RS Vfgh 2016/12/13 G283/2016 ua

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Veröffentlicht am 13.12.2016
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Index

60/01 Arbeitsvertragsrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18
Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG §7l, §7m
StGG Art5

Leitsatz

Keine Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über eine Sicherheitsleistung bzw den über einen Auftraggeber behördlich verhängten Zahlungsstopp des noch zu leistenden Werklohns wegen des begründeten Verdachts einer Verwaltungsübertretung durch den (ausländischen) Auftragnehmer (zB Unterentlohnung) und der Annahme der Unmöglichkeit der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung; keine Verpflichtung des Auftraggebers zur Leistung der Sicherheit vor Fälligkeit des Werklohns; nur tatsächlich geschuldeter Werklohn von der Zahlungsverpflichtung betroffen; keine unmittelbare Haftung für die Verwaltungsstrafe des Auftragnehmers

Rechtssatz

Abweisung der Anträge des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark und Oberösterreich auf Aufhebung des §7l letzter Satz sowie §7m Arbeitsvertragsrechts-AnpassungsG - AVRAG idF BGBl I 113/2015.

Das von den Landesverwaltungsgerichten für belastend gehaltene Prozessieren im Ausland ist nicht Folge der angefochtenen Norm. Selbst wenn der Auftragnehmer den Auftraggeber ungeachtet des behördlich verhängten Zahlungsstopps und eines rechtskräftigen Auftrages zur Sicherheitsleistung - und daher missbräuchlich - in einen Zivilprozess verwickeln sollte, könnte das nicht der angefochtenen Norm angelastet werden.

Dem Auftraggeber wird aber auch keine Zahlungsverpflichtung auferlegt, die sich gegenüber dem Auftragnehmer nicht bereits aus dem Zivilrecht ergibt: Der Auftraggeber ist nämlich nicht verpflichtet, die Sicherheitsleistung vor Fälligkeit des Werklohns zu leisten. Wie das Zusammenspiel von "Zahlungsstopp" in §7m Abs1 leg cit und der daran anknüpfenden Verpflichtung zur "Sicherheitsleistung" an die Behörde aus dem "noch zu leistenden Werklohn" gemäß §7m Abs3 leg cit zeigt, geht es bei der Zahlungsverpflichtung im Rahmen der Sicherheitsleistung immer nur um jenen Werklohn (oder um Teile desselben), den der Auftraggeber tatsächlich bereits schuldet. Es gibt weder im Gesetz noch in den Materialien einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber dem Auftraggeber jeglichen Schutz habe entziehen wollen, den ihm das Werkvertragsrecht gegenüber dem Auftragnehmer bietet. Der Auftraggeber ist vielmehr nach Erlassung eines Zahlungsstopps durch die Organe der Abgabenbehörden gemäß §7m Abs1 AVRAG sowie nach Erlassung des - von diesen Behörden sodann bei sonstigem Außerkrafttreten des Zahlungsstopps - gemäß §7m Abs2 AVRAG binnen drei Arbeitstagen zu beantragenden Bescheides über die Sicherheitsleistung nach §7m Abs3 leg.cit. nicht anders gestellt, als er es im Falle einer Pfändung der Forderung des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber durch Dritte mittels Erlassung eines Zahlungsverbotes ("Drittverbot") an den Auftraggeber und Überweisung der Forderung zur Einziehung an den Gläubiger gemäß §294 EO wäre.

Da der Auftraggeber somit lediglich mit dem dem Auftragnehmer geschuldeten Werklohn in Anspruch genommen werden kann, haftet er entgegen der Auffassung der Landesverwaltungsgerichte auch nicht unmittelbar für die Verwaltungsstrafe des Auftragnehmers. Es ist daher die Parallele verfehlt, welche die antragstellenden Landesverwaltungsgerichte zu Fällen ziehen, in denen es der VfGH als verfassungswidrig erklärt hat, wenn Auftraggeber mit dem eigenen Vermögen ohne zureichenden sachlichen Grund für das Verschulden Dritter in Anspruch genommen werden konnten (wie in VfSlg 16662/2002).

Kein Verstoß des §7m AVRAG gegen das Determinierungsgebot.

Der Umstand, dass von der Anordnung einer Sicherheitsleistung durch den Auftragnehmer und Dienstgeber der nicht ordnungsgemäß entlohnten Arbeitnehmer gemäß §7l AVRAG kaum Gebrauch gemacht wird, macht die Regelung des §7m AVRAG ebenso wenig verfassungswidrig. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausginge, dass zur Sicherstellung nach §7l AVRAG geeignetes Vermögen des Auftragnehmers im Einzelfall zur Verfügung stünde.

Entscheidungstexte

  • G283/2016 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 13.12.2016 G283/2016 ua

Schlagworte

Arbeitsrecht, Arbeitsvertrag, Verwaltungsstrafrecht, Sicherheitsleistung, Haftung, Schuld, Determinierungsgebot

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2016:G283.2016

Zuletzt aktualisiert am

01.03.2018
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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