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, habe er die Übergeberin noch vor der Vertragserrichtung persönlich zu einer Aussprache in die Notariatskanzlei vorgeladen. Am 26. September 1983 seien die Übernehmer und die Übergeberin beim Notariatskandidaten erschienen; die Übergeberin habe sich körperlich in rüstigem Zustand befunden, sie sei ohne Stock in die Kanzlei gekommen. Bei der folgenden Besprechung, bei der eine Verbindungstür zwischen dem Büro des Notariatskandidaten und dem Büro des anwesenden Notars offen gewesen sei, seien die bereits bekannten Vertragspunkte nochmals durchbesprochen worden. An den Vertragsverhandlungen habe der Notar nicht mitgewirkt. In der Folge sei der schriftliche Notariatsakt niedergelegt worden. Am 28. September 1983 seien die Vertragsparteien wieder in der Kanzlei des Notars erschienen. Der vorbereitete Vertrag sei verlesen, genehmigt und unterschrieben worden. In keiner Phase sei dem Notariatskandidaten aufgefallen, daß bei der Übergeberin eine Geschäftsunfähigkeit vorgelegen hätte. Der Notar habe sich vor Aufnahme des Notariatsaktes pflichtgemäß von der Handlungsfähigkeit der Beteiligten und auch davon überzeugt, daß die Übergeberin in einwandfreier Weise ihren Willen kundtat.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes; die ordentliche Revision ließ es nicht zu.

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Rechtliche Beurteilung

Auch ein Übergabsvertrag kann eine gemischte Schenkung darstellen, wenn der Wert der dem Übernehmer obliegenden Gegenleistungen wesentlich geringer ist als der Sachwert der überlassenen Liegenschaft und die Vertragsschließenden in diesem Umfang eine Schenkung beabsichtigten. Dies ist hier angesichts der beiderseitigen Leistungen und des Alters der 1889 geborenen Übergeberin zu unterstellen. Nach dem auch auf gemischte Schenkungen anzuwendenden § 943 ABGB erwächst dem Geschenknehmer aus einem bloß mündlichen, ohne wirkliche Übergabe geschlossenen Schenkungsvertrage kein Klagerecht. Dieses Recht muß durch eine schriftliche Urkunde begründet werden; § 1 Abs 1 lit. d NZwG macht die Gültigkeit eines Schenkungsvertrages ohne wirkliche Übergabe von der Aufnahme eines Notariatsaktes abhängig. Im vorliegenden Fall bedurfte es aber keines Notariatsaktes. Die im Übergabsvertrag enthaltene Erklärung der Übergeberin, die Liegenschaft sei übergeben worden, stellt zusammen mit der Tatsache, daß die Übernehmer schon vorher, wie aktenkundig ist, Mitbenützer der Liegenschaft waren und sich die übergebene Liegenschaft demnach in der gemeinsamen Gewahrsame der Übergeberin und der Übernehmer befand, letzteren somit schon bisher Naturalbesitz eingeräumt war, die erforderliche "wirkliche Übergabe" dar (JBl 1985, 672; SZ 50/101; JBl 1977, 257; Schubert in Rummel2, § 943 ABGB Rz 3; Koziol-Welser, Grundriß8 I 325). Bei außerbücherlicher Übergabe der Liegenschaft ist ein Notariatsakt nicht erforderlich (NZ 1979, 194 ua). Die Frage der Ungültigkeit eines nicht vom Notar selbst errichteten Notariatsakts stellt sich damit nicht.

Die Auffassung der zweiten Instanz, das Vorbringen der klagenden Partei in der Berufung, der Notariatsakt sei ungültig, weil er nicht vom Notar persönlich aufgenommen worden sei, stelle eine Neuerung dar, widerspricht zwar dem Akteninhalt (vgl AS 144), ist aber angesichts der Einhaltung der vom Gesetz geforderten Traditionsform bedeutungslos. Der Revision ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E025433

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1990:0010OB00527.910.1114.000

Im RIS seit

26.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten