TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/15 LVwG-151215/9/JS/FE

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Veröffentlicht am 15.12.2017
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Entscheidungsdatum

15.12.2017

Norm

Oö AbwasserentsorgungsG §12
AVG §63

Text

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Mag. Steinschnack über die Beschwerde der S K, B x, x W, vertreten durch Ing. W K, B x, x W, vom 15.11.2016 gegen den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Oberhofen am Irrsee vom 14.10.2016, Zahl: 811/3-2016, betreffend Kanalanschlusspflicht

zu Recht:

I.     Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat:
„Die von Frau S K gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Oberhofen am Irrsee vom 05.04.2016, Zl: 811/3-2016, erhobene Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen.“

II.    Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

1.       Wesentlicher Verfahrensgang:

1.1.    Mit Bescheid der Bürgermeisterin vom 5.4.2016 wurden die Beschwerdeführerin und G J als Hälfteeigentümerinnen des Grundstückes Nr. x, GB x R, u.a. zum Anschluss des auf diesem Grundstück befindlichen Gebäudes „F x“ an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage nach dem Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 verpflichtet. Der Bescheid wurde wie folgt adressiert:

„Frau

J G u. K S

zu Hd. J G

A x

x W“

Der gemeinsame Bescheid wurde nach einem Zustellversuch in der Postfiliale 1090 Wien hinterlegt, wo er von G J übernommen wurde.

1.2.    Mit Schreiben vom 19.4.2016 teilte die Beschwerdeführerin mit, sie sei von G J telefonisch über einen Bescheid betreffend die Herstellung eines Kanalanschlusses für das Gebäude „F x“ informiert worden. Ihres Wissens nach hätte sie keine Zustellvertretungsvollmacht erteilt. Zur Wahrung ihrer Interessen sehe sie sich - auch ohne den Bescheid in Händen zu haben - veranlasst, das Rechtsmittel der Berufung zu ergreifen. Sie ersuchte um Bescheidzustellung zu ihren Handen, wobei sie sich weiteres Vorbringen vorbehielt. Auch G J erhob mit gesonderter Eingabe Berufung gegen den Bescheid der Bürgermeisterin.

1.3.    Mit zwei inhaltsgleichen Bescheiden des Gemeinderates der Gemeinde Oberhofen am Irrsee (in der Folge „belangte Behörde“) vom 14.10.2016 wurde den Berufungen der Beschwerdeführerin und der G J nicht stattgegeben. Ein Bescheid wurde dabei an die Beschwerdeführerin (allein) adressiert und ihr übermittelt, der zweite Bescheid an G J.

1.4.    Gegen die ihnen jeweils zugekommenen Bescheide der belangten Behörde richtete sich die gemeinsame Beschwerde der Beschwerdeführerin und der G J vom 15.11.2016, die dem Landesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 7.3.2017 vorgelegt wurde. Verfahrensgegenständlich ist ausschließlich die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den an sie (allein) adressierten und ihr übermittelten Bescheid der belangten Behörde. Die Beschwerde der G J gegen den ihr zugekommenen Bescheid der belangten Behörde ist hingegen Gegenstand eines gesondert beim Landesverwaltungsgericht anhängigen Beschwerdeverfahrens (LVwG-151214).

2.       Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Der Bescheid der Bürgermeisterin vom 5.4.2016 betreffend die Anschlussverpflichtung (auch) der Beschwerdeführerin als Hälfteeigentümerin des Grundstücks Nr. x samt dem darauf befindlichen Gebäude „F x“ an die gemeindeeigene Kanalisationsanlage wurde zu Handen der weiteren Hälfteeigentümerin G J adressiert und an diese allein übermittelt. Der Bescheid wurde in der Folge von G J nach einem Zustellversuch und Hinterlegung in der Postfiliale 1090 Wien übernommen.

3.       Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und Beischaffung des Protokolls der Gemeinderatssitzung vom 3.5.2016, eines aktuellen Grundbuchauszuges und einer Auskunft des Post-Kundenservices betreffend die Übernahme des Bescheides der Bürgermeisterin durch G J in der Postfiliale 1090 Wien. Die Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes beruhen auf den widerspruchsfrei vorliegenden Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens. Weder haben die Parteien dazu gegenteiliges Vorbringen erstattet noch ergeben sich den Feststellungen widersprechende Umstände aus dem Verfahrensakt, sodass diese der Entscheidung unstrittig zugrunde gelegt werden konnten. Insbesondere gingen die Parteien unisono nicht davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine Zustellungsvollmacht erteilte, und lagen dafür auch keine Anhaltspunkte vor. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war daher nicht erforderlich und konnte diese nach der Bestimmung des § 24 Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) entfallen.

