TE Bvwg Erkenntnis 2018/3/9 W202 2184681-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2018
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Entscheidungsdatum

09.03.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §20 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W202 2184681-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Bernhard SCHLAFFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.01.2018, Zahl 1088417509 - 151408981, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG idgF, § 9 BFA-VG idgF und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am folgenden Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab der Beschwerdeführer betreffend seinen Fluchtgrund zu Protokoll, in Afghanistan ein Lebensmittelgeschäft gehabt zu haben. Die Taliban und die Daesch hätten gewollt, dass der Beschwerdeführer für sie arbeite und sie hätten den Beschwerdeführer bedroht, woraufhin er das Land verlassen habe.

In Afghanistan habe er acht Jahre die Grundschule besucht.

Der Beschwerdeführer habe den Entschluss, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, vor ca. eineinhalb Monaten gefasst. Vor ca. einem Monat sei er illegal mit dem Bus ausgereist.

Am 16.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dabei hat sich im Wesentlichen Folgendes ergeben (Fehler im Original):

" . . .

F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?

A: Nein

F: Haben Sie Dokumente, welche Ihre Identität beweisen?

A:

vorgelegt wird die Aufenthaltsberechtigungskarte weiß, § 51 und eine Tazkira

F: Werden Sie im Verfahren von einem Rechtsanwalt vertreten?

A: Nein

F: Haben Sie irgendwo außerhalb von Österreich um Asyl angesucht?

A: Nein

F: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

A: Gut, danke

F: Befinden Sie sich in ärztlicher Behandlung oder sonst in Therapie?

A: Nein

F: Nehmen Sie Medikamente?

A: Nein

F: Sind sie einvernahmefähig. Sind Sie geistig und körperlich in der Lage heute die Einvernahme durchzuführen?

A: Ja

F. Wenn Sie Zeitangaben machen, machen Sie diese bitte in Ihrer Zeitrechnung (afghanischer Kalender=Sonnenkalender). Haben Sie verstanden?

A: ich versuche es

F: Ist Ihnen der Sonnenkalender nicht so geläufig? Wenn nein, wieso nicht?

A: seit zwei Jahren benütze ich diesen Kalender nicht mehr. In Afghanistan ist die Anwendung eines Kalenders nicht üblich.

F: Können Sie die lateinische Schrift lesen?

A: Ja

F: Können Sie Deutsch?

A: ein bißchen

F: Verstehen Sie den Dolmetsch einwandfrei?

A: Ja, ich spreche Dari und bin damit einverstanden, dass die Einvernahme heute in der Sprache Dari durchgeführt wird.

F: Welche Sprachen, außer Dari sprechen Sie noch?

A: ein wenig Englisch und etwas Arabisch und ein bißchen Deutsch

. . .

F: Welche Staatsbürgerschaft haben Sie?

A: die von Afghanistan

F: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?

A: der Hazara

F: Welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?

A: Moslem - Schiit

F: Sind Sie verheiratet bzw. leben Sie in einer Lebensgemeinschaft? Wenn ja, wo lebt die Gattin bzw. die Lebensgefährtin?

A: nein, ich bin ledig

F: Haben Sie Kinder?

A: nein

F: Wo waren Sie zuletzt wohnhaft? Geben Sie die den Ort, den Distrikt und die Provinz an.

A:

Ort: Dorf XXXX

Distrikt:XXXX

Provinz: XXXX

F: Wie groß ist der Ort XXXX? Wieviele Einwohner leben dort?

A: ich habe es nicht gezählt, ich weiß es nicht

F: Waren dort eher 10, 50 oder 100 Häuser?

A: etwa 250 bis 300 Häuser

F: War dies ein Haus oder eine Wohnung? Wo in Ihrem Dorf/Stadt lag dieses Haus? Wieviele und welche Personen lebten in dem Haus?

A: Ich lebte dort in einem Haus. Dort lebten meine Eltern und mein Bruder.

F: Leben diese Personen noch immer dort?

A: Ich weiß nicht, ob sie noch immer dort wohnen. Als ich mit ihnen vor vier Monate mit einem Freund meines Vaters gesprochen habe, sagte er mir, dass meine Familie auch ausreisen will.

F: Hatten Sie mit Ihren Familienangehörigen keinen Kontakt mehr?

A: nein

F: Welche Schul- bzw. Berufsausbildung haben Sie?

A: ich habe 8 Jahre lang die Schule besucht und habe keinen Beruf erlernt.

F: Welchen Beruf Sie hatten Sie in Ihrem Heimatland bzw. was haben Sie gearbeitet?

A: Ich hatte ein Lebensmittelgeschäft

F: Wo lag Ihr Lebensmittelgeschäft? In welchem Ort und in welcher Geschäftslage?

A: Das war in meinem Dorf XXXX. Dort gibt es keine große Straße. Es lag in der Gasse in der ich gewohnt habe.

F: Gab es daneben auch andere Geschäfte?

A: ja, es gaben andere, aber die waren 5 bis 10 Minuten von meinem Geschäft entfernt.

F: Wie groß war Ihr Lebensmittelgeschäft? Hatten Sie Angestellte?

A: Es war ungefähr die Hälfte von diesem Einvernahmezimmer. Ich hatte keine Angstellten. Es war ein kleines Geschäft ich schätze 15-20 qm.

F: Was haben Sie verkauft?

A: Lebensmittel, z.B. Reis, Mehl, Bohnen, Öl etc.

F: Wo und wie haben Sie sich Ihre Lebensmittel beschafft, welche Sie verkauft haben?

A: Mein Vater hat die Lebensmittel gekauft und ich war im Geschäft.

F: Sie waren bei der Ausreise ca. 20 Jahre alt. Wie kommt es, dass Sie im so einem jungen Alter schon ein eigenes Lebensmittelgeschäft besitzen?

A: Das Geschäft mein Vater gehört. Ich habe für ihn gearbeitet. Mein Vater war alt. Er hat nur die Einkäufe erledigt.

F: Haben Sie bis zu der Ausreise gearbeitet? Wenn ja, was?

A: ja

F: Was ist mir Ihrem Lebensmittelgeschäft jetzt? Wem gehört es bzw. wer betreibt es weiter?

A: Wenn man ausreisen will, verkauft man sein Hab und Gut. Ich glaube, dass mein Vater auch das Geschäft und das Haus verkauft hat.

F: Geben Sie den vollen Namen der Eltern, deren Geburtsdatum, deren Wohnadresse wieder und geben Sie an wovon Ihre Eltern leben.

A:

Vater: XXXX, ca. 57 Jahre alt

Mutter: XXXX, ich weiß ihr Alter nicht genau

Mein Vater hat in dem Lebensmittelgeschäft gearbeitet.

F: Sie gaben bei der Erstbefragung an, dass Sie einen Bruder und eine Schwester hätten. Wieviele Geschwister haben Sie nun wirklich?

A: ich habe einen Bruder und eine Schwester

Bruder: XXXX, ca. 8 Jahre alt

Schwester: XXXX, ca. 10 Jahre alt

F: Leben Ihre beiden Geschwister noch bei den Eltern?

A: ja

F: Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt mit Ihren Eltern?

A: vor dreieinhalb bis vier Monaten

F: Wie ging es Ihren Familienangehörigen bei Ihrem letzten Telefonat?

A: Körperlich ging es ihnen gut, aber psychisch schlecht, weil sie alles verkaufen mussten und sich für die Ausreise vorbereiteten.

F: Hat Ihr Vater Geschwister? Nennen Sie deren Namen.

A: ja, ich habe einen Onkel und zwei Tanten väterlichseits. Der Onkel heißt XXXX.

F: Hat Ihre Mutter Geschwister? Nennen Sie deren Namen.

A: Ja, ich habe zwei Onkel und drei Tanten mütterlichseits. Die Onkel heißen XXXX und XXXX.

F: Ist Onkel XXXX verheiratet bzw. hat er Kinder? Wo wohnt er? Welchen Beruf übt er aus?

A: Ich weiß es nicht. Ich hatte keinen Kontakt mit ihm.

F: Lebt Onkel XXXX in Afghanistan?

A: vielleicht, ich weiß es nicht. Ich habe seit zwei Jahren keinen Kontakt mit ihm. In Afghanistan hatte ich auch keinen Kontakt mit ihm.

F: Ist Onkel XXXX verheiratet bzw. hat er Kinder? Wo wohnt er? Welchen Beruf übt er aus?

A: Ich weiß nicht wo er sich befindet. Aber er ist verheiratet.

F: Ist Onkel XXXX verheiratet bzw. hat er Kinder? Wo wohnt er? Welchen Beruf übt er aus?

A: Er ist verheiratet und lebt in Kabul. Ich weiß nicht, was der arbeitet.

F: Hatten Sie mit Onkel XXXX jemals in Afghanistan Kontakt?

A: In Afghanistan hatten ich keinen Kontakt mit ihm. Aber hier spreche ich ab und zu mit ihm.

F: Das ist unlogisch. In Afghanistan hatten Sie keinen Kontakt. Nun in Österreich sprechen Sie mit ihm. Wieso?

A: Damals hatte ich kein Telefon in XXXX.

F: Wann haben Sie zum ersten Mal daran gedacht, dass Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen wollen?

A: Nachdem ein Vorfall passiert

F: Wann vor Ihrer Ausreise passierte dieser Vorfall?

A: das war an dem Tag der Ausreise

F: Schildern Sie die genaue Reiseroute und mit welchen Verkehrsmitteln Sie Ihre Ausreise von Ihrem Dorf/Stadt XXXX bis zu der afghanischen Grenze machten?

A: Ich fuhr mit einem PKW von unserem Dorf über die Stadt XXXX nach Kabul. Von dort fuhr ich in die Provinz Nimroz. Von dort überquerte ich die Grenze in den Iran zu Fuß.

F: Gab es auf der Fahrt mit dem PKW von Ihrem Dorf bis zu der iranischen/afghanische Grenze Zwischenfälle?

A: nein

F: Sind Sie bereits vorher einmal in Kabul gewesen? Wenn ja, für wie lange?

A: Ich war nur zu Besuch in Kabul. Aber dort habe ich nie gelebt.

F: Wenn haben Sie wie oft in Kabul besucht?

A: Ich war auf der Durchreise. Ich habe von jemanden Geld bekommen. Damit ich ausreisen konnte.

F: Von wem bekommen Sie in Kabul Geld?

A: Ein Freund meines Vaters hat mir das Geld gegeben.

F: Wieso reisten Sie ausgerechnet nach Österreich und stellten hier einen Asylantrag?

A: Ich wußte nicht welches Land besser war. Dort gab es eine Fotografin, mit der ein Freund von mir gesprochen hat. Er hat sich gefragt, welches Land besser wäre. Sie sagte, dass viele Flüchtlinge bereits in Deutschland sind. Dort würde es lange dauern Asyl zu bekommen. Sie sagte, dass Österreich ein gutes Land ist und wir dort schnell als Flüchtlinge anerkannt werden würden.

