TE Vwgh Beschluss 2018/2/9 Ra 2017/20/0426

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Veröffentlicht am 09.02.2018
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §45 Abs3;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Honeder, in der Rechtssache der Revision des A B in W, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2017, Zl. I413 2152321-1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger von Marokko und stellte am 29. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 8. März 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz sowohl gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegenüber dem Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Marokko gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. September 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Weiters sprach es aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Zulassungsausführungen zielen unter der Behauptung der Verletzung des nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Verwaltungsverfahren anerkannten Überraschungsverbotes darauf ab, dass das BVwG dem Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung hätte bekannt geben müssen, welchen konkreten Sachverhalt es seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen beabsichtige. Auch seien vermeintliche Widersprüche zum wesentlichen Sachverhalt in den Aussagen des Revisionswerbers in der mündlichen Verhandlung vom BVwG aufzugreifen.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Asylverfahren betreffend bereits festgehalten, dass der ermittelte Sachverhalt, wenn die eigenen Angaben der Partei die wesentliche Entscheidungsgrundlage bilden, sowie die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung dieser Partei nicht vor der Bescheiderlassung zur Kenntnis gebracht werden müssen (vgl. VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089, mwN).

10 In derselben Entscheidung hat der VwGH festgehalten, dass für die Behörde keine Verpflichtung besteht, dem Asylwerber im Wege eines Vorhalts zur Kenntnis zu bringen, dass Widersprüche vorhanden seien, die im Rahmen der gemäß § 45 Abs. 2 AVG vorzunehmenden Beweiswürdigung zu seinem Nachteil von Bedeutung sein könnten, und ihm aus diesem Grunde eine Stellungnahme hiezu zu ermöglichen (vgl. wiederum VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089, mwN).

11 Ausgehend von diesen Grundsätzen gelingt es der Revision mit ihrer Zulassungsbegründung nicht, eine Abweichung von der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darzulegen.

12 Soweit der Revisionswerber dem BVwG vorwirft, die Grundkriterien zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit im Asylverfahren nicht schlüssig anzuführen, ist zu entgegnen, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2016/01/0013, 0014, mwN). Das BVwG hat - ausführlich und nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - beweiswürdigend dargelegt, warum es das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers für nicht glaubwürdig erachte und in weiterer Folge - im Einklang mit der hg. Rechtsprechung - eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers verneint.

13 Mit der behaupteten Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aufgrund länger zurückliegender Ereignisse bis zur Ausreise andauern könne, wenn besondere Umstände dies nahe legten, wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan, weil sich das BVwG damit nur in Form einer Alternativbegründung - ungeachtet der mangelnden Glaubwürdigkeit des Vorbringens - auseinander gesetzt hat. Damit hängt die Revision nicht entscheidungswesentlich von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage ab, wenn die Revision schon - wie hier - im Hinblick auf die Hauptbegründung unzulässig ist (vgl. VwGH 25.10.2016, Ra 2016/07/0070; 12.9.2017, Ra 2017/01/0267).

14 Soweit sich die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit gegen die fehlende individuelle Auseinandersetzung mit der Integration des Revisionswerbers wendet, ist darauf hinzuweisen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043). Mit dem Revisionsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass die im Einzelfall vorgenommene Abwägung des BVwG unvertretbar erfolgt wäre.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. Februar 2018

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahrenfreie BeweiswürdigungAbstandnahme vom ParteiengehörBegründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017200426.L00

Im RIS seit

05.03.2018

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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