TE Vwgh Erkenntnis 2018/1/25 Ra 2017/16/0169

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Veröffentlicht am 25.01.2018
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Index

22/01 Jurisdiktionsnorm;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

GGG 1984 §1;
GGG 1984 §14;
GGG 1984 TP2;
JN §54;
JN §58 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §28;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann über die Revision der Präsidentin des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien in 1091 Wien, Althanstraße 39-45, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. September 2017, W183 2152367- 1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (mitbeteiligte Partei: I Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Urteil vom 9. August 2016 hatte das Arbeits- und Sozialgericht Wien dem Leistungs- und Feststellungsbegehren von elf (ehemaligen) Arbeitnehmern der mitbeteiligten Partei stattgegeben, die Mitbeteiligte zur Zahlung von insgesamt EUR 37.486,40 verpflichtet und zugunsten der einzelnen Kläger die Maßgeblichkeit eines Pensionsplanes für die Berechnung der Dienstzeit und die Ansprüche auf jeweils unterschiedlich hohe, 14 mal jährlich zahlbare Betriebspensionen festgestellt. Gegen dieses Urteil berief die Mitbeteiligte, wofür von ihr Pauschalgebühr nach TP 2 GGG in der Höhe von EUR 23.829,-- eingezogen wurde und worauf die Mitbeteiligte mit Eingabe vom 22. November 2016 die Rücküberweisung der Pauschalgebühr beantragte: gemäß § 16 Abs. 1 Z 1 lit. a GGG betrage diese lediglich EUR 750,--, weshalb der Einzug einer weiteren Pauschalgebühr nach TP 2 GGG zu Unrecht erfolgt sei.

2 Mit Bescheid vom 20. Februar 2017 wies die Präsidentin des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien (die Revisionswerberin) den Antrag auf Rückzahlung ab. Strittig sei - so die wesentliche Begründung - die Bewertung der bekämpften Feststellungsbegehren. Ein von den Klägern angegebener Streitwert sei nach den zwingenden Normen des § 14 GGG iVm § 58 Abs. 1 JN unbeachtlich. Wenn die Mitbeteiligte darauf verweise, dass nur der strittige Differenzbetrag (in den Feststellungsbegehren) letztlich den "Mehrwert" des Klagebegehrens darstellte, sei dem entgegen zu halten, dass es bei der gerichtsgebühren-rechtlichen Beurteilung nicht darauf ankomme, ob der Inhalt der getroffenen Vereinbarung bzw. das Klagebegehren überhaupt strittig gewesen sei und damit ein exekutionsfähiger Titel geschaffen worden sei. Dies gelte auch dann, wenn eine schon bestehende vertragliche und unstrittige Verpflichtung neuerlich festgestellt worden sei. Auch der Teil eines Klagebegehrens, der (allenfalls) nur zur Klarstellung gedient habe, sei gebührenrechtlich von Bedeutung. Daraus folge, dass eine umfassende Untersuchung des Sachverhaltes aufgrund des klaren Wortlautes des Feststellungsbegehrens zu unterbleiben habe. Eine solche sei auch nicht für eine diffizile Abgrenzung zum Leistungsbegehren erforderlich. Unter näherer Aufschlüsselung der auf die einzelnen Kläger entfallenden Werte der Streitgegenstände für die jeweiligen Leistungs- und Feststellungsbegehren schloss die Revisionswerberin, die Bemessungsgrundlage betrage insgesamt EUR 643.939,10, sodass sich die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG mit EUR 15.886,-- zuzüglich eines Streitgenossenzuschlages für elf Kläger, sohin mit insgesamt EUR 23.829,-- errechne. Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde, in der sie die unrichtige Bewertung der Feststellungsbegehren bemängelte:

Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis 2002/16/0235 zu § 58 JN iVm § 14 GGG entschieden, dass bei einer der Betriebspension vergleichbaren Administrativpension dann, wenn "überflüssigerweise" die unstrittige Pensionsleistung in das Feststellungsbegehren aufgenommen worden sei, das Feststellungsbegehren nur auf die strittige Differenz bezogen zu verstehen sei. Auch in der gegenständlichen Streitsache sei nur die von den Klägern begehrte Erhöhung der monatlichen Betriebspension strittig gewesen. Daher sei die Pauschalgebühr auch nur vom strittigen monatlichen Differenzbetrag zu berechnen. Die Revisionswerberin legte diese Beschwerde unter Anschluss des Justizverwaltungsaktes (Kostenaktes) vor.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis behob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid vom 20. Februar 2017 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Zitierung der maßgebenden Rechtsvorschriften schloss das Verwaltungsgericht:

"Im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren strittig ist die Bewertung des Feststellungsbegehrens betreffend Betriebspensionen. Bei der Betriebspension handelt es sich um einen Versorgungsbetrag (vgl. VwGH 19.12.2002, 2002/16/0235), weshalb § 58 Abs. 1 JN relevant ist. § 15 Abs. 3a GGG ist gegenständlich nicht relevant, weil Gegenstand des Feststellungsbegehrens nicht ein Geldbetrag, sondern eine wiederkehrende Rente ist.

§ 58 Abs. 1 JN lautet wie folgt: (...)

Für den vorliegenden Fall einschlägig ist folgender Rechtssatz des VwGH zu § 58 Abs. 1 JN: ‚Da sowohl aus dem Prozessvorbringen als auch aus den ergangenen Entscheidungen der mit der Angelegenheit befassten Gerichte ganz eindeutig hervorgeht, dass Streitgegenstand immer nur die vom Kläger begehrte Erhöhung seiner monatlichen Pension um einen bestimmten gleich bleibenden Betrag war, ist in Anlehnung an die vom Kläger zu Recht ins Treffen geführte, einen gleich gelagerten Fall betreffende E des OGH vom 26. August 1993, 2 Ob 44/93, EF Slg 72.805, in diesem besonders gelagerten Fall ungeachtet des überflüssigerweise auf die vom Kläger angestrebte Gesamtsumme formulierten Feststellungsbegehrens auch dieses nur als auf die strittige Differenz bezogen zu verstehen. Der dreifache Jahresbetrag ist daher nur vom strittigen monatlichen Differenzbetrag zu errechnen.'

3.2.3. Im gegenständlichen Fall steht fest, dass aufgrund des Vorbringens der BF zu ermitteln gewesen wäre, welcher monatliche Differenzbetrag strittig ist. Wenn dieser Betrag feststeht, kann eine Berechnung nach § 58 Abs. 1 JN (dreifacher Jahresbetrag der strittigen Differenz) vorgenommen werden. Die Behörde hat es jedoch unterlassen, derartige Ermittlungen durchzuführen und entsprechende Feststellungen zu treffen.

3.2.4. Die genannten Ermittlungen sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts für eine abschließende Beurteilung der Frage, welcher Differenzbetrag als Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist, notwendig, weil ohne deren Vorliegen nicht abschließend beurteilt werden kann, in welcher Höhe ein Rückzahlungsanspruch besteht. Da umfassende Sachverhaltsermittlungen (in den nicht dem BVwG vorliegenden Klagebegehren sowie sonstigen Gerichtsdokumenten das Arbeitsrechtsverfahren betreffend) erstmals durchzuführen sind, macht das Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und den Effizienzkriterien des § 39 Abs. 2 AVG von dem ihm in § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumten Ermessen Gebrauch.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen."

Seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, weder weiche die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehle es an solcher (siehe die unter Punkt 3.2. zitierte Judikatur); weiters sei die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision der Präsidentin des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien, in der eine - ihrer Ansicht nach unvertretbare - Auslegung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2002, 2002/16/0235, gerügt wird. Die tatsächlich für die Bemessung der Pauschalgebühr relevanten Anknüpfungspunkte seien dem Bundesverwaltungsgericht bereits vorgelegen oder leicht erhebbar gewesen, weshalb dieses - wenn man zur Ansicht gelangte, dass lediglich der strittige Differenzbetrag der Feststellungsbegehren zur Gebührenbemessung heranzuziehen gewesen wäre - in der Sache selbst hätte entscheiden müssen.