F: Wo in welcher Stadt haben Ihr Freund und Sie diese Fotografin gefragt?

A: es war auf dem Weg nach Österreich. Ich glaube es war in Ungarn.

Bitte beantworten Sie die nachfolgenden Fragen kurz mit ja oder nein. Sie können dann später die genauen Details nennen.

F: Sind Sie in Ihrer Heimat vorbestraft?

A: Nein

F: Standen Sie je vor Gericht?

A: Nein

F: Waren Sie in Ihrem Heimatland inhaftiert?

A: Nein

F: Hatten Sie Probleme mit den Behörden in der Heimat?

A: alle Afghanen haben Probleme mit den Behörden, weil sie korrupt sind und sie können nicht für die Sicherheit der Menschen dort sorgen.

F: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Aufenthaltsermittlung, Haftbefehl, Strafanzeige, Steckbrief, etc.?

A: Nein

F: Sind oder waren Sie politisch tätig oder waren Sie das Mitglied einer politischen Partei und hatten deswegen Probleme in Ihrer Heimat?

A: Nein

F: Sind Sie Mitglied einer Organisation, z.B. der Gewerkschaft, einer NGO und hatten deswegen Probleme in der Heimat?

A: Nein

F: Hatten Sie in ihrem Herkunftsstaat aufgrund Ihres Religionsbekenntnisses Probleme?

A: ja

F: Hatten Sie in Ihrem Heimatland Probleme aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit?

A: Nein

F: Hatten Sie gröbere Probleme mit Privatpersonen (Blutfehden, Racheakte etc.)?

A: Nein

F: Nahmen Sie in ihrem Heimatland an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teil?

A: Nein.

F: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

Sollten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt vor österreichischen Behörden falsche Angaben gemacht haben oder sollte es zu sonstigen Ungereimtheiten gekommen sein, so werden Sie aufgefordert, dies jetzt bekannt zu geben.

Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit nach dem afghanischen Kalender zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

A:

Der Grund meiner Ausreise war, dass ich einen Burschen geliebt habe. Ich habe mit ihm drei bis viermal mit ihm geschlafen. Am Tag meiner Ausreise sagte der Bursche mir, dass niemand bei ihm zuhause wäre. Ich solle zu ihm nachhause kommen. Ich bin zu ihm gegangen. Wir waren in einem Bett. Wir hatten unseren Geschlechtsverkehr bereits beendet. Als sein Vater in das Zimmer hereinkam. Er hat mich beschimpft und wollte mich umbringen. Es wurde laut, er hat geschrien. Ich bin dann von dort weggerannt und geflohen. Ich kam in unser Geschäft zurück. Ich hatte den Schlüssel des Geschäftes und sperrte das Geschäft auf. Ich nahm von der Kasse etwas Geld, ca. 4500,-- bis 5.000,-- Afghani und fuhr nach Kabul. Ich rief in Kabul einen Freund meines Vaters, den ich Onkel nannte, an. Ich sagte ihm, dass ich in den Iran reisen möchte. Er solle mir einen Schlepper finden. Er hat einen Schlepper für mich organisiert und gab mir 5.000,-- Afghani. Danach fuhr ich in den Iran.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert?

A: Ja, wenn mir noch etwas einfällt, dann sage ich es.

Es wird rückübersetzt. Ast wird aufgefordert genau aufzupassen und sofort bekannt zu geben, wenn etwas nicht korrekt sein sollte bzw. er noch etwas zu ergänzen hat.

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich folgendes an:

A: Ich gebe an, dass auf der Seite 3 bei den Mitbewohnern, dass dort auch eine Schwester von mir lebte. Der Schlepper war ein Bekannter meines Onkels und der Schlepper hat mit auch diese 5.000,-- Afghani gegeben.

F: Wusste Ihr Vater, dass Sie Männer lieben?

A: nein

F: Wussten andere Personen in Ihrem Dorf, dass Sie Männer lieben?

A: nein, nur wir beide wussten es. Wenn bei ihnen niemand zuhause war, bin ich zu ihm gegangen. Wenn bei uns zuhause niemand war, ist er zu mir gekommen.

F: Welche Konsequenzen hätte dies für Sie in Ihrem Dorf, wenn bekannt werden würde, dass Sie Männer lieben?

A: Wenn man jemanden tötet, kann sein das der Ältestenrat, die Jirga, jemanden verzeiht. Aber wenn man so eine Tat wie ich begeht, wird durch die Dorfältesten zum Tode verurteilt und wird gesteinigt. Bei uns gibt es viele Taliban und die würden diese Steinigung durchführen. Obwohl sie selber auch solche Taten begehen. Ich habe die Videos darüber im Internet auf YouTube gesehen.

F: Welche Videos haben Sie gesehen?

A: z.B. die Steinigung durch die Taliban, auch das die Taliban mit Burschen schlafen. Wenn sie jemanden anderen erwischen, dann steinigen sie diesen aber öffentlich.

F: Welche sexuelle Orientierung haben Sie? Lieben Sie auch Frauen?

A: ich mag nur Burschen, ich mag keine Frauen

F: Seit wann wissen Sie selber, dass Sie diese sexuelle Neigung haben?

A: Der Bursche war sechzehneinhalb oder siebzehn Jahre alt, als ich ihn kennen gelernt habe. Ich war zu dieser Zeit neunzehn oder zwanzig Jahre alt.

F: Wo haben Sie diesen Burschen kennen gelernt mit dem Sie Sex hatten?

