TE Vwgh Erkenntnis 2018/1/25 Ra 2016/16/0062

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Veröffentlicht am 25.01.2018
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32 Steuerrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
34 Monopole;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

BAO §224;
BAO §243;
BAO §262;
BAO §263;
BAO §80;
BAO §9;
FOnV 2006 §2 Abs2;
FOnV 2006 §5;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., über die Revision des DDr. F H in W, vertreten durch Grohmann Hienert Zierhut Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 1010 Wien, Nibelungengasse 8/5, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 26. April 2016, Zl. RV/7100293/2016, betreffend die Zurückweisung eines Vorlageantrags wegen Verspätung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 1/23), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Finanzamts vom 18. Juli 2014 wurde der Revisionswerber als Geschäftsführer der H-GmbH für deren Abgabenschuldigkeiten in Höhe von 45.233,42 EUR gemäß § 9 iVm § 80 BAO zur Haftung herangezogen. Die Zustellung des Bescheids erfolgte an den Revisionswerber.

2 Am 2. September 2014 brachte die G Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH (im Folgenden: G-GmbH) unter Angabe der Steuernummer der H-GmbH über FinanzOnline eine Beschwerde gemäß § 243 BAO gegen den Haftungsbescheid ein. Im Fließtext führte die G-GmbH aus, sie erhebe "als steuerlicher Vertreter der o. a. Gesellschaft (...) gegen den Haftungsbescheid gem. § 224 BAO, mit welchem (der Revisionswerber) in Anspruch genommen wird, fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde (...)".

3 Mit einer an den Revisionswerber, zu Handen der G-GmbH, gerichteten Beschwerdevorentscheidung vom 12. Oktober 2015 gab das Finanzamt der Beschwerde vom 2. September 2014 teilweise statt und reduzierte den Haftungsbetrag auf 38.400,63 EUR.

4 Am 10. November 2015 brachte die G-GmbH über FinanzOnline einen Antrag auf Verlängerung der "Beschwerdefrist" (gemeint: Frist für die Einbringung eines Vorlageantrags) ein. Im Fließtext führte die G-GmbH aus, sie ersuche "als steuerlicher Vertreter (des Revisionswerbers) um Fristverlängerung der Beschwerdefrist im Zusammenhang mit der Beschwerdevorentscheidung zum Haftungsbescheid vom 12. Oktober 2015 (...)". In der Folge reichte sie im Namen des Revisionswerbers am 15. Dezember 2015 den Vorlageantrag ein.

5 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 26. April 2016 wies das Bundesfinanzgericht den Vorlageantrag des Revisionswerbers vom 15. Dezember 2015 als verspätet zurück und erklärte die Revision für nicht zulässig. In dieser Entscheidung merkte das Bundesfinanzgericht ergänzend an, dass die Beschwerde vom 2. September 2014 gegen den Haftungsbescheid von der G-GmbH "als steuerlicher Vertreter der Gesellschaft (Primärschuldnerin)" eingebracht worden sei und eine Beschwerde des zur Haftung herangezogenen Geschäftsführers nicht vorliege, weshalb die - ohne entsprechende Beschwerde ergangene - Beschwerdevorentscheidung rechtswidrig sei.

6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das Finanzamt erwogen hat:

7 Die vorliegende Revision sieht ihre Zulässigkeit zusammengefasst darin, dass der Vorlageantrag rechtzeitig eingebracht worden sei, weshalb sich die Zurückweisung des Vorlageantrags wegen Verspätung als rechtswidrig erweise.

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 Der Haftungsbescheid vom 18. Juli 2014 ist an den Revisionswerber als Bescheidadressat ergangen und - wie sich aus dem vorgelegten Akt des Bundesfinanzgerichts ergibt - diesem (als Empfänger iSd § 2 Z 1 ZustG) zugestellt worden.

10 Wie das Bundesfinanzgericht zutreffend ausführt, wurde die Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 2. September 2014 von der G-GmbH "als Vertreter der Gesellschaft (Primärschuldnerin)" eingebracht, sodass - wie auch das Bundesfinanzgericht weiter ausführt - keine Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Haftungsbescheid vorliegt.