Die Revision beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben und in der Sache zu entscheiden, indem der Bescheid vom 20. Februar 2017 vollinhaltlich wieder hergestellt werde, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, in der sie die Zurückweisung der Revision, in eventu deren Abweisung als unbegründet unter Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die vorliegende Amtsrevision erweist sich aus den folgenden Gründen als zulässig, jedoch als nicht berechtigt.

6 Wie eingangs wiedergegeben, hatte das Arbeits- und Sozialgericht Wien in seinem Urteil vom 9. August 2016 den elf klagenden Parteien jeweils die Leistung rückständiger Betriebspensionen und die Feststellung des Anspruches auf eine 14 mal jährlich zahlbare Betriebspension in bestimmter Höhe zugesprochen, wogegen die Mitbeteiligte berief.

Materiell-rechtlich ist strittig, ob der Bemessungsgrundlage für die Pauschalgebühr nach TP 2 die vollen Beträge der in den jeweiligen Feststellungsbegehren genannten monatlichen Betriebspensionen oder nur deren strittige Teile (vervielfacht nach § 58 JN) zugrunde zu legen sind.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist strittig, ob - der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts in der Sache folgend - die Aufhebung des Bescheides vom 20. Februar 2017 und die Zurückverweisung der Sache an die Präsidentin des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien rechtens war.

7 Gemäß § 14 GGG ist Bemessungsgrundlage, soweit nicht im Folgenden etwas anderes bestimmt wird, der Wert des Streitgegenstandes nach den Bestimmungen der §§ 54 bis 60 JN. Gemäß § 16 Z 1 lit. a GGG beträgt die Bemessungsgrundlage u.a. bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten, soweit in diesen Fällen nicht ein Geldbetrag - sei es in einem Leistungs- oder einem sonstigen Begehren, etwa einem Feststellungs- oder Unterlassungsbegehren - Gegenstand der Klage ist, EUR 750,--.

Im Revisionsfall bilden in allen Leistungs- und Feststellungsbegehren jeweils bestimmte Geldbeträge den Gegenstand einer Klage, sodass die Bemessungsgrundlage von EUR 750,-- nach § 16 Abs. 1 Z 1 GGG nicht maßgebend ist.

Das GGG trifft daher für die Bewertung des Streitgegenstandes der Feststellungsbegehren nicht etwas anderes iSd. § 14 GGG.

8 Nach § 58 Abs. 1 JN ist als Wert des Rechtes auf den Bezug von Zinsen, Renten, Früchten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen und Leistungen bei immerwährender Dauer das Zwanzigfache, bei unbestimmter oder auf Lebenszeit beschränkter Dauer das Zehnfache, sofern es sich um Ansprüche auf Unterhalts- oder Versorgungsbeträge und auf Zahlung von Renten wegen Köperbeschädigung oder Tötung eines Menschen handelt, das Dreifache der Jahresleistung, bei bestimmter Dauer aber der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge, jedoch in keinem Fall mehr als das Zwanzigfache der Jahresleistung anzunehmen.

§ 58 Abs. 1 JN erfasst - neben Klagen und Anträgen auf Leistungen und Nutzungen - alle Streitigkeiten, in denen auf Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens dieses Rechts, auf seine Erhöhung, Minderung oder sonstige Abänderung, aber auch auf sein Ruhen oder Erlöschen geklagt wird (vgl. etwa die von Gitschthaler in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen I3, unter Rz 1 zu § 58 JN wiedergegebene Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte in Zivilrechtssachen).

§ 58 Abs. 1 JN ist für die Streitwertberechnung nur dann maßgeblich, wenn es um die wiederkehrende Leistung als Ganzes geht. Werden hingegen einzelne Teilleistungen oder Teilbeträge eingeklagt, dann handelt es sich dabei um Geldleistungsbegehren, die § 54 JN zu unterstellen wären. Der Rückstand richtet sich in diesen Fällen daher nach der Höhe etwa des eingeklagten Rückstandes oder des einzeln geltend gemachten Teilbetrages. Ist Gegenstand des Rechtsstreites nicht die wiederkehrende Leistung an sich, sondern lediglich etwa deren Erhöhung um einen bestimmten Betrag, dann ist der Streitgegenstand nur mit dem Vielfachen des Erhöhungsbegehrens zu bewerten. Es ist also ein Vergleich zwischen Ist- und Sollzustand herzustellen (vgl. die von Gitschthaler, aaO, unter Rz 3 f zu § 58 JN wiedergegebene Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte in Zivilrechtssachen).