A: Er war ein Bewohner unseres Dorfes und ist öfters in unser Geschäft gekommen.

F: Woher wussten Sie und dieser Bursche, dass sie beide Männer lieben?

A: Wenn jemanden einer gefällt, dann spricht man ihn an. Was er über die Beziehung denkt. Wie er zu einer Beziehung steht. Man ist jung und hat einen gewissen Trieb.

F: Ist es nicht in der afghanischen Gesellschaft gefährlich einen anderen Mann oder Burschen so anzusprechen?

A: ja, wenn es mit Gewalt ist, dann ist es schon gefährlich. Wenn die Gegenseite einverstanden ist und selber auch das will. Solange es geheim ist, stellt es keine Gefahr dar.

F: Erkennen Sie, ob ein Mann homosexuell ist, wenn Sie ihn treffen? Wenn ja, woran?

A: nein, das erkenne ich nicht. Manche erkenne ich schon. An den Gesichtszügen. Aber hier habe ich noch keinen Mann kennen gelernt.

F: Wie begegnen Sie einem Mann, den Sie attraktiv finden?

A: Ich würde ihm alles kaufen, damit seine Wünsche erfüllt sind. Danach kann er meine Wünsche erfüllen.

F: Was finden Sie erregend an einem Mann?

A: Ich mag junge Burschen. Mit den Männern über zwanzig kann ich nichts anfängen.

F: Welche Gefühle haben Sie, wenn Sie eine hübsche Frau sehen? Finden Sie sie sexuell attraktiv?

A: Ich mag sie nicht so wie Burschen.

F: Hatten Sie je sexuelle Beziehungen zu einer Frau?

A: nein

F: Wie leben Sie in Österreich, wo keine generelle staatliche Verfolgung zu befürchten ist, die behauptete Homosexualität aus?

A: bis jetzt habe ich keine Aktivität in dieser Hinsicht. Ich habe schlechte Erfahrungen gemacht, deshalb habe ich mich nur um das Erlernen der deutschen Sprache gekümmert.

F: Wieso wollte Ihre Familie aus Afghanistan ausreisen?

A: Nachdem Vorfall kam der Vater des Burschen zu uns nachhause. Er war mit den Dorfältesten und einigen Verwandten von ihnen. Sie haben meinen Vater geschlagen. Sie sagten, dass mein Vater das Dorf innerhalb von zwei Wochen verlassen muss. Mein Vater verkaufte unser Haus, das Geschäft und ein Grundstück.

F: Können Sie sich noch erinnern welche Fluchtgründe Sie bei Ihrer Erstbefragung am 23.09.2015 angegeben haben?

A: Ich hatte Angst und habe den jetzigen Fluchtgrund damals nicht angegeben. Ich gab an, dass die Taliban mich wegen meiner Zugehörigkeit zu den Hazara bedroht hätten. Zu dieser Zeit hatten die Taliban so ca. 22 Personen als Geisel in der Provinz Ghazni genommen.

F: Wieso hatten Sie bei der Erstbefragung Angst? Vor wen hatten Sie Angst, wenn Sie doch in einem sicheren Land waren?

A: Ich habe mich wegen dem Vorfall erschrocken und war die ganze Zeit unter Schock. Ich wurde unterwegs auch ausgeraubt. Deswegen bin ich auch unter Schock gestanden. Ich war sogar einige Zeit in Wien in XXXX. Ich hatte sogar Selbstmordgedanken. Damit meine Mutter nicht traurig ist und mir nachweint, deswegen habe ich dann keinen Selbstmord gemacht.

F: Was meinen Sie mit, Sie waren sogar einige Zeit in Wien in XXXX?

A: Ich hatte auch in XXXX Streß und Angst wegen dem Vorfall in Afghanistan.

F: Wie lange dauerte Ihre Reise insgesamt von Ihrem Dorf bis zu der Erstbefragung in Österreich?

A: ca. einen Monat

F: Sie gaben bei der Erstbefragung auch an, dass Sie den Entschluss zur Ausreise eineinhalb Monate vor der Erstbefragung gefasst hätten und tatsächlich dann vor einem Monat ausgereist seien? Also ein halbes Monat mit der Ausreise zugewartet hätten.

A: vielleicht ist bei der Übersetzung ein Fehler passiert. Ich habe es nicht so gesagt.

F: Sie sind ein Monat lang über mehrere tausend Kilometer über viele Länder weit gereist und standen noch immer so unter Schock, dass Sie nicht die wahren Fluchtgründe sagen konnten?

A: Ja, ich machte mir Sorgen, dass man meinen Vater geschlagen hatte. Das meine Familie ihr Hab und Gut verkaufen musste. Das auch die Ehre meiner Familie befleckt worden ist. Dass sie mich auch umbringen wollten. Das machte mir auch Stress. Das unterwegs die Räuber auch versucht haben, uns die Reisenden, auszurauben. Beinahe hätten sie mich auch erwischt. Ich war der letzte in der Reihe, der sich den Schleppern angeschlossen hatte und konnte deswegen noch rechtzeitig davon laufen.

F: Wurde Ihnen das Protokoll der Erstbefragung vom 23.09.2015 nach der Befragung rückübersetzt?

A: ich weiß es nicht mehr

Anmerkung: Der bei der Erstbefragung unter Punkt 11 bei angegebene Fluchtgrund wird rückübersetzt

F: Wollen Sie dazu etwas angeben?

A: ich kann mich jetzt daran erinnern, dass ich das gesagt habe.

F: Welcher Fluchtgrund stimmt nun? Die Bedrohung durch die Taliban oder weil Sie beim Geschlechtsverkehr mit einem Mann erwischt wurden?