4.       Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beurteilt den festgestellten Sachverhalt rechtlich wie folgt:

4.1.    Nach der Bestimmung des § 63 Abs. 5 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) beginnt die Frist für die Einbringung einer Berufung für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides. Die Möglichkeit der Erhebung einer Berufung – und auch einer Beschwerde vor dem Landesverwaltungsgericht - setzt demnach einen gegenüber dem Rechtsmittelwerber wirksam erlassenen Bescheid, gegen den sie sich richtet, voraus (vgl. VwGH 24.10.2017, Ra 2016/10/0070). Ein solcher Bescheid liegt gegenständlich hinsichtlich der Beschwerdeführerin jedoch nicht vor, da der Beschwerdeführerin der Bescheid der Bürgermeisterin vom 5.4.2016 nicht rechtswirksam zugestellt wurde: Die Zustellung des gemeinsamen Bescheides der Bürgermeisterin erfolgte ausschließlich an die Hälfteeigentümerin G J, nicht jedoch auch an die Beschwerdeführerin, obwohl sie die Gemeinde auf diesen Umstand aufmerksam machte. Ein an zwei Adressaten gemeinsam gerichteter Bescheid, der nach einem Zustellversuch hinterlegt wurde, gilt gegenüber keinem der beiden Adressaten als zugestellt. Jedoch kann eine Heilung dieses Zustellmangels (nur) gegenüber jenem der beiden Adressaten erfolgen, dem das Schriftstück als ersten tatsächlich zukommt, weil nur dieser Vorgang der Heilung des Zustellmangels einem Verhalten der Behörde zurechenbar ist (vgl. VwGH 24.5.2012, 2012/07/0013 mwN). Eine Zustellfiktion, wie etwa in Abgabesachen nach der Bundesabgabenordnung (wonach mit der Zustellung einer an mehrere Personen gerichtete Ausfertigung an eine dieser Personen die Zustellung an alle als vollzogen gilt), ist dem gegenständlich anzuwendenden Verfahrensrecht für den Falle einer amtswegig angeordneten Kanalanschlusspflicht fremd.

4.2.    Da der Bescheid der Bürgermeisterin vom 5.4.2016 gegenüber der Beschwerdeführerin mangels Zustellung nicht rechtswirksam erlassen wurde, hatte dies den Mangel der Zuständigkeit der belangten Behörde zu einem meritorischen Abspruch über die Berufung der Beschwerdeführerin zur Folge. Die Zuständigkeit der belangten Behörde hätte nur soweit gereicht, die Berufung wegen Unzulässigkeit zurück zu weisen (vgl. VwGH 27.4.2011, 2008/23/1027). Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde war daher aus Anlass der Beschwerde dahingehend abzuändern.

4.3.    Angemerkt wird der Vollständigkeit halber, dass die Beschwerdeführerin durch diese Entscheidung keinen Rechtsnachteil erleidet, da sie bislang behördlich noch gar nicht wirksam in Anspruch genommen wurde. Die Anschlussverpflichtung gemäß § 12 Abs. 2 Oö. Abwasserentsorgungsgesetz 2001 richtet sich an den Gebäudeeigentümer. Im Falle des Miteigentums hat sich dieser Anschlussauftrag an alle Miteigentümer zu richten. Liegt nicht gegen alle Miteigentümer ein vollstreckbarer Anschlusstitel vor, ist dieser auch nicht vollstreckbar (vgl. VwGH 30.3.2017, Ra 2015/07/0009 zum insoweit vergleichbaren Fall eines Verschließungsauftrages an Miteigentümer). Der Bescheid der Bürgermeisterin vom 5.4.2016 ist sohin gegenüber der Beschwerdeführerin mangels rechtswirksamer Zustellung nicht vollstreckbar, weshalb er sie auch nicht in materiellen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzen konnte.

4.4.    Die Entscheidung über die zu LVwG-151214 anhängige Beschwerde der Hälfteeigentümerin G J gegen den ihr zugekommenen Bescheid der belangten Behörde bleibt einer gesonderten Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes vorbehalten.

5.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung zur Zustellung von Bescheiden und zur Zuständigkeit von Rechtsmittelbehörden von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung (siehe die in dieser Entscheidung zitierte Judikatur des VwGH). Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Thematiken auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Bescheid – Zustellung an bloß einen von mehreren Miteigentümern; Unwirksamkeit

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2017:LVwG.151215.9.JS.FE

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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