TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/24 VGW-042/007/10504/2017

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Veröffentlicht am 24.01.2018
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Entscheidungsdatum

24.01.2018

Index

60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

BArbSchV §7 Abs1
BArbSchV §7 Abs2 Z4
ASchG §130 Abs5 Z1
ASchG §161

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Obransky über die Beschwerde des Herrn J. P., vertreten durch Rechtsanwälte OG, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 19.06.2017, Zl. MBA ... - S 19029/17, wegen 2 Verwaltungsübertretungen gemäß ad 1) und ad 2) § 7 Abs. 1 BauV, BGBl. Nr. 340/1994, idgF. (BauV), iVm. § 7 Abs. 2 Z 4 leg. cit., iVm. § 161 leg. cit., iVm. § 130 Abs. 5 Z 1 ASchG, BGBl. Nr. 450/1994, idgF., iVm. § 9 Abs. 2 VStG 1991, BGBl. Nr. 52/1991, idgF.,

zu Recht e r k a n n t:

I.) Der Beschwerde wird Folge gegeben und das Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos behoben.

II.) Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahren zu leisten.

III.) Gegen diese Entscheidung wird eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zugelassen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Spruch des in Beschwerde gezogenen Straferkenntnisses vom 19.6.2017 lautet:

„I.

Sie haben es als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl. Nr. 52/1991, in der geltenden Fassung, der C. GmbH (FN ...) mit dem Sitz dieser Gesellschaft in Wien, ..., zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 14.04.2015 auf ihrer Baustelle in R., D.-straße (Shopping Center …), insofern gegen die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung 1994 (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, in der geltenden Fassung, wonach bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen sind, in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Z 4 leg. cit., wonach Absturzgefahr vorliegt: an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe., verstoßen hat, als - wie durch Organe des Arbeitsinspektorates ... am 14.04.2015 anlässlich einer Baustellenkontrolle auf der Baustelle in R., D.-straße (Shopping Center …) festgestellt wurde –

1.  )die überlassenen Arbeitnehmer, Herr K. S., geb. am ...1978, und Herr A. O., geb. am ...1978, auf einem erhöhten Standplatz (Shop- Vordächer in der Shoppingmall) beschäftigt wurden, obwohl Absturzgefahr von ca. 5,5 m bestand und keine Absturzsicherungen (§ 8 BauV), Abgrenzungen (§ 9 BauV) oder Schutzeinrichtungen (§ 10 BauV) angebracht worden waren und die Arbeitnehmer auch nicht sicher angeseilt waren;

2.  )die Arbeitnehmer, Herr W. Pa., geb. am ...1966, Herr W. So., geb. am ...1997, und Herr F. G., geb. am ...1067, bei einer Absturzgefahr von ca. 4 m auf einem Lüftungsgerät des Flachdaches des Einkaufszentrums mit Arbeiten an dem Gerät beschäftigt wurden, obwohl keine geeigneten Absturzsicherungen oder Schutzeinrichtungen gemäß §§ 8 bis 10 BauV vorhanden waren.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

ad 1.) § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, in der geltenden Fassung (BauV), in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Z 4 leg. cit., in Verbindung mit § 161 leg. cit, in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z 1 Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz 1994 (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl. Nr. 52/1991, in der geltenden Fassung.

ad 2.) § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, in der geltenden Fassung (BauV), in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Z 4 leg. cit., in Verbindung mit § 161 leg. cit, in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z 1 Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz 1994 (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl. Nr. 52/1991, in der geltenden Fassung.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

ad 1.) 2 Geldstrafen von je € 700,00, falls diese uneinbringlich sind,

2 Ersatzfreiheitsstrafen von je 1 Tag und 18 Stunden

ad 2.) 3 Geldstrafen von je € 560,00, falls diese uneinbringlich sind,

3        Ersatzfreiheitsstrafen von je 1 Tag und 9 Stunden

Summe der Geldstrafen: € 3.080,00

Summe der Ersatzfreiheitsstrafen: 1 Woche und 15 Stunden,

gemäß

ad 1.) § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, in der geltenden Fassung (BauV), in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Z 4 leg. cit., in Verbindung mit § 161 leg. cit, in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z 1 Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz 1994 (ASchG), BGBl. Nr 450/1994, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl. Nr. 52/1991, in der geltenden Fassung.

