RS Vfgh 2016/12/12 G258/2016 ua (G258/2016-13, G317/2016-5)

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Veröffentlicht am 12.12.2016
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Index

L7030 Buchmacher, Totalisateur, Wetten

Norm

B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
G betr Totalisateur- und Buchmacherwetten, Gebühren, StGBl 388/1919 idF LGBl für Wien 26/2015 §1, §2, §2a
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung

Leitsatz

Verstoß der übergangslosen Einführung einer Bewilligungspflicht für die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkunden gegen die Erwerbsausübungsfreiheit

Rechtssatz

Feststellung der Verfassungswidrigkeit (von Wortfolgen) in §1 Abs1, §1 Abs3a, §2 Abs1, Abs2, Abs3 und Abs5 sowie §2a Abs1 des Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens ("GTBW-G"), StGBl 388/1919 idF LGBl 26/2015.

Zulässigkeit der Anträge des Verwaltungsgerichtes Wien.

Da der Magistrat der Stadt Wien seine vor dem Verwaltungsgericht Wien bekämpften Straferkenntnisse ausdrücklich auf §1 Abs1 bzw §2 Abs1 GTBW-G gestützt hat, erscheint es nicht denkunmöglich, dass das antragstellende Gericht diese Bestimmungen im Hinblick auf die Frage, ob die Straferkenntnisse in rechtmäßiger Weise ergangen sind, anzuwenden hat.

§1 Abs3a GTBW-G, der die Kriterien für die Erteilung einer Bewilligung für die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkunden und die Tätigkeitsbezeichnung regelt, steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Bewilligungstatbestand für die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkunden in §1 Abs1 GTBW-G. Gleiches gilt für die - die Strafbarkeit für denjenigen, der die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkunden erlaubt bzw daran mitwirkt oder diese duldet, normierenden, die Zuständigkeit zur Durchführung dieser Strafverfahren festlegenden bzw zur Verfügung einer Betriebsschließung ermächtigenden - angefochtenen Wortfolgen in §2 Abs2, §2 Abs3 Z2, §2 Abs3 Z3, §2 Abs5 und §2a Abs1 GTBW-G.

Entgegen der Ansicht der Wiener Landesregierung war eine Bewilligungspflicht für die gewerbsmäßige Vermittlung von Wettkundinnen und Wettkunden in der Fassung des GTBW-G vor der Novelle LGBl 26/2015 nicht vorgesehen. Vielmehr hatte §1 Abs1 leg cit idF vor der Novelle LGBl 26/2015 bloß die "gewerbsmäßige Vermittlung von Wetten" einer Bewilligungspflicht unterworfen.

Zwischen der mit der Tätigkeit eines Buchmachers oder Totalisateurs in Zusammenhang stehenden Vermittlung von Wetten und der Vermittlung von Wettkunden besteht jedoch ein Unterschied (vgl VfSlg 19803/2013).

Dass die Novelle nur eine klarstellende Funktion gehabt hätte, ist weder aus dem Gesetzestext noch aus den erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl 26/2015 ableitbar.

Ab Inkrafttreten der Novelle LGBl 26/2015 mit 08.07.2015 war die Ausübung der Wettkundenvermittlung ohne Bewilligung der Wiener Landesregierung verboten. Personen, welche diese Tätigkeit davor rechtmäßig ausgeübt hatten und sie weiterhin ausüben wollten, mussten um Erteilung einer Bewilligung ansuchen, was ihnen erst mit Inkrafttreten der Novelle ermöglicht wurde. Bis zur Erteilung der Bewilligung war ihnen - in Ermangelung einer Übergangsvorschrift - eine weitere Ausübung der Tätigkeit verwehrt.

Verstoß gegen die Erwerbsausübungsfreiheit.

Der VfGH geht zwar davon aus, dass die Reglementierung der Tätigkeit der Wettkundenvermittlung grundsätzlich im öffentlichen Interesse liegt. In diesem Sinn bestehen keine Bedenken dagegen, dass die Tätigkeit der Wettkundenvermittlung mit Inkrafttreten der Novelle LGBl 26/2015 zum GTBW-G nur noch mit Bewilligung der Wiener Landesregierung ausgeübt werden darf. Der VfGH kann allerdings keine Rechtfertigung dafür finden, dass der Gesetzgeber die Tätigkeit der Wettkundenvermittlung auch nach der Novelle LGBl 26/2015 - vorbehaltlich einer positiven Bewilligungsentscheidung - zuließ, die vor Inkrafttreten der Novelle zulässigerweise ausgeübte Wettkundenvermittlung aber ohne Übergangsregelung (zB für die Dauer des Bewilligungsverfahrens) verbot. Wie aus den durch die Novelle LGBl 26/2015 festgelegten Bewilligungsanforderungen hervorgeht - in §1 Abs3a GTBW-G idF LGBl 26/2015 wurde lediglich die "Gewähr voller Vertrauenswürdigkeit" als (einzige) Voraussetzung der Bewilligungserteilung statuiert - lag den getroffenen Regelungen kein öffentliches Interesse von solchem Gewicht zugrunde, das ein übergangsloses Inkrafttreten rechtfertigen könnte.

(Quasi-Anlassfälle: E553/2016, E650/2016, E814/2016, ua, alle E v 12.12.2016, Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Wetten, Erwerbsausübungsfreiheit, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2016:G258.2016

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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