TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/21 W266 2181610-1

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Veröffentlicht am 21.02.2018
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Entscheidungsdatum

21.02.2018

Norm

BBG §1 Abs2
BBG §40 Abs1
BBG §41 Abs1
BBG §46
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W266 2181610-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen,

Landesstelle Wien, vom 30.11.2017, OB: XXXX , betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht öffentlicher

Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (in der Folge: belangte Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 20.7.2017 auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen.

1.2. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten ein Grad der Behinderung von 30% vorliege.

1.3. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung würden als schlüssig anerkannt und in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

1.4. Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung in Höhe von 30% festgestellt habe, lägen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vor, da gemäß § 40 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz der Grad der Behinderung mindestens 50% zu betragen habe.

1.5. In der gegen diesen Bescheid erhobenen, fristgerechten Beschwerde führt der Beschwerdeführer - ohne Vorlage weiterer Befunde - im Wesentlichen aus, dass er gegen diesen Bescheid Einspruch erhebe, da er trotz seines glücklicherweise guten Gesundheitszustandes mit Alltagsschwierigkeiten zu kämpfen habe. Des Weiteren entspreche die Darlegung seiner Beschwerden nicht der Wahrheit und wären diese seiner Meinung nach verharmlost dargestellt. Nachdem sein Führerschein auf fünf Jahre befristet sei (teilweise sogar nur auf ein Jahr), bestehe er definitiv auf das Recht einer Ausstellung eines Behindertenausweises inklusive realistische Einschätzung des Grades der Behinderung. Laut mündlicher Nachfrage bei seinem ehemaligen behandelnden Kardiologen sollte dieser alleine wegen der kardiologischen Verhältnisse schon bei mindestens 60 % liegen.

1.6. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt, insbesondere in das allgemeinmedizinische Gutachten, welches auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 23.10.2017 basiert, in die vorgelegten Befunde sowie Einholung eines aktuellen Auszuges aus dem zentralen Melderegister steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

1.2. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger, am XXXX geboren und wohnhaft in XXXX Wien, XXXX .

1.3. Aufgrund seines Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses erfolgte am 23.10.2017 eine ärztliche Begutachtung des Beschwerdeführers. Das darauf beruhende allgemeinmedizinische Gutachten wurde dem Beschwerdeführer gemeinsam mit dem angefochtenen Bescheid gesendet.

1.5. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes wird folgendes festgestellt:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 176,00 cm Gewicht: 74,00 kg Blutdruck: 125/75

Klinischer Status - Fachstatus:

Aus- und Ankleiden, Aufstehen und Lagewechsel selbständig möglich,

Caput: ua., keine Lippenzyanose,

keine Halsvenenstauung,

Cor: Klappenschlußton mit Fortleitung in die Carotiden und die Axilla links, rhythmische

Herzaktion, blande Thorakotomienarbe,

Pulmo: V.A., sonorer KS, Basen atemversch., keine Sprechdyspnoe

Abdomen: weich, keine Druckpunkte, keine path. Resistenzen palp., Leber am Ribo palp.,

Milz n.p., Darmgeräusche normal und unauffällig, Nierenlager bds. frei,

HWS: Kopfdrehung und -seitneigung: nach rechts und links, Inkl. und Rekl. frei,

BWS: gerade, LWS: Rumpfdrehung und -seitneigung frei,

Extremitäten:

OE: Rechtshändigkeit

Schultergelenk rechts: Abduktion und Anteversion frei,

Schultergelenk links: Abduktion und

Anteversion frei, Nacken- und Schürzengriff beidseits frei durchführbar

Ellenbogengelenke: frei,

Handgelenke frei beweglich, Zustand nach Amputation des Endgliedes des 2. Fingers links,

Fingergelenke bds. frei, Daumengelenke bds. frei,

Faustschluß bds. komplett durchführbar, Zangengriff bds. durchführbar,

UE: Hüftgelenk rechts: Flexion 120°, Abd. und Add.