ad 2.) § 7 Abs. 1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994, in der geltenden Fassung (BauV), in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Z 4 leg. cit., in Verbindung mit § 161 leg. cit, in Verbindung mit § 130 Abs. 5 Z 1 Arbeitnehmerlnnenschutzgesetz 1994 (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991), BGBl. Nr. 52/1991, in der geltenden Fassung.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

ad 1.) € 140,00,

ad 2.) € 168,00

Summe der Strafkosten: € 308,00

als Beitrag zu den Kosten der Strafverfahren, d.s. 10% der Strafen

(mindestens jedoch € 10,00 je Übertretung).

Die zu zahlenden Gesamtbeträge (Strafen/Kosten) betragen daher

ad 1.) € 1.540,00,

ad 2.) € 1.848,00

Summe der Strafen und Strafkosten: € 3.388,00.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.

II.      Haftung:

Die C. GmbH (FN ...) mit Sitz in Wien, ..., haftet für die mit diesem Bescheid über den verantwortlichen Beauftragten, Herrn J. P., verhängte Geldstrafe von

1)       € 1.400,00

2)       € 168,00

und die Verfahrenskosten in der Höhe von

1)       € 140,00

2)       € 168,00

sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG 1991 zur ungeteilten Hand.“

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis unter anderem vor:

„Wie bereits oben zum Sachverhalt ausgeführt, haben die betroffenen Arbeitsnehmer nicht auf einem erhöhten Standplatz mit Absturzgefahr gearbeitet. Die Arbeiten fanden im hinteren Teil des Vordaches an einem Verteilerkasten, welcher an einer Mauer montiert war, statt. Der Rand dieser Plattform war mindestens 6-7 Meter entfernt, die Arbeitnehmer hatten keinen Grund und auch keine Veranlassung sich auch nur in die Nähe dieser Stelle zu begeben. Zudem besteht gemäß § 7 Abs. 5 BauV eine Ausnahmebestimmung, dass bei Arbeit mit Blick zur Absturzkante bis zu einer Absturzhöhe von 5 Metern Absturzsicherungen entfallen können, wen die Arbeiten von unterwiesenen, erfahrenen, körperlich geeigneten Arbeitnehmern durchgeführt werden. Wenn die Behörde meint, dass auch die Ausnahmebestimmung des § 7 Abs 5 BauV nicht anwendbar sei, so wird darauf hingewiesen, dass bestritten wird, dass die Absturzhöhe 5,5 Meter betrug. Seitens des Arbeitsinspektorates wie auch im Spruch wird von ca. 5,5 Meter gesprochen, es steht daher keineswegs fest, dass die im § 7 Abs. 5 BauV genannten 5 Meter überschritten wurden. Zudem ist die hier vorliegende Situation von der Gefährlichkeit her wesentlich geringer einzuschätzen, als die in § 7 Abs 5 BauV angeführte Tätigkeit, schon wegen der Entfernung der Arbeiter zur Vordachkante. Bei sämtlichen Arbeitern handelt es sich um einschlägig geschulte Arbeiternehmer, sodass sehr wohl im Sine der Ausnahmebestimmung davon ausgegangen werden kann, dass eine Sicherung nicht notwendig gewesen wäre, abgesehen davon, dass eine Absturzgefahr im Sinne des § 7 BauV gar nicht vorlag. Diese Gefahr sah offensichtlich nur der Arbeitsinspektor und wurde über dessen Geheiß auch sofort ein Sicherheitsnetz angebracht.“

Das Verwaltungsgericht Wien führte daher am 22.1.2018 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher neben dem Beschwerdeführer und seinem Rechtsanwalt auch das Arbeitsinspektorat ... und mehrere Zeugen geladen wurden.

