TE Vwgh Erkenntnis 2018/2/13 Ra 2017/02/0146

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Veröffentlicht am 13.02.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z8;
B-VG Art10 Abs1 Z9;
GewO 1994 §370 Abs2;
GewO 1994 §39;
KDV 1967 §4 Abs4 Z2;
KFG 1967 §103 Abs1 Z1;
KFG 1967 §7 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 25. Juni 2017, Zl. LVwG-S 771/001 2016, betreffend Übertretungen des KFG (mitbeteiligte Partei: F in M, vertreten durch Mag. Peter Abmayer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Riesgasse 3/14), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird hinsichtlich der Aufhebung von Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 21. Juli 2015 und der damit verbundenen Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 21. Juli 2015 wurde der Mitbeteiligte wegen Übertretungen des KFG schuldig erkannt. Er habe am 1. August 2014 um 15:45 Uhr im Gemeindegebiet Wolfsbach auf der A1 Westautobahn als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der J GmbH, diese sei unbeschränkt haftende Gesellschafterin der J GmbH & Co KG, in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass die J GmbH & Co KG als Zulassungsbesitzerin des genannten KFZ nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Zustand des KFZ den Vorschriften des KFG entspreche. Zum einen sei das Federnauge an der 1. Achse links komplett abgerissen gewesen (Spruchpunkt 1.), zum anderen habe beim Anhänger der Reifen in der Mitte der Lauffläche (3/4 der Laufflächenbreite) nicht mehr die erforderliche Profiltiefe von 2,0 mm aufgewiesen (Spruchpunkt 2.).

2 Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurde über die mitbeteiligte Partei unter Spruchpunkt 1. gemäß § 103 Abs. 1 Z 1 KFG iVm § 4 Abs. 2 KFG und unter Spruchpunkt 2. gemäß § 103 Abs. 1 Z 1 KFG iVm § 7 Abs. 1 KFG und § 4 Abs. 4 Z 2 KDV eine Geldstrafe (zu Spruchpunkt 1.) in Höhe von EUR 220,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 44 Stunden) und eine Geldstrafe (zu Spruchpunkt 2.) in Höhe von EUR 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Stunden) verhängt.

3 Gegen dieses Straferkenntnis erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.

4 Die mitbeteiligte Partei brachte im Wesentlichen vor, dass das gegenständliche Fahrzeug ca. 2.500 km vor der Amtshandlung bei einer Überprüfung gemäß 57a KFG gewesen sei. Bei dieser sei kein technischer Mangel festgesellt worden. Der Zulassungsbesitzer habe damit rechnen dürfen, dass sich nach einer derart geringen Fahrdistanz an dem technischen Zustand nichts ändere. Zudem hätte hinsichtlich der Profiltiefe des Reifens am Anhänger mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden müssen.

5 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gab nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Verfahren ein.

6 Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Straferkenntnisses der sachverständige Zeuge ausgeführt habe, dass nicht feststellbar gewesen sei, wann das Federnauge an der ersten Achse abgerissen bzw. wie lange dieses schon abgerissen sei. Somit sei auch nicht klar, ob die mitbeteiligte Partei oder ein allenfalls Beauftragter bei einer routinemäßigen Inspektion des Fahrzeuges hätte erkennen können, dass das Federnauge an der ersten Achse gerissen gewesen sei und repariert bzw. ausgetauscht werden hätte müssen. Da die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen habe und die Einstellung zu verfügen habe, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden könne, sei das Straferkenntnis zu Spruchpunkt 1. aufzuheben gewesen.

7 Weiters sei im vorliegenden Fall die Tochter der mitbeteiligten Partei als gewerberechtliche Geschäftsführerin für die Ausübung des Güterbeförderungsgewerbes bestellt. Die Überprüfung der Fahrzeuge mit ordnungsgemäßen Reifen gehöre zur Voraussetzung für die einwandfreie Ausübung des Gewerbes und somit der gewerberechtlichen Geschäftsführerin; daher sei das angefochtene Straferkenntnis auch im Punkt 2. aufzuheben und die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen gewesen.

8 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Bezirkshauptmannschaft Amstetten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes vorliegende Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Festgehalten wird, dass die Revision nur betreffend Aufhebung des Punktes 2. des angeführten Straferkenntnisses erhoben wurde.

9 Zur Zulässigkeit der Revision bringt die Bezirkshauptmannschaft Amstetten unter anderem vor, dass die angefochtene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich der laufenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche, wonach ein vom Gewerbeinhaber bestellter gewerberechtlicher Geschäftsführer lediglich für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verantwortlich sei.

10 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

14 Gemäß § 7 Abs. 1 KFG müssen Kraftfahrzeuge und die mit ihnen gezogenen Anhänger außer Anhängeschlitten mit Reifen oder Gleisketten versehen sein, die nach ihrer Bauart, ihren Abmessungen und ihrem Zustand auch bei den höchsten für das Fahrzeug zulässigen Achslasten und bei der Bauartgeschwindigkeit des Fahrzeuges verkehrs- und betriebssicher sind und durch die die Fahrbahn bei üblicher Benützung nicht in einem unzulässigen Ausmaß abgenützt werden kann.

15 Nach § 103 Abs. 1 Z 1 KFG hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung - unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen - den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.

16 Gemäß § 4 Abs. 4 Z 2 KDV muss die Tiefe der für die Ableitung des Wassers von der Lauffläche des Reifens erforderlichen Vertiefungen des Laufstreifens (Profiltiefe) im mittleren Bereich der Lauffläche, der etwa drei Viertel der Laufflächenbreite einnimmt, bei Kraftfahrzeugen mit einer Bauartgeschwindigkeit von mehr als 25 km/h und Anhängern, mit denen eine Geschwindigkeit von 25 km/h überschritten werden darf, jeweils mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3 500 kg mindestens 2 mm betragen.

17 Nach § 39 Abs. 1 GewO 1994 ist der gewerberechtliche Geschäftsführer gegenüber der Behörde für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Regelungen über die strafrechtliche Verantwortlichkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer (§ 39, § 370 Abs. 2 GewO 1994) beziehen sich daher nur auf die Einhaltung der Verpflichtungen, die sich aus den gewerberechtlichen Vorschriften für die Gewerbeausübung ergeben.

18 Regelungen, die nicht dem Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" zugehören, fallen selbst dann, wenn sie in Beziehung zur Gewerbeausübung stehen, nicht in den Bereich der Verantwortlichkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers (vgl. VwGH 25.9.2014, 2012/07/0214, mwN).

19 Eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit wegen Einhaltung anderer (im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes relevanter) Rechtsvorschriften, nämlich solcher, die nicht auf Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG, sondern auf einem anderen Kompetenztatbestand beruhen, ist durch besondere gesetzliche Vorschrift anzuordnen (Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung3 (2011) § 39 Rz 7).

20 Die gegenständlichen Regelungen beruhen auf dem Kompetenztatbestand "Kraftfahrwesen" iSd Art. 10 Abs. 1 Z 9 B-VG. Bei Verletzung einer - wie im vorliegenden Fall - nicht zum Kreis der gewerberechtlichen Vorschriften zählenden Bestimmung ist daher das zur Vertretung nach außen befugte Organ nach § 9 Abs. 2 VStG strafrechtlich verantwortlich.

21 Das angefochtene Erkenntnis war daher aus den dargelegten Gründen - im begehrten Umfang - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 13. Februar 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020146.L00

Im RIS seit

19.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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