9 In dem vom Verwaltungsgericht, jedoch auch von der Mitbeteiligten ins Treffen geführten Erkenntnis vom 19. Dezember 2002, 2002/16/0235, sprach der Verwaltungsgerichtshof zum Fall einer Klage (ebenfalls vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien) auf Zahlung des pro praeterito geschuldeten Differenzbetrages zwischen der tatsächlich geleisteten "Administrativpension" von brutto ca. ATS 19.000,-- und der zustehenden von ATS 38.950,-- im Gesamtbetrag von ATS 277.872,-- sowie auf Feststellung, dass die Höhe der Pension auch pro futuro ATS 38.950,-- brutto pro Monat betrage aus:

"Bei der in Rede stehenden, klagsweise geltend gemachten Pensionsleistung handelt es sich nicht um eine rein kommerziell motivierte Rente (wie z.B. eine Leibrente mit Kaufpreisfunktion), sondern um eine dem Alimentationscharakter von Unterhaltsleistungen und Renten wegen Körperverletzung bzw. Tötung eines Menschen nahe stehende Leistung, die unter dem Terminus ‚Versorgungsbeträge' des § 58 Abs. 1 JN zu subsumieren ist (vgl. dazu den Bericht des Justizausschusses zur Zivilverfahrensnovelle 1983, 1337 der Blg. zu den sten. Prot.

d. NR XV. GP 5). Es kommt demnach von vornherein nicht das Zehnfache, sondern nur das Dreifache der Jahresleistung als Bemessungsgrundlage in Frage.

Da des Weiteren sowohl aus dem Prozessvorbringen als auch aus den ergangenen Entscheidungen der mit der Angelegenheit befassten Gerichte ganz eindeutig hervorgeht, dass Streitgegenstand immer nur die vom Kläger begehrte Erhöhung seiner monatlichen Pension von brutto 19.488,-- auf brutto 38.950,-- war, ist in Anlehnung an die von der Beschwerde zu Recht ins Treffen geführte, einen gleichgelagerten Fall betreffende E des OGH vom 26. August 1993, 2 Ob 44/93, EF Slg 72.805, in diesem besonders gelagerten Fall ungeachtet des überflüssigerweise auf die vom Kläger angestrebte Gesamtsumme formulierten Feststellungsbegehrens auch dieses nur als auf die strittige Differenz bezogen zu verstehen. Der dreifache Jahresbetrag wäre daher nur vom strittigen monatlichen Differenzbetrag zu errechnen gewesen."

10 Die Übertragung der in der Rechtsprechung der Zivilgerichte vertretenen Auslegung des § 58 Abs. 1 JN auf die Auslegung des § 14 GGG iVm § 58 Abs. 1 JN begegnet keinen Bedenken, sodass der materiell-rechtlichen Beurteilung des Revisionsfalles durch das Verwaltungsgericht anhand des zitierten Erkenntnisses vom 19. Dezember 2002 nicht entgegen zu treten ist.

11 In § 28 VwGVG ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weshalb die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehene Möglichkeit der Kassation des verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger ergänzender Ermittlungen und Feststellungen kommt dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (§ 37 AVG) nur ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. VwGH 6.7.2016, Ra 2015/01/0123, mwN).

Beschränken sich die notwendigen ergänzenden Ermittlungen auf die Auswertung eines Aktenkonvoluts, ist - die Vollständigkeit der dem Verwaltungsgericht zum Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung gestellten oder gestandenen Unterlagen vorausgesetzt - grundsätzlich im Interesse der Raschheit des Verfahrens anzunehmen, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG geboten ist. Diesfalls würde ein "Zurückschicken der Verfahrensakten" an die Verwaltungsbehörde nicht dem Ziel der Verfahrensökonomie entsprechen (vgl. VwGH 24.6.2015, Ra 2015/04/0019).