Mit Schriftsatz vom 19.1.2018 wandte der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde ein und führte dazu aus:

„Das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren wird gegen den Beschuldigten, Herrn J. P., geführt, welcher gemäß § 9 VStG zum verantwortlichen Beauftragten für die Niederlassung der C. GmbH in Salzburg bestellt wurde.

Wird für einen Filialbetrieb ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des zweiten Satzes des § 9 Abs 2 VStG bestellt, dann liegt der Ort einer von diesem zu verantwortenden Verwaltungsübertretung nicht am Sitz der zentralen Unternehmensleitung, sondern am Standort dieser Filialen (VwGH 95/02/0069). Der Beschuldigte ist ebenso in Salzburg wohnhaft.

Genau dieser Anwendungsfall liegt hier vor. Das Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk war daher nicht zuständig.“

In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien brachte der Beschwerdeführer im Wege seines ausgewiesenen Vertreters dazu ergänzend vor:

„Verwiesen wird auf den Schriftsatz vom 19.01.2018, in welchem die örtlichen Unzuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien eingewendet wird, da der Bf Leiter der Niederlassung als Prokurist die Region Mitte mit Regionalleitung in Salzburg ist und diese Funktion bereits zum Zeitpunkt der gegen ihn gerichteten Aufforderung zur Rechtfertigung vom 24.4.2017 innehatte und auch schon im Jahr 2015. Die Bestellung des Bf zum verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 VStG wurde dem AI Salzburg wurde bereits im Jahr 2009 bekanntgegeben, als sachlicher Zuständigkeitsbereich wurden unter Punkt 4 sämtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften, bezogen auf Mitarbeiter jener Abteilungen, die dem verantwortlich Beauftragten (=technischer Leiter) zugeordnet sind, angegeben. Unter Punkt 5 ist als räumlicher Zuständigkeitsbereich die Verantwortlichkeit für sämtliche Arbeitnehmerschutzvorschriften, betreffend dem Standort Salzburg sowie alle Baustellen außerhalb des Standortes, die unter Verantwortung des verantwortlich Beauftragten geführt werden, angegeben.“

Der Zeuge Dr. Ha. H. erstattete unter Wahrheitspflicht zu diesem Beweisthema folgende Zeugenaussage:

„Der Bf ist seit ca. 10 Jahren Leiter der Niederlassung „Region Mitte“ in Salzburg. Für diese Niederlassung sind ca. 140 Mitarbeiter tätig. Es handelt sich dabei um 50 Angestellte und 80 Arbeiter (Monteure), die auf verschiedenen Baustellen tätig sind. Der örtliche Bereich, in dem die Mitarbeiter der Region Mitte auf Baustellen arbeiten, ist vorwiegend Salzburg und Oberösterreich. Herr P. ist Gebäudetechniker (HTL-Absolvent) und bereits seit. ca. 40 Jahren im Unternehmen tätig. Der Bf hat sein Büro in Salzburg, von dort trifft er seine Anordnungen und Dispositionen, insbesondere auch im Bereich des Arbeitnehmerschutzes. Er führt die Montageleiter auf den verschiedenen Baustellen, die ebenfalls ihren Sitz in Salzburg haben. Diese Montageleiter erhalten Anweisungen, wie die Einhaltung von Arbeitnehmerschutz zu kontrollieren ist. Der Bf selbst überprüft die Einhaltung dieser Bestimmungen im Rahmen seiner Baustellenbesuche. Die Montageleiter sind gegenüber dem Bf berichtspflichtig. Für die Region Mitte der Firma C. ist der Bf hauptverantwortlich, nicht nur im Punkt des Arbeitnehmerschutzes.“

Der Vertreter des Arbeitsinspektorates ... gab nachstehende Stellungnahme ab:

„Im Rahmen einer Baustellenkontrolle am 14.4.2015 haben Arbeitsinspektoren des AI ... verschiedene Übertretungen festgestellt, die zu einer Strafanzeige gegen die C. GmbH geführt haben.

