TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/3 99/01/0414

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Veröffentlicht am 03.05.2000
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs2 lita;
StbG 1985 §10 Abs3 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs6 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §20 Abs3 Z2 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §20 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §20;
StbG 1985 §34 idF 1998/I/124;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des JK in O, vertreten durch Rechtsanwälte Steflitsch OEG, Rechtsanwaltspartnerschaft in 7400 Oberwart, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 28. September 1999, Zl. 2-GI-ST1107/25-1999, betreffend Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juni 1998, Zl. 98/01/0087, wurde der Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. Jänner 1998, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und der damit verbundene Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin abgewiesen worden waren, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Diesem Erkenntnis lag zugrunde, dass ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinn des § 10 Abs. 3 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (in der Fassung vor der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, im Folgenden: StbG aF) für die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer vorliege, und zwar u.a. deshalb, weil dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Im fortgesetzten Verfahren sicherte die belangte Behörde hierauf mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 gemäß § 20 StbG aF dem Beschwerdeführer zunächst die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die Erstreckung der Verleihung auf seine Gattin für den Fall zu, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem rumänischen Staatsverband für sich und seine Gattin nachweise. Auch dieser Bescheid wurde in der Folge (mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0656) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil der Beschwerdeführer Flüchtling sei und damit die in § 20 Abs. 1 Z. 1 StbG aF normierte Voraussetzung für die Erlassung eines Zusicherungsbescheides nicht vorgelegen habe.

Mit Bescheid vom 28. September 1999 sprach die belangte Behörde abermals aus, dass dem Beschwerdeführer "im Sinne der Bestimmungen des § 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311" zunächst die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und die Erstreckung der Verleihung auf seine Gattin für den Fall zugesichert werde, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem rumänischen Staatsverband für sich und seine Gattin nachweise.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes hatten vor der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, nachstehenden Wortlaut:

"Verleihung

§ 10. (1) ...

(2) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er

a) die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterlässt, obwohl sie ihm möglich und zumutbar sind und er kein Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ist, oder

b) auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.

(3) ...

(4) ...

§ 20. (1) Einem Fremden ist die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) zunächst für den Fall zuzusichern, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn

1. er weder staatenlos noch Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ist,

2. weder § 10 Abs. 4 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 Anwendung finden und

3. ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte.

(2) Die Zusicherung ist zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt."

Gemäß § 64a Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 in der Fassung nach der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 (im Folgenden: StbG nF) gelten die genannten Bestimmungen seit 1. Jänner 1999 in folgender Fassung:

"Verleihung

§ 10. (1) ...

(2) ...

(3) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er

1. die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterlässt, obwohl ihm diese möglich und zumutbar sind, oder

2. auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.

(4) ...

(5) ...

(6) ...

§ 20. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist einem Fremden zunächst für den Fall zuzusichern, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates nachweist, wenn

1.

er nicht staatenlos ist;

2.

weder § 10 Abs. 6 noch die §§ 16 Abs. 2 oder 17 Abs. 4 Anwendung finden und

              3.              ihm durch die Zusicherung das Ausscheiden aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ermöglicht wird oder erleichtert werden könnte.

(2) Die Zusicherung ist zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.

(3) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, ist zu verleihen, sobald der Fremde

1. aus dem Verband seines bisherigen Heimatstaates ausgeschieden ist oder

2. nachweist, dass ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar waren.

(4) Die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung

zugesichert wurde, kann verliehen werden, sobald der Fremde glaubhaft macht, dass er für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband Zahlungen zu entrichten gehabt hätte, die für sich allein oder im Hinblick auf den für die gesamte Familie erforderlichen Aufwand zum Anlass außer Verhältnis gestanden wären.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten auch für die Erstreckung der Verleihung."

Dem österreichischen Staatsbürgerschaftsrecht liegt u.a. die Ordnungsvorstellung zugrunde, mehrfache Staatsangehörigkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden (Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 126). Der Umsetzung dieses Ziels dienen wesentlich die eben zitierten Vorschriften, die für den Regelfall eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit knüpfen. Die Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit ist aber - auch außerhalb des besonderen Verleihungstatbestandes des § 10 Abs. 6 StbG nF - kein absoluter Versagungsgrund; ist dem Einbürgerungswerber ein Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband nicht möglich oder nicht zumutbar, so kann er trotzdem bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des entsprechenden Verleihungstatbestandes die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen. Allenfalls ist ihm nach Verleihung die Staatsbürgerschaft nach § 34 StbG nF zu entziehen, wenn nunmehr nach dieser Verleihung ein Ausscheiden möglich und zumutbar wäre, er von dieser Möglichkeit aber nicht Gebrauch macht. Ist dem Einbürgerungswerber ein derartiges Ausscheiden jedoch von vornherein möglich und zumutbar, tut er aber nichts dazu, dann ist sein Verleihungsgesuch abzuweisen.