A: Beide Gründe sind richtig. Die Taliban und der Islamische Staat bringen die Hazara und Schiiten überall in Afghanistan um. Zum Beispiel der Anschlag auf die schiitische Moschee in Kabul vor Kurzem. Ein schiitischer Bursche wurde in der Schule namens XXXX in der Toilette erwürgt. Die Schule war gleichzeitig eine Moschee für die Schiiten. Der Vorfall war vor einer Woche.

F: Wurden Sie persönlich jemals konkret von den Taliban oder Anhängern des Islamischen Staates bedroht?

A: das macht keinen Unterschied. Ich bin Zeuge von täglichen Ermordungen, welche durch die Taliban oder dem Islamischen Staat erfolgen.

F.: Wohnen Familienangehörige oder Verwandte von Ihnen in Österreich? Wenn ja, wo wohnen diese?

A.: nein

F: Haben Sie in Österreich Deutschkurse besucht und Prüfungen dazu abgelegt? Können Sie dies nachweisen?

A: ja. Ich habe die Prüfung für Deutsch A2 am 11.11.2017 gemacht. Das Zeugnis habe ich noch nicht erhalten, ich werde es demnächst vorlegen.

Vorgelegt wird:

Prüfungszeugnis für Deutsch A1 und mehrere Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse zu A1 und A2

F.: Haben Sie darüber hinaus in Österreich eine Schule besucht bzw. eine Ausbildung genossen? Wenn ja,

welche und wie lange.

A.: Ich habe es versucht. Ich bin zu der Heimleiterin gegangen und sagte, dass ich arbeiten möchte. Sie sagte, dass ich es selber versuchen soll.

F.: Sind oder waren Sie in Österreich beschäftigt und haben damit ein Einkommen lukriert?

A.: nein

F.: Sind Sie in einem Verein aktiv tätig? Wenn ja, wo und seit wann? Ist die Vorlage einer

Bestätigung möglich?

A.: Ich besuche ein Fitnesscenter.

F.: Befinden Sie sich in Grundversorgung oder haben Sie eine eigene Wohnung, wenn ja, wie hoch ist der Mietzins.

A.: Ich wohne in einer Pension und bin in der Grundversorgung.

F.: Sind Sie in Österreich mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

A.: nein

F.: Könnten Sie im Falle der Rückkehr nach Afghanistan bei Verwandten wohnen?

A.: nein, wenn ich das könnte, dann wäre ich nicht hierher gekommen.

F: Könnten Sie im Falle der Rückkehr in Ihrer Provinzhauptstadt XXXX wohnen? Wenn nicht, erklären Sie genau, wieso Sie nicht in XXXX leben könnten?

A: Wenn man private Feindschaft hat, dann wird man überall verfolgt und das endet nie.

F: Sind dies alle Gründe wieso Sie nicht in XXXX leben könnten?

A: nein

F: Könnten Sie im Falle der Rückkehr in Kabul wohnen? Wenn nicht, erklären Sie genau, wieso Sie nicht in Kabul leben könnten?

A: Die vorige Antwort gilt genauso für Kabul. Der einzige Ausweg ist, dass man das Land verlässt.

F: Wollen Sie noch weitere Beweismittel vorlegen?

A: ja

Vorgelegt wird:

Eine Karte eines Fitnesscenters "XXXX"

F: Wurde Ihnen ausreichend Zeit eingeräumt, Ihre Probleme vollständig und so ausführlich, wie Sie es wollten, zu schildern?

A: Ja

F: Wollen Sie noch etwas angeben, was ihnen besonders wichtig erscheint und noch nicht besprochen wurde?

A: Nein

Anmerkung: Dem Asylwerber wir die Information zur Wohnsitzbeschränkung gem. § 15c Asyl in der Sprache Dari übergeben und durch den Dolmetscher erläutert. Der Asylwerber unterschreibt auf der Information und erhält eine Ausfertigung.

F: Haben Sie verstanden

A: ja

. . .

Nach erfolgter Rückübersetzung gebe ich an, dass meine Angaben richtig und vollständig sind.

F: Haben Sie den Dolmetsch während der g e s a m t e n Einvernahme einwandfrei verstanden.

A: Ja.

F: Hat der Dolmetsch das rückübersetzt, was Sie gesagt haben.

A: Ja.

. . ."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht (Spruchpunkt III.), erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise betrage gem. § 55 Abs. 1-3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Beweiswürdigend führte das Bundesamt soweit wesentlich aus, der Beschwerdeführer habe zwei komplett unterschiedliche Versionen zu seinen Fluchtgründen angegeben. In der Erstbefragung habe er angegeben, ein Lebensmittelgeschäft betrieben zu haben und dass die Taliban und die Daesch vom Beschwerdeführer verlangt hätten, mit ihnen zusammenzuarbeiten und er deswegen bedroht worden sei. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt ausgeführt, homosexuell zu sein und mit einem Jugendlichen in dessen Schlafzimmer im Elternhaus geschlafen zu haben, von dessen Vater erwischt und mit dem Umbringen bedroht worden zu sein. Der Beschwerdeführer habe die Angabe verschiedener Fluchtgründe damit begründet, bei der Erstbefragung Angst gehabt zu haben. Er wäre wegen des Vorfalls in Afghanistan noch immer unter Schock gestanden und er wäre auf der Flucht fast von Räubern ausgeraubt worden.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer gelegentlich der Erstbefragung einen komplett anderen Sachverhalt als in der Einvernahme geschildert habe, erschüttere seine Glaubwürdigkeit massiv. Auch die Begründung, warum er in der Erstbefragung einen anderen Sachverhalt geschildert habe, sei für das Bundesamt nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer habe dazu angegeben, er wäre bei der Erstbefragung noch unter Schock gestanden. Er sei ein junger gesunder Mann und sei einen oder eineinhalb Monate auf der Reise von Afghanistan nach Österreich gewesen. Er habe dabei genug Zeit gehabt, sich einigermaßen zu beruhigen. Außerdem habe er sich um die Bewältigung der Reiseschwierigkeiten bemühen und sich auf diese Aufgaben konzentrieren müssen. Außerdem gebe man nach allgemeiner Erfahrung unter Schock eher die Wahrheit oder Teile der Wahrheit wieder und nicht eine konstruierte Geschichte.

