TE OGH 2018/2/9 3R68/17t

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Veröffentlicht am 09.02.2018
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Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch die Vizepräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Berger als Vorsitzende sowie die Richter des Oberlandesgerichts Mag. Guggenbichler und MMag. Sloboda in der Rechtssache der klagenden Partei *****, vertreten durch Dr. Peter Ozlberger, Rechtsanwalt in 3830 Waidhofen an der Thaya, als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, wegen EUR 81.770.-- sA (hier wegen Nachzahlung von im Rahmen der Verfahrenshilfe gewährten Vergünstigungen) über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 12.12.2017, 27 Cg 20/15a-63, in nicht öffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

         Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

         Ein Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 4 ZPO).

Text

B e g r ü n d u n g :

Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 2.3.2015 zu 26 Nc 1/15s-4 des Erstgerichts die Verfahrenshilfe im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 - 4 ZPO gewährt. Er brachte in der Folge eine Klage auf Zahlung von EUR 81.770.-- sA gegen die Beklagte ein. Mit Urteil vom 28.7.2016 wurde die Beklagte verpflichtet, dem Kläger EUR 43.130.-- samt 4 % Zinsen seit 22.5.2015 zu zahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer EUR 38.640,- sA wurde abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden gemäß § 43 Abs 1 ZPO gegeneinander aufgehoben, ein Ausspruch nach § 70 ZPO erfolgte nicht. Dieses Urteil (ON 34) erwuchs in Rechtskraft.

Das Erstgericht bestimmte die Gebühren des Sachverständigen rechtskräftig mit insgesamt EUR 1.570.--, wobei es EUR 833.-- aus dem von der Beklagten erlegten Kostenvorschuss anweisen ließ (ON 60).

Die im erstinstanzlichen Verfahren angefallene Pauschalgebühr betrug EUR 2.779.--, ein Rechtsmittel erhob der Kläger nicht.

Der Klagevertreter legte im erstinstanzlichen Verfahren eine Kostennote über EUR 14.582,76.

Mit Schriftsatz vom 3.1.2017 beantragte der Klagevertreter die Bestimmung seiner Kosten mit EUR 7.500,- inklusive USt und teilte dazu mit, sich mit dem Kläger auf diesen Betrag verständigt zu haben. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass dem Kläger nicht der gesamte zugesprochene Betrag verbleibe, weil 20 % des Erlöses gemäß einer mit ***** getroffenen Vereinbarung diesem zustünden. Der Kläger habe angesichts des ihm so verbleibenden Betrags weiterhin Schulden von EUR 22.000.--, die er bei einer Pension von EUR 1.170,- in monatlichen Raten von EUR 350,- abzahle (ON 44).

Nach dem vom Kläger am 2.5.2017 vorgelegten Vermögensbekenntnis verfügt er über eine monatliche Pension von EUR 1.179,96 (14 Mal jährlich), tilgt bei der Volksbank ein offenes Darlehen in Höhe von EUR 19.628,18 in monatlichen Raten von EUR 357,-, überweist seiner Frau monatlich Unterhaltszahlungen von EUR 250.-- und zahlt seiner Tochter EUR 100.-- monatlich für die Benützung einer Wohnung. Er verfügt über EUR 150.-- an Bargeld, ein minimales Kontoguthaben, EUR 700.-- auf einem Sparbuch und ist Eigentümer eines VW Golf (Baujahr 2005). Aus einem beigelegten Schreiben des Klagevertreters ergibt sich, dass die Beklagte EUR 46.189,62 an den Klagevertreter überwies und dieser nach Einbehalt der Kosten für die Berufungsbeantwortung, der voraussichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens von EUR 7.500.-- und eines Anteils von ***** von zumindest EUR 6.674,30 am 4.11.2016 EUR 28.938,70 an den Kläger überwies. Außerdem überwies der Verfahrenshelfer dem Kläger am 7.11.2016 weitere EUR 2.011.--

Der Kläger verwendete vom erhaltenen Gesamtbetrag von EUR 30.949,70 insgesamt EUR 2.412,07 für eigene Zwecke (teilweise zur Abdeckung seines im Soll befindlichen Kontos) und überließ EUR 2.337,83 seiner Ehefrau. Weiters zahlte er für gewährte Darlehen seiner Tochter ***** EUR 5.000.-- und ***** EUR 2.000.-- zurück, außerdem löste er um EUR 5.332,50 Schmuckstücke beim Dorotheum aus. Weitere vom Kläger behauptete Tilgungen von Privatschulden – EUR 5.000.-- für *****, EUR 7.000.-- für einen privaten Geldverleiher und EUR 1.300.-- für ***** – vermochte er nicht zu belegen.

Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht den Kläger zur Nachzahlung der noch aushaftenden Sachverständigengebühren von EUR 737.-- und zum Ersatz der mit EUR 7.500.-- bestimmten Vertretungskosten des Verfahrenshelfers (Spruchpunkt 1.), weiters zur Nachzahlung der Pauschalgebühr (Spruchpunkt 2.). In rechtlicher Hinsicht erwog das Erstgericht, dass der ersiegte Betrag eine wesentliche Änderung in den Vermögensverhältnissen des Klägers herbei geführt habe. Dass der Kläger diesen Betrag zumindest teilweise zur Tilgung privater Schulden verwendet habe, ändere nichts an seiner Verpflichtung zur Nachzahlung. Unter Berücksichtigung der zutreffenden Einwendungen der Beklagten gegen die Kostennote gemäß § 54 Abs 1a ZPO betrage die angemessene tarifmäßige Entlohnung des Verfahrenshelfers EUR 11.287,44, wobei der Verfahrenshelfer nur den Ersatz von EUR 7.500.-- begehrt habe.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, wegen seiner negativen finanziellen Situation von der Verpflichtung zur Nachzahlung abzusehen.

Der Verfahrenshelfer des Klägers (zu dessen Parteistellung: M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 72 ZPO Rz 9ff mwN) beantragt in seiner „Stellungnahme“, den angefochtenen Beschluss in Bezug auf die Verpflichtung des Klägers zum Ersatz von EUR 7.500.-- an Anwaltskosten nicht abzuändern.

Der Revisor hat auf die Erstattung einer Rekursbeantwortung verzichtet.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1. Der dem Verfahrensbeholfenen zugesprochene und ihm auch zugekommene Betrag ist bei Beurteilung der Nachzahlungspflicht zu berücksichtigen (Klauser/Kodek, ZPO17, § 71 ZPO E 4). Auch genießt eine Verpflichtung zur Rückzahlung einer Privatschuld keinen Vorrang vor der Verpflichtung zur Nachzahlung von Verfahrenskosten (Klauser/Kodek aaO E 6).

1.2. Das Erstgericht ist damit auf Basis der oben dargestellten Umstände zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger eine Rückzahlung der vorläufig gestundeten Beträge unter Berücksichtigung der ihm zugeflossenen Mittel ohne Gefährdung des notwendigen Unterhalts möglich und zumutbar ist. Dabei ist zu bedenken, dass der Kläger faktisch nur mit einer Rückzahlungsverpflichtung im Ausmaß von (maximal) EUR 3.516.-- (= EUR 737.-- für Sachverständigengebühren und EUR 2.779.-- für Pauschalgebühren) belastet werden wird. Der der Höhe nach mit EUR 7.500.-- bestimmte Ersatz der Verfahrenskosten belastet den Kläger nämlich deshalb nicht unmittelbar finanziell, weil dieser Betrag nach der Aktenlage weiterhin auf einem Treuhandkonto des Verfahrenshelfers erliegt.

Außerdem ist Folgendes zu beachten:

Selbst wenn man im Sinne der Ausführungen des Klägers im Rekurs davon ausgehen wollte, dass dieser zur Tilgung von Privatschulden insgesamt EUR 27.970,33 aufgewendet hat, verbleibt immer noch ein Betrag von knapp EUR 3.000.--, der vom Kläger für eigene Zwecke verwendet wurde und damit jedenfalls zur Erfüllung seiner Rückzahlungsverpflichtungen zur Verfügung steht. Außerdem kommt – wie bereits dargelegt – der Rückzahlung von Privatschulden kein Vorrang gegenüber der Verpflichtung zur Nachzahlung von Verfahrenskosten zu, was insbesondere für jene Privatschulden gelten muss, mit deren (gerichtlicher) Einforderung der Kläger nicht rechnen musste. Dass der Kläger keine Kenntnis von dieser Rechtsprechung hatte, vermag daran nichts zu ändern.

