Entscheidungsdatum
19.02.2018Index
90/01 Straßenverkehrsrecht;Norm
StVO 1960 §1 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde des Herrn AA, Z, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt BB, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.10.2017, Zl ****, betreffend eine Übertretung gemäß § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO nach Durchführung einer Verhandlung
zu Recht erkannt:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird insoweit präzisiert, als die Tatortangabe wie folgt lautet: „Interessentschaftsweg zur X-Alm, 300 m vor der W-Alm“.
3. Der Beschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von Euro 320,-- zu leisten.
4. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit den angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y wurde dem Beschwerdeführer Folgendes vorgeworfen:
„Tatzeit: 30.06.2017, 20.55 Uhr
Tatort: Z, V
Fahrzeug: LKW, CC, grün, Kennzeichen: ****
Sie haben das angeführte Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Die Untersuchung des Blutes ergab einen Alkoholgehalt von 1,84 Promille.“
Dadurch habe der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1 lit a iVm § 5 Abs 1 StVO begangen und wurde über ihn gem § 99 Abs 1 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.600,00 unter gleichzeitiger Festsetzung einer Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde. In der Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das V eine Region in Z bezeichne und somit der Tatort falsch umschrieben sei. Im Übrigen wurde insbesondere geltend gemacht, dass es sich bei diesem Almweg um keine Straße im Sinne des § 1 Abs 1 StVO handle. Der Almweg sei abgeschrankt. Es sei unrichtig, wie in der Anzeige angeführt, dass dieser Schranken ganzjährig geöffnet wäre. Der Schranken sei nur dann geöffnet, wenn Wanderer oder sonstige Unberechtigte den Schranken aus Bequemlichkeit nicht schließen würden. Der Almweg sei nur in der Sommersaison befahrbar. Es handle sich um keinen Forstweg. Am Beginn des Almweges sei auch das Verkehrszeichen „allgemeines Fahrverbot“ mit der Zusatztafel „ausgenommen Anrainer und landwirtschaftliche Fahrzeuge“ aufgestellt.
Mit Schreiben vom 29.11.2017 wurde der Verwaltungsstrafakt von der Bezirkshauptmannschaft Y dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.
Am 07.02.2018 wurde vom Landesverwaltungsgericht Tirol eine Verhandlung durchgeführt. Dabei wurde die Verhandlung mit jener, die im parallel geführten führerscheinrechtlichen Verfahren (LVwG-2017/20/2753) durchzuführen war, zu einer gemeinsamen Verhandlung verbunden. Bei dieser Verhandlung ließ sich der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsfreund vertreten.
Beweis aufgenommen wurde durch die Einvernahme der Zeugin RevInsp DD, weiters durch Einsichtnahme in die verwaltungsbehördlichen und verwaltungsgerichtlichen Akten, insbesondere auch in die von der PI U angefertigten Lichtbilder sowie in die Auszüge aus dem Tiroler Raumordnungsinformationssystem (tiris).
II. Sachverhalt:
Im Gemeindegebiet von Z zweigt in der Nähe des Hauses V 11 von einer Gemeindestraße in westlicher Richtung ein Almweg in das V ab. Bei diesem Weg handelt es sich um einen Interessentschaftsweg, der zur W-Alm und zur X-Alm führt. Am Beginn dieses Almweges ist ein Vorschriftszeichen gemäß
§ 52 lit a Z 1 StVO (Fahrverbot in beide Richtungen) mit der Zusatztafel „ausgenommen Anrainer und Radfahrer“ angebracht. Ca 100 m nach Beginn dieses Almweges befindet sich ein Schranken. Dieser Schranken war jedoch im Sommer 2017 häufig geöffnet. Für diesen Schranken besitzen mehrere Personen (Anrainer, Jagdberechtigte etc) einen Schlüssel. Dieser Kreis umfasst ca 20 Personen. Es gab aber immer wieder Probleme mit dem Abschließen des Schrankens.
Links neben dem Schranken besteht eine Möglichkeit für Fußgänger und Radfahrer, den Schranken ungehindert zu passieren. Der Almweg zur Lindtal- bzw X-Alm ist als Mountainbike-Tour (Route 221 MTB Tour tiris) ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer lenkte am 30.06.2017 um ca 20.55 Uhr seinen LKW (CC) mit dem Kennzeichen **** taleinwärts ins V. Dabei befand er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Der Beschwerdeführer wies einen Alkoholisierungsgrad von (zumindest) 1,84 ‰ auf. Ca 300 m vor der W-Alm kam der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug rechts über den Wegrand hinaus, sodass es in weiterer Folge zu einem Fahrzeugabsturz kam, wobei der Beschwerdeführer schwer verletzt und das Fahrzeug schwer beschädigt wurde.
III. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich aufgrund der dem Verwaltungsstrafverfahren zugrunde liegenden Verwaltungs- und Verkehrsunfallanzeige der PI U. Die Alkoholisierung ergibt sich aufgrund eines Gutachtens der Gerichtsmedizin Tirol in Bezug auf das um 22.15 Uhr des 30.06.2017 abgenommene Blut.