Bei der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer angegeben, vor eineinhalb Monaten den Entschluss gefasst zu haben, aus dem Herkunftsstaat auszureisen und vor einem Monat tatsächlich ausgereist zu sein. Demnach wäre der Beschwerdeführer von dem Zeitpunkt des Entschlusses auszureisen bis zur tatsächlichen Ausreise noch einen halben Monat im Herkunftsstaat verblieben. Im Gegensatz dazu habe er bei der Einvernahme am 16.11.2017 angegeben, an dem Tag der Ausreise, als der angebliche Vorfall gewesen wäre, auch den Entschluss gefasst hätte, aus seinem Herkunftsstaat auszureisen. Auf diesen Widerspruch angesprochen habe der Beschwerdeführer dazu angegeben, dass vielleicht ein Fehler passiert wäre. Dazu müsse auch darauf hingewiesen werden, dass er das Protokoll bei der Erstbefragung unterschrieben habe.

Auf Nachfrage, ob der Beschwerdeführer nun tatsächlich von den Taliban oder Anhängern des Islamischen Staates bedroht worden sei, habe er eine ausweichende und oberflächliche Antwort gegeben. Er habe dazu nur angegeben, dass er Zeuge von Ermordungen gewesen wäre, welche durch die Taliban oder Anhänger des Islamischen Staates erfolgt seien. Konkrete gegen den Beschwerdeführer persönlich gerichtete Verfolgungshandlungen dieser beiden Gruppen habe er nicht angeführt.

Dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat nicht politisch aktiv gewesen sei, kein Mitglied einer politischen Partei gewesen sei und keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen und Religionszugehörigkeit oder mit den Behörden gehabt habe, ergebe sich aus dem Umstand, dass er am 16.11.2017 dezidiert nach diesen Punkten gefragt worden sei und er dies verneint habe. Ebenso, dass der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat weder vorbestraft noch inhaftiert gewesen sei und dass keine staatlichen Fahndungsmaßnahmen gegen den Beschwerdeführer bestünden. Andere asylrelevante Umstände habe der Beschwerdeführer nicht vorgebracht und es hätten sich solche auch nicht ergeben.

Hinsichtlich der Sicherheits- und Versorgungslage sei festzuhalten, dass Gefährdungen nicht für das ganze Staatsgebiet Afghanistans festzustellen seien. Es werde nicht verkannt, dass es sich bei der Provinz XXXXum eine volatile Provinz handle. Es sei dem Beschwerdeführer aber durchaus zumutbar, sich in einer sicheren Gegend wie Kabul niederzulassen. Aus den Länderfeststellungen ergebe sich, dass Kabul über den internationalen Flughafen sicher zu erreichen sei.

Die Feststellungen zu Schulbildung und dem Betreiben eines Lebensmittelgeschäfts in XXXX würden sich auf die Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren stützen.

Er habe angegeben, das letzte Mal vor vier Monaten mit einem Freund seines Vaters gesprochen zu haben, wobei dieser angegeben habe, dass auch die Familie des Beschwerdeführers Afghanistan verlassen wolle. Der Beschwerdeführer selbst habe keinen Kontakt mit seinen Familienmitgliedern. Daher sei der aktuelle Aufenthaltsort seiner Eltern und der zwei Geschwister nicht feststellbar.

Der Beschwerdeführer habe einen Onkel und zwei Tanten väterlicherseits. Der Beschwerdeführer habe angegeben, ein Onkel des Beschwerdeführers würde in Kabul leben. Er habe angegeben, ab und an von Österreich aus mit ihm zu sprechen. Weiters habe er angegeben, dass ein guter Freund seines Vaters, den der Beschwerdeführer sogar Onkel nennen würde und der dem Beschwerdeführer auch bei der Flucht aus Afghanistan geholfen hätte, in Kabul leben würde.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand ergebe sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und der Aktenlage.

Für eine existentielle Gefährdung des Beschwerdeführers bestünden keine Hinweise. Er sei vor seiner Ausreise aus Afghanistan in der Lage gewesen, seinen Lebensunterhalt durch das Betreiben des Geschäfts zu bestreiten. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt, wieso der Beschwerdeführer in Kabul nicht ebenfalls in der Lage sein sollte, seine Existenz - anfangs durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten - zu sichern und eine einfache Unterkunft zu finden. Die dargetanen Umstände würden aus Sicht des Bundesamtes die Annahme rechtfertigen, dass sich der Beschwerdeführer in Kabul eine Existenz aufbauen und sichern könne. Dafür spreche nicht zuletzt auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer als junger Erwachsener in der Lage gewesen sei, völlig auf sich alleine gestellt durch ihm unbekannte Länder die Flucht bis nach Österreich zu meistern, wobei er sicherlich ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit unter Beweis stellen habe müssen. Aufgrund der Feststellungen zur gewährleisteten Grundversorgung in Afghanistan und des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung handle, sei davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage gelangen würde.