Verschiedene ausländische Rechtsordnungen lassen zur Vermeidung von Staatenlosigkeit ein Ausscheiden aus ihrem Staatsverband zunächst nicht zu. Andererseits verlangen sie dafür nicht erst den Erwerb der anderen (hier: der österreichischen) Staatsbürgerschaft, sondern begnügen sich mitunter schon mit deren Zusicherung. Um auch in solchen Fällen ein Ausscheiden zu ermöglichen, sah bzw. sieht das StbG in § 20 das Institut der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft vor. Ausgehend von diesem Zweck kommt ein Zusicherungsbescheid nur dann in Betracht, wenn eine zunächst nicht (oder nur bedingt) mögliche oder nicht zumutbare Aufgabe der fremden Staatsangehörigkeit durch eben diesen Zusicherungsbescheid möglich und zumutbar gemacht wird bzw. erleichtert werden könnte. Steht das Gegenteil von vornherein fest, wäre ein Zusicherungsbescheid hingegen rechtswidrig und hätte die Staatsbürgerschaftsbehörde sofort einen Verleihungsbescheid zu erlassen. Stellt sich das erst später heraus, so greift § 20 Abs. 3 Z. 2 StbG nF, wonach die Staatsbürgerschaft, deren Verleihung zugesichert wurde, zu verleihen ist, sobald der Fremde nachweist, dass ihm die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen nicht möglich oder nicht zumutbar waren. § 20 Abs. 3 Z. 2 StbG nF kann freilich - entgegen der in der Gegenschrift von der belangten Behörde vertretenen Ansicht - nicht so verstanden werden, dass damit vor Erlassung eines Zusicherungsbescheides jegliche Ermittlungen dahin unterbleiben könnten, ob die Erlassung eines solchen Bescheides ein Ausscheiden aus dem fremden Staatsverband möglich und zumutbar macht bzw. erleichtern könnte.

§ 10 Abs. 2 lit. a StbG aF sah als quasi vertypten Fall der Unzumutbarkeit für die Vornahme von Handlungen zum Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband das Bestehen der Flüchtlingseigenschaft beim Einbürgerungswerber vor. Von dieser "Vertypisierung" wollte der Gesetzgeber der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 ausdrücklich Abstand nehmen. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (konkret zu § 10 Abs. 3 StbG nF, 1283 BlgNR 20. GP, 7 f.) heißt es:

"Mit der Änderung in Abs. 3 soll der Behörde eine individuellere Vorgangsweise ermöglicht werden: Künftighin kann auch einem Asylberechtigten ein Zusicherungsbescheid erteilt werden, die Möglichkeit/Zumutbarkeit des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband soll das einzig maßgebliche Kriterium sein. Einem Asylberechtigten wird grundsätzlich der Nachweis des Ausscheidens aus seinem bisherigen Staatsverband unzumutbar sein, da die Definition des Art. 1 lit. a Abs. 1 der Genfer Konvention von der Unmöglichkeit oder dem fehlenden Willen des Flüchtlings ausgeht, sich dem Schutz seines Herkunftsstaates auf Grund begründeter Furcht vor Verfolgung zu unterstellen. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass Staatsbürgerschaftsverfahren mit Fremden zu führen sind, die zwar im Sinne des Gesetzes asylberechtigt sind, bei denen aber ein Endigungsgrund (Art. 1 Abschnitt C GFK) vorliegt. In einem solchen Fall musste auf Grund der bisherigen Rechtslage dem Staatsbürgerschaftsverfahren ein Aberkennungsverfahren vorgeschaltet werden, um dem Fremden die zumutbare Verpflichtung aufzuerlegen, die für das Ausscheiden aus dem Staatsverband erforderlichen Handlungen zu setzen. In solchen Fällen kann nunmehr ohne Verfahren gemäß § 14 AsylG ein Zusicherungsbescheid ergehen."

Diese Passage aus den Materialien bestätigt zunächst, dass die Staatsbürgerschaftsbehörde ungeachtet § 20 Abs. 3 Z. 2 StbG nF vor der Erlassung des Zusicherungsbescheides zu prüfen hat, ob dem Einbürgerungswerber damit die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit möglich und zumutbar wird (arg.: "... die Möglichkeit/Zumutbarkeit des Ausscheidens aus dem bisherigen Staatsverband soll das einzig maßgebliche Kriterium (für die Erlassung eines Zusicherungsbescheides) sein."). Im Übrigen lässt sie erkennen, dass bei Asylberechtigten regelmäßig von Unzumutbarkeit der Vornahme von Handlungen für das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband auszugehen sein soll und dass besondere Umstände vorliegen müssen, die es - nach der klaren Konzeption der Materialien ausnahmsweise - gerechtfertigt erscheinen lassen, von einem Einbürgerungswerber, der Flüchtling ist, die für das Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband notwendigen Handlungen zu fordern.

Jedenfalls vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtslage wäre die belangte Behörde in Erfüllung der ihr nach § 58 Abs. 2 AVG obliegenden Verpflichtung verhalten gewesen, näher darzulegen, warum sie im gegenständlichen Fall - der Beschwerdeführer ist unstrittig Flüchtling - das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erlassung eines Zusicherungsbescheides als gegeben erachtete. Demgegenüber enthält der angefochtene Bescheid überhaupt keine Begründung. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 3. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999010414.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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