12 Unter Zugrundelegung des wiedergegebenen Verständnisses des § 14 GGG iVm § 58 Abs. 1 JN, dass für die Bemessungsgrundlage lediglich der strittige monatliche Differenzbetrag maßgebend ist, mangelte der vor dem Verwaltungsgericht angefochtene Bescheid vom 20. Februar 2017 notwendiger Feststellungen über die elf strittigen Differenzbeträge. Da die Verwaltungsbehörde dem Verwaltungsgericht weder im vorgelegten Kostenakt notwendige Unterlagen zur Verfügung stellte noch Teile oder Ablichtungen des Aktes des streitigen Zivilverfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien vorgelegt hatte, verfügte das Verwaltungsgericht nicht über die zur Verfahrensergänzung notwendigen Unterlagen. In diesem besonderen Fall kann nicht erkannt werden, dass die Aufhebung des Bescheides vom 20. Februar 2017 und die Zurückverweisung der Sache an die Justizverwaltungsbehörde zur ergänzenden Ermittlung und Feststellung (insbesondere der Höhe der strittigen Forderungen) der von § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG bezweckten Verfahrensökonomie widersprechen würde. Auch führt die Amtsrevision keine fallbezogenen Gründe ins Treffen, die gegen eine solche Erwägung sprechen würden.

13 Die vorliegende Amtsrevision ist daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

14 Für das weitere Verfahren ist festzuhalten:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpft das Gerichtsgebührengesetz bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Für die Gebührenpflicht ist der (formale) rechtliche Gehalt maßgebend; eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist als Maßstab für gebührenrechtliche Tatbestände nicht geeignet (vgl. etwa die in Dokalik, Gerichtsgebühren13, unter E 12 bis 14 zu § 1 GGG wiedergegebene Rechtsprechung).

Nach § 2 Z 1 lit. c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet.

Tarifpost 2 GGG bestimmt die Höhe der Pauschalgebühr für das Rechtsmittelverfahren zweiter Instanz nach dem Berufungsinteresse.

15 Mag sich auch die Berufung der Mitbeteiligten "zur Gänze" gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien gerichtet haben, so ist die Gebühr nach TP 2 GGG nach einem in der Berufung angegebenen Berufungsinteresse zu ermitteln. Dies gilt auch dann, wenn bei der Berechnung des in der Rechtsmittelschrift angegebenen Berufungsinteresses etwa im erstinstanzlichen Verfahren erfolgte Einschränkung des Klagebegehrens außer Acht gelassen wurden (vgl. die Dokalik, aaO, unter E 12 zu TP 2 GGG wiedergegebene Judikatur).

16 Gleiches muss für den Fall gelten, wenn - in Ansehung der verfahrensgegenständlichen Feststellungsklagen - der Wert des Streitgegenstandes in Verkennung der eingangs wiedergegebenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht vom offenkundig strittigen monatlichen Differenzbetrag errechnet wurde.

17 Für den Kostenbeamten ist im fortzusetzenden Verfahren daher unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Anknüpfung der Gerichtsgebührenpflicht an formale äußere Tatbestände zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG das Berufungsinteresse mit Blick auf die Angabe im gebührenbegründenden Berufungsschriftsatz - ob eine solche erfolgte, ist weder dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens noch den vorgelegten Akten noch den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes zu entnehmen - sowie unter Zuhilfenahme der im Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenpflicht abgegebenen Prozesserklärungen über den Streitgegenstand, insbesondere auch unter Bedachtnahme auf Außerstreitstellungen oder Anerkenntnisse, zu ermitteln. Sollten sich für die Vorschreibungsbehörde anhand des Aktes des streitigen Zivilverfahrens keine Einschränkungen des Wertes des Streitgegenstandes ergeben, könnte letztlich die Erklärung in der Berufung über den Umfang der Anfechtung entscheidend sein.

18 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 25. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017160169.L00

Im RIS seit

20.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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