Die Feststellungen zu den nicht vorhandenen familiären Anknüpfungspunkten in Österreich sowie seiner Lebensgrundlage würden sich auf die Angaben des Beschwerdeführers, aus dem IZR-, BIS- und ZMR-Abfragen ergeben.

Rechtlich führte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers insgesamt die Glaubhaftigkeit abzusprechen gewesen sei. Das Bundesamt erachte seine Angaben als gänzlich unwahr, sodass die vom Beschwerdeführer behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden könnten und es sei auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen. Aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich bei Berücksichtigung aller bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliege eines Sachverhaltes, der gem. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zur Gewährung von Asyl führen würde.

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt rechtlich aus, aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergebe sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 AsylG nicht gegeben seien. Aus den zugrunde gelegten Länderfeststellungen ergebe sich, dass es aufgrund der in der Provinz XXXX auftretenden Sicherheitsprobleme eine allfällige Rückführung des Beschwerdeführers in diese Region - abgesehen von der Frage der sicheren Erreichbarkeit - für den Beschwerdeführer mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein könnte, weshalb ihm eine Rückkehr nicht zugemutet werden könne. Zu prüfen bleibe, ob der Beschwerdeführer aufgrund der dortigen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände auf eine andere Region des Landes - nämlich die Hauptstadt Kabul - verwiesen werden könne. Aus den Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Kabul könne nicht abgeleitet werden, dass für jede dort lebende oder zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie des 6. ZPMRK geschützten Güter mit einer derartigen Wahrscheinlichkeit drohe, dass dies zur Gewährung von subsidiären Schutz führen müsse. Der Beschwerdeführer sei wie festgestellt mobil, gesund sowie anpassungs- und arbeitsfähig. Vor seiner Ausreise aus Afghanistan habe er sich seine Existenz durch das Betreiben eines Lebensmittelgeschäftes sichern können. Auch in Österreich habe er Lernfähigkeit bewiesen. Er verfüge über eine schulische Ausbildung, spreche Dari und ein wenig Englisch, Arabisch und Deutsch. Er könne lesen und schreiben und sei grundsätzlich mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftslandes vertraut. Die Grundversorgung der afghanischen Bevölkerung sei zumindest grundlegend gesichert. Zudem gehöre er keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen sei, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstelle als die übliche Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzgrundlage aufkommen könne. Im Verfahren sei nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer bereits in Kabul gelebt habe. Er verfüge dort jedoch über soziale und familiäre Anknüpfungspunkte, weil ein Onkel, mit dem er noch immer in telefonischer Verbindung stehe und ein guter Freund seines Vaters, der ihm bei der Flucht geholfen habe, leben würden. Er könne durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden, deshalb sei auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage gewesen sei, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könne. Ihm sei es aufgrund der dargelegten Umstände auch unmittelbar in Kabul bestehende soziale bzw. familiäre Anknüpfungspunkte möglich, sich dort - durch verschiedene Tätigkeiten bzw. anfänglich auch durch Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten - eine Existenz aufzubauen und diese zu sichern sowie eine (einfache) Unterkunft zu finden. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre, gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte.

Schwierige Lebensbedingungen für Hazara würden keine konkrete Verfolgungsgefahr betreffend die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan aufzuzeigen vermögen.

Eine Rückkehr nach Kabul sei dem Beschwerdeführer jedenfalls möglich und zumutbar.

Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt rechtlich aus, dem Beschwerdeführer werde ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG nicht erteilt.

Zu Spruchpunkt IV. führte das Bundesamt rechtlich aus, der Beschwerdeführer habe im österreichischen Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder andere besonders enge Beziehungen. Es liege kein iSd Art. 8 EMRK schützenswertes Familienleben vor. Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichere dem Einzelnen zudem einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen könne. Der Beschwerdeführer sei seit 22.09.2015 in Österreich aufgrund seines Antrages auf internationalen Schutz aufhältig. Er habe sich bemüht, die deutsche Sprache zu lernen. Eine soziale und berufliche Integrationsverfestigung habe nicht festgestellt werden können. Sein Aufenthalt in Österreich, sofern er rechtmäßig war, habe letztlich auf einem erfolglosen Asylantrag beruht. Er habe zu keinem Zeitpunkt damit rechnen dürfen, dauerhaft in Österreich bleiben zu können. Er sei unbescholten. Nach Durchführung der Abwägung nach Art. 8 EMRK erkannte das Bundesamt, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei. Ein Aufenthaltstitel nach §§ 55 und 57 AsylG sei dem Beschwerdeführer nicht zu erteilen gewesen. Da ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde und eine Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig sei, sei gem. §10 Abs. 1 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Zu Spruchpunkt V. führte das Bundesamt rechtlich aus, im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen, sei die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig.

Zu Spruchpunkt VI. führte das Bundesamt rechtlich aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise in seinem Fall 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides betrage.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes brachte der Beschwerdeführer durch einen Rechtsberater fristgerecht Beschwerde ein, wobei er soweit wesentlich Folgendes vorbrachte:

Neben einer kurzen Darstellung des Verfahrensganges und des Fluchtvorbringens sowie der Zitierung von Länderinformationen führt die Beschwerde aus, das Bundesamt sei seiner Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Von ihm hätte jedenfalls berücksichtigt werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit 23 Jahren im wehrfähigen Alter sei und im Falle seiner Rückkehr mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer (Zwangs-)Rekrutierung bedroht sei. Laut den Richtlinien des UNHCR zur Beurteilung von Risikoprofilen in Afghanistan würden junge Männer als Zielgruppe radikaler Gruppierungen betreffend Zwangsrekrutierungen genannt. Der Beschwerdeführer gehöre zur sozialen Gruppe jener Personen an, die im wehrfähigen Alter und von einer Zwangsrekrutierung durch radikale Gruppierungen bedroht seien und sich daher vor wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung fürchteten.