Sollte das VGW das Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien aufheben, wird ersucht möglichst rasch den Akt an die zuständige Behörde weiterzuleiten.“

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Aus der dem Arbeitsinspektorat Salzburg übermittelten Bestellungsurkunde geht hervor, dass die C. GmbH mit Sitz in Wien den Beschwerdeführer, Wohnadresse in Salzburg, für die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften für den räumlichen Zuständigkeitsbereich für das Bundesland Salzburg und alle Baustellen, die außerhalb dieses Standortes unter der Verantwortung des verantwortlich Beauftragten geführt wurden, bestellt hat. Der Beschwerdeführer ist daher nicht nur für die Zweigniederlassung in Salzburg, sondern auch für sämtliche Baustellen im Bundesland Salzburg und alle Baustellen, die außerhalb dieses Standortes unter der Verantwortung des verantwortlich Beauftragten geführt wurden, zuständig.

In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass es für den Bereich des VStG in Sachen, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung usw beziehen, für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörde grundsätzlich nicht auf den Ort ankommt, an dem das Unternehmen betrieben wird, also insbesondere nicht auf den Ort des Filialbetriebes (vgl. VwGH 12.3.1990, Zl. 90/19/0091, 0092, 0093). Der Tatort liegt vielmehr dort, wo die Dispositionen und Anweisungen (Vorsorgehandlungen) zu Vermeidung von Verstößen gegen arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen hätten gesetzt werden müssen (vgl. VwGH 25.3.1994, Zl 94/02/0026, VwGH 19.4.1994, Zl 94/11/0055).

Dies ist im Zweifel der Sitz des Unternehmens des Arbeitsgebers, denn von dort aus wären in der Regel die gebotenen Vorsorgehandlungen zu setzen, um Verstöße gegen arbeitnehmerschutzrechtliche Bestimmungen in den Filialen oder auf Baustellen zu vermeiden (vgl VwGH 12.3.1990, Zl 90/19/0091, 0092, 0093, VwGH 27.7.1994, Zlen 94/09/0064 bis 0070).

Wenn aber etwa für einen Filialbetrieb (hier: „Region Mitte“, Sitz der Unternehmensleitung in Salzburg) ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des zweiten Satzes des § 9 Abs 2 VStG bestellt ist, dann liegt der Tatort einer von diesem zu verantwortenden Verwaltungsübertretung nicht am Sitz der (zentralen) Unternehmensleitung. Der Ort, wo der verantwortliche Beauftragte Filialleiter die Disposition und Anweisungen zur Vermeidung von Verstößen hätte setzen müssen, ist eben der Standort dieser Filiale (vgl VwGH 19.4.1994, Zl. 94/11/0055). Die Behörde ist solange nicht verhalten, von Amts wegen Ermittlungen darüber anzustellen, ob nicht etwa die tatsächliche Unternehmensleitung von einem anderen Ort als vom Firmensitz aus erfolgt wäre, solange nicht ein Umstand hervorkommt, der eine solche Annahme begründen würde. Als „hervorgekommen“ ist ein solcher Umstand dann anzusehen, wenn er der Behörde zur Kenntnis gelangt ist, allenfalls in dem Zeitpunkt, in dem ihn die Behörde bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt hätte kennen müssen. Nur dann, wenn ein solcher Umstand nicht bis zur Fällung des Straferkenntnisses hervorkommt, ist die nach § 28 VStG vorläufig zuständige Behörde auch zur bescheidmäßigen Bestrafung zuständig (VwGH 27.7.1994, Zlen 94/09/0064 bis 0070).