2.1. Bereits in der Vorentscheidung 3 R 40/17z hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung des Prozessgegners gemäß § 70 ZPO einen Nachzahlungsbeschluss gemäß § 71 ZPO nicht ausschließt (vgl. Fucik in Rechberger4 § 71 Rz 3 mwN). Allerdings erfasst die Nachzahlungspflicht die Gebühren, Kosten und Auslagen des § 64 Abs 1 Z 1 ZPO nur insoweit, als sie nicht bereits berichtigt wurden. Das ist insbesondere dort von Bedeutung, wo die begünstigte Partei etwa Sachverständigengebühren zu zahlen gehabt hätte, diese aber von ihrem unterlegenen Gegner gezahlt worden sind; zu denken ist auch an die übrigen Fälle des § 70 Satz 1 und 2 ZPO, sofern der Prozessgegner der nach dieser Gesetzesstelle ausgesprochenen Zahlungspflicht zum Zeitpunkt der Entscheidung schon nachgekommen war. Erwägt das Gericht eine Verfügung nach § 71 ZPO, hat es also stets zu prüfen, ob bei Beendigung des Rechtsstreites die Voraussetzungen des § 70 Satz 1 ZPO gegeben waren, bejahendenfalls weiter, ob der Gegner die danach auf ihn entfallenden Zahlungsverpflichtungen bereits erfüllt hat. Soweit dies der Fall ist, darf der entsprechende Betrag nicht auch der ursprünglich Verfahrenshilfe genießenden Partei auferlegt werden (vgl. M. Bydlinski aaO § 71 ZPO Rz 4 mwN).

2.2. Diese Grundsätze hat das Erstgericht im Hinblick auf die Sachverständigengebühren beachtet. Allerdings hat das Erstgericht bisher keinen Beschluss nach § 70 ZPO gefasst, mit dem die Beklagte zum anteiligen Ersatz der angefallenen Pauschalgebühr für das erstinstanzliche Verfahren zu verpflichten wäre (vgl. § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO).

Diese Unterlassung steht aber einer Entscheidung über die Nachzahlungspflicht gemäß § 71 ZPO nicht entgegen (OLG Wien 11 R 24/13z [unveröff.]; vgl. auch OLG Wien 13 R 212/05z = RW0000676). Eine Zahlungspflicht des Prozessgegners nach § 70 ZPO und eine Nachzahlungsverpflichtung der Verfahrenshilfepartei nach § 71 ZPO begründen vielmehr eine Solidarschuld beider Parteien. Leistet die Partei aufgrund des gegen sie gemäß § 71 ZPO ergangenen Beschlusses, kann sie den geleisteten Betrag als ihr tatsächlich entstandene Kosten nach § 54 Abs 2 ZPO nachträglich innerhalb der dort normierten vierwöchigen Frist (anteilig) gegenüber dem Prozessgegner geltend machen (M. Bydlinski aaO Rz 4; vgl. auch Obermaier, Kostenseitig Verfahrenshilfe: Verfahren zur Nachzahlung gestundeter Beträge (Teil II), ÖJZ 2017, 988).

3. Der Verfahrenshelfer hat immer nur Anspruch auf Ersatz des ihm tarifmäßig zustehenden Honorars. Allerdings kann er entscheiden, ob er das ihm zustehende Honorar ganz, teilweise oder gar nicht beanspruchen will (M. Bydlinski aaO Rz 6). Eine Entgeltvereinbarung des Verfahrenshelfers mit dem Verfahrensbeholfenen ist hingegen ausgeschlossen (Klauser/Kodek aaO E 21).

Diesen Grundsätzen folgend hat das Erstgericht nachvollziehbar dargelegt, dass die tarifmäßige Entlohnung des Verfahrenshelfers EUR 11.287,44 beträgt, die Kosten jedoch mit dem vom Verfahrenshelfer begehrten Betrag von EUR 7.500.-- zu deckeln sind.

Dem Rekurs war damit insgesamt nicht Folge zu geben.

 Ein Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO jedenfalls unzulässig (vgl. auch RIS-Justiz RS0036182).

         

Textnummer

EW0000871

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2018:00300R00068.17T.0209.000

Im RIS seit

28.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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