Die Beschilderungs-/Abschrankungssituation am Beginn des Almweges ins V ergibt sich einerseits aufgrund der von der Polizeiinspektion U vorgelegten Lichtbilder sowie aufgrund der Aussagen der Zeugin RI DD. Diese gab auch an, dass sie in den letzten drei Jahren, so auch im letzten Sommer, Wahrnehmungen in Bezug auf den Schranken gemacht habe. Nach ihrem Kenntnisstand sei der Schranken immer geöffnet gewesen. Sie habe auch beim Wegeobmann nachgefragt. Dieser habe ihr gegenüber darüber geklagt, dass es große Probleme mit dem Schließen gäbe, weil zumindest 10 Jäger und 10 Bauern einen Schlüssel hätten und das mit dem Schlüssel nicht so funktionieren würde, wie er das gerne hätte.
IV. Rechtslage:
Die hier maßgeblichen Bestimmungen der StVO lauten wie folgt:
§ 1 Geltungsbereich
(1) Dieses Bundesgesetz gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
(2) Für Straßen ohne öffentlichen Verkehr gilt dieses Bundesgesetz insoweit, als andere Rechtsvorschriften oder die Straßenerhalter nichts anderes bestimmen. Die Befugnisse der Behörden und Organe der Straßenaufsicht erstrecken sich auf diese Straßen nicht.
Besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Beeinträchtigung durch Alkohol
(1) Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
§ 99 Strafbestimmungen
(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 1600 Euro bis 5900 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,
V. Rechtliche Erwägungen
Im gegenständlichen Fall wendet der Beschwerdeführer vor allem ein, dass der benützte Almweg nicht dem Geltungsbereich der StVO unterliege. Die StVO gilt für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Eine Straße mit öffentlichem Verkehr liegt dann vor, wenn sie im Sinn des § 1 Abs 1 zweiter Satz StVO von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Straße dann von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an, dh also nicht darauf, ob die betreffende Landfläche ganz oder teilweise im Privateigentum steht. Es kann daher grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass es sich bei einer Straße dann um eine solche mit öffentlichem Verkehr handelt, wenn sie weder abgeschrankt noch als Privatstraße gekennzeichnet ist, noch auf dieser auf die Beschränkung des öffentlichen Verkehrs hinweisende Tafeln aufgestellt sind. Auch kann aus dem Umstand, dass eine Straße nur von einer bestimmten Gruppe von Verkehrsteilnehmern benutzt wird, nicht geschlossen werden, dass es sich um eine Straße ohne öffentlichen Verkehr handelt. (VwGH 28.11.2008, 2008/02/0200)
Im gegenständlichen Fall verwies der Beschwerdeführer auf den einschränkten Benutzerkreis und die Abschrankung des Almweges. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass in Bezug auf die Benutzbarkeit einer Straße mit öffentlichem Verkehr nicht nur der Verkehr mit Fahrzeugen (beginnend mit dem Fahrrad bis zum LKW), sondern auch der Fußgängerverkehr in Betracht kommt.
Da Forststraßen und Waldwege von jedem Fußgänger zu den gleichen Bedingungen benützt werden dürfen, sind sie „Straßen mit öffentlichem Verkehr“ (vgl. hiezu Dittrich der Anwendungsbereich der StVO, ZVR 1984, 353; Pürstl/Sommereder StVO, § 1,
Anm. 3; OGH 11.05.2005, 7Ob73/05v). Forststraße und Waldwege sind lediglich dann keine Straße mit öffentlichem Verkehr, wenn sie forstrechtlich oder nach anderen gesetzlichen Bestimmungen gegen allgemeines Begehen effektiv gesperrt und somit auch nicht für den Fußgängerverkehr offen sind.
Im gegenständlichen Fall stand der Almweg in das V nicht nur dem Fußgänger– sondern auch dem Radfahrverkehr offen. Die Strecke zu den beiden Almen (W- und X-Alm) ist sogar ausdrücklich als Mountainbike-Route gekennzeichnet und ist das Befahren dieser Strecke von Radfahrern vom dort bestehenden allgemeinen Fahrverbot ausdrücklich ausgenommen. Dazu kommt noch, dass im Sommer 2017 jedenfalls keine effiziente Abschrankung bestand, sodass jedenfalls von einer Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs 1 StVO auszugehen ist.
In Bezug auf den Tatort war dem Verwaltungsgericht eine diesbezügliche Präzisierung ohne weiteres möglich, zumal einerseits Verfolungsverjährung noch nicht eingetreten ist und überdies in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses der Tatort exakt umschrieben wurde.
Da der vom Beschwerdeführer befahrene Interessentschaftsweg eine Straße mit öffentlichem Verkehr darstellt, hat er, zumal er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, gegen § 5 Abs 1 StVO verstoßen. Aufgrund des Alkoholisierungsgrades ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in einem erheblichem Ausmaß Alkohol konsumiert haben und sich im Klaren darüber sein musste, dass er kein Fahrzeug mehr lenken darf. Es trifft ihn daher auch ein gravierendes Verschulden im Sinn von Vorsatz.
VI. Strafbemessung:
Die Verwaltungsstrafbehörde hat über den Beschwerdeführer die in § 99 Abs 1 StVO vorgesehene Mindeststrafe verhängt. Für ein Unterschreiten dieser Mindeststrafe nach Maßgabe der Regelung des § 20 VStG besteht keine Handhabe. Die Strafe war daher auch der Höhe nach zu bestätigen.
VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Es war daher insgesamt wie im Spruch zu entscheiden.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu 400 Euro verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Stöbich
(Richter)
Schlagworte
Straße mit öffentlichem Verkehr; Almweg; Abschrankung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.20.2739.4Zuletzt aktualisiert am
13.03.2018