altersentsprechend frei,

Hüftgelenk links: Flexion 120°, Abduktion und Adduktion frei,

geringer Beckenschiefstand - rechter Hüftkopf gering tieferstehend,

Kniegelenk rechts: Beweglichkeit frei, bandstabil, Zohlenzeichen negativ,

Kniegelenk links: Beweglichkeit frei, bandstabil, Zohlenzeichen negativ,

Sprunggelenk links frei, Sprunggelenk rechts: Dorsalextension endlagig eingeschränkt,

neurogener Spitzfuß rechts,

sonstige Gelenke altersentsprechend frei,

Fußheben links durchführbar, Fußheben rechts endlagig eingeschränkt,

1-Beinstand bds. durchführbar,

Hocke durchführbar,

beide UE können von der Unterlage abgehoben werden,

Fußpulse bds. palp.,

Venen: unauffällig, Ödeme: keine

Stuhl: unauffällig, Harnanamnese: unauffällig

FNV bds. zielsicher, AVV beidseits unauffällig, Kraft der oberen und unteren Extremitäten

grobklinisch unauffällig und seitengleich, Romberg und Unterberger unauffällig,

Derma: blande Verbrennungsnarbe links Scapula nach Verbrennung durch Diathermie.

Gesamtmobilität - Gangbild:

unauffällig, flüssig, flott, sicher, ohne Hilfsmittel, freies Stehen unauffällig möglich,

Zehenspitzen- und Fersenstand beidseits durchführbar, Konfektionsschuhe.

Status Psychicus:

klar, wach, in allen Qualitäten orientiert, keine Denkstörungen, Denkziel wird erreicht, Stimmung ausgeglichen

Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers entsprechen der folgenden Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Zustand nach Aortenklappensersatz sowie Pulmonalklappenersatz bei Erweiterung der Aorta ascendens Wahl dieser Position, da eine normale systolische Funktion, ein Fehlen typischer kardialer Beschwerden, eine normale Leistungsfähigkeit sowie eine normale Prothesenfunktion dokumentiert sind.

05.07.04

30

2

Spastische Parese der Beine bei neurogenem Spitzfuss rechts 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da geringgradige funktionelle Einschränkungen objektiviert werden können bei ohne Hilfsmittel flüssigem und sicherem Gangbild.

04.01.01

20

3

Verlust des Endgliedes des 2. Fingers links Wahl dieser Position, da sonst unauffällige Fingerfunktion.

02.06.27

10

und beträgt der Grad der Behinderung 30%.

Leiden 2 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich funktionell negativ zusammen und erhöht nicht weiter. Leiden 3 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich wechselseitig negativ zusammen und erhöht nicht weiter.

Im Vergleich zum vorliegenden FLAG-Gutachten vom 02.02.2006 erstmalige Einschätzung nach der nun geltenden Einschätzungsverordnung. Bei Zustand nach zwischenzeitlich erfolgten weiteren herzchirurgischen Eingriffen mit dokumentierter normaler Prothesenfunktion und normaler Linksherzfunktion ist eine Besserung im Vergleich zum FLAG-Gutachten objektivierbar und damit Absenkung des GdB hinsichtlich Leiden Nr. 1 nach geltender Einschätzungsverordnung um 2 Stufen. Weiters im Vergleich zum FLAG-Gutachten von 2006 Neuaufnahme von Leiden 3. Im Vergleich zum vorliegenden FLAG-Gutachten vom 02.02.2006 erfolgt eine Absenkung des GdB hinsichtlich Leiden Nr. 1 und damit eine Absenkung des Gesamt-GdB um 2 Stufen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen beruhen betreffend Geburtsdatum, Staatsbürgerschaft und Wohnadresse auf den glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers am Antragsformular, sowie auf den übereinstimmenden Unterlagen im Verwaltungsakt sowie auf dem eingeholten Auszug aus dem zentralen Melderegister.