11 Dennoch hat das Finanzamt aufgrund dieser Beschwerde die Beschwerdevorentscheidung vom 12. Oktober 2015 erlassen, die an den Revisionswerber, zu Handen der G-GmbH, gerichtet ist und offenbar der G-GmbH (als Empfängerin) zugestellt worden ist.

12 Das Bundesfinanzgericht hat den Vorlageantrag als verspätet zurückgewiesen. Die Beurteilung, dass ein Vorlageantrag nach Ablauf der hierfür vorgesehen (Monats-)Frist eingebracht worden ist, setzt voraus, dass überprüft wird, wann der Lauf der Frist in Gang gesetzt worden ist. Das Bundesfinanzgericht hat als Fristbeginn offensichtlich die Zustellung der Beschwerdevorentscheidung an die G-GmbH angenommen.

13 Der Haftungsbescheid ist dem Revisionswerber persönlich zugestellt worden. Den vorgelegten Akten ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass dem Finanzamt bis zur Versendung der Beschwerdevorentscheidung bekannt gegeben worden wäre, dass der Revisionswerber jemandem Vollmacht erteilt hätte, der ihn sodann gegenüber der Abgabenbehörde hätte vertreten können. Auch dem angefochtenen Beschluss des Bundesfinanzgerichts, der von einer (nur) im Namen der Primärschuldnerin erhobenen Beschwerde vom 2. September 2014 spricht, der Revision und der Revisionsbeantwortung ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die G-GmbH bis zum Zeitpunkt der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom 12. Oktober 2015 dem Finanzamt gegenüber als Vertreterin des Revisionswerbers aufgetreten wäre oder gar ausdrücklich das Vorliegen einer Zustellvollmacht bekannt gegeben hätte.

14 Die Beschwerdevorentscheidung ist offenbar der G-GmbH als Empfängerin der Sendung übermittelt worden. War dem Finanzamt bis dahin kein entsprechendes Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben, wäre die Zustellung und damit die Wirksamkeit der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 7 ZustG nur dann bewirkt, wenn dieses Schriftstück dem Revisionswerber (den die Beschwerdevorentscheidung als weiteren Empfänger benennt, vgl. die bei Ritz, BAO6, § 7 ZustG, Tz 4, zitierte hg. Rechtsprechung) tatsächlich zugekommen wäre. Erst mit der Sanierung dieses Zustellmangels wäre der Lauf der für die Einbringung des Vorlageantrags zur Verfügung stehenden Frist in Gang gesetzt worden.

15 In Verkennung der Rechtslage hat es das Bundesfinanzgericht unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob dem Finanzamt vor dem Hinausgeben der Beschwerdevorentscheidung ein Vollmachtsverhältnis bekannt gegeben worden ist oder, falls dies nicht der Fall war, ob die G-GmbH das Original der Beschwerdevorentscheidung dem Revisionswerber zugeleitet hat, sodass eine Sanierung des Zustellfehlers nach § 7 ZustG eingetreten ist.

16 Angemerkt wird, dass das Bundesfinanzgericht den von der G-GmbH am 10. November 2015 über FinanzOnline gestellten Fristverlängerungsantrag als unbeachtliches Anbringen im Sinne des § 5 FinanzOnline-Verordnung 2006 behandelt hat. Dabei hat das Bundesfinanzgericht übersehen, dass § 5 leg. cit. nur darauf abstellt, dass ein Anbringen unter Verwendung einer Funktion gestellt wird, die dem "Teilnehmer" zur Verfügung steht. Dass der Parteienvertreter als "Teilnehmer" im Sinne des § 2 Abs. 2 leg. cit. den Fristverlängerungsantrag unter Verwendung einer Funktion gestellt hätte, die ihm (als Steuerberater) nicht zur Verfügung gestanden wäre, kann aber nicht gesagt werden.

17 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.

18 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016160062.L00

Im RIS seit

08.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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