In seiner Bescheidbegründung werde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine Gefahren drohen würden, die die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden. IdZ sei davon auszugehen, dass das Leben des Beschwerdeführers in der Region Kabul gefährdet werde, wenn dort regelmäßig militärische Operationen stattfänden, weil dadurch ebenfalls mit Begleitschäden auf die Zivilbevölkerung zu rechnen sei.

In Österreich bemühe sich der Beschwerdeführer Deutsch zu lernen um eines Tages arbeiten zu können. Er besuche Deutschkurse. Er spreche gut Deutsch und habe sich integriert. Während dem Asylverfahren habe der Beschwerdeführer seine bisherige Integration durch das Einreichen von einer Reihe von Dokumenten bestätigt. "Aus diesen Gründen hätte das Bundesamt dem Beschwerdeführer zumindest den Status des Subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen" [sic]. Der Beschwerdeführer beantrage deshalb auch die Aufhebung der in Spruchpunkt III. des bekämpften Bescheides gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung. Insgesamt habe sich das Bundesamt somit unzureichend mit den Angaben des Beschwerdeführers auseinandergesetzt und somit eine nicht nachvollziehbare Beweiswürdigung vorgenommen.

Die Beschwerde beantragt, den Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt werde, in eventu, der eines subsidiär Schutzberechtigten, in eventu, dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. §§ 57 und 55 AsylG zuerkannt sowie die gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Ausweisung und Rückkehrentscheidung aufgehoben werde, in eventu, den bekämpften Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückzuverweisen und eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, gehört der Volksgruppe der Hazara an und ist schiitischer Moslem. Er stammt aus der Provinz XXXX, er ist gesund und im erwerbsfähigen Alter. Er besuchte in Afghanistan acht Jahre lang die Grundschule, er beherrscht die Sprache Dari, kann lesen und schreiben und hat bereits Arbeitserfahrung in einem Lebensmittelgeschäft sammeln können. Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte in Kabul: Ein Onkel des Beschwerdeführers sowie ein Freund seines Vaters, den der Beschwerdeführer auch "Onkel" nennt, sind dort aufhältig.

Die Behauptungen des Beschwerdeführers, er sei von den Taliban und Daesh aufgefordert worden, mit ihnen zu arbeiten, und bedroht worden sowie dass er in Afghanistan eine homosexuelle Beziehung gepflogen habe und dabei vom Vater seines Partners ertappt und bedroht worden wäre, ist nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer hätte im Falle einer Rückkehr keine Verfolgung wegen seiner Volks- und Religionszugehörigkeit als schiitischer Hazara zu befürchten, ebensowenig in Zusammenhang mit Zwangsrekrutierungen.

Es wird - wie schon vom Bundesamt- zugrunde gelegt, dass aufgrund der in der Provinz XXXX auftretenden Sicherheitsprobleme für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine ernstzunehmende Gefahr für Leib und Leben bestünde.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul, besteht - wie ebenfalls schon vom Bundesamt zutreffend erkannt - für den Beschwerdeführer als alleinstehenden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine solche Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Im Bundesgebiet verfügt der Beschwerdeführer über keinerlei Familienangehörige, er lebt nicht in einer Lebensgemeinschaft, besucht aber ein Fitnessstudio. Der Beschwerdeführer hat mittlerweile mehrere Deutschkurse besucht und zumindest das Zertifikat für das Niveau A1 erworben. Anhaltspunkte, die auf eine fortgeschrittene Integration hindeuteten, bestehen nicht. Der Beschwerdeführer bezog bis vor kurzem Grundversorgung, derzeit ist der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthaltes und unbescholten.

Zum Herkunftsland:

Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung erarbeitet (IDEA o.D.), und im Jahre 2004 angenommen (Staatendokumentation des BFA 7.2016; vgl. auch: IDEA o.D.). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahre 1964. Bei Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann und Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation des BFA 3.2014; vgl. Max Planck Institute 27.1.2004).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Parlament und Parlamentswahlen

Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern. Seit Mitte 2015 ist die Legislaturperiode des Parlamentes abgelaufen. Seine fortgesetzte Arbeit unter Ausbleiben von Neuwahlen sorgt für stetig wachsende Kritik (AA 9.2016). Im Jänner 2017 verlautbarte das Büro von CEO Abdullah Abdullah, dass Parlaments- und Bezirksratswahlen im nächsten Jahr abgehalten werden (Pajhwok 19.1.2017).

Die afghanische Nationalversammlung besteht aus dem Unterhaus, Wolesi Jirga, und dem Oberhaus, Meshrano Jirga, auch Ältestenrat oder Senat genannt. Das Unterhaus hat 249 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze und für die Minderheit der Kutschi 10 Sitze im Unterhaus reserviert (USDOS 13.4.2016 vgl. auch: CRS 12.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze. Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für Behinderte bestimmt. Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von 25% im Parlament und über 30% in den Provinzräten. Ein Sitz im Oberhaus ist für einen Sikh- oder Hindu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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