Im angefochtenen, vom Magistrat der Stadt Wien erlassenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter der C. GmbH mit Sitz in Wien der Begehung von Verwaltungsübertretungen nach der BauV und dem Arbeitnehmerschutzgesetz für schuldig erkannt.

Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt ein Strafantrag des Arbeitsinspektorates ... zugrunde, in welchem festgehalten ist, dass der Beschwerdeführer dem Arbeitsinspektorat Salzburg als verantwortlich Beauftragter bekanntgegeben wurde, jedoch seitens der Y. GmbH und nicht von der C. GmbH.

Aufgrund des aktenkundigen Auszuges aus dem Firmenbuch (Bl. 9-13) ging jedoch der Magistrat der Stadt Wien davon aus, dass die Y. mit der C. GmbH schon mehrere Jahre vor der Tatzeit fusionierte.

In der Mitteilung nach § 23 Abs 1 ArbIG ist als Dienstort des Beschwerdeführers „Salzburg“ angeführt.

Damit steht nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens fest, dass im vorliegenden Fall der Ort, wo der Beschwerdeführer die Dispositionen und Anweisungen zur Vermeidung der verfahrensgegenständlichen Verstoße gegen die BauV und Arbeitnehmerschutzgesetz hätte setzen müssen, sohin der Tatort, nicht am Sitz der zentralen Unternehmensleitung der C. GmbH in Wien liegt, sondern am Ort der vom Beschwerdeführer geleiteten Niederlassung in Salzburg, wo er auch sein Büro hat. Dies hätte der Magistrat der Stadt Wien bei Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt auch erkennen können, zumal er in der Begründung des Straferkenntnisses vom 19.7.2017 ausdrücklich auf die Bestellungsurkunde Bezug nimmt.

Die Rolle der Arbeitsinspektorate in Ansehung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 ArbIG ist darauf beschränkt, dass sie sozusagen als Sammelstelle für mehrere Verwaltungsstrafbehörden die Mitteilungen der Arbeitgeber (von Organen iSd § 9 Abs 1VStG) entgegennehmen und ihr Wissen um die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten in die von ihnen erstatteten Anzeigen einfließen lassen. Ob aber eine konkrete Mitteilung die beabsichtigte Wirkung der Verschiebung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit auf eine bestimmte Person ausgelöst hat, muss immer von der Verwaltungsstrafbehörde entschieden werden (vgl. VwGH 8.7.1994, Zl 94/02/0079).

Im Hinblick auf die dargestellten, ausdrücklichen Angaben in der Bestellungsurkunde hätte auffallen können, dass der Dienstort des (im Übrigen auch unter anderem für Salzburg zuständigen) Beschwerdeführers, und damit der Tatort, nicht in Wien, sondern in Salzburg gelegen ist.

Da der Magistrat der Stadt Wien den Inhalt der Bestellungsurkunde, betreffend den Beschwerdeführer, nicht entsprechend gewürdigt hat, ist er irrtümlich davon ausgegangen, dass der Tatort am Sitz der zentralen Unternehmensleitung in Wien liegt. Er war aber auch nicht nach § 28 VStG als vorläufig zuständige Behörde zur bescheidmäßigen Bestrafung zuständig.

Es war daher spruchgemäß das angefochtene Straferkenntnis in Folge örtlicher Zuständigkeit der erstinstanzlichen Behörde aufzuheben.

Zuständig für das erstinstanzliche Verwaltungsstrafverfahren in dieser Sache ist der Magistrat der Stadt Salzburg.

Die ordentliche Revision ist für den Beschwerdeführer unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Für das Arbeitsinspektorat ... als Verfahrenspartei wird die ordentliche Revision zugelassen.

Schlagworte

Bestellungsurkunde; Wohnadresse; Salzburg; Einhaltung; Vorschriften; Dienstort; Tatort

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.042.007.10504.2017

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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