2.2. Hinsichtlich des Gesundheitszustandes und des Grades der Behinderung beruhen die Feststellungen auf dem bereits von der belangten Behörde eingeholten allgemeinmedizinischen Gutachten, welches auf einer persönlichen Untersuchung am 23.10.2017 basiert. Dieses ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und vollständig. Es wird darin vollständig und in nachvollziehbarer Art und Weise auf alle vom Beschwerdeführer vorgebrachten Leidenszustände unter Berücksichtigung der vorgelegten Befunde eingegangen.

2.3. Der Sachverständige führt schlüssig aus, dass das Leiden 1 (Zustand nach Aortenklappenersatz sowie Pulmonalklappenersatz bei Erweiterung der Aorta ascendens) der Position 05.07.04 der Einschätzungsverordnung in Höhe von 30% zuzuordnen ist, da eine normale systolische Funktion, ein Fehlen typischer kardialer Beschwerden , eine normale Leistungsfähigkeit sowie eine normale Prothesenfunktion dokumentiert sind. Weiters ordnet er das Leiden 2 (Spastische Parese der Beine bei neurogenem Spitzfuß rechts) nachvollziehbar der Position 04.01.01 mit dem Unteren Rahmensatz in Höhe von 20% zu, da bei einem flüssigen und sicheren Gangbild, ohne Verwendung von Hilfsmittel, nur geringgradige funktionelle Einschränkungen objektiviert werden können. Auch die Zuordnung des Leidens 3 (Verlust des Endgliedes der 2. Fingers lins) zur Position 02.06.27 in Höhe von 10% ist nachvollziehbar, da ansonsten eine unauffällige Fingerfunktion festgestellt werden konnte. Auch der Gesamtgrad der Behinderung wird schlüssig damit begründet, dass das Leiden 2 mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich funktionell negativ zusammenwirkt und nicht weiter erhöht. Auch Leiden 3 wirkt mit dem führenden Leiden 1 nicht maßgeblich wechselseitig negativ zusammen und erhöht nicht weiter.

2.4. Die vorgenommene Einschätzung des Sachverständigen stimmt auch mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund sowie mit den vorliegenden Befunden überein, welche der Sachverständige wie folgt zusammenfasst:

* Ambulanz für angeborene Herzfehler AKH Wien vom 2. Mai 2017:

Zustand nach interventionelle Ballonvalvuloplastie der Aortenklappe am 5. Juni 1993, Zustand nach Operation an der Aortenklappe am 7. Juni 1993, Zustand nach Ross-Operation, operativer Ersatz der Aortenwurzel durch pulmonalen Autograft am 7. Juli 1999, Zustand

nach Pulmonalklappenersatz durch Homograft am 5. März 2008, Zustand

nach Pulmonalklappenersatz durch Homograft am 9. November 2009, Zustand nach Pulmonalklappenersatz durch Hancock-Conduit 2. November 2011, Ektasie der Aorta ascendens (MRT 3/2017:43 mm), spastische Parese der Beine mit Beinlängendifferenz, Zustand nach Immunapherese prä- und post-OP 2009, Zustand nach Immunsuppression für 6 Monate post-Operation 2009. Echokardiographie: Die Messwerte sind im Vergleich zum Vorbefund aus dem April 2016 in etwa gleich. Der rechtsventrikuläre Durchmesser ebenfalls unverändert. Linker Ventrikel normal groß mit normaler systolischer Funktion. Herz-MRT am 17. März 2017. Fortführung des konservativen Procedere. Patient berichtet über ein unverändertes Befinden. Typische kardiale Beschwerden werden negiert, 4 Stockwerke Stiegensteigen seien ohne Pause möglich. Gelegentlich insbesondere nach anstrengenden Tagen abends in der Leistung eingeschränkt und sehr müde. Spiroergometrie im Juni 2016: normale Leistungsfähigkeit von 92 % der Norm. Normale Prothesenfunktion kann angenommen werden. Nächste ambulante Kontrolle in einem Jahr.

* Internistischer Befund Prof. Dr. Zehetgruber vom 3. Januar 2017:

Patient kommt zur Echokardiographie, Patient ohne kardiale Beschwerden, keine belastungsabhängigen dyspnoeischen Beschwerden und kein belastungsabhängiges thorakales Druckgefühl.

Echokardiographie: im Vergleich zu 4/2016 bei heute schlechteren Schallbedingungen Abnahme des Gradienten über der Pulmonalklappe sowie eine Größenzunahme des RV.

2.5. Da im Übrigen der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde keine neuen Beweismittel vorgebracht hat und auch sonst den Ergebnissen des behördlichen Verfahrens nicht substantiiert entgegengetreten ist, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen Zweifel am gegenständlichen Gutachten zu wecken.

2.6. Das gegenständliche Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.

3.3. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.4. Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

3.5. Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

3.6. Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

3.7. Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.

3.8. Gemäß § 1. Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) ist unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

3.9. Gemäß § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

3.10. Die relevanten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung lauten:

Tabelle kann nicht angezeigt werden.

3.11. Gemäß § 3 Abs. 1 Einschätzungsverordnung ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

3.12. Gemäß § 3 Abs. 2 Einschätzungsverordnung ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

3.13. Gemäß § 3 Abs. 3 Einschätzungsverordnung liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

3.14. Gemäß § 3 Abs. 4 Einschätzungsverordnung ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

3.15. Gemäß § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

3.16. Gemäß § 4 Abs. 2 Einschätzungsverordnung hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Daraus folgt:

3.17. Das gegenständliche allgemeinmedizinische Gutachten entspricht den formalen und inhaltlichen Voraussetzungen der Einschätzungsverordnung und wird, aus den unter 2.2.ff näher ausgeführten Gründen, der Entscheidung zugrunde gelegt.

3.18. Für die Ausstellung eines Behindertenpasses ist gemäß § 40 Abs. 1 BBG neben den formalen Erfordernissen ein Grad der Behinderung in Höhe von zumindest 50% Voraussetzung.

3.19. Die Funktionsbeeinträchtigungen des Beschwerdeführers betragen jedoch, wie festgestellt, 30% da diese, wie bereits oben unter 2.2. ausgeführt, vom Amtssachverständigen schlüssig und nachvollziehbar den oben genannten Positionen der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet wurden.

3.20. Da beim Beschwerdeführer keine weiteren Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden konnten, und der Gesamtgrad der Behinderung sohin entsprechend § 2 Abs. 1 Einschätzungsverordnung iVm mit den Positionen 05.07.04, 04.01.01 und 02.06.27 der Anlage zur Einschätzungsverordnung 30% beträgt, liegen nicht alle Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vor.

3.21. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

3.22. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.23. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3.24. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

3.25. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.26. Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

3.27. Unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr. 36.801/06) aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Dies gilt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes umso mehr für den Fall einer von den Parteien nicht beantragten mündlichen Verhandlung.

3.28. In diesem Zusammenhang wird auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) verwiesen, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. etwa EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21.660/09, sowie VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221, mit Hinweis auf EGMR 18.07.2013, Beschw. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle gg. Liechtenstein; EGMR 10.05.2007, Beschw. Nr. 7401/04, Hofbauer gg. Österreich Nr. 2; EGMR 03.05.2007, Beschw. Nr. 17.912/05, Bösch gg. Österreich).

3.29. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Gutachten eines medizinischen Sachverständigen dem der Beschwerdeführer weder auf gleicher fachlicher Ebene noch durch ein sonst substantiiertes Vorbringen entgegengetreten ist. Die strittigen Tatsachenfragen gehören ausschließlich dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

ZU B) Unzulässigkeit der Revision:

3.30. Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.31. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.32. Vielmehr hängt die Entscheidung im Gegenstand von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W266.2181610.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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